8 Virtual Cycling Apps im Test

"Es ist Winter und kalt draußen und unter manchen Umständen ist es einfach angenehmer, drinnen auf der Rolle zu fahren". So oder so ähnlich würde dieser Blogpost starten, wenn nicht 2020 wäre. Dieses Jahr kommen noch diverse Lockdowns, Quarantänen und Homeoffice dazu, die dem Indoor Cycling einen massiven Schub verpasst haben. Der scharenweise Zulauf zu diversen Trainings- und Unterhaltungsplattformen hat der ganzen Branche eine neue und zusätzliche Dynamik verpasst.

Platzhirsch ist fraglos Zwift, das 2013/2014 eines der ersten umfassenden Angebote auf den Markt gebracht habt. Seitdem hat sich auf Zwift viel getan und auch zahlreiche andere Player sind aufgetaucht - manche mit ähnlichen Angeboten, andere mit eigenen (guten) Verkaufsargumenten oder Alleinstellungsmerkmalen. Dass Zwift die Nummer Eins ist, haben nicht zuletzt zwei Ereignisse aus der kürzeren Vergangenheit gezeigt: Einerseits ist da die erste Virtual Cycling Weltmeisterschaft, die Anfang Dezember 2020 auf Zwift stattgefunden hat, zum anderen ein Investment von 450 Millionen US-Dollar, das Zwift im September diesen Jahres eingesammelt hat und das wohl für die Zukunft einiges an Erwartungen schürt.

Für diesen Blogpost möchte ich Zwift jedoch außen vor lassen. Ins Scheinwerferlicht werden die Alternativen gerückt. Ich habe über die letzten Wochen hinweg acht Alternativen getestet und ausprobiert und möchte meine Erkenntnisse und Erfahrungen mit euch teilen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit - jede App auf Herz und Nieren durchzutesten, würde jeglichen Zeitrahmen sprengen. Und wie immer sind meine Eindrücke und Meinungen natürlich subjektiv und meine eigenen :)

Zu jeder App bzw. jedem Programm gibt es in Folge eine kurze Zusammenfassung, dann eine Typen- und Kaufberatung und am Ende eine tolle Tabelle mit allen Informationen und zusätzlich auch noch ein Video, schließlich soll man ja auch sehen, wie das ganze in Action aussieht. Im Video gibt es darüberhinaus als Draufgabe einen "Special Guest" - da kann sogar der DC Rainmaker einpacken ;) Und weil es etwas mehr zu erzählen gibt, hier ein Inhaltsverzeichnis:

  1. Rouvy

  2. Kinomap

  3. Fulgaz

  4. Bkool

  5. RGT Cycling (Road Grand Tours)

  6. Sufferfest

  7. Trainerroad

  8. GPX am Wahoo Elmnt

Nicht getestet habe ich die Software von Tacx, die eigene Videos zum Nachfahren anbietet. Außerdem war es nicht möglich, "Velothon" zu testen - eine vielversprechende Software, die sich allerdings seit mittlerweile schon zwei Jahren im Beta-Stadium befindet.

Rouvy

Wenn man dem Gros der Stimmen aus dem Internet glauben schenken möchte, hat Rouvy die besten Karten, der Hauptkonkurrent von Platzhirsch Zwift zu sein. Das tschechische Unternehmen hat es 2020 auch geschafft, "Austragungsort" einiger offizieller Rennen zu sein, bspw. der virtuellen Flandern-Rundfahrt.

Rouvy bietet eine große und gute Auswahl an qualitativ hochwertigen (realen) Streckenvideos, man bewegt sich also auf "echten" Straßen und nicht in einer virtuellen Spielwelt. Die Videos laufen flüssig und die Synchronisation mit dem eigenen Tempo funktioniert sehr gut.

Was man auf Zwift eventuell nie hinterfragt, einem allerdings bereits bei der ersten alternativen App auffällt, ist die "Trainer Difficulty". Auf Zwift ist es nicht ungewöhnlich, auf dem großen Blatt einen sagen wir 8-10% steilen Anstieg hinaufzufahren - in erster Linie liegt das daran, dass Zwift default-mäßig den Trainerwiderstand niedrig anlegt. Auf Rouvy (und in allen anderen Apps dieses Tests) schaut das anders aus, 10% in der App fühlen sich auch an wie 10% draußen - zumindest merkt man das an der Gangwahl. Dementsprechend ist auch das Geschwindigkeitsgefühl und die Art und Weise wie man vorankommt realistisch und nahe an der Wirklichkeit.

Die Strecken und Anstiege sind in kleinere Abschnitte unterteilt, die alle ihre jeweilige Steigung hinterlegt haben. Die Steigungswechsel sind flüssig und entsprechen im Großen und Ganzen auch dem, was man am Bildschirm vor sich sieht. Wer die unmittelbaren und flüssigen Steigungsübergänge von Zwift gewöhnt ist, könnte allerdings bei den ersten Fahrten etwas irritiert sein.

Die Fahrer schauen aus wie Football Spieler, haben einen steifen Oberkörper und bewegen sich wie Roboter. Die Bewegungen wirken unnatürlich und auch die Dynamik passt irgendwie nicht zu dem was man macht - so steht der Fahrer zum Beispiel nicht auf, wenn die Trittfrequenz sehr niedrig ist. Sie schauen auf jeden Fall nicht aus wie Radfahrer - Vicenza Nibali wäre noch mehr ein Strich in der Landschaft neben einem Rouvy-Avatar - und wenn man in Ruhe das Grödner Joch hinauf fährt, irritiert der Avatar fast ein bisschen. Praktischerweise kann man den Avatar aber auch einfach ausblenden und so einen ungestörten Blick auf die Strecke erhaschen.

Andere Fahrer sind zwar (vereinzelt) auf den gleichen Strecken unterwegs und man sieht auf der linken Seite des Bildschirms ein "Leaderboard" bzw. eine Liste der Fahrerinnen und Fahrer, Interaktion ist allerdings keine möglich.

Gamifikation oder anderen Kurzweil sucht man eher vergeblich - wenn man direkt von Zwift kommt, kann das ungewohnt sein. So gibt es zwar "Wertungsbögen" auf den Strecken bei Halbzeit, dort passiert allerdings nichts weiter als dass die eigene Zeit angezeigt wird.

Reizvoll sind hingegen der Karrieremodus, in dem man Stufe für Stufe Erfahrungen sammelt und vom Rookie zum Profis heranwächst. Badges, Challenges und organisierte Rennen bieten Herausforderungen abseits des einsamen Abfahrens von Strecken. Auch Trainingsprogramme sind im Funktionsumfang von Rouvy enthalten, wenn diese auch - für mich nicht ganz nachvollziehbar - noch einmal in einer eigenen App untergebracht sind.

169k-Testergebnis: Gute Strecken und Videos und die größte Verbreitung hinter Zwift. Die Umsetzung ist gut und die App macht Spaß, aber nur wenn den ungelenken Avatar ausblendet.

Kinomap

Auch bei Kinomap liegt der Fokus auf realen Videos, anhand derer man sich durch die ganze Welt bewegen kann. Die Auswahl an Videos ist sehr groß und man weiß im ersten Moment gar nicht, wonach man filtern oder suchen soll. Dafür ist die Suchfunktion aus meiner Sicht auch nicht wirklich ideal, das haben andere Mitbewerber etwas besser gelöst. Aber es ist definitiv für jede und jeden etwas dabei.

Während der Aktivität fährt man die Videostrecke ab, es gibt keinen Avatar der ablenkt. Es sind zwar andere Fahrer auf der gleichen Strecke unterwegs, ein Aufeinandertreffen hat allerdings keine Auswirkungen und es ist auch keine Interaktion möglich oder vorgesehen.

Zwei Dinge fallen aus meiner Sicht bei Kinomap am schlechtesten (in dieser Auswahl von Apps) aus: Einerseits ist die Anpassung der Geschwindigkeit der Videos bzw. die Synchronisierung des Videos zur gerade erbrachten Leistung am Rad am diffusesten. Manchmal scheint das Video fast etwas zu ruckeln, wie wenn das Programm nicht genau wüsste, was man auf dem Rad gerade macht. Natürlich fällt dies eher bei Videos auf, wo noch andere Fahrer, Fußgänger oder Autos unterwegs sind, aber mich persönlich irritiert es ein wenig. Und alles was "unnatürlich" aussieht, trübt bei mir recht schnell den Spaß. Auf einer anderen Strecke war ich bergab mit 75 virtuellen km/h unterwegs, während das Video im Schneckentempo abgespielt wurde.

Weiteres "Problemfeld" sind aus meiner Sicht die Steigungen in Kinomap. Diese sind nämlich auf recht große Abschnitte "ausgebreitet" - soll heißen, dass zum Beispiel im Anstieg zuerst ein 550 Meter langer Abschnitt mit 5,4 Prozent kommt, danach ein 300 Meter langer Teil mit 7,3 Prozent, danach 800 Meter mit 2,3. Alles in allem erzeugt das nicht nur eine irgendwie abgehackte Fahrt sondern auch einen unrealistischen Eindruck der realen Strecke. Ich konnte nicht herausfinden, ob das nur bei den von mir getesteten vier Strecken der Fall war oder bei allen Videos auf Kinomap. Normalerweise werden Videos mit einem dazugehörigen GPX-File eingereicht und angeboten, dementsprechend sollte eigentlich ein detailliertes und feiner unterteiltes Höhenprofil möglich sein.

Es gibt Workouts, die allerdings recht rudimentär daherkommen, einen Challenge-Mode gegen die Zeit und eine gute Mischung aus Features. Für manche mag auch ein Kriterium seien, dass bei Kinomap nur sehr wenige Strecken aus Österreich zur Auswahl stehen.

169k-Testergebnis: Leider vermiest die technische Umsetzung (vor allem die seltsame Steigungsdynamik) jeglichen Spaß am Radfahren.

Fulgaz

Öffnet man Fulgaz zum ersten Mal landet man in einem optisch wenig anspruchsvollen und irgendwie seltsam strukturierten Hauptmenü. Das war es dann aber auch schon mit den Kritikpunkten!

Es gibt einen Haufen Videos realer Strecken, die auf ein Nachfahren warten. Die Sortierung und Suchfunktion ist die beste aller Apps, die Unterteilung ist sinnvoll und man findet schnell, was man sucht oder worauf man gerade Lust hat. Neben den klassischen Kategorien "Berg", "lange Strecken" und "flach" gibt es außerdem - als einzige App - sogenannte Sightseeing-Strecken und auch eine Hand voll Mountainbike-Trails. Am anderen Ende des Regenbogens führt die Ironman Kona Strecke die Liste der "Long Runs" an. Viele Videos sind außerdem auch in 4K-Auflösung verfügbar - ein Alleinstellungsmerkmal im Strauß der Virtual Cycling Apps. (Auch wenn mir persönlich der unmittelbare Nutzen von 4K - mangels geeigneter Abspielgeräte - nicht so wichtig ist...).

Neben der hohen Qualität der Videos ist mir persönlich die gute Synchronisation mit den eigenen Leistungen am wichtigsten - und die funktioniert bei Fulgaz hervorragend. Der Widerstand ist im Mittelfeld, kann allerdings individuell angepasst werden. Die Steigungswechsel sind recht flüssig, die Übergänge gut ausgestaltet - damit ist man recht nahe an der Realität dran und das Videobild stimmt auch mit dem überein was man spürt.

Als einzige App mit realen Streckenvideos kann man bei Fulgaz einzelne Videos lokal herunterladen und damit auch offline trainieren.

Es sind keine anderen Fahrerinnen oder Fahrer auf den Strecken unterwegs - nichts verstellt den Blick auf die Straße, die man neben Video auch als Kartenansicht oder Satellitenbild von oben genießen kann.

169k-Testergebnis: Mein Favorit, wenn man reale Streckenvideos und gute technische Umsetzung haben möchte.

Bkool

Bis vor kurzer Zeit war Bkool noch Hersteller von Rollentrainern, mittlerweile dürften sich die Spanier voll und exklusiv auf ihre App konzentrieren.

Auch hier geht es auf realen Strecken zur Sache, allerdings bietet Bkool als einzige App die Möglichkeit, während der Fahrt zwischen Video, virtueller Strecke und Kartenansicht zu wechseln. Wem das Video mit der echten Strecke und dem realen Verkehr zu viel sein sollte, kann also jederzeit - sofern verfügbar - in eine virtuelle Welt entfliehen, die anhand der GPX-Daten modelliert ist. Auf diese Art und Weise kommt zusätzliche Variation und Abwechslung in die ganze Geschichte.

Bevor man jedoch in die Pedale tritt, empfängt einen die App mit einem gut gemachten und umfassenden Intro, einer Vorstellung der verfügbaren Funktionen und einer entsprechenden "Einschulung" - Pluspunkte dafür! Punkteabzug und großes Unverständnis gibt es von mir allerdings für das Video, das im Rahmen des Tutorials verwendet wird. Hier wäre man mit so gut wie jedem anderen Video besser bedient gewesen und der erste Eindruck wäre jedenfalls ein besserer gewesen.

Neben dem Einführungsvideo finden sich noch zahlreiche andere, die verwackelt oder seltsam schief daherkommen oder einfach nicht gut gefilmt sind. Hier haben alle Apps mit realen Strecken wohl unterschiedliche Herangehensweisen in Bezug auf Streckenauswahl, Videoübermittlung und Qualitätssicherung. Mich persönlich konnten die Videos auf Bkool großteils leider nicht überzeugen - vor allem wenn man Rouvy und vor allem Fulgaz als Benchmark heranzieht.

Teil der Einführung in die App ist auch ein Leistungstest, den man absolvieren muss, um die korrekte FTP anzugeben - ein direktes Eingeben des FTP-Werts ist nicht möglich. Fahren kann man natürlich trotzdem, allerdings geht der Avatar dann schon recht früh aus dem Sattel und die Bewegungen stimmen nicht mit dem überein, was man auf dem Rad macht.

Apropos Übereinstimmung - die Synchronisation zwischen Video und Leistung auf dem Trainer ist solala und eher Mittelfeld, die Steigungen sind zwar gut abgestuft stimmen aber mitunter nur so halbwegs mit dem überein, was man im Video sieht.

Andere Fahrer findet man vereinzelt auf den Strecken, eine Interaktion ist allerdings nicht vorgesehen oder möglich. Mit Trainings, “Live-Strecken” (also quasi organisierten Events) und vielen anderen Features ist für einige Stunden Unterhaltung und Trainingsvariation gesorgt.

Bkool hat übrigens den härtesten Widerstand von allen Apps. Bei 7% Steigung war ich mit 250 Watt bereits im ersten Gang unterwegs...

169k-Testergebnis: Viele Strecken und guter Funktionsumfang, allerdings sind die Videos nicht so hochwertig wie in anderen Apps.

RGT Cycling (Road Grand Tours)

In RGT habe ich persönlich die größten Hoffnungen gesetzt, einen annähernd ebenbürtigen Rivalen zu Zwift zu finden. Und die Grafik des "Spiels" enttäuscht nicht - in bester Auflösung kann man eine der realen Strecken (Stilfser Joch, Cap Formentor, und andere) unter die Räder nehmen. Auch gut gemacht sind die Steigungen und Übergänge, der Widerstand ist realistisch und passt mit dem zusammen, was man am Rad aufführt.

ABER! Was mich absolut fertig macht sind die Bewegungen des Avatars. Und daran ändern auch die ansprechenden Kameraperspektiven und Blickwinkel nichts. Wenn sich der Avatar 100 Meter vor einer Kurve beginnt nach innen zu lehnen aber noch munter geradeaus weiterfährt, dann kann das nicht "realitätsgetreu" sein. Das mag anderen egal sein, mir verdirbt so etwas den Spaß an der App - leider.

Über andere Kleinigkeiten könnte ich sonst noch hinwegsehen: den enormen Ressourcenverbrauch des Programms zum Beispiel, wo ich auf einem halbwegs aktuellen MacBook Pro die Grafikeinstellungen etwas reduzieren muss, um ein flüssiges Bild zu bekommen. Oder die umständliche Lösung mit "Screen App" (am Computer oder iPad) und verpflichtender zusätzlicher "Mobile App" am Telefon. Oder der Tatsache, dass am Ende der Strecke einfach nichts passiert - keine Wertung, keine Zusammenfassung... nur ein Umdrehen und Zurückfahren.

Auch “Magic Roads”, wo man ein eigenes GPX-File einschicken kann und RGT innerhalb von wenigen Minuten in-game eine entsprechende virtuelle Strecke bereitstellt, ist leider nicht so beeindruckend, wie ich es mir erhofft hatte. Zwar bekommt man eine virtuelle Strecke mit den "richtigen" Kurven und Gradienten aber die Landschaft ist ein bleibt eine beliebige und zufällige Insel/Palmen-Mischung. Schon klar, dass man nicht die "echte" Strecke nachgebaut bekommen kann, aber aus meiner Sicht werden hier höhere Erwartungen geschürt, als dann erfüllt werden können.

169k-Testergebnis: Vielleicht bin ich auch nur enttäuscht, weil ich mir von RGT so viel erwartet habe. Aber gute Grafik alleine reicht einfach nicht!

Sufferfest

Sufferfest gehört Wahoo und ist dementsprechend gut in das Wahoo-Universum eingebettet - man kann sich mit einem bestehenden Wahoo-Login anmelden und bei jedem Kickr Smarttrainer ist ein 60-Tage-Test inklusive. Und neben Radfahren bedient Sufferfest auch gleich noch andere Sportarten und -bereiche: Multisport, Yoga, Krafttraining und einiges mehr.

Wenn man sich einen der Trainingspläne von Sufferfest als Grundlage hernimmt, kann man sein komplettes Training inklusive Cross-Activities, Strength und Entspannung in der App absolvieren. Das Ganze ist dabei gut gelöst und einfach zu handhaben.

Bei Sufferfest verabschieden wir uns von klassischen Streckenvideos und Routen, hier geht es um Training anhand von definierten Parametern. Nachdem das eventuell nicht so einfach zugänglich ist, wie das Nachfahren von Straßen, gibt es ein toll gemachtes, unterhaltsames und aufschlussreiches Intro und Tutorial-Video. Hat man dieses absolviert, sind eigentlich alle Fragen beantwortet. Und gleichzeitig fühlt man sich richtig abgeholt und aufgenommen in den Club der "Sufferlandrians". Ein bisschen Übung erfordert es dann trotzdem, bis man die gesamte Systematik durchschaut und internalisiert hat. Für mich war zum Beispiel anfangs schwer, die Wattwechsel mitzugehen - allerdings ist das ein Thema von 2-3 Einheiten, dann geht alles gut von der Hand.

Die Videos sind hochgradig kurzweilig und unterhaltsam, von Szenen aus dem Profi-Peloton über romantische Fahrten durch den Wald bekommt man unterschiedliche Videoschnipsel eingespielt - je nachdem was gerade zum Traininigsblock passt. Anweisungen, Anleitungen und Motivationssprüche sorgen dafür, dass man 1. immer weiß, was zu tun ist und 2. gut unterhalten und motiviert ist. So vergeht die Zeit während dem Training wie im Flug.

In Homeoffice Zeiten lässt sich die App praktisch minimieren, sodass der Bildschirm noch dazu verwendet werden kann Mails zu beantworten. OK, oder Netflix zu schauen...

169k-Testergebnis: Durchdachtes Konzept, das gleichsam unterhält und motiviert. So macht Training Spaß und man bedankt sich auch noch artig, nachdem man sich durch Intervalle gequält hat.

Trainerroad

"Reduced to the max" wäre wohl eine jener Formeln, die an dieser Stelle stehen könnten. Bei Trainerroad geht es nur um eines - Training! Alles andere wird ausgeblendet bzw. existiert erst gar nicht. Nach Avataren, Strecken, Videos, Chats und Gamification sucht man hier also vergeblich - das ist eine andere Zielgruppe.

Trainerroad hat eine immense und vollständige Bibliothek an Trainingsplänen und -einheiten und diese spult man trocken und cool ab - zumindest was Aufmachung und Design angeht. Beim Treten und Trainieren wird es dann ohnehin weniger "cool" zugehen.Mir fallen noch weitere Attribute und passende Adjektive ein: trocken, technokratisch, schick, klar, no bullshit!

Auf dem Bildschirm ist ein Balken zu sehen, der die Watt vorgibt. Diesem zu folgen ist die einzige Vorgabe, die das Programm gibt. Sofern man aus seinem schweißtropfenden Gesicht noch etwas sieht, erhält man gute Anleitungen, Erklärungen, warum man gerade das tut, was man macht und sinnvolle Motivationssprüche.

Da die trockene Aufmachung einigen doch einen Tick zu langweilig sein dürfte, fährt das Gros der User mit Netflix oder TV nebenbei oder aber auch gleichzeitig mit Zwift.

169k-Testergebnis: Maximales Training? Trainerroad! Am weitesten entfernt von einem "Computerspiel" - im positiven Sinn.

GPX am Wahoo Elmnt

Etwas außer Konkurrenz läuft das Nachfahren eines GPX-Tracks auf dem Wahoo Elemnt - handelt es sich dabei doch nicht um eine App im eigentlichen Sinn. Aber auch das ist mitunter eine schöne Möglichkeit, Strecken nachzufahren oder neue kennenzulernen.

Jeder Elemnt hat eine Kickr-Datenseite, die man einmal in der App aktivieren muss und die aktiv wird, sobald ein Kickr in der Nähe zu arbeiten beginnt. Dann ist es möglich, über den Radcomputer den Widerstand des Kickrs zu regulieren oder aber eine GPX-Datei am Elemnt als Strecke auszuwählen. Dieser steuert dann den Widerstand und simuliert die Steigungen.

So kann man - ohne Mehraufwand und Ablenkung - seine Strecken nachfahren, die Auffahrt auf den Mont Ventoux versuchen oder das Zeitfahren rund um den Attersee (den tollen King of the Lake) trainieren. Dabei kann wie gewohnt zwischen Datenfeldern, Höhenprofil und Kartenansicht gewechselt werden.

Das funktioniert grundsätzlich ganz gut, allerdings nur solange man einen tatsächlich gefahrenen GPX-Track verwendet. Dieser hat genug "echte" Datenpunkte, damit die Strecke und die Steigungswechsel entsprechend geschmeidig umgesetzt werden. Nimmt man einen nur geplanten Track sind Datenpunkte und "Bread Crumbs" (also die Punkte, an denen sich der Computer orientiert) zu weit auseinander oder zu wenig und Steigungswechsel werden eher abenteuerlich als realitätsgetreu.

Das Ganze funktioniert offenbar auch mit Garmin-Computern und anderen Trainern, allerdings habe ich das nicht selbst ausprobiert.

169k-Testergebnis: Wer ein konkretes GPX-File nachfahren möchte und dabei keinerlei Training oder Ablenkung braucht, ist hier eventuell gut bedient - allerdings nur mit bereits gefahrenen GPX-Tracks!

Alle Apps im Überblick

Fazit, Typen- und Kaufberatung

Rollenfahren ist eine eigene Geschichte - nicht nur, ob man es grundsätzlich mag oder nicht, auch die Anforderungen an eine Virtual Cycling App können sehr unterschiedlich sein. Im Endeffekt kann man drei Kategorien oder Gruppen bilden: "Zwift-artige" virtuelle Welten, reale Videos oder reine Trainings-Apps.

Das Nachfahren anhand realer Streckenvideos war für mich bis jetzt kein Thema, erst dieser Test hat mir gezeigt, dass darin durchaus ein großer Reiz liegt. Auch auf diese Weise kann man neue Ecken der Welt oder des eigenen Landes kennenlernen, bekannte Strecken nachfahren oder die Landschaft in Südamerika studieren. Die technisch korrekte Umsetzung und da vor allem die Steigungssimulation ist für mich wesentlich, damit mir das Radfahren Spaß macht. Fulgaz und Rouvy bekommen das am besten hin - Fulgaz hat die schöneren Videos und die bessere technische Umsetzung, Rouvy hat dafür mehr Strecken zur Auswahl und die etwas größere Community. Kinomap überzeugt mich nicht, Bkool hat eine große Auswahl und zahlreiche Features, wirkt aber irgendwie noch nicht ganz ausgegoren.

Trainerroad und Sufferfest sind reine Trainingsprogramme, wissenschaftlich aufbereitet und auch entsprechend dargereicht. Hier hat man von Anfang an den Eindruck, ernsthaft an seiner Leistung zu schrauben - bei Sufferfest zusätzlich mit kurzweiliger Ablenkung und Unterhaltung. Auf Dauer würde mir hier aber etwas fehlen - nur vor sich verändernden Leistungsbalken zu sitzen, wäre mir über einen ganzen Winter hinweg zu wenig. Aber wer auf no-nonsense steht und den maximalen Output sucht, ist hier wohl am besten bedient.

Vom Konzept her Zwift am Ähnlichsten ist RGT Cycling, allerdings ist hinter der tollen Grafik (leider) nicht allzu viel Substanz bzw. sind viele Funktionen in meinen Augen schlicht und ergreifend noch nicht fertig.

Was bedeutet dieser Test für mich?

Zwift kann etwas, was mir bis dato gar nicht so richtig bewusst war: Nur Zwift denkt in einer "SpielWELT" und nicht in Strecken und genau dieser "Weltgedanke" ist mir in meinem Radfahren wichtig. So wie ich auch draußen oft planlos fahre und die Vielzahl der Möglichkeiten genieße, so freue ich mich auch in Zwift über die Möglichkeit, bei Kreuzungen spontan abbiegen, Routen variieren zu können und zu Beginn der Fahrt noch nicht zu wissen, wo man eventuell enden wird. Außerdem ist Zwift im Moment technisch am ausgereiftesten - von der Fahrdynamik, dem Avatar, den Steigungswechseln bis hin zur Interaktion mit anderen Fahrerinnen und Fahrern.

Ich werde daher jedenfalls mein langjähriges Zwift-Abo weiterführen - keine Frage. Zusätzlich werde ich diesen Winter eventuell Fulgaz weiter testen, die qualitativ hochwertigen Videos machen Laune und bieten eine gute Mischung aus Training und Sightseeing.

Video

Das folgende Video soll noch einen wichtigen Einblick geben, wie die Apps tatsächlich im Betrieb aussehen - sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen ist immer wichtig. Und nachdem alle Apps Testmöglichkeiten (meistens von 14 Tagen) biete, kann man sich interessante Apps auch einfach mal runterladen und und ausprobieren.

169k - Rides

In diesen Tagen feiert 169k seinen vierten Geburtstag. Am 24.11.2016 ging hier der erste Blogbeitrag online. Seitdem sind viele spannende und schöne Dinge passiert und ich bin sehr dankbar für alle Veranstaltungen, Themen und vor allem Menschen, die in den letzten vier Jahren meinen Weg gekreuzt haben.

Nun hat Corona auch das 169k-Jahr durcheinandergebracht und viele Dinge konnten nicht so umgesetzt werden, wie geplant. Einige Projekte und Themen sind in der Warteschleife und können erst dann realisiert werden, wenn sich die Rahmenbedingungen wieder normalisiert haben.

Zum Geburtstag möchte ich aber trotzdem noch ein Herzensprojekt auf den Weg schicken, nämlich "169k Rides" - eine Mischung aus Community Building, Routeninspiration und schönen Gewinnspielen.

Es wird jedes Monat einen Routenvorschlag geben - einen Abschnitt, der mir besonders am Herzen liegt und den ich gerne teilen möchte. Teilen mit allen, die auch gerne einmal etwas Neues ausprobieren oder auch mal auf den unbekannten Weg einbiegen. Diese Route kann man alleine oder in der Gruppe nachfahren - wer den Parcours absolviert hat und mit dem Hashtag #169krides etwas auf Facebook und/oder Instagram postet, nimmt auch am Gewinnspiel teil - es gibt jedes Monat etwas zu gewinnen. Das soll nicht die Hauptmotivation sein aber ein kleines Incentive hat noch nie geschadet... Zum Auftakt gibt es beispielsweise ein von Patrick Konrad signiertes Meistertrikot. Über das was noch kommt, möchte ich noch nicht mehr verraten.

Dabei ist nicht wichtig, wie schnell man auf der Strecke war. Vielmehr möchte ich zu neuen Wegen inspirieren, zu Gruppenfahrten einladen und das Erleben in den Vordergrund stellen. Einmal pro Monat wird es daher auch - so die Rahmenbedingungen und Corona das erlauben - eine von 169k organisierte Gruppenfahrt geben - Ehrengäste nicht ausgeschlossen :)

Mit dem Hashtag #169krides sollen schließlich noch eure Erlebnisse, Ausfahrten und vor allem Fotos versehen werden, die dann am Ende des Monats als kleine Collage noch einmal einen Überblick geben sollen, was wir alle gemeinsam erlebt, wen wir getroffen haben und wo wir unterwegs waren.

Kurz noch einmal die Facts:

  • ein GPX-Track pro Monat

  • nachfahren und dokumentieren

  • Hashtag #169krides verwenden

  • auf diese Weise am Gewinnspiel teilnehmen

  • es gibt eine organisierte Gruppenfahrt pro Monat

  • Radfahren und genießen!

Ich freu mich sehr!

Alles Liebe und bleibt gesund, Martin

Welcher Smart-Trainer passt zu mir?

Die kalte Jahreszeit lässt sich mannigfaltig nutzen und am besten ist ohnehin, wenn man die "Off-Season" für unterschiedliche Aktivitäten nützt: Laufen oder Langlaufen als Ausdaueralternativen; Skitouren gehen, wenn man in den Bergen wohnt; Cyclocross-Rennen wenn man auch im Winter eine richtig harte Challenge sucht; Mountainbiken, wenn man seine Fahrtechnik-Skills etwas aufpolieren möchte; oder aber natürlich das klassische Rollentraining. Wobei so klassisch ist das nicht mehr, seit sowohl hardware- als auch softwareseitig enorm aufgerüstet wurde! Seitdem gibt es kein stundenlanges Pedalieren mehr vor einer weißen Wand - außer natürlich man möchte genau das, wie Jonas Deichmann... ;)

Cyclocross…

…oder Zwift?

Um in den Genuss von Plattformen wie Zwift und Co. kommen zu können, ist ein sogenannter "smarter" Rollentrainer notwendig. Dieser unterscheidet sich von einem "dummen" (also nicht "smarten") dadurch, dass er mit Computer, Tablet oder Telefon kommunizieren kann und sich auf diesem Wege auch steuern lässt. Mit dem Ergebnis, dass eine Steigung auf dem Radcomputer oder auf Zwift auch als solche spürbar wird, weil die Software den Widerstand des Rollentrainers erhöht. Gleiches gilt für Trainingsblöcke oder Intervalle, bei denen man "nur" noch treten muss - den richtigen Widerstand besorgen der Rollentrainer und das dazugehörige Trainingsprogramm. Auf diesem Wege lassen sich auch Einheiten auf der Rolle unterhaltsam und kurzweilig gestalten und der Schrecken des monotonen Wintertrainings verfliegt im Nu!

Bei der Anschaffung einer smarten Trainingsrolle sollte man vorab kurz seine Anforderungen definieren, denn die Modelle unterscheiden sich sowohl in Funktion als auch Preis mitunter deutlich. Es gibt natürlich mehrere Hersteller am Markt, von Wahoo hatte ich allerdings schon drei unterschiedliche Systeme und Modelle in Verwendung, deshalb werde ich diese als Bespiel heranziehen, um auf Unterschiede, Nutzen und Eignung einzugehen.

Arten von Rollentrainern

"Wheel-On Trainer" (Wahoo Kickr Snap)

So oder so ähnlich kennt man einen Rollentrainer bzw. so haben sie vor einigen Jahren auch schon ausgeschaut - ein stabiles Metallgestänge mit einem Widerstand dazwischen. Man nimmt sein eigenes Rad so wie es vor einem steht und spannt es in den Trainer ein. Man muss dazu lediglich den mitgelieferten Schnellspanner verwenden oder die geeignete Steckachse verwenden. Steckachsen sind da so ein Thema, so wie es teilweise auch noch vereinzelt zu Problemen mit Scheibenbremsen kommen kann, wenn schlicht und ergreifend nicht genug Platz ist, um die Scheiben noch unterzukriegen. Bezüglich der Scheibenbremsen sollte man vorab die Produktbeschreibung und die Kompatibilität checken. Bei Steckachsen ist es so, dass man dafür oft extra Adaptersets dazubestellen muss. Technisch ist das absolut problemlos aber es entstehen halt noch einmal zusätzliche Kosten - am Beispiel des Wahoo sind das immerhin 50 Euro und damit 10% des Preises des Trainers an sich. Hat man die Adapter aber einmal in Verwendung, ist das Rad sicher und stabil mit dem Rollentrainer verbunden. Einen Hebel noch umgeklappt und schon treibt das Hinterrad den Rollentrainer an und der Spaß kann beginnen. Der Widerstand verändert sich entweder - ohne Steuerung von außen - progressiv, oder aber man überlässt die Steuerung einem Wahoo Elmnt Radcomputer oder einer Trainingssoftware a la Zwift oder Trainerroad - Stichwort “smart”.

Vorteile einer derartigen Bauform sind der vergleichsweise günstige Einstiegspreis sowie die Flexibilität, so gut wie jedes Rad einspannen zu können. Wenn man zum Beispiel auf unterschiedlichen Rädern trainieren möchte - sagen wir Rennrad und Zeitfahrrad, so wie ich das im Frühjahr gemacht habe - dann geht dieser Wechsel schnell von der Hand und es sind keine Umbauarbeiten oder dergleichen notwendig. Ebenfalls ein Faktor sind unterschiedliche Antriebssysteme: bei SRAM-12fach auf meinem Zeitfahrer und Shimano 11fach auf meinem Rennrad wäre ein Wechsel immer mit einem gewissen Aufwand verbunden gewesen - mit dem Kickr Snap bzw. einem anderen Wheel-On-Trainer, kein Problem.

optionale Steckachse für den Wahoo Kickr Snap

Aufgrund der indirekten Kraftübertragung über den Hinterreifen hat man geringe Einbußen bei der Unmittelbarkeit des Fahrens - ein paar Watt werden so im System verloren gehen und auch Tempowechsel oder die von der Software gesteuerten Widerstandswechsel werden nicht so direkt und unmittelbar spürbar.

Während viele Reifenhersteller dezidierte Indoor-Reifen anbieten, kann ich dabei keine besonderen Vor- oder Nachteile feststellen. Wichtig ist da eher, dass das Rad mit all seinen Bestandteilen sauber ist, denn der Dreck vom Rad wird sich sukzessive in der Wohnung verteilen, wenn sich das Hinterrad dreht. Kann sein, dass es hier einzelne Reifen-Modelle gibt, bei denen man eventuell Abrieb merkt oder dieser sich in der Wohnung verteilt. Bei meinen Reifen (Vittoria, Pirelli und Continental) konnte ich das allerdings nicht bemerken.

Durch die unterschiedlichen (und zahlreicheren) bewegten Teile ist auch die Geräuschentwicklung bei dieser Bauform von Trainern etwas größer. Das sollte man auf jeden Fall bedenken, wenn man kein Haus sein eigen nennt oder empfindliche Nachbarn hat. Und bei jeder Art von Trainer sollte man nicht nur bedenken, dass der Trainer selbst Geräusche entwickelt sondern auch die Bewegungen und Vibrationen wiederum Körperschall erzeugen, der sich über Wände, Böden und Decken in alle Richtungen verteilt. So kann es passieren, dass es für einen selbst im Raum gar nicht so laut ist, bei den Nachbarn allerdings ein lästiges und lautes Dröhnen entsteht.

Direct Drive-Trainer (Wahoo Kickr)

Am anderen Ende der Produktpalette steht der Wahoo Kickr, der mit diesem Jahr in einen neuen Produktzyklus eingetreten ist. Er ist der klassische Vertreter der Trainer mit "Direct Drive". Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass das eigene Rad ohne hinteres Laufrad direkt in den Trainer eingespannt wird. Die Kraftübertragung erfolgt damit von der Kette des Rads direkt auf den Widerstand des Rollentrainers, mit dem Ergebnis, dass Tempo- und Wattwechsel schnell und direkt spürbar sind und das allgemeine Fahrgefühl besser wird. Außerdem reduzieren sich dadurch etwaige Reibungsverluste im System - so kommt die ganze Kraft aus den Muskeln auch tatsächlich bei der Walze an - der größte Vorteil von Direct Drive!

Vorteile bestehen demnach in der Kraftübertragung, der Direktheit, dem schnellen Ansprechverhalten bei Tempowechseln und dem generell höheren Leistungsvermögen der Rolle. Es sind weniger Teile in Bewegung (das komplette hintere Laufrad fällt weg), damit reduziert sich auch der Verschleiß an Teilen des eigenen Fahrrads. Auch durch die hochwertige Ausgestaltung des Widerstands läuft der Direct Drive-Trainer in der Regel bedeutend leiser als ein Modell, bei dem man das gesamte Rad einspannt. Wahoo hat hier mit dem Kickr über die letzten Jahre erstaunliches geleistet und so kommt die aktuelle Iteration des Wahoo Kickr mit einem derart leisen Betriebsgeräusch daher, dass man teilweise schon glauben könnte, es bewegt sich dort unten gar nichts... Je nach Intensität und Leistung ist das Laufgeräusch der Kette am eigenen Rad lauter als das Betriebsgeräusch des Trainers.

Dem aktuellen Kickr-Modell wurden als Sahnehäubchen noch bewegliche Füße gegönnt, die eine größere seitliche Bewegung des Rads erlauben und so ein noch realistischeres Fahrgefühl ermöglichen. Nicht ganz das, was man mit einer "Roller Plate" oder "Swing Plate" erreichen würde, wo sich ja tatsächlich das ganze System neigt und bewegt und auch nicht dasselbe wie die "Road Feel"-Funktion von Tacx aber eben eine gewisse Flexibilität in Seitenrichtung. Positiver Nebeneffekt: Damit hat auch das Rad etwas mehr "Bewegungsspielraum", was vielleicht jene Zweifler etwas beruhigen wird, die sich um ihren Untersatz Sorgen machen. (Obwohl ich persönlich keinen Fall kenne, bei dem ein (Carbon-)Rahmen auf der Rolle Schaden genommen hätte).

Das alles hat allerdings seinen Preis und die Anschaffung eines Direct Drive-Trainers will dann auch dementsprechend überlegt sein. Wer jedoch regelmäßig trainieren oder an der Genauigkeit und Direktheit seine Freude haben möchte, der wird um einen Direct Drive-Trainer wie den Kickr nicht herumkommen. Und auch die Nachbarn daneben und darunter werden ihre Freude haben.

Wahoo Kickr Core

Wer auf die Leistungsfähigkeit eines Direct Drive-Trainers nicht verzichten möchte, jedoch nicht das letzte Quäntchen aus sich und dem Trainer (und seiner Geldtasche!) ausreizen möchte, findet vermutlich in der goldenen Mitte ein gutes Zuhause. Der Kickr Core vereint die positiven Eigenschaften des "großen" Kickrs (im Sinne eines Direct Drive-Trainers) und verzichtet dabei nur auf einige wenige Merkmale, die allerdings im Alltag eines Radsportlers verzichtbar sein dürften. Statt 2.200 kann der Core beispielsweise "nur" 1.800 Watt simulieren - das dürfte aber eher Andre Greipel oder Sam Bennett stören, weniger uns "Normalos". Auch die simulierbare Steigung ist beim Core mit 16% etwas geringer. Und während beim "großen" Kickr bereits eine Kassette montiert ist, muss man diese beim Kickr Core zusätzlich besorgen. Angesichts der Vielfalt der aktuell verfügbaren Antriebsgruppen ist es aber ohnehin meistens notwendig, die passende Kassette nachzukaufen.

Einziges tatsächliches Manko des Core ist aus meiner Sicht, dass sich dieser nicht zusammenklappen lässt. Während man Kickr Snap und Kickr verkleinern und (z.B. im Sommer) gut verstauen kann, benötigt der Kickr Core etwas mehr Platz.

Komplettes Trainingsbike (Kickr Bike)

Wer sich mit voller Hingabe dem Indoor-Training widmen will, der hat auch noch Training-Bikes als Option - zum Beispiel das Kickr Bike. Dabei bekommt man ein komplettes Ökosystem ins Wohn- oder Hobbyzimmer gestellt und muss sich eigentlich um nichts anderes mehr sorgen. Die Geräuschentwicklung ist ohne bewegliche Teile und dank voller Integration gleich Null. Das eigene Bike kann man getrost schonen und für Fahrten draußen reservieren. Es gibt kein Herumhantieren mit Schnellspannern, Steckachsen, Kassetten oder dergleichen. Im Fall von Wahoo bekommt man mit dem Kickr Bike auch die Climb-Funktionalität dazu, mit der sich das Rad entsprechend der gefahrenen Steigung mitbewegt. Zum Kickr-Bike gibt es allerdings so viel zu sagen, dass ich mir das lieber für einen eigenen Blogpost aufhebe - glücklicherweise steht ein solches nämlich gerade bei mir in der Wohnung! ;)

Fazit und Typenberatung

Wintertraining muss und soll nicht langweilig sein und mit den aktuellen Rollentrainern sind die perfekten Voraussetzungen geschaffen, dass man entspannt und gut unterhalten durch den Winter fährt und im Frühjahr gleich auf einen respektablen Trainingsstand aufbauen kann. Neben Wahoo gibt es mit Tacx und Elite noch die zwei anderen Großen, außerdem noch einige weitere kleinere Hersteller von Smart-Trainern, die man sich jedenfalls genauer ansehen kann. Nicht-smarte Trainer gibt es auch noch auf dem Markt, allerdings spielen die tatsächlich nur noch eine untergeordnete Rolle und wenn man einmal in die Spielereien der smarten Welt hineingeschnuppert hat, möchte man eher nicht wieder zurück. Und ja, auch die freie Rolle gibt es natürlich noch - aber die war immer schon eine Geschichte für Spezialisten, sei es auf der Bahn oder für die Schulung eines schönen und runden Tritts (oder Videos auf Instagram, in denen man freihändig etwas kocht oder ein Instrument spielt, während man auf dem Rad sitzt...).

Die eigenen Anforderungen und die Geldbörse bestimmen am Ende, welches Modell am besten geeignet ist:

- Wechselt man oft zwischen Rädern oder benützt auf unterschiedlichen Rädern unterschiedliche Antriebssysteme, ist ein Wheel-On-Trainer naheliegend - auch wenn die Genauigkeit des letzten Watts nicht so wichtig ist.

- Bei wem Präzision und Leistungsvermögen an erster Stelle steht, ist mit einem Direct Drive-Trainer am besten bedient. Nirgendwo sonst bekommt man derart direkte Kraftübertragung und Direktheit bei einem gleichzeitig sehr leisen Betriebsgeräusch.

- Für einen Großteil der Nutzerinnen und Nutzer wird dann aber die "günstigere" Variante ausreichen, die mit ihrem Funktionsumfang so gut wie alle Anforderungen erfüllt, die man an einen Direct Drive-Trainer stellen kann. Bei Wahoo ist das der Kickr Core (gegenüber dem Kickr), bei Tacx wäre es der Flux (mit dem größeren Bruder Neo).

Smarte Wheel-On Trainer wie der Wahoo Kickr Snap kosten um die 500 Euro, die "billigeren" Direct-Trainer um die 800 und die "großen" um 1.200 Euro. Und erstaunlicherweise ist es so, dass auch die großen Internethändler bei Smart Trainern nicht wirklich bessere Preise anbieten können. Man kann also in diesem Fall getrost beim Hersteller oder im Fachgeschäft des Vertrauens bestellen und kaufen. Derzeit ist das allerdings - ehrlicherweise - sowieso eine enge Angelegenheit, sind doch durch Corona und diverse Lockdowns sowohl die Lager der Hersteller als auch jene der Händler komplett leergeräumt.

Für den Kauf beim Händler spricht übrigens auch - und das muss hier leider ungeschönt erwähnt werden -, dass es unabhängig vom Hersteller doch vermehrt zu Reklamationen und Garantiefällen kommt, weil Dinge nicht 100%ig funktionieren. Woran das liegt, kann ich nicht sagen - sei es die schnelle Produktion mit überschaubarer Qualitätskontrolle, die kurzen Produktzyklen, die permanente Weiterentwicklung oder die technische Komplexität... Immer wieder liest und hört man von "Montags-Geräten", bei denen ein Austausch über den Fachhändler dann wohl auch angenehmer ist, als ein 25 Kilo schweres Paket über die Post an den Hersteller zurückschicken zu müssen...

Aber gehen wir vom Positiven aus und da heißt es nur noch umziehen, genug Trinkflaschen bereitstellen, das Fenster öffnen und loslegen! Ride On!

Video - Gravelride mit Pbike (Gravelbikes, Crosser und MTB vereint)

Gemeinsam mit meinen Vereinskollegen von Pbike gehts auf einen 140 Kilometer langen Gravelride entlang des Marchfeldkanals zum Schloss Hof. Da bleibt genug Zeit, um auf die Besonderheiten von Gravelbikes, Crossern und Mountainbikes einzugehen, die Unterschiede zu suchen und technische Feinheiten zu besprechen. Am Ende muss man beim Radfahren immer treten und im Gelände ist das noch einmal anstrengender als auf der Straße, aber der Untersatz spielt dabei keine so große Rolle - das gemeinsame Abenteuer steht im Vordergrund. ;)

Wandrer, oder „Wie ich die Welt neu entdecke“

Hallo, mein Name ist Martin und ich bin süchtig! Doch ich bin nicht bei den Anonymen Alkoholikern oder am Weg zur Drogensucht sondern in einem Strava Forum, in dem es um eine Software namens „Wandrer“ geht.

Ehrlicherweise war ich schon immer für Gamification zu haben und wenn es Achievements und Level-Ups zu erreichen gibt, dann spornt mich das an. Auf der anderen Seite habe ich seit meiner Kindheit eine besondere Vorliebe für Karten, schmökere heute noch gerne im Atlas und reise im Geiste durch bekannte und unbekannte Lande. Kombiniert man diese beiden Dinge, hat man jedenfalls ein Rezept gefunden, um mich glücklich zu machen und die Art und Weise, wie ich Rad fahre, maßgeblich zu beeinflussen.

Wie eine dieser Landkarten, bei denen man jene Länder, in denen man schon war, freirubbeln kann, markiert Wandrer jene Straßen und Wege, auf denen man bereits unterwegs war. Strava tut dies grundsätzlich auch und generiert daraus die hübschen „Heatmaps“, auf denen ein Weg stärker eingefärbt wird, je öfter man dort unterwegs ist oder war. Dem „Wandrer“ ist gleichgültig, wie oft man wo unterwegs war - es zählt nur, dass man dort schon einmal gefahren ist. Dann markiert das Programm die Straße und „malt“ sie quasi an, wie man das auf einer analogen Karte vielleicht auch machen würde. Auf diesem Weg malt man nun seine Umgebung an, die Strecken, auf denen man regelmäßig unterwegs ist und die man im Urlaub findet. So weit so gut, bis hierher ist das Ganze noch nicht wirklich neu oder revolutionär...

Gamification & Leaderboards

An dieser Stelle kommt eine gehörige Portion Jagd- und Spieltrieb dazu. Straßen und Wege, auf denen man noch nicht unterwegs war, lechzen förmlich danach, befahren und auf diese Art und Weise „markiert“ zu werden. Für befahrene Straßen gibt es Punkte, Leaderboards je Bezirk und Land motivieren dazu, den nächstbesten Platz zu erreichen. KOMs waren gestern, was hier zählt, sind befahrene Straßen.

Auf diesem Weg erfährt man, dass beispielsweise Wien knapp über 4.000 Kilometer Straßen und Wege hat, die man mit dem Rad befahren kann - 1.300 davon habe ich schon. Meinen ehemaligen Heimatort Baden habe ich auch ganz gut markiert, meine zweite Heimat im wunderbaren Osttirol ist auch schon recht gut erkundet. Es zählen sowohl Straßen als auch unbefestigte Wege, als Datenbasis dienen die diversen Radfahrkarten, allen voran die Open Street Map fürs Radfahren. Die Kartendarstellungen laden - wie auch schon die Strava Heatmaps - zum Schmökern ein, zum Nacherleben von schönen Touren und zum Träumen von neuen Routen und Strecken. Damit man auch sicher weiß, wo es noch neue Wege zu entdecken gibt, kann man sich auch nur diese anzeigen lassen. Dann wird der Kartenausschnitt in ein dichtes Netz aus roten Strichen getaucht und plötzlich hat man tausende Varianten vor sich, wie man seine nächste Tour anlegen könnte.

Altes & Neues entdecken

Und genau hier liegt für mich der einzigartige Reiz und Mehrwert von Wandrer. Sicher muss man sich darauf einlassen und der Jagd nach Bestzeiten ist diese Art und Weise des Radfahrens vermutlich auch nicht wirklich zuträglich. Wer sich jedoch der Langsamkeit und den unendlichen Möglichkeiten hingibt, findet eine Einladung vor, Altes und Neues gleichermaßen zu entdecken. Es werden wohl auch nicht immer die schönsten Wege sein, die romantischsten Ecken der Stadt oder die verkehrsärmsten und pittoresken Straßen. Aber es wird jedenfalls eine Erweiterung des Horizonts sein, wenn man gleich neben dem eigenen Wohnblock ein neues Eck der Stadt entdeckt, wenn man einen anderen Bezirk kennenlernt, seine Meinung über eine Region ändert, weil man einen anderen Blick darauf gewinnt oder aber einfach weil man eine neue Variabilität in der Routenplanung dazugewinnt.

Die Hausrunde oder die Tour, die man immer und immer wieder nach der Arbeit fährt, kann durch etwas Inspiration und Trial & Error schnell einmal aufgefrischt oder spannender gestaltet werden. Neue Regionen kann man ganz anders kennenlernen, wenn man gleich von Beginn an auf eine möglichst breite Herangehensweise setzt. Und auch die tägliche Fahrt ins Büro oder zum Radgeschäft kann man durch ein paar neue Straßen und Wege aufpeppen. Und für mich waren es tatsächlich die Fahrten mit meinem Sohn im Lastenrad während des ersten Corona-Lockdowns, die den Beginn dieser Liebesbeziehung markiert haben. Da waren wir gemeinsam unterwegs in der näheren Umgebung und eigentlich im eigenen Bezirk. Aber auch da konnte man durch etwas Variation und das eine oder andere Abbiegen vom bekannten Weg eine neue Welt entdecken. Und so fährt man durch die Gegend, erweitert seinen Horizont und sammelt dabei auch noch Punkte in einem unterhaltsamen Spiel!

Funktionsweise

Wandrer ist ein Add-On, dass grundsätzlich an einen Strava-Account gekoppelt ist. Lädt man eine Ausfahrt auf Strava hoch, analysiert Wandrer automatisch und im Hintergrund, welche Abschnitte dabei neu gefahren wurden. Man erhält einen Kilometerwert bezogen auf die gesamte Ausfahrt und gleich auch aufgedröselt nach den Bezirken und Regionen, die man durchquert hat. Es gibt Punkte für jedes Prozent eines Bezirks, das man „anmalen“ kann, ab einer gewissen Schwelle (25, 50 und 75% eines Bezirks) erhöhen sich die Punkte noch zusätzlich. Es gibt monatliche Leaderboards in denen nach absoluten Werten und nach dem monatlichen Zuwachs gewertet wird. Zu gewinnen gibt es natürlich nichts, außer einem Haufen neuer Wege, Erfahrungen und Impressionen.

Die Anmeldung ist grundsätzlich gratis, einziges Problem dabei ist allerdings, dass Wandrer in der Free-Version nur die letzten 50 Rides auf Strava nachführt. Alles was davor passiert ist, - die Erkundungen der Umgebung, die Fahrten im Urlaub, das Trainingslager auf Mallorca - werden auf der Übersichtskarte nicht aufscheinen. Und so wie „wir“ Karten- und Datennerds ticken, wird das irgendwann stören. Beheben kann man diesen Umstand durch ein Upgrade auf die „Vollversion“, die mit 30 US-Dollar pro Jahr zu Buche schlägt. Dafür erhält man dann die volle „History“ aller Ausfahrten und den vollständigen Katalog all jener Strecken, die man in seinem Strava-Leben bereits unter der Reifen genommen hat. Und mir geht es dann so, dass ich ab und zu die große Karte aufmache, darauf herumscrolle und -klicke und mich bei jedem Strich an die entsprechende Ausfahrt erinnere!

Integration in den Alltag

Je nachdem wie intensiv man sich mit Wandrer auseinandersetzen möchte, bietet die Software noch eine weitere Integrationsmöglichkeit. So kann die aktuelle eigene Karte - inkl. der Information, ob man dort schon gefahren ist oder nicht - auf den Radcomputer geladen werden. So hat man während des Fahrens in der Kartenansicht des Wahoo oder Garmin einen eindeutigen Indikator, ob man auf einer bekannten oder einer neuen Strecke unterwegs ist. Auf diese Weise macht das Anmalen noch einmal mehr Spaß und man erforscht quasi „on-the-go“.

Alles was farbig markiert ist, “fehlt” noch!

Schwächen

Bleiben wir kurz beim Aufspielen der Karte auf den Radcomputer. Das ist leider etwas kompliziert und umständlich und muss - sofern man es tagesaktuell haben möchte - immer neu aufgespielt werden. Zumindest der Wahoo merkt sich nicht, welche neuen Strecken angemalt wurden bzw. aktualisiert die Karte im Hintergrund nicht entsprechend. Man braucht hier also wahre Dedication, wenn man so unterwegs sein möchte.

Was leider auch (noch?) nicht geht, ist die Wandrer Maps irgendwie in die Routenplanung einzubinden. Wenn man auf Komoot oder Strava eine Route plant, muss man sich nebenbei die Wandrer-Map aufmachen, um zu kontrollieren, ob man dort schon einmal gefahren ist oder nicht. Hier wäre großartig, wenn man die Wandrer-Karte quasi als Hintergrund einblenden kann.

Man spürt aber, dass die Macher von Wandrer sehr bemüht sind, laufend Verbesserungen und Erweiterungen zu liefern. Gleichzeitig ist aber sichtbar, dass es sich wohl eher um eine One Man Show handelt als um eine große Firma. Mit seiner Unterstützung für Wandrer hilft man also auch weiter, das Produkt zu entwickeln. Und es gibt schon noch einige Bereiche, in denen die Software besser werden könnte, auch wenn ich spontan nicht weiß, wie man bestimmte Dilemma auflösen könnte. Beispielsweise die Kartengrundlage, die - gemäß Kategorisierung der Straßen im Hintergrund - glaubt, dass eine Autobahnauffahrt bis zum „Autobahn“-Schild auch tatsächlich mit dem Rad befahren werden kann. Aber dass man ab und zu schräg angeschaut wird, daran wird man sich als enthusiastischer Wandrer-User ohnehin gewöhnen (müssen) - warum fährt man sonst in einsamen Wohngebieten im Kreis, fährt Sackgassen bis zum Ende aus oder kommt nun schon zum dritten Mal am gleichen Kaffeehaus vorbei, in dem die Gäste sich nun schon an den Rennradfahrer erinnern, der hier seine seltsamen Bahnen zieht...

Mehr als nur Punkte und Striche

In einer Mischung aus Corona, Gravel-Enthusiasmus und Entdeckungslust hat sich mein Fokus dieses Jahr auf „interessant“ verschoben, weg von „schnell“. Nicht, dass ich davor besonders schnell unterwegs gewesen wäre oder haufenweise KOMs innegehabt hätte... Und ich fahre natürlich noch immer gerne flott und gleite gerne mit dem Rennrad über die Straßen. Aber die Entdeckung neuer Ecken, das Kennenlernen und Abenteuer wird in meinem Radler-Leben immer wichtiger. Und genau dabei unterstützt mich Wandrer und ich liebe es, eine Straße nach der anderen „anzumalen“. Hallo, ich bin Martin und ich bin Wandrer-süchtig. Und glücklich damit!

Fehlen nur noch die restlichen 99,98 Prozent der Welt :)

Video - Umrüstung auf Tubeless

Gemeinsam mit Sorin, dem Mechaniker von PBike, habe ich mein Gravelbike - das BMC URS 01 - auf Tubeless umgerüstet. Was man dafür braucht, welche Schritte notwendig sind und worauf man achten muss, ist in diesem Video zusammengefasst. Nachdem ich euch nicht unnötig lange mit meiner Bob Ross-Erzählerstimme langweilen wollte, gibt es natürlich auch noch einige Informationen über dieses Video hinaus! Postet Fragen bitte gerne unter das Video, diesen Blogbeitrag oder auf einen der anderen Kanäle, ich werde mich bemühen, alle Fragen zu klären ;)

Salzkammergut Trophy "Individuell"

Ich bin es eigentlich schon leid, jeden Blogpost mit irgendeiner COVID-Feststellung beginnen zu müssen, aber vorerst kommen wir da leider nicht drumherum… Außerdem ich das wohl nichts gegen die sehr realen und teilweise großen Probleme, denen zahlreiche Veranstalter in diesem Jahr gegenüberstehen. Unzählige Alternativkonzepte sprießen aus dem Boden, damit Freunde des Radsports doch noch in den Genuss der einen oder anderen Veranstaltung kommen und dafür sollte man grundsätzlich jedem einzelnen Veranstalter sehr dankbar sein!

Und so wäre eben die Salzkammergut Trophy 2020 auf meinem Terminkalender gestanden, dick und fett eingetragen - meine Premiere bei einem waschechten Mountainbike-Rennen. Aber nichts da - kein großes Event, kein Gedränge an der Startlinie und keine explodierenden Oberschenkel schon am ersten Anstieg. Damit aber zumindest Letzteres trotzdem möglich ist, haben sich die Veranstalter der Trophy das wohl ausgeklügeltste und kompletteste Alternativprogramm überlegt. Seit einigen Monaten schon und noch bis Ende Oktober ist das Befahren aller sieben (!) Trophy-Strecken möglich und das noch dazu in den drei Kategorien MTB, E-MTB und Gravelbike. Macht insgesamt also 21 Varianten, in denen man sich in und rund um Bad Goisern austoben kann.

Die Startgebühr von 29 Euro beinhaltet eine Startnummer mit Chip, ein Startsackerl mit einigen Goodies, eine volle Beschilderung der Strecken sowie eine automatische Zeitnehmung auf ausgewählten Abschnitten. Mit dieser einen Startnummer kann man sämtliche Strecken in einer Wertungsklasse (MTB, E-MTB oder Gravel) befahren. Wer seine Zeiten verbessern möchte, kann natürlich auch mehrfach auf einer Strecke starten und so noch die letzten Sekunden rausholen. Einzig mehrere Strecken an einem Tag zu fahren funktioniert nicht, da sonst die Zeiten überschrieben werden.

Die Anmeldung erfolgt einfach und schnell online, die Abholung der Startnummern ist an zehn Stellen rund um Bad Goisern möglich - z.B. beim Toursimusbüro, das gleich neben der (virtuellen) Startlinie steht.

Meine Trophy individuell

Die sieben Strecken bieten für jeden Gusto etwas - unterschiedliche Distanzen, unterschiedliche Höhenmeter, verschiedene Kombinationen. Während sich die ganz Hartgesottenen auf die (dieses Jahr verkürzte) A-Strecke über 176 Kilometer und 5.904 Höhenmeter arbeiten, reicht mir als Einstieg die E-Strecke. Diese habe ich im Vorfeld auf Basis der angezeigten Profile und Karten für mich gewählt - mit 54 Kilometern und knapp 1.700 Höhenmetern genau das richtige für einen schönen Herbstausflug. Die Zeitnehmung passiert nur auf zwei definierten Abschnitten (=Anstiegen), damit fallen Aufregung und Gedränge am Start weg und es bleibt zwischendurch Zeit für Fotos, die eine oder andere Rast oder ein kurzes Innehalten, um den Ausblick zu genießen.

Meine Startnummer hole ich im “CafeLaden” in der Innenstadt von Goisern, danach geht es direkt zum Tourismusbüro, in dessen Innenhof der Transponder meiner Startnummer zum ersten Mal registriert und aktiviert wird. Auch so kann ein Rennen beginnen - ganz ruhig und entspannt. Aus dem Tourismusbüro höre ich noch eine freundliche Stimme, die mich nach meinem Befinden fragt und “ob ich mich eh auskenne, was zu tun ist”. Ich bejahe und rolle auf den Hauptplatz zur virtuellen Startlinie und gleich danach gemütlich hinaus aus Bad Goisern. Die ersten Kilometer führen auf Asphalt mit bereits recht knackigen Steigungsprozenten hinauf Richtung Herndl und Kogl. Für ein “Einrollen” ist es schon etwas zu anstrengend aber immerhin bleibt noch genug Luft, um die Ausblicke auf den Hallstätter See und den Dachsteingletscher zu genießen. Die herbstliche Berglandschaft präsentiert sich von seiner Zuckerseite und den Dachstein zu sehen, freut mich immer - egal ob von Schladming aus, oben in Gosau oder aber auch vom entfernteren Lichtenberg bei St. Georgen aus.

Die Streckenführung ist bestens beschrieben und obwohl ich ohne GPX-Track unterwegs bin, kommen am weiteren Verlauf nie Zweifel auf. An sämtlichen Gabelungen und Kreuzungen sind Schilder der Trophy aufgehängt, mit sämtlichen Informationen zu den unterschiedlichen Strecken und den nächsten Wegmarken. Man arbeitet sich von Checkpoint zu Checkpoint - je nach Strecke in unterschiedlicher Reihenfolge. Und zwischen einigen definierten Checkpoints wird die Zeit genommen - auf meiner E-Strecke ist es zwischen Checkpoint 9 und 10 nun zum ersten Mal soweit. Kein Trommelwirbel, kein Adrenalinrausch, aber man fährt halt etwas zügiger und verlegt die Trink- oder Pinkelpause hinter das Ende des Segments. Der Transponder in meiner Startnummer am Lenker kommuniziert lautlos mit den kleinen roten Boxen, die am Wegesrand befestigt sind. Es gibt keine akustische oder anders geartete Bestätigung über diesen Datenaustausch - man muss sich drauf verlassen, dass alles funktioniert. Bei manchen mag das ein ungutes Gefühl erzeugen, ob die Zeiten auch wirklich gemessen werden aber der Sendebereich ist vom Veranstalter so großzügig bemessen worden, dass eigentlich nichts schiefgehen kann.

Beim Checkpoint “Waldgraben” ist das erste Segment auf der Forststraße abgeschlossen und auf einer kurzen Abfahrt über einen Wurzeltrail werde ich zum ersten Mal sanft daran erinnert, dass meine Fahrtechnik zwar nicht die allerschlechteste sein dürfte, ich aber trotzdem die meiste Zeit auf der Straße unterwegs bin. Einen Sturz kann ich zwar verhindern aber in einer Senke “zaubert” es mich ganz schön.

Vorbei am JUFA Altaussee und dem danebenliegenden Skigebiet, vorbei an der Mautstelle der Loser Panoramastraße und vorbei an der touristisch gut erschlossenen Blaa-Alm geht es über anspruchsvolles und steiniges Gelände hinunter Richtung Rettenbachalm. Mit meinem gut gefederten BMC Fourstroke könnte ich es hier etwas laufen lassen, aber während ich bis jetzt eigentlich alleine unterwegs war, gesellen sich an diesem schönen Sonntag immer mehr und mehr Wanderer, Ausflügler und andere Radler*innen zu mir. An einem Rennwochenende würde die Strecke nur den Radler*innen gehören, an diesem regulären Wochenende teilt man sich die Wege eben mit anderen Leuten - ganz nach dem Fair Play-Gedanken, nach dem man ohnehin die ganze Zeit unterwegs sein sollte. Sofern man daran Freude findet, kann man sich an der Tatsache aufbauen, dass man fast als einziger mit einem konventionellen Rad (ohne Elektromotor) unterwegs ist. Und während das Gros der E-Biker adäquat ausgerüstet zu sein scheint, finden sich zwischendrinnen auch einige wenige jener Vertreter, die der E-Bike-Szene leider ihren manchmal etwas fahlen Beigeschmack verleihen. (Für eine Tour über Stock und Stein sollte man sich dann doch zumindest das geeignete E-Bike-Modell ausborgen. Ich glaube das betreffende Pärchen hatte auf dem folgenden Wurzeltrail keine allzu große Freude…).

Ab Kilometer 26 wartet der zweite gezeitete Abschnitt der E-Strecke und die 8 Kilometer Steigung mit knapp 10% durchschnittlicher Steigung fühlen sich schwerer an als gedacht. Das mag zum einen am King of the Lake liegen, den ich vom Vortag noch in den Beinen hatte, zum anderen fährt es sich mit dem MTB einfach anders - also schwerer :) .Die Hütteneckalm am höchsten Punkt der E-Strecke (auf 1.260 Metern) bietet sich da hervorragend für einen Zwischenstopp mit entsprechendem Re-Fueling an. Ein zünftiges Speck- oder Liptauerbrot war Energieriegeln schon immer haushoch überlegen!

Die Zeit zum Verdauen und Ausrasten bietet sich bei der darauffolgenden Abfahrt. Und man sollte sich auch noch einmal kurz ausruhen, wartet doch mit der “Ewigen" Wand” noch das absolute Highlight der Runde. Die Anfahrt über einen schmalen Weg mit groben Steinen und Wurzeln weckt noch einmal alle Sinne bevor es knapp zwischen blankem Fels und Absperrseil durch die Ewige Wand geht - ein Weg, der dem Berg wohl nur mit brachialer Gewalt abgetrotzt werden konnte. Noch ein letztes Mal kommen Bad Goisern, der Hallstätter See und der Dachstein in den Blick bevor es nach der Ewigen Wand durch den Wald hinunter Richtung Traun geht. Bei Lauffen gelangt man zurück ins Tal, entlang des Flusses bestreitet man die letzten flachen Kilometer bis ins Ziel in Bad Goisern.

Los, los, los!

Bis Ende Oktober ist noch das Befahren der Trophy-Strecken nach dem oben geschilderten Modus möglich und ein paar schöne Tage wird der Herbst schon noch für uns übrig haben.

Und weil sieben Strecken noch immer nicht genug sind, gibt es am 18. Oktober noch einen MTB-Marathon mit zwei neuen Strecken. Bei diesem wird - statt wie ursprünglich für Ende Mai in Kleinzell geplant - die MTB-Marathon Staatsmeisterschaft ausgetragen aber auch Hobby- und Amateurfahrer*innen können sich dort noch einmal an eine (echte) Startlinie stellen.

Alle Infos zur Salzkammergut Trophy Individuell gibt es auf der Homepage des Veranstalters und auch wenn noch nicht klar ist, was das Jahr 2021 bringen wird, der Termin für die Trophy 2021 ist schon in meinem Kalender vorgemerkt!

Tour de Franz 2020

36,7 Grad. Damit ist jedoch nicht die Temperatur gemeint, vielmehr ist es ein regnerischer und frischer Tag hier in Kärnten. Die Temperaturangabe blinkt - begleitet von einem wohlmeinenden Signalton - auf grünem Hintergrund auf dem Display des Fieberthermometers auf, das mir gerade an den Kopf gehalten wurde. Wir schreiben das Jahr 2020, es ist sowieso alles anders als in den Jahren zuvor, insofern wundert man sich auch nicht mehr großartig, wenn die Vitalzeichen kontrolliert werden, um ein Startpaket zu bekommen. Denn während viele Dinge gerade schwieriger sind oder sich nicht unbedingt zum Besseren verändert haben, ist eines umso wichtiger: Zusammenhalt! Und dass dieser durchaus auch freudig ausgelebt werden kann, beweist auch dieses Jahr die Tour de Franz.

Geografisches

Terminlich um ein Monat nach hinten verschoben fällt sie - zufällig? - mit der Tour de France zusammen, für eine kleine Namensverwirrung während des Frühstücks ist damit schon gesorgt. Nicht nach Frankreich geht es, sondern nach Hirt bei Michelbach. Ich bin hier schon einige Male mit dem Auto vorbeigefahren, der nördlich gelegene Neumarkter Sattel ist eine der wichtigen Nord-Süd-Verbindungen bzw. in diesem Fall eine Achse von Judenburg hinunter nach Klagenfurt. Fürs Radfahren hatte ich die Region bis dato nicht wirklich auf dem Schirm, zu abschreckend wirkt der Schwerverkehr, der sich täglich über diese Route wälzt.

Aber hier südlich von Friesach öffnen sich die Gurktaler Alpen langsam hin zum Klagenfurter Becken, damit wird die Landschaft weiter und es gibt - im Gegensatz zum Neumarkter Sattel - eine Vielzahl von kleinen Straßen und Wegen, die einen großen Variantenreichtum für Radtouren in sich bergen. Noch etwas weiter südlich durfte ich das schon bei einigen Touren mit meinem Schwager erleben.

Menschliches

Bei der Tour de Franz bin ich nach 2019 zum zweiten Mal und bereits im Vorjahr habe ich mit Freude festgestellt, welche Absichten hinter dem - auf den ersten Blick vermeintlich lustigen oder gar oberflächlich wirkenden - Projekt stehen. Viele Teilnehmer*innen, einige Prominente und teilweise auch ganz gut gefüllte Brieftaschen mögen für einen Seitenblicke-Beitrag ausreichen, hier wird aber für einen guten Zweck gearbeitet! Unter der Schirmherrschaft von Abfahrts-Olympiasieger Franz Klammer wird zwar auch vorzüglich geradelt und gespeist, aber eben auch fleissig gesammelt und gespendet. Die dabei zusammenkommenden Beträge kommen lokalen Initiativen zugute und helfen auf diese Weise mit, Einzelschicksalen entsprechend unter die Arme zu greifen. Und waren es zu Beginn der Aktion im Jahr “nur” 13.000 Euro, so konnten in den letzten Jahren großartige Beträge von über 30.000 Euro gesammelt werden, wodruch die Hilfe auf mehrere Projekte aufgeteilt werden konnte. Karin und Ronny sorgen dabei für eine großartige Organisation im Vorfeld und eine tolle Abwicklung während der veranstaltung selbst.

Sportliches

Dass nicht nur angestoßen und gegessen wird, steht außer Frage - es wird natürlich in erster Linie Rad gefahren! Startpunkt ist die Brauerei Hirt bei Micheldorf in Kärnten und bereits während des Zusammentreffens der Teilnehmer*innen öffnet der Himmel seine Pforten. Knapp 100 Freiläufe surren synchron die ersten Kilometer hinunter ins sogenannte “Krappfeld” - der historischen Kornkammer Kärntens -, wo der erste Teil der Route über eine Schleife auf Nebenstraßen führen würde. Aber der stärker einsetzende Regen und noch dünklere Wolken am Horizont bewegen die Organisatoren (die an vorderster Front auf dem Rad mit dabei sind), die Route spontan zu ändern und den ersten Teil der Strecke etwas abzukürzen. Und nicht wenige freuen sich, dass es nun bereits nach 19 Kilometern Fahrt die erste Pause und Labe gibt :)

Während sich die Fahrer*innen in Althofen stärken, wird der Regen wieder schwächer und einer Weiterfahrt sollte nichts mehr im Wege stehen. Es geht zurück Richtung Norden und beim Schloss Pöckstein hinein ins Gurktal. Das Schloss kennt man ebenfalls vom Vorbeifahren und der äußere Zustand der Fassaden spiegelt in keinster Weise die Schätze wieder, die im Inneren des Gebäudes schlummern - leider.

Das Peloton rollt auf den gut ausgebauten Radweg neben der Bundesstraße, es geht flotter dahin als im Vorjahr. Da war das Wetter aber auch besser und es war einladender, etwas zu trödeln. Hier und jetzt nieselt es da und dort noch leicht, da fährt man schon etwas zügiger. und Obwohl die Gruppe groß und der Windschatten dementsprechend reichlich vorhanden ist, muss man aufpassen, keine Lücken aufgehen zu lassen. Das Grundtempo ist flott und wieder einmal wird klar, dass hier durchaus Leute unterwegs sind, die ihre Räder auch zu fahren wissen.

Neben dem Radweg “gurgelt” der Fluss, womit auch schon die Namensgebung der “Gurk” aufgeklärt wäre. Straßburg im Gurktal sieht man schon von weitem aufgrund des riesigen Schlosses, das früher als Bischofsresidenz gedient hat, ein paar Kilometer rollt man in Gurk am berühmten Gurker Dom vorbei. Bei Sonnenschein wäre das alles hier wahrscheinlich noch um ein Vielfaches imposanter aber auch so wird einem die Relevanz dieses kleinen Tals bewusst. Gute 20 Kilometer in das Gurktal hineingerollt ist in Weitensfeld wieder Zeit für eine kurze Pause.

Während die Tour de Franz hier wieder kehrt macht und zurück Richtung Hirt rollt, merke ich mir das Gurktal jedenfalls für spätere Projekte und Touren vor. Wer hier noch weiterfährt, kann entweder Richtung Süden nach Feldkirch fahren oder aber über Deutsch-Griffen und Hochrindl in die Nockberge. Einmal geht es noch vorbei am Startpunkt der Tour in Hirt und entlang der Metnitz hinauf nach Friesach mit seinen mittelaterlichen Bauwerken. Ich erinnere mich, vor vielen, vielen Jahren einmal dort einmal bei einem Ritteressen gewesen zu sein.

Kanpp 80 Kilometer und 500 Höhenmeter stehen am Ende am Tacho, weniger als geplant aber dank der spontanen Adaptierung der Route aber trockene und entspannte Kilometer auf denen man diesen Teil Kärntens kennenlernen durfte. Für mich persönlich ist das eine großartige Art und Weise, neue Gegenden zu erkunden. Und die Art und Weise, wie die Tour de Franz organisiert ist, macht dies noch einmal zu einer schöneren Erfahrung: Guide, Begleiter, Polizeieskorte, Begleitmotorräder, Laben, Verpflegung… Vermutlich hat es ein World Tour Profi nicht so gut.

Geselliges

Apropos World Tour Profis: 2019 waren Gregor Mühlberger und Marco Haller mit von der Partie, terminlich ging sich das bei denen dieses Jahr nicht aus, waren bzw. sind sie doch schließlich bei der Tour de France im Einsatz. Auch einige andere “Promis” waren dieses Jahr nicht mit von der Partie - zum Teil vermutlich aufgrund des verschobenen Termins, zum anderen aufgrund von COVID-19. Dennoch findet sich bei der Tour de Franz immer wieder eine nette, gesellige, unterhaltsame und spannende Gruppe Menschen zusammen, die zwar alle durch das Radfahren einen gemeinsamen Nenner finden, aber alle ihre eigenen und individuellen Lebensentwürfe und -geschichten mitbringen. Und genau dieses Radfahren als gemeinsame Leidenschaft und egalisierendes Element ermöglicht es, jederzeit mit jedermann und jederfau ins Gespräch zu kommen und so gut wie jeder hat auch etwas zu sagen oder eine gute Geschichte zu erzählen.

Wohltätiges

Bei Charity-Veranstaltungen zählt am Ende des Tages natürlich auch, welche Zahl auf dem überdimensionalen Scheck steht, den man in die Kamera hält. Und da markieren die erzielten 36.850 Euro wieder einen entsprechenden Höhepunkt, mit dessen Hilfe wiederum einige Projekte umgesetzt werden können und Menschen ganz konkrete Hilfe zukommen wird. Und das ist gut so!

Fotos: Eigene und Tour de Franz/Markus Vollmeier

Fotos - King of the Lake 2020

Vor und nach meiner eigenen Fahrt habe ich mich vor dem Hotel mit der Kamera auf die Lauer gelegt, die Ergebnisse gibt es hier - zum Anschauen, Durchblättern, Runterladen und privaten Teilen.

Für kommerzielle Zwecke bitte um entsprechende Rückfrage!

King of the Lake 2020

Dass ich hier am Attersee um 15:26 auf der Startrampe stehe - übrigens fast auf die Minute die gleiche Startzeit wie beim Race Around Austria ein Monat früher - ist im Jahr 2020 nichts Selbstverständliches. Und dass die Atterbiker unter der Leitung von OK-Chef Erwin Mayer alles erdenklich Mögliche in die Wege geleitet haben, um den großartigen King of the Lake nicht zum Corona-Opfer werden zu lassen, ist ihnen sehr, sehr hoch anzurechnen. Angesichts steigender Infektionszahlen und strengerer Maßnahmen war es doch eine Zitterpartie für den Veranstalter, der neben Festzelt, großen Siegerehrungen und Ziellabe auch Dinge wie die große Videowall im Zielbereich zum Opfer gefallen sind.

Dabei kommt dem King of the Lake sein ureigenstes Konzept zugute, das ihn auch weltweit so einmalig macht - das Einzelzeitfahren, mit Betonung auf ein coronafreundliches “Einzel”! Alleine schon die Abstandsregeln beim Überholen und das strikte Windschattenverbot implizieren einen infektionsmindernden Mindestabstand zwischen den Teilnehmenden.

Außer der gestaffelten Abholung der Startunterlagen, den strengen Zutrittskontrollen zum Startbereich und dem fehlenden Sich-gegenseitig-vor-dem-Start-wahnsinnig-machen ist alles beim Alten. Der See ist noch immer wunderschön, das Wetter - jetzt schon ein fast bedrohliche Strähne lang - schön, die Straße um den See für den Verkehr gesperrt. Und auch der Reiz der 47,2 Kilometer langen Strecke, den eigenen FTP-Wert auf seinen Realitätsgehalt zu überprüfen ist noch immer da. Fast 1.400 Starterinnen und Starter sind auf der Nennliste angeführt, erstmals dabei ist zum zehnjährigen Jubiläum des “KOTL” eine Kategorie für 10er-Staffeln.

Reduziert aufs Maximum

Es ist der KOTL an sich schon eine reduzierte Sache - im Sinne des einsamen Kampfes, der klaren Aufgabenstellung und der Tatsache, dass es nicht wirklich Ausreden und Ausflüchte gibt. Unter dem Corona-Regime ist das Konzept noch einmal gestraffter. Man geht zum Start, kämpft sich um den See, schnappt nach der Ziellinie kurz nach Atem und fährt wieder vom Start-/Zielbereich weg. Das mag einsam und unromantisch klingen, ist es aber in keinster Weise, vielmehr spiegelt es ganz gut den Kampf gegen sich selbst wider, den man beim KOTL zu führen hat.

Man trifft sich danach ohnehin mit seinen Freunden, Kollegen oder Partnern, spricht über das Geschehene, vergleicht die Leistungen und denkt darüber nach, was man vielleicht noch anders hätte machen können. Gut, im Festzelt ginge das in größerer Runde, zwangloser und feucht-fröhlicher. Aber aus meiner Sicht ist es absolut verkraftbar, in diesem Jahr auf das Zelt zu verzichten, wenn das heißen würde, dass es den KOTL sonst gar nicht geben würde.

Das Rennen

Die bekanntermaßen flachere und einfachere erste Hälfte der Strecke lädt zum Über-Pacen ein. Man fühlt sich noch frisch, der Wind unterstützt zumeist etwas und man fühlt sich an, als würde man die Welt niederreißen. Nach 20 Kilometern ist man am Südende des Sees angelangt und die kleinen Hügel beginnen, zuerst harmlos und zum Drüberrollen, dann mit der Umfahrung Unterach der erste “richtige” Anstieg. Spätestens hier bekommt man dann zum ersten Mal eine Indikation, wie der Körper an diesem Tag wirklich tickt. Und es befällt einen die erste Ahnung, dass die restlichen 20 Kilometer wohl nicht die angenehmsten des Tages werden dürften. Direkt am Ufer fährt man den See entlang, der Wind kommt nun von schräg vorne - die Straße ändert ständig die Richtung, der Wind ebenso.

In Parschallen wartet die aus meiner Sicht schwerste Prüfung des gesamten Kurses, die zuerst noch schmierend ansteigende Straße endet in einem kurzen Stich hinauf in den Ort. Für mich ist das jedes Jahr der größte Rhythmusbrecher und so etwas wie der Anfang vom Ende. Zell, Nussdorf, Altenberg, Attersee und Unterbuchberg vollstrecken dann eigentlich nur noch, was zuvor schon begonnen hat. Es sind keine langen Anstiege sondern vielmehr kleinste und kleine Rampen, schmierende Abschnitte, die hier sukzessive und nachhaltig alles aus den Beinen ziehen, was da eventuell noch vorhanden wäre.

Und während ich auf den ersten 30 Kilometern des Rennens gefühlt noch ganz gut dabei war, sinken meine Wattzahlen und meine Durchschnittsgeschwindigkeit mit beeindruckender Konsequenz und Schnelligkeit nach unten. Das langsame Sterben manifestiert sich auch an den immer zahlreicheren Fahrerinnen und Fahrern, die an mir vorbeirauschen - wer hier noch fest aufs Pedal drückt, hat entweder sehr gut trainiert oder sich das Ganze auch um einiges besser eingeteilt. Oder beides.

In Buchberg wartet noch der berüchtigte Stich mit 13%, der zwar nominell abschreckt, wenn man aber mit einem gewissen Tempo dorthinkommt, kann man sich mit einigen festen Tritten recht souverän über den Hügel retten. Danach ist man gefühlt schon fast im Ziel, muss nur noch beim Hotel Attersee bei der Einfahrt nach Seewalchen Fassung bewahren und danach ins Ziel hinunterrollen. Die gut verteilt stehenden Zuschauer*innen sorgen dafür, dass man auf den letzten Metern noch einmal in den Oberschenkeln nach ein paar Watt sucht und dann ist es auch schon wieder vorbei.

Wunden lecken?

1:17:39 sind 40 Sekunden langsamer als meine Zeit von 2019. Letztes Jahr hatte ich weniger Jahreskilometer in den Beinen, war generell etwas schlechter drauf und hatte auch mehr Probleme mit der Position am Zeitfahrer. Insofern bin ich mit meiner 2020er-Zeit nur bedingt zufrieden oder hätte mir eigentlich eine Verbesserung erwartet. Ausreden hätte ich genug bzw. hab ich mir die schon haufenweise während der letzten Kilometer des Rennens zurechtgelegt: Zu viele Ausdauer-Kilometer fürs Race Around Austria trainiert, stressige zwei Wochen vor dem Rennen gehabt, zu wenig gegessen vor dem Start und natürlich immer der Wind (diesmal nicht - wie gewohnt - recht gerade aus dem Norden sondern seltsam schräg und etwas drehend).

Aber eigentlich brauche ich gar keine Ausrede. Ich bin sehr froh, dass der King of the Lake 2020 überhaupt stattgefunden hat und schätze das Engagement und das Durchhaltevermögen des Veranstalters sehr, sehr hoch! Ob es für mich am Ende der 455. Platz ist oder der 369. oder der 214. ist nebensächlich. Ich möchte - wie immer - mit mir selbst zufrieden sein und wenn man weiß, was man (theoretisch) noch besser machen könnte, kann man auch leichter damit umgehen. Ob man die Lust und Energie hat, diese theoretischen Potentiale auch zu heben, ist Geschmackssache.

Diejenigen, die sich mit solchen profanen Fragen nicht auseinandersetzen (müssen), waren auch dieses Jahr wieder schnell und sehr schnell unterwegs. Kurz vor Renn-Ende sah es schon danach aus, als würden alle Kings und Queens des Vorjahres ihre Kronen behalten dürfen, bis ganz am Ende dann mit Tobias Häckl ein neues Gesicht ganz oben stehen durfte.

2021?

Wie es mit Corona weitergeht, wissen wir alle noch nicht. Dass ich bei einem King of the Lake 2021 wieder am Start stehen möchte, weiß ich jedoch mit absoluter Sicherheit! Und jetzt wo die Race Around Austria Challenge von meiner Bucket List gestrichen ist, entsteht plötzlich Raum für etwas Neues - vielleicht ein paar mehr Stunden auf dem Zeitfahrer und etwas zielgerichtetes Training auf die Stundenbelastung? Wer weiß… ;)

Disclaimer

Die Teilnahme erfolgte auf Einladung des Veranstalters.

Fotos: Eigene und Sportograf

Die Fotos, die ich vor und nach meinem Rennen gemacht habe, sind auf der Facebook-Seite von 169k in einem Album gesammelt!

Die Dolomiten - Eine Liebesgeschichte

Um 7:30 morgens am Passo Valparola überkommt es mich! Die Schönheit der Landschaft übermannt mich, ich stelle das Auto ab, steige aus und genieße die noch menschenleere Passhöhe, die Steintürme ringsherum und den Ausblick auf den gegenüberliegenden Gebirgsstock. Und ich denke an den Schweizer Architekten Le Corbusier, der einmal gesagt hat: “Die Dolomiten sind die schönste Architektur der Welt!” Die Tatsache, dass ich mit dem Auto hier bin und nicht mit dem Rad ist wohl ein klassischer Anfängerfehler oder mangelnde Vorbereitung. Ich bin nämlich zum ersten Mal hier - und dass man beim ersten Mal nicht gleich alle Highlights mitnehmen kann oder einem das Eine oder Andere durch die Finger schlüpft, ist entschuldbar. Sprechen wir aber besser über jene Dinge, die ich geschafft habe!

Dolomiten

Als klassische Einleitung würden hier nun Ausführungen über die Namensgebung (der französische Geologe de Dolomieu), die räumliche Ausdehnung (Pustertal - Sextental - Piave - Valsugana - Etsch - Eisack), die Geologie (markante Riffe aus Kalkstein und Dolomit) und das Klima (angenehm von April bis Oktober) der Dolomiten stehen. Das kann ich aber gut und gerne überspringen, sind die Dolomiten doch einer jener klassischen “Sehnsuchtsorte”, die jede Radlerin und jeder Radler aus Magazinen, Zeitschriften, Filmen und von den großen Rundfahrten kennt.

Regelmäßige Leser*innen meines Blogs wissen, dass ich einen Gutteil meiner Urlaubs- und Ferienzeit in Osttirol verbringe und genau dort lag bisher - wenn man so will - das “Problem”. Die Lienzer Dolomiten sind so etwas wie ein Vorgarten der “richtigen” Dolomiten, bieten aber schon so viel Spektakuläres und Spannendes, dass man dort schon wochen- und monatelang unterwegs sein könnte. Dazu kommt noch, dass man sich ja selten eine Unterkunft in 100 Kilometern Entfernung von “Zuhause” bucht, das Urlaubsziel also quasi “zu nahe” ist… Dass diese Denkweise ein großer Fehler ist, zeigt sich grundsätzlich schon an den vielen Bildern, die man alljährlich vom Giro d´Italia sieht, den Berichten in Rennradmagazinen und auch den vielen Timelines auf Instagram und Facebook. Wie Schuppen von den Augen fällt es einem jedoch, wenn man in die Pedale einklickt, den Radcomputer startet und der Blick nach oben schweift und sich vor den Augen die Gipfel der Dolomiten auftun - höchstpersönlich und real. In diesem Moment ist sofort klar, dass hier mehr passiert als nur Radfahren.

Homebase Cortina

Die Dolomiten umfassen ein großes Gebiet und am liebsten würde man mit einigen wenigen Ausfahrten und Touren die ganze Gegend abdecken. Klickt man sich durch die einschlägigen Routenportale kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass das so wohl nicht möglich sein wird - zu schnell überschreiten die Höhenmeterzahlen Dimensionen, die den Oberschenkeln nicht mehr zuträglich wären. Die Gegend rund um Innichen, Toblach und Bruneck kenne ich bereits, im Sinne eines sukzessiven Vorarbeitens bietet sich daher ein Start in Cortina an. Dass diese Reise nicht die letzte sein wird ist ohnehin klar - andere Ort werden daher sowieso noch folgen.

Als James Bond-Fan ist mir Cortina vor allem durch Roger Moore, die Bobbahn und das Eis-Stadion in Erinnerung (“For Your Eyes Only” wurde 1981 teilweise in Cortina gedreht). Länger zurück und definitiv (noch weiter) vor meiner Zeit waren die Olympischen Winterspiele 1956, die stark zum besonderen Status von Cortina beigetragen haben und der Stadt eine Aura verliehen haben, die sie mit anderen klassischen Wintersportorten wie St. Moritz verbindet. Und nicht zuletzt thront direkt über der Stadt die Tofana, die mit dem gleichnamigen “Tofana-Schuss” ein Highlight der alljährlich stattfindenden Herren Ski-Abfahrt bildet. Genau an dieser Stelle werden im Februar 2021 auch die alpinen Ski-Weltmeisterschaften stattfinden, auf die sich die Stadt jetzt schon sichtlich vorbereitet. Während einer Gondelfahrt auf die Tofana kann man bereits jetzt die unterschiedlichen Maßnahmen begutachten - von Sicherheitszäunen über Modernisierungen bis hin zur Revision der Gondelbahnen. Ich persönlich war auf Skiern immer recht wackelig unterwegs und das Gefälle der Abfahrtspiste kann einem den Angstschweiß auf die Stirn treiben - bei aller Schönheit des Winters und des Wintersports bleibe ich also vorerst doch lieber beim Radfahren.

Touren

Wie schon eingangs erwähnt, ist die Routenauswahl nicht gerade einfach. Hinter jeder Ecke lauert ein Highlight, dies und jenes “muss” man eigentlich mitnehmen, wenn man schon in der Gegend ist - das Gebiet ist riesig, die Möglichkeiten ebenso. Für meinen Einstieg in die Dolomiten habe ich drei Touren ausgewählt: eine vor der Haustüre von Cortina, den Klassiker “Sella Ronda” und - meiner neuen Leidenschaft Gravel Rechnung tragend - eine tolle Runde auf Schotter.

Giau & Falzarego

Von Cortina d´Ampezzo klettert man erst einmal einige Höhenmeter hinauf in den kleinen Ort Pocol, wo sich die Abzweigung zu Passo Giau und Falzarego befindet. Als Dolomiten-Neuling erhöht sich er Herzschlag bereits, wenn man die Straßen- und Pass-Schilder zum ersten Mal in den Blick bekommt. Ich entscheide mich für den Uhrzeigersinn - meine Recherchen haben ergeben, dass das offenbar die schönere Richtung sein soll. In der Anfahrt zum Passo Giau geht es zuerst etwas überraschend - bergab. Ich weiß nicht warum, aber in meiner Vorstellung oder Erinnerung war und ist der Passo Giau einer der Schwierigeren der Dolomiten - immer wieder einmal Teil des Giro d´Italia und für Hobbyfahrer eine ernsthafte Prüfung. Umso überraschender finde ich, dass man bei 8-9 Prozent durch pittoreske Kehren und mit wunderbaren Ausblicken Meter für Meter recht gemütlich nach oben kurbeln kann. Wenn man den Wald verlässt, steigt auch der Gradient, mehr als 13% zeigt der Wahoo allerdings nie an. Und knapp 9 Kilometer und 800 Höhenmeter später hat man auch schon die Passhöhe erreicht. Ein Espresso und eine kurze Pause bieten sich - wie eigentlich auf jeder Passhöhe - an, man sollte jedoch nicht außer Acht lassen, dass es auch im Sommer frisch werden kann auf 2.200 Metern Höhe. Und frisch wird es spätestens bei der grandiosen Abfahrt hinunter Richtung Caprile! Durch fast 30 Kehren arbeitet man sich zurück ins Tal, der Straßenbelag ist gut und die Kurven sind außen leicht erhöht - das ist wohl das, was man eine Flow-Abfahrt nennt! Und jetzt dämmert mir auch, dass der schwierige Anstieg auf den Giau wohl auf dieser Seite hier liegt, die Steigungsprozent im oberen Teil sind doch bedeutend höher als auf der Seite, die ich für die Auffahrt gewählt habe.

Die Straßenschilder im Tal wecken Sehnsüchte. Über Selva die Cadore, Caprile und den Passo Fedaia könnte man hier - vorbei an der Marmolada - Richtung Canazei radeln, aber das wäre zu viel für den Anfang. Hängt man an den Passo Giau noch den Falzarego dran, kann man sich den Weg ganz hinunter ins Tal sparen und am Berghang bis Cernadoi entlangradeln.

Von dort sind es rund 8 Kilometer und 700 Höhenmeter bis zum Falzarego. Über dessen Geschichte und die dazugehörige Sage vom Reich der Fanes bin ich schon vor Jahren einmal gestolpert und ich finde sie so schön, dass es geradezu fahrlässig wäre, sie hier nicht kurz zu erwähnen.

Die Fanessage schildert den Konflikt zwischen den aggressiven männlichen Angehörigen des Königshauses und den friedlichen weiblichen. Erstere sind im Bündnis mit dem Volk der Adler, letztere mit dem Volk der Murmeltiere. Die Könige der Fanes können mit ihrer Kriegspolitik das Reich der Fanes immer weiter ausdehnen. Doch dadurch entsteht ein Gegenbündnis von immer mehr Nachbarvölkern. Auf der Seite der Gegner kämpft auch der Zauberer Spina de Mul. Die Fanesleute haben als Kriegshelden Dolasilla, die Königstochter, und Ey de Net (Nachtauge). Letzterer will Dolasilla heiraten und wird daraufhin vom König verstoßen. Dolasilla hat eine Anzahl unfehlbarer Pfeile und einen weißen Panzer. Ihr wurde geweissagt, dass sie nicht in die Schlacht ziehen dürfe, sollte sich der Panzer einmal schwarz verfärben, weil sie sonst sterben müsse.

Die Entscheidungsschlacht rückt immer näher. Durch eine List kann Spina de Mul Dolasilla ihre unfehlbaren Pfeile abnehmen, die er dann an Schützen des Gegenbündnisses verteilt. Am Morgen vor der Schlacht sieht Dolasilla, dass sich ihr Panzer schwarz verfärbt hat. Doch die verzweifelten Fanesleute bedrängen sie, in die Schlacht zu ziehen. Zunächst können in der Schlacht die feindlichen Bogenschützen Dolasilla nicht finden, weil sie nach einem weißen Panzer suchen und nicht wissen, dass sich dieser schwarz verfärbt hat. Doch schließlich erkennen sie Dolasilla, schießen die unfehlbaren Pfeile auf sie ab und töten sie. Damit ist die Schlacht für die Fanesleute verloren. Mit knapper Not kann sich die Königin mit einer kleinen Schar mit Hilfe der Murmeltiere in die unterirdischen Gänge der Fanes zurückziehen. Der König aber, der verräterisch Sache mit den Feinden gemacht hat, wird zu Stein und ist seitdem als falscher König (altlad. falza rego) am Falzaregopass zu sehen.
— Sage vom Reich der Fanes (Wikipedia)

Der Schweiß tropft auf das Oberrohr, auch wenn die Steigung niemals über 10 Prozent klettert. Zuerst arbeitet man sich über lange Kehren durch den Wald hinauf, recht abrupt wechselt die Charakteristik dann auf alpin und man sieht vor sich einige Kehren und Gallerien, die man auf dem Weg zur Passhöhe noch zu bewältigen hat. Spätestens hier erscheint erstmals der “falsche König”, eine der markanten Steinspitzen, die die unverwechselbare Optik der Dolomiten ausmachen. Auf der Passhöhe gibt es neben Espresso und Panini auch eine Gondelbahn zum Lagazuoi und ein Freiluftmuseum, das den Ersten Weltkrieg zum Thema hat. Man bewegt sich hier immerhin auf historischem Boden und hier am Falzarego im Speziellen, haben doch die österreichischen Truppen Stellungen am Berg angelegt, die von den italienischen Soldaten im Fels untergraben und dann gesprengt wurden. Die Spuren der Dolomitenfront des Ersten Weltkriegs begleiten einen übrigens - sofern man sich für Geschichte interessiert - vielerorts.

Die Abfahrt vom Falzarego zurück nach Cortina ist flott und recht geradlinig, fährt man doch auf der “Dolomiten-Bundesstraße”, die eine Hauptverkehrsroute in Ost-West-Richtung darstellt. Abhängig von Jahreszeit und Wochentag ist der Verkehr hier dicht und auch der eine oder andere Linienbus verkehrt hier. Generell muss man hier etwas umdenken, wenn man es gewöhnt ist, dass Pässe und Bergstraßen sonst eher als Touristenattraktion oder Mautstraßen ausgeführt sind.

“Dolomiti Gravel”

Gravel ist mittlerweile mehr als nur ein Trend, das habe auch ich diesen Sommer sukzessive erkannt. Egal wo man unterwegs ist, ein Gravelbike eröffnet vielfältige neue Möglichkeiten und kann da, wo das Rennrad eventuell an seine Grenzen stößt, noch weitere Horizonte erschließen. Abseits der Straßen tun sich dann auch neue Welten auf, man trifft andere Menschen, ist vielleicht “leiser” unterwegs, spürt die Natur unmittelbarer und findet auch den einen oder anderen Weg, der noch nicht so oft befahren worden ist.

Damit werden auch die weitläufigen Radweg-Netze nutzbar, die sich durch alle Gegenden der Welt schlängeln und meistens auch noch gut organisiert und beschildert sind. Im Falle der Dolomiten bietet sich dafür die aufgelassene Eisenbahn-Trasse von Cortina bis Toblach an. Gleich vom alten Bahnhofsgebäude weg fährt man - getrennt von jeglichem Verkehr - in Ruhe und mit sehr moderater Steigung aus Cortina hinaus. Während einem anfangs noch andere Radler, Spaziergänger oder Läufer entgegenkommen, ist man spätestens nach drei Kilometern ganz alleine und bei sich und hat genügend Zeit und Muße, sich die Ruhe und Schönheit der Gegend anzuschauen. Bahntrassen haben ja systembedingt an sich, dass sie nur geringe Steigungen aufweisen, so rollt man entspannt am Hang auf der Schotterpiste entlang und genießt den Ausblick auf die umliegenden Berge, während unten auf der Bundesstraße der Verkehr rollt. Die Straße ist außerdem nicht im allerbesten Zustand, hier erspart man sich also doppelt etwas. Allerdings kommt man nur mit einem Gravelbike in den Genuss dieses Weges, für ein Rennrad ist der Schotter an vielen Stellen zu grob oder tief. Es geht durch ehemalige Tunnel, eine Holzbrücke überquert eine Schlucht, die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man die Augen öffnet und die Landschaft in sich aufsaugt. Nach einigen Kilometern erreicht man den Passo Cimabanche, der mit 1.530 Metern und den wenigen Höhenmetern bis dorthin den Namen “Pass” fast gar nicht verdient. Aber hier treffen die Verkehrswege aufeinander, der weitere Radweg bis Toblach, die Straße zu den drei Zinnen, die Bundesstraße Toblach-Cortina und auch die alte Schotterstraße zur Plätzwiese nimmt dort ihren Beginn.

Auf rund sieben Kilometern sind hier gut 500 Höhenmeter zurückzulegen und man kann sich schwer vorstellen, wie hier im Ersten Weltkrieg Unmengen von Nachschub hinaufgekarrt wurden. Die Steigung ist eher unregelmäßig, ebenso ist es der Untergrund. Erstere ist unten eher flach, zieht aber stellenweise auf bis zu 15% an während über der Baumgrenze konstante 9-10% anstehen. An manchen Stellen finden sich Reste einer Art Fahrbahnoberfläche, darauf folgen grobe Schotterabschnitte durchsetzt mit felsigen Brocken, über die man eher mit breiteren Reifen rollen möchte. Ein Gravelbike mit einer kleinen Übersetzung bekommt man hier gut den Berg hinauf, das Gros der Mitfahrer und Überholten sitzt allerdings auf Mountainbikes - die fahren dann in der Regel aber auch noch weiter in die Berge hinauf…

Unter dem Blick des beeindruckenden Monte Cristallo erreicht man das Dürrensteinhaus und das Sperrwerk Plätzwiese - ein weiteres Relikt aus dem Ersten Weltkrieg. Ich bin bei Gott kein Kriegs- oder Geschichtsfan, aber wenn man sich gedanklich etwas darauf einlässt, werden einem schon die Umstände und Rahmenbedingungen bewusst, unter denen hier vor gut 100 Jahren aufs Ärgste miteinander gekämpft wurde. Und so hautnah und eingebettet hat man tatsächlich selten die Gelegenheit, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Hier oben auf der pittoresken Alm, auf der man gerade steht und den Frieden und die Ruhe genießt, haben österreichischen Truppen 1915 einfach ein eigenes Dorf komplett niedergeschossen, nur um freie Schussbahn auf den damaligen Feind zu haben - absurd und unvorstellbar.

Apropos Frieden und Ruhe: Die Plätzwiese hier auf knapp 2.000 Metern Höhe ist einer der schönsten Orte, an denen ich in meinem bisherigen Leben war. Allerdings finden das auch sehr, sehr viele andere Menschen und so empfiehlt es sich, eher in den früheren Stunden des Tages hier aufzuschlagen. Und wer wie ich über Schluderbach und die Südseite hier herauf kommt, hat auch noch die ruhigere Variante gewählt. Die Nordseite ist nämlich teilweise mit dem Auto befahrbar und diese Auffahrt ist auch asphaltiert - dementsprechend wälzen sich dort die Horden gen Berg. Ich fahre nach der Schotterpiste, die über die Alm führt, über ebenjene Straße hinunter, habe dabei keine Zeit für Fotos, bin nämlich viel zu sehr damit beschäftigt, die Kehren und Ausblicke der Flow-Abfahrt zu genießen, gleichsam froh, von den Menschenmassen wieder etwas Abstand zu gewinnen.

Ein menschenleerer Pragser Wildsee im Mai 2019

Menschenmassen sind (leider) auch ein Thema, wenn man sich mit dem benachbarten Pragser Wildsee befassen möchte. Dieser ist - ob seiner “Instagramability” - zu einem heißbegehrten Motiv und Besuchsort geworden, dementsprechend ist dieses Juwel leider überlaufen. Wer dorthin möchte, muss früh dran sein - ab einer gewissen Besucherzahl sperrt die Polizei bereits beim Kreisverkehr im Tal die Zufahrt. Im Pustertal angekommenen geht es etwas entspannter zu, auf dem Radweg parallel zur Bundesstraße radelt es sich angenehm bis nach Toblach. Birkenkofel und dahinter die Dreischusterspitze bieten die perfekte Kulisse für eine Kaffeepause in der Innenstadt, bevor es wieder in die Berge geht.

Zurück auf der aufgelassenen Bahnstrecke steigt die Strecke langsam wieder an Richtung Passo Cimabanche - dort waren wir am Beginn dieses Tages schon einmal. Man rollte am Toblacher See vorbei, passiert den Dürrensee und muss sich spätestens dort entscheiden, welches Bergpanorama imposanter ist: jenes der Drei Zinnen, des Monte Cristallo oder das des Monte Piana. Der Radweg führt über feinen Schotter und ist mit dem Gravelbike hervorragend und flott zu fahren - vorausgesetzt man achtet auf die anderen Radwegbenützer, die dort bei schönem Wetter recht zahlreich unterwegs sind. Wer möchte, kann hier auf Schotter wieder nach Cortina zurückrollen.

Als Highlight bietet sich jedoch noch eine kleine Zusatzschleife zu einer der Ikonen der Dolomiten an - den Drei Zinnen. Sanft ansteigend geht es dabei Richtung Col Sant´Angelo, nur auf den letzten Metern stellt sich hier der Berg etwas steiler auf. Am Misurina-See durchtaucht man kurz einen touristischen Hotspot - von der kurzen Rast über Souvenir-Shops bis zu einem Picknick auf einer der zahlreichen Bänke ist hier alles dabei und möglich. Hartgesottene zweigen auf die Straße zum Rifugio Auronzo ab, einer Hütte, die direkt unter den Drei Zinnen liegt. Der großartige Name der Straße - “Superstrada Panoramica” - bedeutet “super” im Sinne von Super-Aussicht aber auch super-steil und -anstrengend!

Auf der Rückfahrt nach Cortina überquert man schließlich noch den Passo Tre Croci, der an sich nicht sonderlich spektakulär oder anspruchsvoll zu fahren ist, einzig der Ausblick auf den imposanten Monte Cristallo, den man hier quasi umrundet, beeindruckt doch sehr. Flott geht es zurück hinunter nach Cortina und unter die wohlverdiente Dusche. Das Gravelbike ermöglicht in diesem Fall eine tolle Mischung aus asphaltierten und losen Oberflächen und es bleibt der Eindruck, dass es da wohl noch unzählige spannende und schöne Wege gibt, die man abseits der befestigten Straßen finden kann.

Sella Ronda

Die Runde um den Sella-Stock ist mehr oder weniger die Benchmark für eine Dolomiten-Radtour. Der große Maratona dles Dolomites nimmt die berühmten vier Pässe unter die Räder und besonders reizvoll ist der autofreie Sellaronda Bike Day, bei dem die knapp 60 Kilometer lange Runde ganz alleine den Radler*innen und Familien gehört. Wo man die Tour beginnt ist eigentlich egal, auch die vier zu überwindenden Pässe bleiben immer gleich: Grödner Joch, Sellajoch, Passo Pordoi und Passo di Campolongo.

In Corvara beginnt der Anstieg aufs Grödner Joch und im Vergleich zu Cortina geht es hier emsiger und wuseliger zur Sache - Touristen ziehen auf E-Bikes und Tourenrädern Richtung Berge, Wanderer warten auf einen der vielen Linienbusse, Motorrad-Gruppen wollen die gleichen Kurven genießen wie die Radfahrer*innen und allzu viel Platz bieten die vorhandenen Straßen nicht. Daher gilt auch hier im Wesentlichen, früh zu kommen, die Randzeiten zu nützen (da ist eh auch das Licht am Schönsten) und den August (Ferragosto!) eher zu meiden. Die Steigung aufs Grödner Joch ist sehr moderat und es kurbelt sich locker hinauf - zuerst über lange Kehren, dann über engere, gestapelte.

Vom Grödner Joch fließt die Abfahrt durch schön zu fahrende Kehren hinunter bis zur Abzweigung zum Sellajoch. Während auf der linken Seite der Sellastock mit seinem höchsten Gipfel Piz Boè residiert, liegt vor einem der monolithische Langkofel, ein Steinblock wie aus dem Bilderbuch! Die Steigung liegt meistens zwischen 5 und 10 Prozent, aber man ist ohnehin eher mit Schauen und Staunen beschäftigt, so beeindruckend ist die Landschaft rundherum. Spätestens hier wird mir klar, dass ich mein Herz an die Dolomiten verloren habe und ärgere mich fast ein bisschen, dass es so lange gedauert hat, bis ich zum ersten Mal hierher gekommen bin.

Meine Euphorie erfährt allerdings einen jähen Dämpfer, als sich unter schauerlichem Geknirsche meine rechte Pedalplatte löst, ich noch zwei Schrauben davonpurzeln höre und meine persönliche Sella Ronda am Sellajoch zu einem jähen Ende kommt. Es ist natürlich ärgerlich, wenn ein derartiger Defekt passiert. Besonders ärglich ist es allerdings, wenn man sich gerade exakt bei der Hälfte einer Runde befindet… Ich entscheide mich fürs Zurückfahren übers Grödnerjoch, weiß ich dort doch immerhin was mich erwartet und dort sollte ich auch weidwund mit einer Pedalplatte drüber kommen. Den Passo Pordoi - den höchsten Dolomitenpass - hebe ich mir einfach fürs nächste Mal auf, den möchte ich voll und ganz genießen können. Und das Auslassen des Campolongo sollte ebenso vorerst verkraftbar sein, ist dieser vierte Pass der Sella-Runde doch eher einer, den man zum “Fertigmachen” der Tour braucht.

Trotz Verkürzung meiner Sella Ronda bleiben massig Eindrücke zurück - so geballt ist alles hier versammelt. Die Berge, die Gipfel, die Straßen mit ihren unzähligen Kehren, die Menschen, die Orte und die Landschaft - nicht zuletzt treffen am Gipfel des Piz Boè drei italienischen Regionen aufeinander (Südtirol, Veneto und Trentino), wie wenn alle Linien auf diesen einen Punkt zulaufen würden. Ich fahre jedenfalls noch einmal um den Sellastock - entweder entspannt beim Bike Day oder vielleicht auch etwas ambitionierter beim Maratona!

Tipps und Erfahrungen

Ich wurde von den Dolomiten in ihren Bann gezogen! Es ist ein riesiges Gebiet, das es hier zu erkunden gilt und das an vielen Ecken ganz unterschiedliche und variantenreiche Gesichter offenbart. Unzählige Möglichkeiten habe ich hier nicht einmal ansatzweise erwähnt - Bikeparks in Cortina oder am Kronplatz, E-Bike-Touren, Langlaufen und Skifahren im Winter, Wandern, Geschichte, Kultur, Vielfältigkeit der Regionen, alte Sagen und Legenden, vergessene Völker, mythenbeladene Täler, Bademöglichkeiten oder sich einfach auf eine Bank oder Wiese zu setzen und die Landschaft auf sich wirken zu lassen. Genug, um mehrere Urlaube zu füllen und einen Haufen guter Geschichten für Zuhause mitbringen zu können.

Den August als Reisezeit - so wie ich es hier gemacht habe - würde ich in Zukunft eher meiden, während Ferragosto “gehört” das Land der eigenen Bevölkerung und der verbleibende Platz eignet sich nur bedingt zum Radfahren. Durch das milde Klima (bei aller alpiner Rauheit natürlich!) bietet sich aber bereits der frühe Mai aber auch der späte September oder sogar Oktober noch für einen Abstecher an - dort hat man dann jedenfalls mehr Platz auf den Straßen und auf den berühmten Gipfeln der Dolomiten.

Anreisetechnisch kann man sich entweder über die Südautobahn und dann über Tolmezzo und entlang des Tagliamento durch die karnischen Alpen heranarbeiten und wird dort wilde und ruhigere Gefilde vorfinden. Kommt man - so wie ich - über Osttirol und das Pustertal in die Dolomiten, findet man sich gleich im Herz der schroffen Steingebilde wieder und alle Möglichkeiten und Berge stehen einem offen. Die dritte Variante ist eine Anfahrt über die Brennerautobahn und Sterzing, wo man mit Rosengarten und Plose noch einmal eine etwas andere Charakteristik vorfindet.

Bis bald und ci vediamo! Wir sehen uns definitiv bald wieder!

Disclaimer

Die Reise fand in Zusammenarbeit und auf Einladung der Italienischen Zentrale für Tourismus in Österreich - ENIT statt.

Buchtipp: Jonas Deichmann "Cape to Cape"

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich zum ersten Mal von Jonas Deichmann gehört habe. 2018 redeten plötzlich alle von diesem einen Typen, der solo und unsupported auf der Panamericana unterwegs ist - dort wo andere Extremsportler ähnliche Unterfangen mit Support gestartet hatten. Die Art und Weise, wie Jonas seine Abenteuer anlegt und darüber berichtet, hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen: unaufgeregt, unprätentiös und sympathisch.

Jonas in Wien

Sprung um zwei Jahre nach vorne und ich sitze Jonas in Wien gegenüber. Er ist zu einem Vortrag über sein Cape to Cape-Projekt gekommen, angereist ist er (natürlich) mit dem Rad. Der Podcast, den wir bei dieser Gelegenheit aufgenommen haben, ist übrigens hier zu finden und hören. Das Interesse an dem Vortrag war riesig, die Tickets blitzschnell ausverkauft. Viele wollen wissen, was einen dazu bringt, unsupported und über riesige Distanzen durch die Welt zu radeln. 2017 über 16.000 Kilometer einmal quer über die eurasische Landmasse, 2018 über 23.000 Kilometer einmal die Panamericana von Norden nach Süden und 2019 eben jene 18.000 Kilometer vom Nordkap bis ans Kap der guten Hoffnung.

Cape 2 Cape

18.000 Kilometer von ganz oben nach ganz unten auf dem Erdball klingen nach einer unfassbaren Größe. Auch wenn man in seinem Leben schon einmal 100, 300 oder 500 Kilometer unterwegs war oder sich über mehrere Tage auf eine lange Radreise begeben hat, wird man diese Dimesion nicht richtig fassen können. Aber wenn Jonas sagt, dass auch die längste Reise mit einer ersten Pedalumdrehung beginnen muss, dann klingt das absolut einleuchtend und wie das Selbstverständlichste auf der Welt. Und dass jeder einen Kilometer fahren kann und auch zehn Kilometer. Und dass 18.000 Kilometer ja nur viele “10 Kilometer” nacheinander sind. Es wird schnell klar, wie das hier funktioniert und wie Jonas tickt. Wie viele andere Extremsportler oder im Speziellen Ultra-Radfahrer hält auch Jonas zahlreiche Vorträge, die neben einem Bericht über seine Projekte naturgemäß auch eine starke Motivations-Komponente aufweisen. Positives Denken, Selbstkontrolle und Motivationsfähigkeit sind sichtlich wichtige Eigenschaften, die Jonas zu dem machen, was er ist und mit ermöglichen, was er leistet.

Das Cape to Cape-Projekt orientiert sich in Strecke und Planung an dem früheren Weltrekord, der bei 102 Tagen gelegen hat. Vom Nordkapp geht es durch Finnland und Russland Richtung Iran, am afrikanischen Kontinent dann durch Ägypten, Sudan, Äthiopien, Kenia, Tansania, Sambia, Botswana und Südafrika.

Auf ein derartiges Vorhaben hinzutrainieren ist eigentlich nicht möglich, vielmehr gilt es eine derartige Grundausdauer aufzubauen, dass der Körper bei großen Distanzen und langen Tagen nicht schlapp macht. Deshalb lebt Jonas mehr oder weniger im Sattel, bestreitet alle seine Reisen zu Vorträgen und dergleichen mit dem Rad und kommt so auf gut 50.000 Jahreskilometer. Und so kennt er offenbar seinen Körper und seine Leistungsfähigkeit sehr gut und setzt sich für den neuen Weltrekord ein Ziel von 75 Tagen!

Die Reise

Wer so eine lange Reise tut, hat natürlich viel zu erzählen. Dementsprechend möchte ich auch nicht die ganzen Highlights vorwegnehmen - dafür sind das Buch, einer der Vorträge von Jonas oder auch der Podcast besser geeignet. Aber ein paar Blitzlichter aus dem Buch gibt es hier trotzdem. ;)

Am Start steht neben Jonas noch Philipp Hympendahl, der Jonas als Fotograf begleitet und sich selbst auch auf dieses Abenteuer einlässt, obwohl er leistungstechnisch (vermeintlich) nicht die gleichen Voraussetzungen und Vorbereitung mitbringt wie Jonas. Er wird das Projekt Cape to Cape am Ende zwar nicht beenden können, jedoch gibt das Buch sehr spannende Einblicke darüber, wie sich Kopf, Körper und Seele während eines derartigen Projekts entwickeln, welche Krisen und Phasen durchgemacht werden. Dieser Kontrast zwischen dem professionellen, mental austrainierten und positiven Jonas Deichmann und dem “normaleren” und damit nachvollziehbareren Philipp Hympendahl verleiht dem Buch eine zusätzliche Ebene.

Foto: Philipp Hympendahl

Wie wenn alle Klischees von Russland bestätigt würden, spielen sich für die beiden Radler dort Dramen ab. Körperlicher Natur, in Bezug auf Infrastruktur und Verkehr und natürlich auch mentaler Natur, wenn davon die Rede ist, dass “nur noch” 3.000 Kilometer zurückgelegt werden müssen, bis Russland wieder vorbei ist. Und eine Begegnung zwischen Jonas und dem Rückspiegel eines Autos machen das Ganze auch nicht viel besser.

Das Gegenteil von bedienten Klischees und Vorurteilen zeigt der Iran, in dem die beiden tolles Essen, die nettesten Menschen und eine ausschweifende Gastfreundlichkeit erfahren. (Was im Übrigen auch viele, viele Reisende aus anderen Bereichen und Ländern bestätigen).

In Ägypten endet für Fotograf Hympendahl die Fahrt mit einer massiven Lebensmittelvergiftung und einem damit verbundenen, körperlichen Einbruch. Jonas ist ab diesem Zeitpunkt alleine unterwegs und strampelt direkt in die Sahara hinein. Ägypten selbst wird Jonas aufgrund der zahlreichen Polizeikontrollen, Checkpoints und aufreibenden Eskorten in gemischter Erinnerung bleiben.

Mitlaufende Kinder, die Jonas immer wieder mit Steinen bewerfen, werden die Durchquerung von Äthiopien zu einem schwierigen Unterfangen machen. Da wirken politische Unruhen, Mobs auf den Straßen und Barrieren aus brennenden Autoreifen fast harmlos dagegen.

Foto: Philipp Hympendahl

Botswana wird Jonas mit einer guten Infrastruktur und der Sichtung von einigen imposanten (wilden) Tieren wieder sanft stimmen. Jedoch wird auch er froh sein, IN der Polizeiwache übernachtet zu haben, anstatt draußen zu campen - in der gleichen Nacht wurde der Hund der Polizeiwache vor der Tür nämlich von einem Löwen angefallen und gefressen.

Und so fliegt man beim Lesen des Buchs gleichsam durch die unterschiedlichen Länder Afrikas und ist gefangen in Jonas Erlebnissen und Erzählungen, sodass man fast verwundert ist, als er schon auf der Zielgerade in Cape Town ist. Dort erwartet ihn wieder Philipp, der - erholt von den Strapazen - seinen Kollegen im Ziel willkommen heißt.

Foto: Philipp Hympendahl

Der Mensch Jonas Deichmann

Ein Interview mit Jonas Deichmann am Ende des Buchs gibt dann noch einmal einen Einblick in den Menschen. Man erkennt - wenn auch nur ansatzweise - was es benötigt, um derartige Leistungen vollbringen zu können. Ob man das nun will oder nicht, oder gut findet oder nicht, das sei jedem selbst überlassen. Es ist jedoch sehr faszinierend, wie sich Persönlichkeiten zu solchen Projekten treiben lassen oder besser sich selbst dazu anstiften.

Und auch das Zusammenspiel zwischen Jonas und Philipp Hympendahl zeigt an vielen Stellen, wie unterschiedlich Menschen funktionieren können. Nicht nur einmal wird Philipp von Jonas zum Weitermachen animiert und motiviert, wenn es besonders hart wird oder sich starke Schmerzen einstellen. Philipp ist aber an anderen Stellen auch Mal genervt vom scheinbar grenzenlosen Optimismus von Jonas Deichmann. Dass dieser sich damit selbst am Leben hält und so zum Weitermachen motiviert und Krisen überwinden kann, ist eine spannende (und für Jonas sichtlich erfolgreiche) Strategie.

Triathlon 360

Eine derartige Strategie wird Jonas dann auch benötigen, wenn man sich seine kommenden Projekte vergegenwärtigt. Seinen Ironman rund um Deutschland hat er gerade abgeschlossen, wobei der ja quasi nur Trainingszwecken gedient hat.

Das nächste Meisterstück soll der “Triathlon 360” werden, ein 120-facher Ironman rund um den Globus. Zum Radfahren kommen da schnell nochmal 456 Kilometer Schwimmen und 5.040 Kilometer Laufen dazu. Wer da die Bilder aus “Forrest Gump” vor Augen hat, der mit langem Bart mitten durch Amerika läuft, liegt nicht allzu falsch. Und wer Jonas einmal persönlich gehört oder gesehen hat, zweifelt auch nicht wirklich daran, dass er auch dieses Vorhaben erfolgreich abschliessen wird.

Start zum Triathlon rund um die Welt ist übrigens am 26. September 2020 in München.

Gewinnspiel

Es gibt ein Exemplar des Buchs “Cape to Cape” von Jonas Deichmann, Philipp Hympendahl und Tim Farin zu gewinnen. Dieses ist gerade im Delius Klasing Verlag erschienen. Amazon-Link.

Die Teilnahme ist bis 23.09.2020 möglich. Unter allen Einsendungen wird ein Exemplar des Buchs verlost, der/die Gewinner*in wird per Mail verständigt und auf der Facebook-Seite von 169k bekanntgegeben. Es ist keine Barablöse möglich und es besteht kein Rechtsanspruch. Das Verlosungsexemplar wurde von Delius Klasing zur Verfügung gestellt.

Ortlieb Bikepacking Taschen

Was haben meine Festive 500, die Bikepacking-Tour durch Österreich und die Race Around Austria Challenge Unsupported miteinander zu tun? Ja - lange Distanzen, Anstrengung und eine kleine Portion Masochismus. Aber auch die Bikepacking-Taschen von Ortlieb.

Begonnen hat es damit, dass ich für die Festive 500 im Winter ein "Notfallpaket" mit dabei haben wollte, das die Kapazitäten meiner Trikottaschen jedenfalls gesprengt hätte. Bei Pbike - dem Shop meines Vertrauens - war schnell eine Ortlieb Framebag besorgt und schon nach der ersten Ausfahrt war ich in das Teil verliebt - einfach anzubringen, wasserfest, robust und praktisch. In der Eiseskälte Osttirols waren im Frame-Pack immer Ersatzkleidung, Essen und Werkzeug dabei. Ich, der ich normalerweise ohne Taschen am Rad auskomme und über mehrere Jahre eine ausgeklügelte Raumaufteilungsstrategie für meine Trikottaschen entwickelt habe, war überrascht über die neue Freiheit, nichts am Rücken tragen zu müssen, alles dabei haben zu können und dabei auf nichts zu verzichten.

Mit der Umplanung des Jahres 2020 infolge der Corona-Pandemie ist bei mir dann - wie bei so vielen anderen auch - Bikepacking als wunderbare Alternative aufgekommen. Es war schon lange auf meiner To-Do-Liste aber Wochenenden während des Sommers waren schon in den vergangenen Jahren meistens immer für Events, Rundfahrten oder Marathons "blockiert". Für meinen Bikepacking-Ausflug hat die Ortlieb-Rahmentasche dann auch entsprechend Zuwachs bekommen - eine Satteltasche, die Lenkerrolle plus zusätzlicher Add-On-Tasche und die kleine Oberrohr-Tasche. Vollgepackt war ich damit durch Österreich unterwegs - während ich wetterbedingt nicht meine ganze Ausrüstung zum Einsatz bringen konnte (und damit wohl auf einiges an Gepäck verzichten hätte können...), so war der Regen zumindest dafür gut, die Wetterbeständigkeit der Taschen zu erproben!

Und letztendlich noch die Race Around Austria Challenge, bei der ich ebenfalls mit Rahmen- und Oberrohrtasche unterwegs war. Nach langem Hin- und Herüberlegen war das für mich die ideale Kombination. 

Foto: Race Around Austria

Die Ortlieb Taschen im Detail

Frame-Pack Toptube

Für mich das Herzstück des Setups ist die Rahmentasche. Diese wird unter dem Oberrohr ins Rahmendreieck gespannt, steht damit nicht im Wind und stört auch sonst in keinerlei Weise. Das Volumen gibt Ortlieb mit vier Litern an, tatsächlich passt recht viel hinein: Werkzeug, Schlauch, Regenjacke, Baselayer, Riegel und Gels, Wertsachen-Beutel oder aber auch sechs Flaschen Ensure-Flüssignahrung! ;)

Zu beachten ist, wie man die Tasche packt bzw. was man wohin steckt. Die Tasche besitzt keine Innenaufteilung oder innenliegende Fächer. Wirft man daher alles nur wahllos hinein, besteht die Gefahr von Klumpenbildung und die wiederum kann die Tasche so ausbeulen, dass man im schlimmsten Fall mit den Oberschenkeln daran streift. Aber es ist keine Wissenschaft… - einfach die Dinge zusammenrollen, überlegt verstauen und etwas Tetris-Skills anwenden, dann passt das alles gut!

Der Reissverschluss ist - zumnidest bei meinem Modell - schwergängig, ein irrtümliches Öffnen ist ausgeschlossen. Umgekehrt empfiehlt es sich jedenfalls stehenzubleiben, wenn man etwas aus der Tasche braucht - eine Bedienung während der Fahrt habe ich ausprobiert, empfehlen kann ich sie aber nur bedingt.

Die Befestigung im Rahmendreieck erfolgt einfach mittels Klettverschlüssen - drei am Oberrohr, jeweils ein zusätzlicher nach vorne zum Steuerrohr und einer nach hinten. Damit kann man alles auf so gut wie jeden Rahmen einstellen, einzig der vordere Klettverschluss wird etwas kurz, wenn - wie bei modernen Karbonrahmen mittlerweile üblich - ein sehr dickes Steuerrohr verbaut ist. Genauer hinsehen sollte man bei kleineren Rahmen. Hier kann es sein, dass sich bei montierter Rahmentasche keine oder nur noch eine Trinkflasche ausgeht. Kalkuliert man das von Beginn an ein, lohnt sich vielleicht eher ein alternatives Trinksystem - dann kann man auch gleich zur Rahmentasche greifen, die das gesamte Rahmendreieck ausfüllt.

Wie für alle anderen Produkte aus der Ortlieb-Bikepacking-Serie gilt, dass die Tasche wasserdicht ist - die Nähte sind versiegelt, das Außenmaterial abweisend. Schlaues Detail ist ein kleines Loch am Ende des Reissverschlusses, durch das man beispielsweise das Kabel des Lampen-Akkus stecken kann. Und der Griff des Reissverschlusses wird in einer passenden Lasche verstaut, so baumelt dieser während der Fahrt nicht herum oder kommt dem Oberschenkel in die Quere.

Handlebar-Pack

Die Lenkerrolle gibt es mit 9 oder 15 Litern Volumen. Wer mit dem Rennrad oder Gravel-Bike unterwegs ist, wird sich für die kleinere entscheiden (müssen), denn nur diese passt zwischen einen Rennrad- oder Gravellenker. Auch hier geht die Montage leicht von der Hand. Klett- und zusätzliche Klick-Verschlüsse werden am Oberlenker angebracht, für extra Halt sorgt ein Band um das Steuerrohr. Im Lieferumfang enthalten ist außerdem ein kleiner Spacer aus Schaumstoff, der die Tasche vom Steuerrohr fernhält und so Kontaktpunkte und Reibung mit dem Rahmen reduziert. Befestigt man Lenkerrolle und Rahmentasche gleichzeitig, muss man darauf achten, dass sich die beiden Bänder ums Steuerrohr nicht in die Quere kommen bzw. überlegen, welche Tasche man unterwegs eventuell vom Rad abnehmen möchte, sodass man nicht jedesmal von Neuem die Befestigungen übereinander schlichten oder auseinander dividieren muss :)

Die neun Liter Volumen reichen für eine kompakte Isomatte und einen Schlafsack, die man eingerollt leicht in der Tasche unterbringen kann. Alternativ kann man natürlich auch Gewand dort unterbringen, alles was gut “stopfbar” ist. Beim Packen und Verschließen sollte man darauf achten, dass man zum Unterlenker hin noch etwas Platz lässt, damit man dort auch den Lenker gut greifen kann. Bei (Gravel-)Lenkern mit Flare ist das weniger ein Thema. Dort funktioniert auch das Aus- und Einpacken der Tasche besser wenn diese noch am Rad montiert ist. Bei einem konventionellen Rennradlenker muss man die Tasche in der Regel abnehmen um sie auszuräumen, da man die seitlichen Verschlüsse sonst nicht ausrollen kann.

Auch hier ist die Tasche absolut wasserdicht, die Roll-Verschlüsse an beiden Seiten sind abgedichtet und alles was in der Tasche ist, bleibt gut geschützt. Wer mit einer Lenkerrolle unterwegs ist, muss sich natürlich darüber im Klaren sein, dass diese “im Wind steht”, und zwar richtig. Der Luftwiderstand des Systems wird merklich erhöht.

Accessory-Pack

Wem der Luftwiderstand eh schon egal ist und noch zusätzlichen Stauraum benötigt, kann an der Lenkerrolle noch eine Zusatztasche anbringen. Diese ist mit den integrierten Ösen und Haken kinderleicht und schnell montiert (und unterwegs auch wieder abgenommen). Die Zusatztasche eignet sich daher sehr gut für jene Dinge, die man eher schneller zur Hand oder immer bei sich haben möchte.

Der Verschluss der Tasche erfolgt mit einem zentralen Gurt in der Mitte der Tasche. Das ist einfach in der Handhabung, erfodert aber viel Sorgfalt beim Einrollen des Obermaterials - bei mir waren fast immer unschöne Ecken vorhanden, die dann nach oben wegstehen. Ehrlicherweise habe ich das aber bis dato nur im Stehen ausprobiert - für meine Touren war die Tasche bis jetzt noch nicht im Einsatz, weil ich den zusätzlichen Stauraum nicht gebraucht habe.

Seat-Pack

Die klassische Satteltasche gibt es ebenfalls in zwei Größen: 11 oder 16,5 Liter, wobei die größere zwei (statt einem) Befestigungsgurte hat und zusätzlich elastische Gummizüge an der Oberseite, um zum Beispiel leichte Schlapfen oder Flip-Flops zu befestigen. Ich persönlich bin ja kein Freund von allzu großen und weit ausladenden Satteltaschen, weil diese beim Fahren und vor allem im Wiegetritt zum Schwanken neigen. Für mich reicht daher das kleinere Modell mit elf Litern aus, wobei das schon eine beträchtliche Menge ist und die Tasche mit den diversen Gurten sehr gut anpassbar ist auf die jeweilige Beladung. Benötigt man nur den halben Stauraum, zurrt man die Tasche einfach auf die halbe Größe zusammen. Besonders schlau finde ich den verschließbaren Luftauslass an der Oberseite - diesen öffnet man vor dem Packen, dann räumt man seine Habseligkeiten in die Tasche, verschließt sie, drückt noch einmal alles fest zusammen und hört zu, wie die Luft aus dem Ventil entweicht. Auf diese Weise erhält man eine kompakte Satteltasche, die eben möglichst klein baut und dadurch nicht unnötig Schwungmasse aufbauen kann.

Der Verschluss wird eingerollt und zugeklippt, dadurch ist auch dieses System wasserdicht. Reflektoren an der Rückseite bieten zusätzliche Sicherheit und an den Schlaufen an der Rückseite lässt sich ein Licht montieren.

Cockpit-Pack

Am vielseitigsten und alltagstauglichsten wäre prinzipiell die kleine Oberrohrtasche namens “Cockpit-Pack”, leider ist diese aber auch der schwächste Teil der Serie (ausgehend von einem hohen Niveau allerdings). Zwei Dinge stören mich an der kleinen Tasche, die an sich ein perfekter Begleiter wäre - wasserdicht, kompakt und griffbereit. Zum einen ist da die Befestigung, die nicht so optimal funktioniert wie bei den anderen Taschen. Ein Klettverschluss um das Oberrohr sowie ein weiterer um das Lenkrohr bzw. die Spacer unterm Vorbau sollen die Oberrohrtasche an ihrem Platz halten. In der Praxis war der feste Halt allerdings nicht immer gewährleistet - nicht dass die Tasche runterfallen würde sondern dass sie leicht schief stand oder etwas zur Seite kippte. Das ist dann auch tatsächlich deswegen ein Problem (und das ist der zweite Punkt). weil die Tasche durch ihre Form sehr breit ist und bei einer leichten Schrägstellung dann die Oberschenkel die Tasche berühren. Das kann beim Fahren stören - bei meiner Österreich-Runde war das beispielsweise im Wiegetritt der Fall, weil ich dabei das Rad seitlich hin und her bewege. Was die Befestigung betrifft, so hätte mein Gravel-Bike am Oberrohr sogar zwei Schrauben, an denen man noch Zubehör montieren könnte, aber offenbar gibt es hier in der Industrie noch keine Verständigung auf eine gemeinsame Vorgehensweise - vielleicht werden wir hier für bestimmte Segmente in naher Zukunft einen Standard sehen.

Die Tasche selbst ist in Bezug auf Qualität und Verarbeitung einwandfrei - wasserdicht, mit einer hohen Gummilippe am Verschluss und einem Reissverschluss, der auch während der Fahrt bedient werden kann. Ein iPhone passt mit Ach und Krach gerade noch hinein, Riegel, Gels und Kreditkartenetui und dergleichen aber jedenfalls sehr gut. Bei meinen Erkundungen waren dort außerdem diverse kleine Kabel und Adapter verstaut, die ich gegebenenfalls schnell bei der Hand haben wollte und die ich nicht endlos in den Untiefen der größeren Taschen suchen wollte.

Einen Vielseitigkeits-Sonderpreis verdient das Cockpit-Pack für die Möglichkeit, auch als Satteltasche verwendet werden zu können. Bei einem Mountainbike-Urlaub in Osttirol hatte ich keinen Flaschenhalter am Rad (nicht fragen warum…), die Flasche wandete kurzerhand in die Trikottasche, das Werkzeug und die Jacke von ebendort direkt in die unter dem Sattel montierte Oberrohrtasche. Michael von Starbike ist mit diesem Setup sogar sein Race Around Austria so angegangen.

Meine Erfahrungen und was ich wofür verwende

Jede*r packt anders und das ist auch gut so, ist es doch auch eine recht individuelle Sache. Ich für meinen Teil richte mich natürlich nach der Herausforderung und dem Projekt. Als erstes schnalle ich die Rahmentasche aufs Rad, danach zusätzlich die Oberrohrtasche. Das ist für mich ein Setup, das das Verhalten meines Rades nicht bis wenig beeinflusst. und dabei kann man trotzdem das Wichtigste mit sich führen. Schließlich bin ich so auch meine Race Around Austria Challenge gefahren. Danach schnalle ich die Rahmentasche auf die Sattelstütze, diese bietet viel zusätzlichen Stauraum und durch die flexibel Größe auch eine gute Variabilität. Erst wenn die Satteltasche voll oder zu schwer wird, würde ich zur Lenkerrolle greifen. Bei der Lenkertasche ist der zusätzliche Luftwiderstand doch so spürbar, dass ich diese erst als “last resort” verwenden würde.

Was man wo hineinpackt, auch darüber lässt sich vortrefflich diskutieren und es wird auch hier individuelle Vorlieben geben. Eine gemeinsame Sichtweise ist aber insoweit vorhanden, als man üblicherweise schwere(re) Dinge in die Rahmentasche packt, Schlafsack und Isomatte in die Lenkerrolle und Gewand in die Satteltasche. Wertsachen sind üblicherweise in einer Oberrohr- oder Zusatztasche gut aufgehoben.

Bei meinen Touren mit den Ortlieb-Taschen war das Wetter jeweils recht “bescheiden”, von daher kann ich jedenfalls die Wasserfestigkeit der Produkte bescheinigen. Bei der Oberrohrtasche bürge ich auch für eine Wasserdichtheit, wobei diese weniger vom Wetter selbst auf die Probe gestellt wurde sondern eher durch sturzbachartige Schweißströme von meinem Kopf und Oberkörper.

Die Qualität ist hervorragend und die Verarbeitung einwandfrei. Nichts ist unsauber vernäht, nichts steht weg oder ist im Weg. Die Montage ist eigentlich selbsterklärend, bei jedem Gurt und Klettverschluss ist klar, was dieser zu tun hat und wo dieser hingehört. Hängt man sich allerdings alle Taschen zugleich ans Rad, kann es schon einmal recht eng werden - da sollte man sich kurz Gedanken machen, in welcher Reihenfolge man was montiert und wo jeder Gurt am Ende liegen wird. Besondern rund ums Steuerrohr sammeln sich dann eine Vielzahl von Gurten und Verschlüssen. Auch die Positionierung von Radcomputer und Lichtern will überlegt sein - so ist logischerweise die Lenkerrolle jeder Lichthalterung unter dem Vorbau oder unter dem Computer-Mount im Weg.

Recht viele Gurte und Klettverschlüsse :)

Ortlieb liefert zu den Taschen auch diverse Ersatz- und Zusatzgurte mit. So kann man notfalls auch eine improvisierte Halterung oder Befestigung basteln. Umgekehrt sind die vorhandenen Gurte (vor allem an Lenkerrolle und Satteltasche) teilweise recht lang, sodass stellenweise nicht mehr ganz klar ist wo diese hingehören oder verstaut werden sollen. Das letzte was man möchte, sind schlackernde Gurte oder am Ende sogar Dinge, die sich in den Laufrädern verfangen können.

Ebenfalls ein Thema sind empfindliche Karbonrahmen, die eventuell durch die Befestigungsgurte der Taschen abgenützt oder sogar beschädigt werden könnten. Ortlieb selbst gibt an, dass die eigenen Produkte auch für Karbonrahmen und -sattelstützen geeignet sind. Ich selbst konnte an meinen Rädern keinerlei Abnützung oder Spuren entdecken. Die Klettverschlüsse und Gurte haben in der Regel eine “weiche” Seite, im Normalfall wendet man diese dem Rahmen zu und nicht den aufgerauhten Klettverschluss. Wer hier auf Nummer sicher gehen möchte, kann unter den Befestigungen noch transparente Kleber anbringen, dann kommt der Rahmen gar nicht mehr mit den Taschen in Berührung.

Im “täglichen” Gebrauch wird vor allem die Rahmentasche für mich eine tolle Erweiterung bleiben, sobald das mitgeführte Gepäck die Kapazität der Trikottaschen übersteigt. Satteltasche und Lenkerrolle werden mich hingegen nur auf ausgedehnten Touren begleiten. Und von denen hab ich noch einige vor - bin ich doch gerade erst auf den Geschmack gekommen… ;)

Disclaimer

Handlebar-Pack, Accessory-Pack, Seat-Pack und Cockpit-Pack wurden mir von Ortlieb für diesen Test zur Verfügung gestellt.

Race Around Austria Challenge Unsupported

01:30 Uhr ist keine gute Zeit für wohlüberlegte Entscheidungen - vor allem wenn man schon seit zehn Stunden im Sattel sitzt, noch 330 Kilometer bis zur Ziellinie fehlen und man in einem Wartehäuschen einer Busstation liegt und darauf wartet, dass sich der Kreislauf erfängt... Doch wie ist es soweit gekommen??

# Prolog

Nach drei Jahren des Fotografierens beim Race Around Austria war 2020 das Jahr der Teilnahme - irgendwann kommt man einfach nicht mehr aus. Und die neue Kategorie "Unsupported" war genau der richtige letzte Anreiz für eine Teilnahme - kein Team, das man organisieren muss, kein Auto, das man mieten muss, keine Verpflichtungen anderen gegenüber.

Ich weiß nicht genau, ob man meine Vorbereitung auch so nennen kann. Ich habe versucht, zwischen Corona, Homeoffice und Familie möglichst viel Zeit im Sattel zu verbringen. Das war in meinen Augen wichtiger und sinnvoller als ein strukturierter Trainingsplan, der wohl nicht so gut mit meiner (zwangsläufig) spontanen Zeitplanung funktioniert hätte. Bis zum RAA sind es dann doch rund 6.000 Kilometer geworden - ein Wert, der mich grundsätzlich recht optimistisch auf den August zugehen hat lassen. Zwei Dinge konnte ich nicht wie geplant oder gewünscht umsetzen: Ich wollte mehr lange Ausfahrten machen, um mich und meinen Körper an längere Belastungen zu gewöhnen - geworden ist es dann nur eine richtig lange Ausfahrt, der 300er nach Mariazell. Ebenfalls nicht ausprobieren konnte ich längere Nachtfahrten - sowohl als Test für meine Lampen und deren Akkus als auch für mich in psychologischer Hinsicht.

Ausreichend (oder wahrscheinlich zu viel) habe ich in Gedanken über mein Equipment investiert. Das Streckenstudium auf diversen Karten hat mir viel Spaß gemacht und war fast so gut wie eine echte Probefahrt (auch wenn man natürlich kein richtiges Gefühl für die Route bekommt...). Auch in Detailfragen wie Akkulaufzeiten, Kalorienbilanzen, Taschenvolumen und Pack-Varianten hab ich mich mit großer Freude vertieft, einiges vermutlich schon "zer-dacht" und da und dort über das Ziel hinausgeschossen.

Am Ende kommt das Event dann schnell näher und näher und so richtig bereit wird man nie sein... Die Ungeduld, endlich losfahren zu können und nicht mehr an dieses oder jenes denken zu müssen hat die letzten zwei Wochen vor dem Rennen überwogen. Dass ich die ersten beiden Tage der RAA-Woche noch die anderen Teilnehmer fotografieren konnte, war als Ablenkung durchaus willkommen und hilfreich. Mit Nora und ihrem Team und Michael, der wie ich in der Unsupported-Kategorie am Start stand, konnte man sich außerdem noch vortrefflich die Stunden vor dem Rennen schön gestalten. Die Stimmung war zwischen Vorfreude und Begeisterung bis hin zum gegenseitigen "Anstacheln" wie es früher in der Schule vor wichtigen Schularbeiten üblich war.

# I: St. Georgen - Schärding

Um 15:28 am Mittwoch sind alle diese Gedanken und Unsicherheiten wie verflogen. Moderator und Freund Oliver schickt mich mit motivierenden Worten die Startrampe hinunter und schon nach den ersten Metern durch St. Georgen ist man plötzlich ganz alleine, tritt beständig in die Pedale und es ist schlicht und ergreifend nicht greifbar, was da nun vor einem liegt. 560 Kilometer und 6000+ Höhenmeter sind eine Kategorie, die so einfach nicht fassbar ist, wenn man zuvor noch nie solche Distanzen zurückgelegt hat. 300 sind mittlerweile eine Kategorie, an der sich viele abgearbeitet haben. Aber sind 560 nun so wie 300 nur etwas länger? Kommt man in einen Flowzustand und die Kilometer verfliegen nur so? Oder sind 560 einfach fast doppelt so viel wie 300 und es wird einfach eine einzige große Quälerei?

Die ersten 100 Kilometer des Rennen führen durch das relativ flache Innviertel, das Terrain liegt mir - dennoch bin ich etwas überrascht, dass beim ersten Stop bei einer Tankstelle bei Suben ein 30er-Schnitt auf meinem Tacho aufscheint. Verbunden mit den heißen Temperaturen des späten Nachmittags dräut mir, dass das eventuell ein zu schneller und zu ressourcenraubender Start ins Rennen war.

# II: Sauwald (Schärding - Passau)

Aus Schärding klettert man kurz über eine 16%-Rampe die Stadt hinaus, nach 100 Kilometern des Drückens im Sitzen sind die ersten Höhenmeter fast eine Erleichterung. Es ist ca. 19:30 und ich radle in einen wunderbaren Sonnenuntergang, die Felder rechts und links von mir scheinen golden und es wirkt wie eine schöne, lange Ausfahrt, die gemütlich in den Abend hineinführt. Kurz vor Schardenberg treffe ich auf Sylvia aus dem Wiener Verein Mitzi and Friends, die mit Familie am Straßenrand steht und alle Fahrerinnen und Fahrer anfeuert - das gibt Kraft und wird nur der erste von vielen Momenten sein, in dem man Energie aus großartigen Anfeuerungen erhält. Die Abfahrt Richtung Passau - hinunter zur Donau - fließt dahin und flott bin ich bei Kilometer 130 angelangt.

# III: Passau - Niederranna

Es folgen 30 Kilometer entlang der Donau, die Szenerie - obwohl landschaftlich sehr ansprechend - wird eintöniger: links Donau, rechts Wald. Die Sonne zeichnet sich mittlerweile nur noch als dunkelroter Streifen am Horizont hinter mir ab, ansonsten senkt sich jetzt die Nacht über mich. Seit 20:00 gelten die Nachtregeln des Rennens, das bedeutet, dass vorne und hinten am Rad die Lichter eingeschaltet sein müssen. Und während die Fahrer mit Betreuerfahrzeug im Scheinwerferlicht desselben unterwegs sind, müssen die Lampen der Unsupported-Fahrer*innen so stark sein, dass sie ein gefahrloses Vorankommen auch in der finstersten Nacht ermöglichen (entsprechende Akkukapazitäten inklusive).

Um 21:00 erreiche ich die Donaubrücke bei Niederranna, die das Ende der flachen Kilometer markiert und den Beginn des berühmt-berüchtigten Mühlviertels. "Ende" ist auch ein Stichwort, das mein Körper sich denkt. Als Familienvater habe ich mich in den letzten zwei Jahren an eher frühes Schlafengehen gewöhnt, dementsprechend zeigt mein Körper recht wenig Bereitschaft, weiterhin vollen Betrieb zu ermöglichen.

# IV: Mühlviertel (Niederranna - Ulrichsberg)

Müde und mit einem von den hohen Temperaturen zu Beginn des Rennens ermatteten Kreislauf kurble ich die erste größere Steigung des Rennens hinauf - rund vier Kilometer direkt von der Donau hinauf in ein Dorf namens "Dorf". Oben angekommen brauche ich erst einmal eine Pause, irgendwie hat die Akklimatisierung an Nacht und frischere Temperaturen noch nicht funktioniert. Ich setze mich zu einer Busstation, entspanne meinen Rücken, trinke ein Ensure und beobachte die Challenge-Fahrer*innen, die in der Deckung ihrer Betreuerfahrzeuge an mir vorbeirollen. Ich habe übrigens zu keinem Zeitpunkt - auch später im Rennen - nie den Eindruck, "überholt" zu werden wenn jemand an mir vorbeifährt. Vielmehr ist es ein Miteinander, ein gemeinsames Bewältigen dieser Prüfung, man sitzt auf gewisse Art und Weise im gleichen Boot.

Die Landschaft des Mühlviertels und dessen Schönheit kenne ich von früher - jetzt ist alles was ich sehe, der Lichtkegel meiner Lupine Piko und weiter als 10-20 Meter reicht der auf höchster Stufe auch nicht. Aus der Finsternis rechts und links von mir tönt jedoch immer wieder spontanes Klatschen oder Johlen. Und dann sind da noch die Fan-Zonen: Von der Stimmung in Julbach hat man schon vor dem Start gehört, dass jedoch in so gut wie jedem Ort auf dem Weg dahin auch schon Menschen auf den Straßen stehen und alles und jeden anfeuern, was dort vorbeikommt, darauf war ich keinesfalls vorbereitet. Anfeuerungen, Musik, Klatschen, Rattern, Jugendliche, die über hunderte Meter mitlaufen - das alles verleiht einem vielleicht keine Superkräfte aber es hilft enorm, die schwierigen Stunden in der Nacht leichter absolvieren zu können. Wie soll man stehenbleiben oder schlappmachen, wenn alle 500 Meter jemand steht, der sich für einen die Seele aus dem Leib brüllt...

Nach harten 35 Kilometern ständigen Auf und Abs (ständig!), ist Ulrichsberg erreicht, die erste Timestation des Rennens und mit knapp 200 Kilometern ist zumindest schon ein gutes Drittel absolviert.

# V: Ulrichsberg - Vorderweißenbach

Die Strecke von Ulrichsberg bis Vorderweißenbach bin ich - etwas abgeändert und großteils in die andere Richtung - schon einmal gefahren aber mitten in der Nacht bringt einem die vermeintliche Streckenkenntnis nicht wirklich viel. Und haben die Fans im Mühlviertel noch für Zerstreuung und Kurzweil gesorgt, ist man nun endgültig alleine mit dem Geräusch der Wildwarnvorrichtungen an den seitlichen Fahrbahnbegrenzern, die einen mit einem freundlichen Piepsen begrüßen, sobald der Lichtstrahl auf die Sensoren fällt. Seit Beginn des Mühlviertels hat sich mein Kreislauf nicht wirklich erfangen und dass ich um diese Zeit sonst üblicherweise sanft vor mich hin schlummere, macht die Situation nicht besser. Die Essensaufnahme wird zunehmend schwieriger - ein Thema, auf das ich besonderen Wert legen wollte, weiß ich doch von mir selbst, dass hier meine größte Achillesferse liegt. Meinen Mix aus Riegeln, Gels und Ensure-Flüssignahrung habe ich auf nur noch Ensure reduziert, beim Gedanken an einen der süßen Riegel wird mir schlecht. Unterbrochen durch einige kleinere Pausen von zwei bis drei Minuten arbeite ich mich bis Haslach vor, kurble noch stetig den Anstieg nach St. Stefan und Afiesl hinauf, nur um auf der darauffolgenden Abfahrt zu merken, dass ich wohl doch eine etwas längere Pause einlegen sollte. Der Körper ist im Notbetrieb, es ist kalt geworden und statt im untersten Bereich weiterzutreten möchte ich meinem Körper die Möglichkeit bieten, sich zu erholen. In einem geräumigen Bushäuschen irgendwo bei Vorderweißenbach drehe ich meine Lampen ab, knülle mein Gilet zu einem Polster zusammen und stelle mir einen Timer auf 20 Minuten ein. Ich schlafe tatsächlich in der Sekunde ein und erst der Ton des Telefons weckt mich wieder auf. Ich stelle noch einen Timer - diesmal 15 Minuten -, doch die warte ich nicht mehr zur Gänze ab. Schlafen geht nicht mehr, ich zittere ob der Kälte und merke, dass ein längerer Stop an dieser Stelle keine positiven Effekte mehr bringen würde.

# VI: Vorderweißenbach - Freistadt

Die ersten Meter nach der Pause sind etwas beschwerlich, der Körper ist abgekühlt und das grundsätzliche Gefühl, dass ich jetzt gerade in einem kuscheligen Bett besser aufgehoben wäre, ist nicht verflogen. Die folgenden 25 Kilometer sind für mich mit die schwersten des Rennens - es ist stockfinstere Nacht, andere Teams sind weit und breit nicht zu sehen und die Topographie hat sich zwar etwas gemäßigt, auf und ab geht es trotzdem noch die ganze Zeit. Die einzige Ablenkung bietet ein Unsupported-Kollege, dessen Licht auszugehen droht und das er - mangels USB-Kabel - nicht nachladen kann. Nach einem beruhigenden Blick auf den Ladestand meines Test-Garmin 1030 Plus verschenke ich mein USB-Kabel und setze meine Fahrt fort. Ich habe in den den letzten Stunden in Gedanken immer wieder einmal kurz nach potentiellen Ausreden gesucht, erfundene Defekten und Probleme durchgespielt - ohne Konsequenzen. Aber dass jemand tatsächlich ohne Licht im Mühlviertel strandet und mit der Weiterfahrt auf das Ende der Nachtphase um 06:30 warten muss, das möchte ich dann doch verhindern.

In Rainbach im Mühlkreis erwachen die Sinne dann wieder - zwangsläufig. Wer hätte gedacht, dass tschechische Sattelschlepper, die einem auf Autobahnausweichrouten ansonsten eher versuchen, das Leben zu nehmen, in diesem Fall eher für das notwendige Zurückkehren ins Leben sorgen...

In Freistadt treffe ich auf Nora und ihr Team, ein großartiger Lichtblick in dieser düsteren Nacht! Sie haben mich während meiner Ruhepause im Bushäuschen überholt. Ich geselle mich dazu, mache eine kurze Pause und schnorre Wasser von ihren Begleitern. Meine nächtliche Krise ist - hier in Freistadt um 04:00 Uhr früh durchstanden!

# VII: Freistadt - Enns

Die folgenden 40 Kilometer geht es tendenziell bergab, soviel habe ich mir vom Höhenprofil gemerkt. Und auch die Worte von Erwin Mayer - dem Organisator des King of the Lake - hallen in meinen Ohren: er meinte, bis Freistadt muss man überleben, danach fährt man sinngemäß nur noch heim. Ab Pregarten spielt sich am Horizont ein leichter Anflug von Dämmerung ab, das Ende der Nacht ist damit absehbar und diese große Prüfung damit vor ihrem Ende. Beginnender Pendlerverkehr Richtung Enns zeugt vom baldigen Beginn der 06:00 Uhr Frühschicht, meine Schicht dauert an dieser Stelle bereits zwölf Stunden, in denen ich allerdings auch die Hälfte der Distanz der RAA Challenge zurückgelegt habe. Der Blick auf die Zahlen am Display des Radcomputers ist damit gar nicht so schlecht und im Wesentlichen ganz zufriedenstellend, wenn es denn in dieser Manier so weitergeht.

Bei Mauthausen wird die Donau gequert, starker Frühverkehr mit hohem LKW-Anteil setzt ein. Bei einer JET-Tankstelle ist es Zeit für etwas Festes zwischen den Zähnen. Auch wenn ein Speck-Käse-Mayonaise-Baguette nicht wirklich im Sinne der Leistungsentfaltung ist, die Seele dankt es in hohem Maße.

# VIII: Enns - Steyr

Von Enns bis Steyr ist man kurz in Niederösterreich unterwegs - übrigens nicht der einzige Ausflug in ein Nachbarbundesland bei der Race Around Austria Challenge (zu Beginn ist man kurz in Salzburg unterwegs, der Fuß des Hengstpasses liegt in der Steiermark). Knapp 40 Kilometer geht es in den ersten Morgenstunden zwischen goldenen Feldern hindurch und über kleine Wege und Straßen Richtung Voralpen. Die Licht-Stimmung ist ähnlich wie rund um Schärding rund 12 Stunden zuvor und ich lasse kurz die Gedanken schweifen, was in dieser Zeitspanne alles passiert ist. Immer wieder ertappe ich mich, wie ich in Gedanken die fehlenden Kilometer durchgehe, darüber nachdenke, was noch alles kommt, noch alles fehlt und wie "mühsam" das alles werden würde. Diese Gedanken gilt es sofort und in der Sekunde beiseite zu schieben. Es zählt immer nur der nächste Stop, das nächste Zwischenziel, das ich mir auf meinem Aufkleber auf meinem Vorbau notiert habe, die nächste Tankstelle oder der nächste Brunnen. Reicht schon, dass mein Körper und meine Beine nie wieder so richtig aus dem Not-Modus zurückgekehrt sind. Da muss zumindest der Kopf noch weiterhin einwandfrei funktionieren!

In Steyr ist Kilometer 340 erreicht, bei der Firma Hrinkow Bikes ist das sogenannte Depot situiert. Der Veranstalter des RAA hat - hauptsächlich aus Sicherheitsgründen - eine Möglichkeit vorgesehen, Vorräte, Gewand oder was auch immer man benötigt, in einer Box in Steyr zu hinterlegen. Puristen mögen an dieser Stelle einwenden, dass das Ganze dann nicht mehr unsupported ist. Auf der einen Seite haben sie damit recht, auf der anderen Seite ist es aber auch egal, weil gleiche Möglichkeit für alle und für die erste Austragung eines derartigen Rennens ist eine Rückfallebene sicher kein Fehler. In Steyr stehend ist mir das in diesem Moment aber ohnehin gleichgültig! Ich fasse aus meiner Box neue Ensure-Flaschen, die mich bis ins Ziel ausreichend versorgen sollen, Riegel und Gels greife ich erst gar nicht mehr an. Frische Flaschen ersetzen die klebrigen, schmutzigen, benützten. Ein Blick auf die Boxen, die außer meiner noch im Depot auf ihre Abholung warten, zeigt mir, dass ich platzierungstechnisch wohl nicht mehr allzu viel herausholen kann. Aber das war von Anfang an nicht der Plan also wird auch dieser Gedanke wieder verworfen.

# IX: Steyr - Hengstpass

Über die folgenden 60 Kilometer durch das Ennstal möchte ich am liebsten gar nicht allzu viel schreiben! Es würde mich entweder traurig oder aggressiv machen... Irgendwie hatte ich diesen Abschnitt in meiner Rennplanung entweder nicht genau genau angeschaut (auf der Karte und im Höhenprofil) oder ich habe mich massiv verschätzt. Gerechnet habe ich mit einer zwar mühsamen aber annehmbaren Anfahrt auf das Gesäuse, die mit ein paar wenigen Steigungsprozenten dahinschmiert. Tatsächlich geht es dort in einem durch bergauf und bergab, kleinere Hügel, größere Hügel, lange Geraden, kleinere Hügel, größere Hügel. Uhrzeitbedingt war der Verkehr recht stark und auch die mittlerweile aufgegangene Sonne sorgte wieder für höhere Temperaturen. Geholfen haben mir die Challenge-Teams, die rund um mich - einmal vor mir, einmal hinter mir - unterwegs waren. Geholfen haben sie mir sowohl physisch - durch Wasser in meine leeren Flaschen -, als auch psychisch, durch deren Anwesenheit. Martin und Ariane "kenne" ich etwas besser von Instagram und Strava, hier ist es ungemein hilfreich, wenn jemand in der Nähe ist. Nicht, dass sie mir großartig helfen könnten aber es ist schon ein gutes Gefühl, dass da noch jemand unterwegs ist, der vielleicht in einer ähnlichen Situation ist wie man selbst.

# X: Hengstpass - Micheldorf

Altenmarkt markiert das Ende des Ennstals und das Tor zur nächsten Prüfung. Der Hengstpass ist nominell keine allzu große Herausforderung, einzig die Länge von mehr als 20 Kilometern schreckt ab. Die Steigung ist zu Beginn sehr moderat und zieht erst im oberen Teil an, dann ist es aber auch schon wieder vorbei. Problem an der Sache ist eher, dass man an dieser Stelle bereits 400 Kilometer in den Beinen hat. Wie Nora in ihrem Blogbeitrag ganz richtig angemerkt hat, sind die schnellen Fahrer*innen hier unterwegs, wenn es gemütliche Nacht- oder Morgentemperaturen hat. Ist man - so wie ich - dort kurz vor Mittag, dann steht dort schon einmal die Luft bei lauschigen 30 Grad. Aber auch da waren wieder Challenge-Fahrer in meiner Nähe, die mir das Gefühl geben konnten, nicht alleine in diesem Boot zu sitzen.

Am Hengstpass angekommen gibt es die Möglichkeit für eine kurze Pause und das Auffüllen der Flaschen. Ensure reinhauen und weiter gehts! Die Abfahrt nach Windischgarsten ist schön aber zu kurz, als dass man sich hier großartig erholen könnte. Wie die Auffahrt zum Hengstpass ist auch die Abfahrt nicht mit großen Steigungsprozenten gesegnet, insofern rollt man nicht allzu lange gemütlich dahin sondern muss recht bald wieder kräftig in die Pedale treten.

Apropos kräftig in die Pedale treten: War bei der Anfahrt zum Hengstpass nach Süden noch ein lästiger Gegenwind zu spüren, so hätte man für den Abschnitt vom Hengstpass weg (Richtung Norden!) dann wohl Rückenwind erwarten können. Aber weit gefehlt, auch die 35 Kilometer Richtung Kirchdorf an der Krems kam der Wind von vorne und bremste die letzten Anflüge von Leistungsentfaltung nachhaltig. Bei der Tankstelle in St. Pankraz hatte ich schon vor dem Rennen eine Rast eingeplant, Tankstellen nahe Autobahnabfahrten sind nicht nur 24 Stunden geöffnet sondern bieten auch ein gutes Sortiment. Ein Coca Cola und ein Croissant später sieht die Welt fast immer etwas besser aus - so hangelt man sich von Kilometer zu Kilometer, Station zu Station. Den Rest der Strecke kenne ich vom Fotografieren der Challenge recht gut - ob das nun ein Vorteil oder Nachteil ist, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht restlos geklärt.

# XI: Ziehberg - Hochlecken

"Noch 100 Kilometer!" war der Gedanke beim Blick auf den Garmin, die Übersetzung ("Bei deinem Schnitt bist du also noch gute vier Stunden unterwegs") galt es wiederum schnell zu verbannen. Der Ziehberg war einfacher zu fahren als befürchtet, beim Fotografieren und Befahren mit dem Auto hat sich dieser tatsächlich schwieriger "angefühlt". Einzig die 38 Grad, die der Garmin anzeigte, ließen mich kurz an dem Vorhaben zweifeln. Aber schwarze Wolken am Horizont waren schon zu diesem Zeitpunkt ein recht deutlicher Indikator dafür, dass zumindest das Hitzeproblem alsbald gelöst sein sollte.

Ein Salzstangerl in einer Bäckerei in Scharnstein sorgte für etwas zu Kauen und eine kleine Portion Salz, die Abfahrt nach Gmunden für etwas Abwechslung und das nahende Donnergrollen für etwas Aufregung. Aus Gmunden hinaus zieht sich der Anstieg Richtung Hochlecken recht mühsam dahin, jedoch wünscht man sich, dass es lang so schmierig weitergegangen wäre, wenn man vor der kurzen 13%-Rampe steht, die es am Weg zum Attersee noch zu überwinden gilt. Einsetzender Regen sorgte für Abkühlung, Bedingungen an die ich mich bei vielen Ausfahrten in den letzten Wochen und Monaten gewöhnen konnte. Nora wollte beispielsweise gar nicht mehr mit mir fahren gehen, weil es bei mir immer zu regnen beginnt...

Heimweh setzte dann auch noch meine internen Sicherheitsregularien außer Kraft und so konnte ich es auf regennasser Fahrbahn hinunter zum Attersee noch einmal richtig krachen lassen. ;)

# XII: Attersee - St. Georgen

In Steinbach am Attersee geht es auf die Uferstraße und plötzlich taucht vor mir ein Unsupported-Kollege auf, den ich in den vergangenen Stunden schon mehrmals in unterschiedlichen Situationen getroffen habe. Wir plaudern kurz nebeneinander fahrend - er ist zweimal gestürzt, hat auch mehrere Krisen durchlebt. Es klingt blöd, aber es beruhigt, dass es anderen auch nicht viel besser geht als mir. Der Sieger der Unsupported Kategorie ist übrigens seit fast sieben Stunden im Ziel - er hatte also "nur" eine längere Ausfahrt, während wir hier in den Genuss einer bewusstseinserweiternden, tageüberdauernden, lebensverändernden Erfahrung kommen.

Es ist dies die Strecke des großartigen King of the Lake, das bedeutet, dass man hier eigentlich nicht gemütlich fahren kann, sondern irgendwie draufdrücken "muss". Der kurze Anstieg in Unterach, dann Richtung Mondsee, noch ein kleiner Schupfer - hier bin ich wenige Wochen zuvor erst bei meiner Österreich-Tour gefahren, bekanntes Terrain also. Bei der Abzweigung in Innerschwand sehe ich mich quasi schon im Ziel. Und wie als Strafe ziehen mir die letzten Meter bergauf hier noch einmal alles aus den Beinen, was da noch irgendwo im letzten Winkel versteckt war. Erst bei Kilometer 556 - also nach dem letzten Anstieg bei Oberwang - ist das Rennen tatsächlich in trockenen Tüchern. Naja, "trocken" nicht, denn es regnet mittlerweile wieder aber die letzten Meter bis zur Ortstafel von Sankt Georgen geht es bergab und das Heimweh mobilisiert noch einmal ein paar Körner. Meine "Zieldurchfahrt" bei der Ortstafel absolviere ich alleine, eigentlich wird man hier abgeholt und eskortiert. Aber auch mein Tracker war müde und hat eine Pause eingelegt, daher war auch die RAA-Crew überrascht, als ich plötzlich vor ihnen gestanden bin. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht werde ich dann von drei Motorrädern über die Hauptstraße St. Georgens Richtung Ziel geleitet, Menschen klatschen und feuern an - egal wie schnell oder langsam man war, ob man vorne ist oder hinten, Erster oder Letzter. Die Ankunft auf der Bühne - auf der ich 26,5 Stunden früher losgestartet bin - rührt mich sehr, in drei Jahren Race Around Austria ist doch eine große Zugehörigkeit zu diesem Event und den großartigen Menschen dahinter entstanden!

# Epilog

Duschen, ins Bett legen und 13 Stunden später wieder aufwachen - das ist direkt nach meinem Zieleinlauf passiert. Schmerzen in Händen/Handgelenken und dem Allerwertesten, die mich die letzten Stunden des Rennens plagten, waren am nächsten Tag im Wesentlichen wieder verflogen. Geblieben ist ein tiefsitzender subtiler Schmerz im Nacken und Rücken, der einfach durch die lange Position am Rad zustandekommen ist. Nie zuvor hatte ich auf einer Ausfahrt Schmerzen in den Fußsohlen, beim RAA allerdings schon nach wenigen Stunden - den Grund kenne ich bis heute nicht, meine linke Sohle hat sich allerdings knapp eine Woche lange etwas bamstig angefühlt. Oft heißt es "Schmerzen vergehen, der Ruhm bleibt" oder so ähnlich... Das stimmt natürlich, auch wenn der "Ruhm" ein grundsätzlich überschaubarer ist. Die Wertigkeit einer Aufgabe wie der Race Around Austria Challenge legt man grundsätzlich selbst fest. Ich mache mir wenig aus Trophäen oder Urkunden, mir ist wichtiger, dass ich mit mir selbst zufrieden bin und mich in die Spiegel schauen kann. Und das kann ich auf jeden Fall.

Mein Körper ist recht bald in einen Modus gegangen, in dem er eine beständige Leistung erbringen kann. Dass diese beständige Leistung im Endeffekt recht niedrig war und viel niedriger als das, was ich unter "normalen" Umständen zu leisten vermag, ist eine andere Geschichte. Ernährung wird immer ein Thema sein, an dem ich arbeiten kann, die Geschichte mit dem "Arbeiten in der Nacht" könnte man im Vorfeld sicher auch besser trainieren. Sehr zufrieden bin ich mit meiner mentalen Leistung und darin liegt wohl auch einer der Schlüssel zu derartigen Vorhaben. Nicht das Handtuch zu werfen, wenn Dinge schwierig werden, wenn etwas weh tut, wenn die Aussichten nicht rosig sind und die Herausforderung fraglos eine große ist, das habe ich glücklicherweise geschafft. Es ist wohl dieses Zusammenspiel von Geist und Körper - gute Leistungen wird man nur erbringen können, wenn beides passt. Je besser man trainiert ist, desto besser der Output des Körpers (und wenn es nur der Notmodus ist) - je stärker der Kopf, desto "einfacher" wird die Herausforderung bewältigt. Mein Respekt vor den Sportler*innen, die die Challenge, die 1.500 Kilometer oder die Extreme-Distanz über 2.200 Kilometer absolvieren, ist durch meine eigene Teilnahme noch einmal enorm angewachsen. Mir war vorher schon klar, dass hier unglaubliche Leistungen erbracht werden, aber auch meine kühnsten Vorstellungen waren noch recht weit von der Wahrheit entfernt. Das alles hilft mir dabei, gute Fotos von den Sportler*innen zu machen - was ich übrigens im nächsten Jahr beim Race Around Austria wieder machen werde... ;)

Strava

Fotos: Race Around Austria, Elisa Haumesser, Reinhard Eisenbauer, Wolfgang Haidinger

Wattmess-Systeme

Mit schöner, unregelmäßiger Regelmäßigkeit gibt es hier einen Artikel zum Thema Wattmessung. Und obwohl ich mich nach wie vor kategorisch weigere, nach Trainingsplan zu trainieren und die angezeigten Watt auf meinem Computer eher zu meiner eigenen Unterhaltung dienen als zu tatsächlichen Trainingszwecken, prangen doch auf mittlerweile drei meiner Räder Wattmess-Geräte. Diese verrichten alle einen guten und ähnlichen Job, könnten aber im Detail nicht unterschiedlicher sein. Grund genug, kurz auf die unterschiedlichen Systeme am Markt einzugehen und aus meinem persönlichen Nähkästchen zu plaudern. Dementsprechend habe ich auch nichts abgewogen, verglichen oder Power-Kurven von verschiedenen Programmen und Geräten übereinander gelegt, um prozentuelle Abweichungen zu suchen. Wie gewohnt gibt es daher vielmehr eine subjektive Erzählung ein paar jener Dinge, die ich an den jeweiligen Geräten mag oder nicht mag, die gut funktionieren oder weniger.

Unterschiedliche Systeme

Die Kraft, die aufgebracht wird, um mit dem Rad vorwärts zu kommen, kann grundsätzlich an vielen Punkten gemessen werden. Je näher man dabei an der Kraftquelle (dem Fuß) ist, desto grundsätzlich besser. Idealerweise wird dir Kraft direkt gemessen, das heißt mittels Dehnmessstreifen oder dergleichen. Der Reihe nach sind das die Pedale bzw. deren Achsen (Garmin, Powertap, SRM Exakt, Favero Assioma), die Kurbelarme (Stages, Rotor, Shimano, Verve, 4iiii), der Kurbel-Spider (SRM, Quarq, Power2Max), die Tretlagerwelle (Rotor InPower) oder die Hinterrad-Nabe (Powertap).

Außerdem gibt es noch Systeme, die man an den Schuhen, den Schuhplatten, am Lenker (!) oder sonst wo befestigen kann - dass dort jedoch tatsächliche Wattleistungen ermittlet werden (können), ist manchmal eher zweifelhaft, deshalb möchte ich diese Systeme aussparen.

Zu Systemen am Hinterrad - der Powertap-Nabe zum Beispiel -, oder Rotor InPower-Systemen, die die Kraft an der Tretlagerwelle messen, kann ich mangels Erfahrungswerten nichts sagen. Und wer nichts zu sagen hat, soll in den meisten Fällen lieber schweigen. ;)

Allgemeines

Es ist zugegebenermaßen etwas unübersichtlich geworden am Powermeter-Markt in den letzten Jahren. Gut, früher hat es SRM gegeben und Leistungsmessung war etwas für Profis. Mit der Demokratisierung der Leistungsmessung hat eigentlich Stages richtig begonnen, als vor einigen Jahren die linken Kurbelarme mit dem blauen Logo aufgetaucht sind, die um rund 700 Euro einen halbwegs leistbaren Einstieg in die Leistungsmessung ermöglichen sollten. Dass die Batteriedeckel der ersten Stages-Generation dabei jeden einzelnen Wassertropfen ins Innere gelassen haben war zwar ein Problem, aber der Weg war grundsätzlich bereitet. Maßgeblich für den Preisvorteil von Stages war zu dem Zeitpunkt natürlich, dass nur im linken Kurbelarm eine Messung eingebaut war, die Werte des linken Fußes einfach verdoppelt wurden, um die gesamten Watt dazustellen. Das Aufstöhnen der Puristen ob der Ungenauigkeit und Unwissenschaftlichkeit dieser Methode wurde recht schnell vom Verkaufserfolg von Stages überlagert.

An dieser Stelle möchte ich gleich meine persönliche Meinung zur Genauigkeit von Powermetern loswerden, die gleichermaßen übrigens auch für Indoor-Trainer gilt. Angegeben werden diese Abweichungen in Prozentschritten, wobei man bei 3% Abweichung oft schon den Eindruck erweckt bekommt, als würde die Welt untergehen. Bei meinen durchschnittlichen Wattwerten wäre eine Abweichung von 3% irgendetwas zwischen 5 und 7 Watt. Das mag nach viel klingen und für einen Profi, der auf 1-2 Watt genau trainieren soll, mag das auch noch relevant sein. Für mich ist das aber tatsächlich völlig vernachlässigbar. Ich möchte bei meinen Touren grob wissen, in welchen Zonen ich unterwegs bin und bei Intervallen oder Trainingsblöcken einen Anhaltspunkt für die zu erbringende Leistung haben. Dementsprechend halte ich es auch für übertrieben, extra Geld auszugeben für zusätzliche oder bessere Präzision. Das soll natürlich jede*r für sich selbst entscheiden und ein gewisses Grundmaß an Genauigkeit muss jedenfalls vorhanden sein. Man kann jedoch sehr wohl abwägen, ob man die Präzision eines teuren SRM-Powermeters (mit 1%) unbedingt benötigt oder ob Stages mit behaupteten 1,5% soviel schlechter ist.

Wichtiger sind da aus meiner Sicht andere Faktoren! Die Kompatibilität mit unterschiedlichen Head Units und damit verbunden die Kommunikationsmöglichkeiten des Powermeters - Bluetooth und/oder ANT+ zum Beispiel. Es soll nach wie vor Radcomputer geben, die nur entweder ANT+ oder Bluetooth aber nicht beides gleichzeitig können oder aber auch ganze Kanäle, die durch ein einziges Gerät blockiert werden und keine weiteren Verbindungen mehr zulassen (letzteres vor allem bei Hometrainern). Hier sollte man sich vor einem Kauf jedenfalls kurz schlau machen.

Stages hat mit der Messung auf der linken Seite zwar etwas losgetreten, bietet aber mittlerweile auch selbst beidseitige Systeme an. Die simple Verdopplung der Werte von einer Seite mag unseriös klingen, gibt aber grundsätzlich ein ganz gutes Gesamtbild ab. Dass mögliche Unschärfen - beispielsweise Dysbalancen und Links-Rechts-Unterschiede - auf diese Art und Weise noch verstärkt dargestellt und dadurch die Werte entsprechend ungenauer werden, ist evident. Massive Links-Rechts-Unterschiede sind den Sportler*innen, die es betrifft aber meistens ohnehin bekannt, weil da vermutlich Verletzungen oder Ähnliches vorangegangen sind. Für alle anderen Anwendungsfälle und bei geringfügigen Dysbalancen sollte dies aber kein gravierendes Problem darstellen.

Idealerweise ist ein Powermeter auch einfach zu bedienen und einfach zu nutzen. Moderne Räder sind ohnehin schon kompliziert genug und das Laden einer Di2-Batterie mutet in meinen Augen ja schon seltsam genug an - wie wenn das Rad ohne Steckdose nicht mehr funktionieren würde… Stromversorgung ist auch bei Powermetern ein großes Thema. Bei einigen Modellen kann man sich schon vorab auf einen massiv gestiegenen Verbrauch von CR2302 oder LR44-Batterien einstellen, andere Hersteller setzen auf praktische (aber fast immer proprietäre) Kabellösungen, auch die klassische AA-Batterie ist noch da und dort zu finden.

Ebenso “deppensicher” soll aus meiner Sicht die Anwendung sein - kein Kalibrieren vor jedem Losfahren, kein Anziehmoment für irgendwelche Schrauben, kein Einstellen von irgendwelchen Grundwerten! Aber damit sind wir schon mittendrin im ersten Praxisbericht…

1/ Garmin Vector

Wenn jemand am Boden liegt, soll man nicht auch noch drauftreten. Und Garmin hatte in den letzten Tagen mit den Problemen rund um Garmin Connect schon genug zu tun. Die “Begleiterscheinungen” der Garmin Vector Pedale waren allerdings von Anfang an schwer zu übersehen. Die an sich geniale Ansage war, Leistungsmessung in ein Pedal zu verpacken, das dementsprechend einfach und schnell von einem Rad aufs andere geschraubt werden kann - super zum Beispiel für das Leihrad im Urlaub oder das Bahnrad im Winter. Allerdings konnte die ersten Generationen der Vector-Pedale genau diese Einfachheit nicht wirklich einlösen. Für die Montage war ein exaktes Drehmoment einzuhalten und an den Achsen hing ein klobiger Pod für die Datenübertragung, der umständlich um das Kurbelende gelegt werden musste und nicht um alle Kurbeln passte.

Die dritte Generation hatte keine Pads mehr, dafür aber ein bedeutendes Problem mit dem Batteriefach - und ab hier kann ich aus persönlicher Betroffenheit berichten. Dabei hätten sich viele eine etwas bessere Kommunikationspolitik von Garmin gewünscht, denn es konnte keine zufriedenstellende Lösung für die mangelhafte Batteriefachabdeckung bereitgestellt werden. Und während dem Vernehmen nach rund 10 Prozent der Units nicht richtig funktionierten, wurden diese weiterhin verkauft und ausgeliefert. Umso überraschender war, dass im Frühjahr 2020 aus heiterem Himmel ein Mail eintrudelte, in dem der kostenlose Austausch der Batterieabdeckungen angeboten wurde. Man hatte mehrere Monate (!) für eine Neuentwicklung genützt, bei der nun verstärkte Kontakte eingesetzt werden und die Batterie stärker an den Kontakt gedrückt wird - Halleluja! Nach dem Einbau des neuen Deckels funktionieren die Garmin Vector Pedale nun (zumindest bei mir) genau so, wie sie sollen.

Der Wechsel zwischen mehreren Rädern funktioniert reibungslos und schnell - Drehmomentschlüssel und irgendwelche Pods sind jetzt nicht mehr notwendig. Die Batterielaufzeit (mit vier LR44-Zellen) ist gut und übertrifft bei mir die von Garmin genannten 120 Stunden bei weitem. Außerdem gibt es einen dezenten Warnhinweis (auch am Wahoo-Computer), bevor die Energie der Batterien endgültig zur Neige geht. Die Vector-Pedale sprechen Bluetooth und ANT+, Firmware-Updates und dergleichen funktionieren über die entsprechende App am Mobiltelefon.

Verwendet man einen Garmin Edge-Radcomputer der Serien 500, 800 oder 1000 kommt man außerdem noch in den Genuss der sogenannten Cycling Dynamics. Dabei werden in aufwendigen Diagrammen und Abbildungen direkt am Computer unterschiedliche Dynamiken dargestellt - darunter die Verteilung des Drucks am Pedal und der dazugehörige Offset von der Mitte, eine Darstellung der Druckphase in der Pedalumdrehung oder eine Erkennung, ob man sitzend oder stehend fährt. Das Ganze ist zwar nett anzuschauen, es fehlen allerdings die konkreten Schlüsse, die man aus diesen Daten ziehen soll. Auf diese Weise entsteht also recht viel Datenmaterial, mit dem man allerdings nicht allzu viel anfangen kann, außer dass es ganz nett aussieht. Auch unter dem Titel Cycling Dynamics läuft die Trittfrequenzmessung, die mit den Vector-Pedalen miterfasst wird - in diesem Fall wiederum sehr sinnvoll!

Die Garmin Vector Pedale gibt es um 500 Euro für die einseitige Messung (am linken Pedal) oder beidseitig um 900 Euro. Die mitgelieferten Pedalplatten sind Look-Standard - auch das ist zu bedenken, wenn man sich für ein System entscheidet. Bei mir waren die Vector-Pedale der Grund, warum ich bei allen Schuhen und (Renn)Rädern auf Look-Platten gewechselt habe.

2/ Stages

Stages war mein erster Powermeter - ich war quasi ein Teil jener Kundenschicht, die auf einen günstigeren Einstieg in die Leistungsmessung gewartet haben. Im Sommer 2016 hab ich einen linken Stages-Kurbelarm auf mein damaliges Canyon geschraubt und bin dadurch zwar keine Sekunde schneller gefahren oder habe keinen Platz dazugewonnen, aber es war hochinteressant, einen Wert zu haben, an dem man sich orientieren kann - egal ob es heiß ist oder kalt, ob man Hunger hat, gut drauf ist oder schlecht. Es gefiel mir von Beginn an, zu wissen, woran man ist - und das ist auch bis heute meine Grundmotivation in Bezug auf Leistungsmessung.

Mein Stages-Kurbelarm war einer der zweiten Generation und hatte dementsprechend schon die Kinderkrankheiten der ersten Generation (den undichten Batteriedeckel) abgelegt. Die Leistungsmessung funktionierte einwandfrei und stabil, einige kleine Aussetzer gehörten damals zwar auch mit dazu, diese waren aber nicht allzu störend. In den Tiefen des Internets findet man Vermutungen, dass die Sendeleistung der Stages-Kurbelarms nicht die beste sein soll oder es zumindest (bis Generation 2) war. Denn auch auf meinem aktuellen Rennrad habe ich eine Stages-Kurbel montiert - wiederum den linken Arm - und dort funktioniert die Messung seit Beginn problemlos und ohne Lücken.

Stages selbst spricht von einer Messgenauigkeit von +/- 1,5 Prozent - ein Wert, den ich weder überprüfen kann noch will. Auch wenn der Wert “falsch” wäre… Solange er immer gleich falsch ist, stimmt zumnidest der Informationsgehalt halbwegs und man kann sich daran orientieren. Während bei meiner ersten Stages Kurbel noch ein Haufen Knopfzellen daran glauben musste - der Batteriewechsel erfolgte gefühlt wöchentlich - halten die Zellen jetzt bedeutend länger durch. Die von Stages genannten 200 Stunden Minimum dürften wohl ungefähr stimmen.

Ansonsten ist der Stages bis auf das kleine Logo am Kurbelarm so gut wie nicht erkennbar, die kleine Ausbuchtung aus Kunststoff an der Innenseite des Kurbelarms ist nur beim genauen Hinsehen erkennbar, die 20 Gramm zusätzliches Gewicht sind vernachlässigbar. Auch hier sind sowohl Bluetooth als auch ANT+ an Bord, auch für Stages gibt es eine dazugehörige App für Firmwareupdates und dergleichen. Wie schon zuvor ist auch bei Stages die Trittfrequenzmessung mit an Bord.

Obwohl Stages mit der einsetigen Messung begonnen hat, gibt es mittlerweile beidseitige System oder auch nur den rechten Kurbelarm (mit Kettenblättern). Die Version der Messung nur auf der rechten Seite ist in erster Linie für Zeitfahrräder oder spezielle Bauformen (unter anderem Direct Mount-Bremsen unten am Rahmen) gedacht, wo tatsächlich nicht genug Platz für den wenige Millimeter hohen Pod am linken Kurbelarm ist.

Gab es zuerst nur Shimano Kurbelarme, ist das Sortiment mittlerweile rieseig und umfasst Shimano, SRAM, Campagnolo, Cannondale, RaceFace, Easton und Specialized Kurbeln. Stages liefert sich außerdem immer wieder recht ambitionierte Preis- und Rabattschlachten mit den anderen Herstellern, dadurch kommt man bereits für 299 Euro in den Genuss einer Leistungsmessung (für den linken Kurbelarm der Shimano 105). Die restlichen linken Kurbelarme bewegen sich preislich irgendwo zwischen 400 und 700 Euro, die beidseitige Messung beginnt im Bereich von 700 Euro (Ultegra oder XT bspw. 749 Euro).

3/ Quarq

Mit dem Quarq Powermeter sind wir beim Kurbel-Spider angelangt. Quarq hat damit viel Erfahrung, werken sie doch schon lange Jahre an ihren Produkten - zuerst unter eigener Marke, seit 2012 unter dem Dach von SRAM, die dann auch die ersten waren, die Powermeter (optional) in ihre Top-Gruppen integrierten. Die Messung erfolgt am Kurbel-Spider - der Powermeter-Spider ersetzt hier mehr oder weniger komplett den originalen, die Kettenblätter werden am PM-Spider montiert. Der Austausch geht einfach von der Hand, der Ort ist für einen Powermeter ideal - nahe an der Kraftquelle, ohne große Eingriffe in bestehende Bauteile und auch nicht so exponiert wie beispielsweise Pedale. Auch der Markt- und Technologie Pionier SRM wählt seit jeher den Spider als Ort für die Messung der auftretenden Kräfte.

Quarq war von Anfang an im Konzert der preisgünstigeren Powermeter dabei, mit dem Nachteil der geringeren Kompatibilität bzw. der engen Verbindung mit SRAM-Komponenten. Dafür hat man den Eindruck, alles aus einer Hand zu bekommen. Und tatsächlich ist es auch im täglichen Betrieb so, dass sich der Quarq Powermter am “integriertesten” anfühlt. Sowohl was die Qualität des Produkts angeht als auch - und das ist noch wichtiger - im Sinne der Positionierung des Powermeters und der Art und Weise, wie er “fest” verbaut ist. Natürlich sind auch Kurbelarme und Pedale fest verschraubt, allerdings ist gefühlsmäßig der Kurbelspider ein noch fixerer Bestandteil des Rads, ist weniger exponiert, wirkt noch stabiler. Es ist dies ein subjektiver Eindruck und - offensichtlich - ist es schwierig, diesen Eindruck in Worte zu fassen… Der Quarq Spider wirkt am solidesten und das beruhigt.

Die Messgenauigkeit ist laut Hersteller bei 1,5 Prozent, die CR2302-Zelle hält rund 200 Stunden, Trittfrequenzmessung ist an Bord, kommuniziert wird über Bluetooth und ANT+ und für Firmware-Updates und dergleichen fügt sich der Powermeter in die SRAM-eigene “AXS”-Welt ein, in der man über eine zentrale App alles steuern kann - vom Powermeter über die Schaltung bis hin zur versenkbaren Sattelstütze.

Linkes und rechtes Bein werden getrennt voneinander ausgewiesen, wobei die Zugphase des einen Beins die Druckphase des gerade anderen ist. Die Links-Rechts-Verteilung kann dadurch natürlich geringfügig verfälscht werden, grundsätzlich geben Powermeter am Spider die L/R-Verteilung aber sehr gut wieder.

Der Einstieg in die Powermeter-Welt von SRAM kostet rund 550-600 Euro wenn man nur den Spider anschaffen möchte, bei höherwertigen Rädern ist der Powermeter mitunter schon mit am Rad verbaut, muss allerdings gegen eine Gebühr freigeschaltet werden.

Mein Fazit

Ich habe am liebsten Systeme, die einfach funktionieren. Ich möchte mich nicht unbedingt mit einer komplizierten Montage befassen, vor jeder Fahrt irgendetwas kalibrieren oder permanent Dinge aufladen müssen. “No nonsense” oder “just works”-Lösungen nennt man das wohl oft. In diesem Sinne ist mir von meinen Powermtern der Quarq am Zeitfahrer am liebsten, fühlt dieser sich doch irgendwie am “vollständigsten” an. Auf der anderen Seite haben mich auch die Stages Kurbel und die Garmin Pedale rein konstruktiv nie wirklich im Stich gelassen, da geht es eher um ein Gefühl der Integrität.

Sehr wohl im Stich gelassen haben mich Stages und Garmin zu Beginn beim Batteriewechsel. Während die zweite Stages-Generation Batterien im Akkord verbrauchte, ging nach dem Batteriewechsel beim Vector Pedal erstmal gar nichts mehr. Stages hat bei der 3. Generation nachgebessert, Garmin ebenfalls. Beide Systeme funktionieren an meinen Rädern einwandfrei und geben keinen Grund zur Klage. Was die Energieversorgung betrifft, wäre mir dennoch ein System lieber, das man mittels (USB-)Kabel aufladen kann - sowohl im Sinne der Usability als auch der ökologischen Nachhaltigkeit.

Zur Genauigkeit der Messung möchte ich mich nicht ausbreiten, dazu sind mir die ausgegebenen Werte nicht wichtig genug - im Sinne des allerletzten Prozents. Nach einer anfänglichen Kalibrierung (und nach jedem Batteriewechsel) geben alle drei Powermeter stabil ihre Werte aus. Gefühlt (und im Vergleich mit meinem Wahoo Kickr) gibt der Quarq die Werte am genauesten wieder, gefolgt von Garmin und mit etwas Abstand Stages. Beim Kurbelarm liegen meine Wattwerte grundsätzlich etwas über dem, was ich sonst trete.

Foto: Sportograf

Kaufentscheidungen?

Vor der Anschaffung eines Powermeters, kann man sich anhand einiger einfacher Fragen an ein passendes Modell herantasten bzw. einige Dinge schon einmal gut eingrenzen oder ausschließen:

  • Möchte ich den PM auf einem oder auf mehreren Rädern benützen?

  • Wo ist meine preisliche Schmerzgrenze?

  • Was fahre ich jetzt für ein Kurbelfabrikat und möchte ich dabei bleiben?

  • Welchen Achsstandard hat mein Rad?

  • Wie relevant ist die Genauigkeit der Messung für meine Zwecke?

  • Bin ich auf SRAM oder Shimano fixiert?

Beantwortet man diese Fragen ehrlich und für sich selbst, kommt man vermutlich schon zu einer Auswahl von nur noch zwei bis drei Fabrikaten und Produkten, die man sich dann näher anschauen kann. Der Zeitpunkt für eine Anschaffung ist derzeit nicht der schlechteste, nachdem sich einige Hersteller in eine neue Runde von Preisschlachten gestürzt haben. Power2Max fährt seit einigen Monaten bereits große Rabatte auf, Stages hat die Einstiegspreise ebenfalls massiv gesenkt.

Ob ein Powermeter Sinn macht, ist eine Entscheidung, die jede*r für sich selber zu treffen hat, Spaß machen sie aber auf jeden Fall. Und wenn es nur darum geht, beim King of the Lake den FTP-Wert auszuloten…!

10 Gedanken zum Bikepacking

Na gut, ich hab jetzt meine Vier-Tagestour absolviert, aber das macht mich bei weitem nicht zum Experten für Bikepacking und alles, was damit zu tun hat… Dennoch hatte ich während meines Dahinrollens durch die wunderschöne österreichische Landschaft genug Zeit, um über viele Sachen nachzudenken. Manche Dinge haben sich regelrecht aufgedrängt, über andere musste ich erst etwas grübeln. Auch wenn die folgenden Punkte also eine lose und absolut unvollständige Sammlung an Ideen und Gedanken sind, die auf keinerlei Grundlage basieren außer meinen eigenen Eindrücken, möchte ich sie euch dennoch nicht vorenthalten. Kann sein, dass auf der nächsten Tour schon wieder alles ganz anders ist, aber irgendwo muss man ja einmal anfangen! ;)

1/ Routenplanung

Ich kann mich stundenlang in der Routenplanung verlieren, auf Orte klicken, Verbindungslinien ziehen, Wegpunkte definieren. Das Reisen auf der Landakrte verleitet mich aber allzu oft dazu, meine tatsächlichen Fähigkeiten draußen auf der Straße zu überschätzen. 3.000 Höhenmeter? Ein Klacks. 250 Kilometer an drei Tagen hintereinander? Kein Problem. DOCH ein Problem, wie sich spätestens am ersten Tag einer solchen Tour herausstellt.

Für meine Runde habe ich erst den vierten oder fünften Entwurf der Komoot-Route genommen. Davor wollte ich zuerst durch ganz Österreich fahren, dann noch dieses oder jenes Highlight mitnehmen, die Freunde in XY besuchen und am besten noch ein paar Spots des Race Around Austrias besichtigen. Erst nach und nach hat sich glücklicherweise der Verstand durchgesetzt und mich “humanere” Routen erstellen lassen. Es ist einfach nicht möglich, alles und am besten auf einmal zu machen. Diese Erkenntnis mag anfangs schwer fallen, wenn man nur begrenzt Urlaub oder andere Verpflichtungen hat, aber man wird sich während des Trips nichts Gutes tun, wenn man ständig den Zielen hinterher läuft oder das Angstrebte nicht erreichen kann.

Daher lieber einen Gang zurückschalten, realistische Routen und Etappen wählen und mit Hausverstand vorgehen. Die Tour wird auf diese Weise ziemlich sicher größeren Spaß machen.

2/ Crosser, Gravel oder Rennrad

Eng mit der Routenplanung verknüpft ist die Wahl des Fahrrads. Ursprünglich wollte ich mich mit dem Gravelbike auf den Weg machen. Um jedoch “Sattel-Zeit” für das Race Around Austria zu bekommen, fiel die Entscheidung auf das Rennrad. In meinen Augen gibt es bei der Routenwahl fast immer einen Interessenskonflikt zwischen “schnell” und “schön”, und dieser wird durch die Wahl des Rads noch verstärkt. Für die pittoreske, erlebnis- und aussichtsreiche Runde würde ich daher beim nächsten Mal jedenfalls das Gravelbike nehmen. Damit ist es einfacher und auch entspannter, in ein Tal hineinzufahren, einmal den touristischen Schotter-Radweg zu nehmen oder auch mal irgendeinen Berg hochzufahren.

Sicher gibt es Anwendungsfälle für die schnelle Durchquerung von Ländern und Regionen mit dem Rennrad - hier zählt das schnelle Vorankommen, für das man auch das Fahren auf Bundesstraßen und weniger ansprechenden Pisten in Kauf nimmt. Im Sinne des “Erlebens” würde und werde ich jedoch beim nächsten Mal sicher die langsamere Version wählen und auf das Gravelbike setzen. Sicher - die Strava-Stats sind dann vielleicht nicht so eindrucksvoll, aber wen kümmert das schon! In einem Jahr, in dem (teilweise corona-bedingt) gefühlt jeder Dritte schon ein Everesting, ein paar KOMS und einen 300er in der Tasche hat, ist da ohnehin nicht mehr viel zu holen… Da zählen doch ein paar tolle Erinnerungen an einsame Bergseen, Alpenpanoramen und Güterwege mehr!

3/ Richtig Packen

Über Packstrategien, Taschen und Packlisten könnte man wohl unzählige eigene Artikel schreiben und vermutlich werde ich das an einer anderen Stelle auch noch tun. Ich habe eigentlich gedacht, dass ich durch viele Dienstreisen ausreichend geschult bin, kompakt und sparsam zu packen und trotzdem alles notwendige mitzuhaben. Der Bikepacking-Trip hat mich dahingehend jedoch etwas verwirrt: Dass ich aufgrund des Wetters nicht draußen geschlafen habe und das Mitführen von Schlafsack und Isomatte damit völlig umsonst war, ist eine Sache. Aber von meinem anderen Equipment - das eigentlich sehr sparsam gewählt war - habe ich auch nur knapp die Hälfte gebraucht. Riegel und Gels hätte ich beispielsweise einige Zuhause lassen können, da gab es unterwegs genug Alternativen. Durch den Zwischenstopp bei Freunden, wo ich meine Radsachen in die Schnellwäsche schmeissen konnte, hätte auch ein Set an Hose und Trikot gereicht. Ersatzteile wie Schläuche und Patronen einzusparen ist zwar ein naheliegender Gedanke aber im Falle des Falles steht man dann blöd da - auf diese Teile hätte ich dann doch nicht verzichten wollen.

Wesentlich ist wohl die Ausrichtung des Trips - ob man draußen schlafen möchte, ob man zwischendurch einmal Pause macht und dort waschen kann und so weiter. Dass es keine allgemeingültigen Regeln fürs Packen gibt ist klar, ebenso dass es eine recht individuelle Angelgenheit ist. Der sinnvollste Weg führt hier wohl über das Ausprobieren, Trial and Error, etwas Flexibilität (z.B. mit der optischen Sportbrille barfuß durchs Hotel zu laufen) und der Erkenntnis, dass man nur weiß, dass man nichts weiß…

4/ Freunde mitnehmen

Erinnerungen sind am Schönsten, wenn man sie teilen kann. Das geht im Nachhinein - so wie ich das bei meinem Trip gemacht habe bzw. mache. Wim Wenders hat sinngemäß einmal gesagt, Reisen sei wie einen Film zu belichten, entwickelt werden die Bilder erst nach der Reise in der Erinnerung. Doch Fotos herzuzeigen und Blogposts zu schreiben kann dennoch nicht ein gemeinsames Erlebnis ersetzen. Einen Sonnenuntergang zu erleben, gemeinsam eine Krise zu überwinden, im Team etwas zu schaffen ist Gold wert und jedes Teambuilding-Seminars würdig.

Etwas Hirnschmalz sollte man jedoch in die Auswahl der Mitfahrenden stecken. Kompatibilität auf mehreren Ebenen ist hier gefragt - leistungstechnisch, einstellungstechnisch und generell lebenstechnisch. Und ohne hier Illusionen zu zerstören oder langjährige Freundschaften auf die Probe stellen zu wollen: Das “sich gut verstehen” auf einer zweistündigen Ausfahrt heißt nicht automatisch, dass es auch auf einem Drei-Tages-Trip gut funktioniert…

5/ Keine Freunde mitnehmen

In diese Wunde streuen wir gleich noch mehr Salz, spricht doch auch gar nichts gegen einen Trip alleine - im Gegenteil! In meinen Augen gibt es ab und zu nichts besseres, als Zeit für sich selbst. Zehn Stunden durch die Gegend zu pedalieren, sich mit niemandem zu unterhalten, sich auf nichts konzentrieren zu müssen, leert den Kopf und das Gehirn - im positiven Sinn. Es ist plötzlich viel Raum da für Dinge, über die man schon lange einmal in Ruhe nachdenken wollte. Man kann sich in einen - Achtung: leicht esotherisch! - fast tranceähnlichen Zustand begeben (oder Flow oder wie auch immer man dazu sagen möchte) oder - und das ist mein Favorit - man denkt einfach an nichts und lässt die Dinge passieren. Dann fliegen einem plötzlich ganz von alleine Gedanken zu, es kommen Ideen und Einfälle, die in stressigen Zeiten einfach nicht den Weg zu einem finden.

6/ Stehenbleiben

Das alles muss man natürlich zulassen und wollen. Wenn man in Unterlenkerposition und mit gesenktem Haupt durch die Lande düst, wird man Schwierigkeiten haben, die Umgebung, die Menschen und die Eindrücke aufzusammeln. Umso wichtiger ist in meinen Augen das Stehenbleiben - nämlich das tatsächliche physische Stehenbleiben. Es soll nicht so oft passieren, dass man sein Etappenziel nicht mehr erreicht, es geht vielmehr darum, innehalten zu können, Dinge nicht (nur) im Vorbeifahren zu bemerken sondern sich bewusst auf etwas einzulassen. Wenn ich da nur an meine Tour denke: Beim Eis-Greissler in der Buckligen Welt? Stehenbleiben und kosten und erleben! Beim Stahlwerk der Voest in Donawitz? Stehenbleiben, absteigen, die Schautafeln vor dem Besucherzentrum ansehen und etwas über die Geschichte erfahren, die diesen ganzen Landstrich über Jahrzehnte geprägt hat. Kühe, Schafe, Ziegen am Wegesrand? Stehenbleiben und Hallo sagen! Eine außergewöhnliche Wolkenstimmung, eine imposante Autobahnbrücke, ein Badeteich, eine Raststation, Menschen am Straßenrand… Alles, an dem man schnell vorbeifährt, lässt man hinter sich - die Dinge, denen man kurz Zeit lässt, einen zu berühren, die nimmt man mit! Esotherik, Ende!

7/ Freunde besuchen

Bei allem Einsiedlertum und Zu-sich-selbst-finden kann eine Portion Erdung nicht schaden. Die holt man sich idealerweise bei Freunden, Bekannten oder Verwandten, die an der Strecke wohnen und einen vielleicht sogar auch noch mit einer Jause oder einem Schlafplatz verorgen können. Ich bin in der glücklichen Lage, über fast ganz Österreich verteilt Verwandte zu haben und in jenen weißen Flecken, die davon nicht umfasst sind, wohnen gute Freunde. Eine gute Möglichkeit zur Routenplanung wäre zum Beispiel, einige dieser Verwandten und Freunde als Wegpunkte herzunehmen und zu schauen, was dabei für eine Route rauskommt. Eine ideale Gelegenheit um verlorene Bekanntschaften wieder aufzunehmen, entfernte Beziehungen zu pflegen oder sich bei Freunden Updates über deren Leben zu holen. Facebook und Instagram schön und gut, aber das echte Leben schaut dann doch nochmal anders aus.

Und einen wichtigen Punkt habe ich oben bei der Routenplanung vergessen, aber er passt hier auch ganz gut hin: Viele Distanzen (zu Freunden, Verwandten, einstigen Urlaubszielen) kennt man mit dem Zug oder mit dem Auto. Man hat Erinnerungen an die Strecken, weiß wie lange man dorthin unterwegs war. Diese Distanzen mit dem Rad ab- oder nachzufahren, schafft einen ganz neuen Bezug zu Distanzen. (So wie es mir wichtig war, nach Mariazell zu radeln, wo wir jahrelang auf Urlaub hingefahren sind).

8/ Auf den Körper hören

Die wenigsten von uns sind in der glücklichen Lage, dauernd die Zeit für solche (mehrtägigen) Abenteuer zu haben. Dementsprechend ist der Körper derartige Belastungen wahrscheinlich nicht gewöhnt. Und auch wenn der Organismus sich enorm schnell auf solche Herausforderungen ein- und umstellen kann, sind kleinere oder größere Komplikationen wahrscheinlich. Ein zwickendes Knie, das die Belastung nicht gewohnt ist, ein Hintern, der sonst eher nur 2-3 Stunden im Sattel sitzt, Handgelenke, die nach mehreren Stunden kapitulieren wollen und mit zunehmendem Alter natürlich auch eine mangelnde Regnerationsfähigkeit.

Dass diese Dinge auftreten kann man nicht verhindern, wie man damit umgeht kann man jedoch sehr wohl selbst steuern. Wesentlich ist aus meiner Sicht, dass man auf seinen Körper hört, in sich hineinspürt und die Signale auch entsprechend (richtig) deutet. Über einen Schmerz einfach “drüberzufahren” macht weder aus gesundheitlicher Sicht Sinn noch wird die weitere Tour damit ein Freudenerlebnis werden. Zu unterscheiden, was wesentlich ist, wo weitere Schäden auftreten könnten oder wann es wohl besser ist, die Tour abzubrechen, ist nicht einfach aber wichtig. Und auch hier sei wieder erwähnt - und da muss ich mich auch selbst ab und zu an der Nase nehmen -, es ist nicht wichtig, ob auf Strava eine runde Zahl oder der vollgemachte Hunderter oder ein neuer Personal Record steht. Die Gesundheit geht hier jedenfalls vor.

9/ Flexibel bleiben

Eine Portion Flexibilität kann unterwegs jedenfalls nicht schaden - egal ob es um Routenänderungen geht, zusätzliche Pausen, Wetterkapriolen, technische Defekte oder das vorzeitige Ende einer Tour. Im Regelfall ist man nicht auf der Jagd nach Rekorden oder Erfolgen, etwas Gelassenheit und Gleichmut erleichtert hier das Leben unterwegs enorm. Das mag in anderen Teilen der Welt anders sein - beim Bikepacken in Kirgistan oder in Südamerika mag der nächste Schlafplatz oder Brunnen lebensentscheidend sein, hier in der Mitte Europas muss man sich über solche Dinge jedoch keine allzu großen Sorgen machen.

Dementsprechend sollte man auch bei kleineren Hindernissen nicht die Nerven wegschmeissen oder sich selbst unter Druck setzen, sondern ruhig und besonnen die Alternativen durchgehen. Anzuerkennen, dass man bestimmte Dinge - beispielsweise das Wetter - nicht beeinflussen kann, ist allemal besser, als daran zu verzweifeln. Auf meiner Tour musste ich wegen eines Unwetters eine Etappe früher beenden. Für den Folgetag musste ich die Route entsprechend adaptieren und dafür einen Berg auslassen, den ich eigentlich als eines der Highlights mitnehmen wollte. Aber hier zu verzweifeln macht genauso wenig Sinn wie am nächsten Tag daran zu scheitern, doch die ganze Tour fahren zu wollen (mit zusätzlichen Höhenmetern und Stunden im Sattel). Manchmal sind Heldensagen zwar die besseren Geschichten, aber nur wenn sie gut ausgehen.

10/ Genießen

Über allem sollte dieses eine Wort stehen - Genießen! Ohne Jagd auf Bestzeiten oder KOMs und mit dem Bewusstsein für die Landschaft und Gegend, durch die man gerade fährt, öffnen sich einem auf Tour so viele Möglichkeiten. Sicher geht es irgendwie auch um Kilometer, die man sammelt und Trainingseffekte, die darin versteckt sind, aber - Achtung, hier wird es noch einmal esotherisch - in meinen Augen liegt der eigentliche Sinn solcher Touren darin, größer zu werden! Etwas zu lernen - über sich selbst und über die Regionen, durch die man fährt. Davon zehrt man jedenfalls länger, als von einem 49. Platz auf einer Strava-Rangliste irgendeines Segments.

Bikepacking mit Hindernissen

Zwischen der Abfahrt aus Wien an einem lauen Sommermorgen und zitternden Beinen im strömenden Regen am Bahnhof Steyr ist einiges passiert: 4 Tage, 622 Kilometer, knapp 7.600 Höhenmeter und ein Haufen toller Eindrücke und Erinnerungen. Vieles ist dabei gut gelaufen, manches wiederum nicht so ganz nach meinen Vorstellungen. Wie immer habe ich eine Unmenge an Dingen im Kopf, die ich gerne in diesen Beitrag packen würde, der Übersichtlichkeit halber gibt es aber diesmal mehrere Teile. Hier und jetzt geht es einmal um die Tour, ein weiterer Beitrag wird sich um ein paar Learnings und Gedanken drehen, die mir während des Fahrens durch den Kopf gegangen sind. Aufgrund vieler An- und Nachfragen ist außerdem ein Artikel zu den Ortlieb-Taschen in Arbeit und schließlich - denn auch das war ja einer der Zwecke, der diese Tour gegolten hat - möchte ich auch noch einige Worte über mein Setup für die Race Around Austria Challenge “unsupported” vorstellen. Pfuh, viel zu tun - am besten wir starten gleich!

Die Idee einer Österreich-Tour

Normalerweise findet Anfang Juli die Österreich-Rundfahrt statt. Eines der wenigen internationalen Radrennen Österreichs war glücklicherweise auch für mich immer wieder einmal eine Gelegenheit, Fotos zu machen und Rennluft bei den Profis zu schnuppern. Corona kam, die Österreich-Rundfahrt 2020 wurde abgesagt und neben einigen tollen Initiativen mit Zukunftsperspektive (“Österreich dreht am Rad”) war es auch mir irgendwie ein Bedürfnis, eine Art Runde durch Österreich zu machen.

Die Idee war natürlich schon vorher da und auch in meinem Komoot-Ordner sind zahlreiche Variationen von Touren abgespeichert und warten nur darauf, abgerufen und realisiert zu werden. Die Frage dabei ist immer, wie viel Zeit man hat, wie gut der Trainingszustand ist und wie weit man reisen möchte.

Dass das Fahrrad das großartigste Fortbewegungsmittel ist, muss ich an dieser Stelle ja nicht mehr erwähnen… Genau die richtige Geschwindigkeit - schnell genug, um doch vorwärts zu kommen und Kilometer machen zu können. Gleichzeitig aber auch langsam genug, um Gerüche wahrzunehmen, Wetterwechsel zu spüren, jederzeit kurz stehenbleiben, die Landschaft erleben und erfahren zu können. Dinge, die einem im Auto sowieso aber auch auf dem Motorrad großteils verwehrt bleiben.

Die Planung

Ich wollte radeln, möglichst lang und möglichst stetig. Ich wollte dabei Kilometer machen ohne mich hetzen zu müssen. Ich wollte mich um nichts kümmern müssen, als ums Treten in die Pedale. Ich wollte unterschiedliche Regionen durchqueren, denn so spürt man tatsächlich, dass man “weiterkommt”. Ich wollte am Weg Freunde und Bekannte besuchen.

Eigentlich wollte ich schon Anfang Juli auf meine Tour gehen, dafür war eine tolle Runde durch große Teile Österreichs auf dem Gravelbike vorgesehen. Aufgrund der (miserablen) Wettervorhersage habe ich mein Vorhaben zum damaligen Zeitpunkt verschoben (und im Nachhein war das gut so, da die Woche nur aus Gewittern und Unwettern bestanden hat). Als neuer Termin war Mitte Juli ins Auge gefassst, aufgrund des nahenden Race Around Austria habe ich außerdem auf das Rennrad umdisponiert. Zeit im Sattel ist einer der wesentlichen Faktoren, die ich für meine Vorbereitung für das RAA festgelegt hatte, warum also nicht bei einer Bikepacking-Runde Kilometer sammeln.

Die Planung der Runde hat nicht allzu lange gedauert. Vier Tage waren schnell als Zeitraum fixiert - was innerhalb dieser Zeit möglich ist, habe ich anfangs noch sehr optimistisch ausgelegt (200km+), dann etwas realistischer und schließlich an meine tatsächliche Leistungsfähigkeit angepasst. Als Tagesziele habe ich Orte gewählt, wo Freunde von mir wohnen. Wenn man alleine (oder in einer kleinen Gruppe) unterwegs ist, wird man schnell zum Einsiedler. Das ist positiv im Sinne der Konzentration auf einen selbst, ich finde aber, dass man auch sozial einen Bezug zu seiner Umgebung herstellen muss. Freunde zu besuchen ist daher ein angenehmer “Mitnahmeeffekt”. Dass man dadurch auch in den Genuss eines potentiellen Schlafplatzes, einer warmen Dusche und einer Mahlzeit kommt, ist natürlich ebenso positiv!

Mit Komoot reicht es tatsächlich, einige wenige Punkte auf der Karte anzuklicken. Die Verbindungsstücke, die Komoot automatisch erstellt, sind eine gute Auswahl. Ich kann an dieser Stelle vorwegnehmen, dass mich der Algorithmus lediglich über einige wenige nicht asphaltierte Abschnitte geschickt hatte (was in meinen Augen kein wirkliches Problem ist und sie waren vorab entsprechend gekennzeichnet). Und umgekehrt hat Komoot mich über touristische, sehenswerte, verkehrsarme und schöne Wege geleitet, die ich ohne das Programm wohl nicht gefunden hätte. Ein ganz wesentlicher Punkt in meinen Augen ist jedoch, dass man sich zu einem gewissen Grad dann doch entscheiden muss, ob man “schön” oder “schnell” fahren will. Nimmt man die schönen Ecken mit, die malerischen Wege und die tollen Aussichten, so bedeutet das fast immer, dass die Geschwindigkeit sinkt, man extra Meter abspult oder später an sein eigentliches Ziel kommt. Das soll kein Plädoyer für die schnelle Bundesstraße sein, es ist lediglich zu bedenken, wenn man an der Routenplanung sitzt und vorgegebene Zielorte erreichen möchte.

Das Equipment

Im Sinne einer Vorbereitung auf mein Race Around Austria habe ich viele jener Dinge eingepackt, die ich auch beim RAA nutzen möchte.

Rad

Meine BMC Roadmachine wird mich auch rund um Oberösterreich begleiten. Mit der eher komfortablen Auslegung des Rahmens und der damit verbundenen Gutmütigkeit ist ein derartiges Rad eigentlich eine optimale Wahl für solche Vorhaben. Am üblichen Setup habe ich eigentlich nichts verändert, ein Service bei PBike hat den Antriebsstrang noch einmal auf Vordermann gebracht. 25 Millimeter breite Reifen sind bei mir grundsätzlich immer die richtige Wahl, da ist der Mittelweg aus Komfort und Rollwiderstand am besten. Für längere Ausfahrten und Touren ist natürlich umso wichtiger, dass man gut auf dem Rad sitzt bzw. entsprechend darauf gefittet ist. Nach vielen Kilometern oder mehrtägigen Belastungen spürt man Schwachstellen umso mehr oder aber es entstehen welche, die man vorher noch nicht gekannt hat.

Taschen

Die Bikepacking-Serie von Ortlieb besteht grundsätzlich aus Sattel-, Rahmen- und Oberrohrtasche, außerdem noch einer Lenkerrolle, die wiederum noch mit einer Zusatztasche versehen werden kann. Mit der Rahmentasche habe ich schon bei meinen Festive 500 sehr gute Erfahrungen gemacht - vor allem hinsichtlich Qualität, Bedienung und Wasserfestigkeit -, daher waren die anderen Taschen dieser Serie für mich von Beginn an gesetzt. Zu den Taschen werde ich noch einen eigenen Artikel posten, vorab sei jedoch schon einmal festgehalten, dass die Ortlieb-Taschen auf ganzer Linie überzeugt haben.

Gewand

Bekleidung ist ein komplexes Thema und außerdem eine sehr individuelle Angelegenheit. Ich habe mich für den Trip für zwei RH77-Sets entschieden. Die Bibs haben in meinen Augen einen der besten Polster - nicht unwesentlich, wenn man vier Tage im Sattel sitzen möchte. Bei den Trikots hab ich außerdem das “AUT”-Trikot ausgewählt - passend für eine Fahrt durch Österreich. Als Backup außerdem eingepackt waren Ärmlinge, Handschuhe, Gilet und Regenjacke.

Für die Zeit abseits des Rads waren noch eine kurze Hose, zwei Funktionsshirts, ein Thermo-Gilet und eine kurze Schlafhose an Bord. Kein klassisches Kleidungsstück ist die Maske (bzw. der “Mund-Nasen-Schutz”) aber auch von denen hatte ich zwei mit dabei.

Elektronik

Für die Navigation habe ich auf einen Garmin 1030 Plus zurückgegriffen, den ich gerade zum Testen habe. Auch wenn ich traditionell mit manchen Funktionen von Garmin (oder im Fall des 1030 Plus mit dem schieren Überangebot an Funktionen!) so meine Schwierigkeiten habe, die Akkulaufzeit von 24 Stunden war ein Superargument für dieses Unterfangen. Und welchen besseren Test gibt es für so ein Gerät als eine mehrtägige Bikepacking-Tour?

Mit der Absicht, am Rande des Trips auch mein Lichtsetup für das Race Around Austria zu testen, hatte ich auch eine Lupine Neo am Lenker montiert, gepaart mit dem großen Lupine-Akku und einem kleinen Rücklicht an der Sattelstütze. Dass ich nicht dazugekommen bin, das Licht zu verwenden, bedeutet, dass ich das alles umsonst mitgeschleppt habe - und der Akku ist nicht gerade leicht :)

Verpflegung

Essen und Trinken ist für mich ein schwieriges Thema! Während ich so gut wie alles essen kann und auch gut vertrage, brauche ich recht große Abwechslung. Mir war nach dem ersten Riegel und dem ersten Gel schon klar, dass ich mich nicht ausschließlich davon ernähren werde können. Der Gedanke an klebrige, süße Riegel und die Konsistenz von Gels lässt mich erschaudern - auch wenn die Produkte als solches gut sind und zweifellos auch ihre Funktion hervorragend erfüllen. Die Menge an Riegel und Gels, die ich von Beginn an mithatte, hätte also bedeutend kleiner sein können - auch hier also mehr oder weniger unnötiger Ballast. Viel reizvoller waren da die diversen Stopps an Tankstellen oder Kaffeehäusern unterwegs, bei denen man (nicht nahrhaftere) aber auch für die Seele hilfreichere Verpflegung findet.

Sonstiges

Apropos Ballast: Ich wollte versuchen, mit Isomatte und Schlafsack draußen zu übernachten. Es war von Anfang an fraglich, ob ich das tatsächlich mache, ob ich mich überwinden kann und eine geeignete Stelle finde, um mich niederzulassen. Der Regen, Gewitter und überraschend niedrige Temperaturen haben dieses Unterfangen aber von Anfang an unterbunden - daran, draußen zu übernachten, konnte und wollte ich an keinem der Abende denken. Die Lenkertasche, gefüllt nur mit Isomatte und Schlafsack, war daher ein treuer aber völlig nutzloser und Luftwiderstand produzierender Begleiter auf dieser Tour.

Etwas Werkzeug (Multitool), zwei Schläuche und Patronen, eine Minipumpe, Ladekabel, Zahnbürste und ein kleines Schloss (um das Rad kurz absperren zu können) waren ebenso mit von der Partie.

Etappe 1

Patrizia gibt mir Begleitschutz bis an den Wiener Stadtrand, bis dorthin wo das Radwegnetz endet und man sich zwielichtige Ausfallstraßen mit morgengrantigen Lieferwagenfahrern teilen muss. Es dauert rund 15 Kilometer bis Stadt und Speckgürtel hinter einem liegen, dafür beginnt dort gleich die schöne Landschaft und umgeben von Feldern und Wäldern kann man eben Richtung Süden rollen. Nach 60 Kilometern ist Wiener Neustadt durchquert, ab jetzt geht es in die Bucklige Welt - diese steht synonym für tolle kleine Straßen, steile Anstiege, massig Höhenmeter und großartige Ausblicke! Autos (oder andere Radfahrer oder Menschen) sieht man hier keine mehr, man ist mit sich alleine und den immer wieder aufeinanderfolgenden Anstiegen und Abfahrten, Anstiegen und Abfahrten.

Wenn ich schon in der Gegend bin, möchte ich beim “Eis-Greissler” vorbeifahren. Einst wussten die dort nicht, was sie mit der Schulmilch während des Sommers tun sollten, heute ist es das beste Speiseeis, das in und rund um Wien erhältlich ist. Ich bin mit der romantischen Vorstellung dorthin gefahren, dass dort eine kleine Hütte steht, in der vielleicht auch noch jemand gerade mit der Hand mein gutes Eis herstellt… Tatsächlich handelt es sich hier bei Krumbach eher um einen groß angelegten Erlebnispark, der inmitten der Stille der Buckligen Welt fast etwas deplatziert wirkt. Meine geplante gemütliche Pause wird kurzfristig in einen kurzen Verpflegungsstopp umgewandelt, dann geht es weiter. Die Bucklige Welt ist hier mehr oder weniger zu Ende und damit auch ein erster Abschnitt meiner Reise - im Sinne des ersten Landschafts- und Regionswechsels.

Der Anstieg nach Mönichkirchen am Wechsel markiert den Eingang in die Voralpen. Bevor es die Autobahn gab, war diese Bundesstraße wohl eine Hauptverkehrsader, heute sind davon nur noch sehr breite Straßenquerschnitte und das eine oder andere Rasthaus übrig, das ob seiner Dimensionen eher fehl am Platz wirkt. Ein anderer Wechsel vollzieht sich jedoch gleichzeitig: War es bislang heiß und sonnig, zieht es hier zu, erste Regentropfen klatschen auf meinen Helm und meine Brille und der Wind frischt auf - Willkommen in der Oststeiermark.

Die Landschaft bleibt weiterhin herrlich und pittoresk, sie zu genießen fällt allerdings zunehmend schwer. Rund um Rohrbach an der Lafnitz wird der Regen stärker, ich verbringe eine halbe Stunde in einer geräumigen Busstation aus Holz und warte auf Besserung. In genau so einer Busstation - es ist ein Häuschen aus Holz - hätte ich mir vorstellen können, mit Isomatte und Schlafsack zu übernachten, so wie man es von Geschichten vom Transcontinental Race kennt.

Der Regen wäre nicht das Problem, dafür bin ich mit meiner Regenjacke gut ausgerüstet und Radgewand trocknet schnell. Was mir jedoch Sorgen bereitet ist der Donner, der regelmäßig über die Hügel hallt. Das Wetter fühlt sich hier sichtlich wohl und macht keine Anstalten weiterzuziehen. Ich nütze die erste Regenpause, um bis Vorau weiterzufahren, nur um dort im nächsten - noch heftigeren - Gewitter zu landen. Ich finde mich in der Garage eines Bauernhofs wieder, neben mir klappern die Geschirre der Kühe im Stall. Diesmal dauert es fast eine Stunde, bis auch nur ansatzweise an eine Weiterfahrt zu denken ist. Mein geplantes Tagesziel werde ich heute nicht mehr erreichen, gleichzeitig muss ich erkennen, dass auch meine vermeintlich konservative Tageskilometerplanung etwas zu optimistisch war.

Als es langsam zu dämmern beginnt, zücke ich mein Telefon und suche mir über booking.com eine Unterkunft in der Nähe. In sechs Kilometern Entfernung wartet nun ein Zimmer auf mich, die Fahrt dorthin durch strömenden Regen und mit nach wie vor einigen Höhenmetern ist eher spaßbefreit. Im Hotel angekommen heißt es, sofort aus den nassen Sachen zu schlüpfen, warm zu duschen und die Wunden zu lecken. Ärger wäre aber falsch am Platz, es gibt hier weder etwas zu gewinnen noch zu beweisen - die Gesundheit geht vor und umplanen ist kein Problem.

Etappe 2

Ich bin dort hängengeblieben, wo ich vor zwei Jahren mit der Österreich-Rundfahrt unterwegs war - im oststeirischen Joglland. Wunderschön bei Sonnenschein, rustikal und eher urig, Hügel und Berge soweit das Auge reicht. Der Ausblick ist aber auch am Morgen des zweiten Tages getrübt, bis nach meinem Frühstück regnet es weiter.

Die erste Regenpause wird sofort für die Weiterfahrt genützt und während ich die wolkenverhangenen Hänge des Tals bewundere, muss ich klar anerkennen, dass ich den Rest der geplanten ersten Etappe vermutlich niemals geschafft hätte. Es geht gleich zu Beginn über einen Sattel auf 1.150 Metern, der - wie die meisten hier in der Gegend - weder sonderlich bekannt noch außergewöhnlich spektakulär ist - aber in Summe jegliche Energie erfordert, die die Beine hergeben. Ich bin froh, dass ich diesen Anstieg halbwegs frisch in der Früh fahre und nicht durchnässt und müde am Abend des ersten Tags. Eine lange Abfahrt bringt mich schließlich hinunter zur Mur bei Pernegg, von dort ist es auf der alten Bundesstraße (dank Schnellstraße daneben ohne Verkehr!) nur ein Katzensprung bis Bruck an der Mur und damit der nächsten Zäsur auf meiner Tour.

Ab hier kenne ich den Weg von früheren Touren, es liegt ein halbwegs entspannter Tag vor mir, was die sportlichen Herausforderungen angeht. Die ursprünglich geplante Routenführung habe ich in der Früh schon adaptiert, damit ich die verlorenen Kilometer des ersten Tages wieder einholen kann. Über Leoben und vorbei am Voest-Stahlwerk in Donawitz geht es über Trofaiach ins Liesingtal. Autos und Transit sind hier auf der Autobahn unterwegs, als Radfahrer genießt man daher die alte (wenig befahrene) Bundesstraße oder die zahlreichen parallel verlaufenden Güterwege. Für die Ortschaften im Tal bedeutet die Schnellstraße aber auch, dass nicht mehr allzu viel los ist in den Zentren und Kaffeehäusern und ganz generell. So pedaliert man recht einsam durchs Tal, wechselt immer wieder Seiten mit der Eisenbahn, der Schnellstraße und dem Fluß. Einen kurzen Regenschauer nutze ich für eine Pause inklusive Pizza!

Wald am Schoberpass (der kein richtiger Pass ist), Gaishorn, Trieben und Rottenmann lässt man schnell zurück, nach Selzthal befindet man sich schließlich im größeren und etwas belebteren Ennstal. Dort wird man recht früh vom mächtigen Grimming begrüßt, einem Berg, der ob seiner Form und Größe deutlich heraussticht und wie ein Wächter über das Tal schaut. Am Horizont - also dort wo mich meine Route hinführt - kann man vor lauter Regen die Berge nicht mehr erkennen, bis zu meinen Freunden in Schladming möchte ich heute trotzdem noch fahren. Auch das letzte Mal, als ich mit dem Rad zu Besuch war, waren die letzten Kilometer eine Regenschlacht. Mit Regen aber immerhin ohne Gewitter schlängelt man sich durch das Ennstal - eine zugegebenermaßen nicht ganz einfache Aufgabe, ist doch der Radweg nicht durchgehend asphaltiert, die Bundesstraße stark befahren und teilweise mit Fahrverbot für Radfahrer beschildert und die zahlreichen Nebenwege bergen das Risiko, in kurzer Zeit viele zusätzliche Höhenmeter zu fahren.

Nach 200 Kilometern und gut acht Stunden im Sattel rolle ich auf den Hof meiner Freunde und bin auch an diesem Tag froh, gleich in eine heiße Dusche steigen zu können. Aber ich bin wieder im Plan und guter Dinge für das was noch kommt. Die Beine fühlen sich schwer aber erstaunlich gut an. Ich finde es faszinierend, wie schnell sich der Körper auf derartige Anforderungen und Belastungen einstellen kann. Mein Schnitt ist nicht berauschend bzw. fühlt sich das Ganze noch weit langsamer an, als es dann schwarz auf weiß auf Strava steht, aber es geht voran. Unterschätzt habe ich jedenfalls den Effekt, den das zusätzliche Gewicht der Taschen und des Gepäcks auf das Fahren haben. Auch wenn es “nur” 5-6 Kilogramm mehr sind - das Rad hatte bei der Abfahrt ohne Flaschen 13,7 Kilo -, die Anstiege sind ungemein schwerer zu fahren.

Etappe 3

Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass ich beim Augenöffnen das leise Plätschern von Regen höre - der erste Blick durch die aufgesetzte Brille ist da gar nicht mehr notwendig, um auch eine optische Bestätigung dafür zu bekommen. Der majestätische Dachstein, der eigentlich vor meinem Fenster zu sehen sein sollte, ist in Wolken gehüllt, die Straßen sind nass und Nachschub von oben kommt laufend. Die ersten Kilometer sind ein Albtraum - auf der Bundesstraße B320 bei starkem Regen und Morgenverkehr fällt es schwer, die Contenance zu behalten. Die Alternativen wären jedoch nur der nicht asphaltierte Radweg oder viele zusätzliche Höhenmeter über Filzmoos im Norden oder Forstau im Süden. Also Augen zu und durch…

Der Verkehr verlässt bei Eben im Pongau die Bundesstraße und verlagert sich dort auf die Tauernautobahn - dieser Moment des Glücks wird von einem Ende des Regens begleitet und als Draufgabe auch noch einem Regenbogen! Hinunter nach Bischofshofen rollt es großartig auf mittlerweile nur noch feuchter Straße, vorbei an der Festung Hohenwerfen und durch den immer etwas schaurig anmutenden Einschnitt beim Pass Lueg - hier stapeln sich Autobahn, Eisenbahn und Bundesstraße über dem Fluss und zwischen den rauen Berghängen und man fühlt sich sehr klein zwischen den schroffen Felswänden die an diesem Tag noch dazu tief wolkenverhangen sind. Gleich dahinter in Golling öffnet sich das Tal Richtung Salzburg, doch mein Plan führt mich weiter in die Berge. Nach einem kurzen Stopp bei einer weiteren Tankstelle geht es ins Lammertsal Richtung Abtenau.

Es soll dies so etwas wie die Königsetappe meiner Tour sein - nicht unbedingt kilometermäßig sondern eher aufgrund der landschaftlichen Abwechslung, der Durchquerung mehrerer Bundesländer und natürlich der Postalm. Hier war ich nun schon einige Male um Fotos zu machen - wunderbar schmiegen sich da die Serpentinen in die Landschaft. Doch mit dem Rad bin ich hier noch nicht drüber gefahren, Zeit also das nachzuholen! Es ist zwar die “falsche” Seite des Anstiegs aber die gut 750 Höhenmeter auf 11,5 Kilometern Länge stellen trotzdem eine gute Prüfung dar. Und die Ausblicke auf Lammertal und das Tennengebirge sind großartig, umso mehr als immer wieder Nebel und Wolken durchziehen und so der Landschaft noch einen mystischen Zusatzanstrich verpassen. Oben auf der Postalm werde ich unmittelbar hinter dem höchsten Punkt von Regen begrüßt - bei 12 Grad ist die Freude zu verweilen eher eingeschränkt, daher geht es direkt in die Abfahrt hinunter zum Wolfgangsee.

Dort geht es über großartige Güterwege Richtung Bad Ischl, immer wieder unterbrochen von kurzen Regenschauern. Zum Salzkammergut gehört der Regen ja aber irgendwie dazu, Tradition ist Tradition. Durch die Kaiserstadt Ischl, entlang der Traun und dann links ins Weissenbachtal führt meine Route, hinüber zum Attersee, der auch dieses Jahr (hoffentlich) wieder Bühne für den großartigen King of the Lake werden wird. Die letzten 30 Kilometer dieses Tages sollen mich nach Sankt Georgen führen, dem Start- und Zielort des Race Around Austria und für diesen letzten Abschnitt unterstützt mich Michi Nussbaumer, Organisator des RAA. Aber auch er kann nicht verhindern, dass wir wenige Kilometer vor dem Ziel noch von einem letzten heftigen Regenschauer eingeholt werden. Zumindest haben wir etwas zu Besprechen und Plaudern, während wir gemeinsam in der Busstation auf das Ende des Schauers warten. Im August werde ich auf diesen Metern hoffentlich das Race Around Austria hinter mir haben und die letzten Züge meines Rennens genießen können.

Etappe 4

Ich bin glücklich, auch an diesem Tag in einem weichen und warmen Bett aufzuwachen. Die Idee, draußen zu schlafen war ohnehin schon in weite Ferne gerückt - das hebe ich mir wohl für ein andermal auf. Und um gleich reinen Tisch zu machen, miste ich meine Taschen aus, räume alles aus, was ich für den letzten Tag nicht mehr brauche und deponiere meine abmontierten Taschen in Sankt Georgen. Übrig bleiben nur die Rahmen- und die Oberrohrtasche, also jene Teile, die ich voraussichtlich auch für mein Race Around Austria einsetzen werde.

Vorbei am Attersee geht es Richtung Regau und Laakirchen - eigentlich wäre für heute vorgesehen gewesen, bis nach Wien zu fahren, doch angesichts des Wetters wirken die vorgenommenen 260 Kilometer eher illusorisch. In meinem Kopf existiert bereits der Plan B, bis zum Sonntagberg zu fahren - einer weiteren Ikone der Österreich-Rundfahrt - und dort bei Amstetten in den Zug Richtung Wien zu steigen. Diese Aussicht entspannt mich und nimmt mir etwas Druck aus der Tagesplanung, sodass ich gerne auf einen spontanen Kaffee bei BORA-Fahrer Lukas Pöstlberger vorbeischauen kann, ohne dass mich das in meinem Plan zu weit zurückwirft. Es ist spannend, Einblick in die aktuelle Situation eines Profis zu bekommen, für den Corona und die damit verbundenen Konsequenzen einen ebenso harten Einschnitt darstellen. Es wird jedenfalls spannend, wenn in Kürze wieder die ersten Rennen gefahren werden.

Zurück im Sattel wird die Situation allerdings immer düsterer. Der Regen hat sich im oberösterreichischen Voralpengebiet festgesetzt und wird laut Wettervorhersage dort auch für den Rest des Tages bleiben. Ich fahre vorerst noch weiter, der Regen stört mich noch nicht so sehr. Die Temperaturen liegen bei rund 14 Grad und sind damit genau in einem Bereich, in dem ich in meiner Regenjacke wohltemperiert bin. Oft ist es ja so, dass man in einer guten Regenjacke zwar von außen trocken bleibt, aber von innen fast einen Hitzschlag bekommt.

Vorchdorf, Pettenbach, Wartberg an der Krems, Bad Hall und Sierning sind im Wesentlichen nur noch Ortstafeln, die in meinem Augenwinkel vorbeiziehen. Meine Kamera und mein Telefon habe ich mittlerweile in der wasserdichten Rahmentasche verstaut, um größeren Schaden zu vermeiden. In Gedanken schwanke ich minütlich zwischen “Bad Ass”-Weiterfahren und “Holt mich hier sofort raus”. Als kurz vor Steyr der Regen noch einmal zulegt, ist für mich der Entschluss gefallen - nämlich der, es hier und jetzt (nach gut 90 Kilometern Fahrt) gut sein zu lassen. Ich muss niemandem etwas beweisen und die vergangenen Tage hatten so viele schöne Momente parat, dass ich nicht auf Biegen und Brechen weiterfahren muss und dabei vielleicht auch noch eine Verkühlung mit nach Hause bringe.

Durchnässt und zitternd steige ich in Steyr in den Zug und in Sankt Valentin in die Westbahn Richtung Wien. Natürlich wäre es schöner gewesen, mit eigener Kraft die Runde zu beenden und mit dem Rad dorthin zurückzukehren, wo man vor einigen Tagen losgefahren ist aber nach Stunden des Regens bin ich auch froh, wieder nach Hause zu kommen.

Die Nachsorge

Es war anstrengend, zwischendurch auch mal etwas brenzlig, sehr nass, ich hatte Muskelschmerzen, teilweise hat der Allerwerteste protestiert und ich habe unnötig Equipment durch die Gegend geführt. Auf der anderen Seite möchte ich keine Minute missen - na gut, außer vielleicht die letzten Kilometer kurz vor Steyr im Schüttregen. Aber ich konnte am Weg so viele Eindrücke sammeln, ich war (im positiven Sinn) auf mich alleine gestellt, durfte Freunde besuchen und treffen und musste mich um nichts anderes kümmern, als in die Pedale zu treten. Ich hab vieles gelernt über Routenplanung, Equipment und Packlisten, über meinen Körper, meine Leistungsfähigkeit und meine Grenzen.

Und wie es nach Rennen, Events oder Projekten fast immer ist, liegt man am ersten Tag danach mit Muskelkater auf der Couch und fragt sich, warum man so einen Blödsinn macht. Nur um am nächsten Tag schon wieder den Routenplaner zu öffnen oder sich für das nächste Event anzumelden. Und so wird es auch mit mir und dem Bikepacking sein - ich spüre, dass dies erst der Anfang einer längeren Beziehung war…!

Sportful Fiandre

Auch wenn die Frühjahrsklassiker im Rahmen des ambitionierten Rennkalenders der UCI im Herbst nachgeholt werden sollen - die regnerischen April-Wochenenden in Nordfrankreich und Belgien sind uns dieses Jahr durch die Lappen gegangen. Und auch wenn im Oktober die Wetterverhältnisse ähnlich bescheiden sein sollten wie im April - Frühling und Herbst sind einfach zwei unterschiiedliche Dinge.

Flandern und allgemein die Frühjahrsklassiker sind natürlich etwas Spezielles. Man erinnert sich gerne an Peter Sagan, der bei 40 km/h am Vorbau seines Rades herumschraubt, an schmutzverkrustete Gesichter und vielleicht etwas weniger gern an den obskuren Dämpfer am Hinterbau des Pinarello der Sky-Mannschaft. Aber auch die Bekleidung für die Frühjahrsklassiker unterscheidet sich von jener des Sommers. Nicht zuletzt konnte man auch am Outfit einzelner Fahrer erkennen, was deren Rolle im Rennen sein wird. Tom Boonen erklärte einmal, dass jener Fahrer, der die Beinlinge über der Hose trägt, in die Fluchtgruppe gehen wird, während jene, die sich erst später schichtweise ausziehen müssen, gemütlicher ins Rennen starten konnten. Es war und liegt einfach immer ein besonderer Reiz über den Rennen des Frühlings.

Hervorgestochen ist in all diesen Jahren oft ein bestimmtes Kleidungsstück, das - egal ob nun von Sportful oder der Schwestermarke Castelli gefertigt - durch seine Vielseitigkeit und Funktionalität viele Freunde unter den Profis als auch Hobbyfahrerinnen und -fahrern gefunden hat. Bei Castelli heißt die Jacke “Gabba”, bei Sportful firmiert die Produktlinie unter “Fiandre”, passend zu den Frühjahrsklassikern. Einige Profis waren sogar so von der Qualität der Kleidungsstücke überzeugt, dass sie ungelabelte Versionen trugen, um die eigenen Sponsoren nicht zu verprellen.

Die Besonderheiten von “Fiandre”

Was ist nun so besonders an den Trikots, Jacken und Hosen mit dem prägnanten roten Strich? Sportful selbst sagt, sie haben das Feedback der Profis eingeholt, denn die vertragen keine Kompromisse. Wenn man sich die unterschiedlichen Rennen ansieht und bei welchen variablen Witterungen die Pros im Sattel sitzen, bekommt man schon eine Ahnung davon, was ein Fiandre-Kleidungsstück können sollte. Die eigentliche Herausforderung ist allerdings jene der “eierlegenden Wollmilchsau”, also des vermeintlichen Alleskönners. Das Kunststück besteht also nicht (nur) in der Beherrschung der Einzeldisziplinen “kalt”, “warm”, “nass”, “trocken”, “windig” sondern in der Kombination all jener Faktoren - “maximale Variabilität” wäre der korrekte Marketingsprech.

So eine Jacke zu testen, bedeutet normalerweise sich in recht ungemütliche Situationen zu begeben, sprich bei Regen und Kälte aufs Rad zu steigen und zu prüfen, wie lange die Jacke dem Wetter standhält. Sich unter die laufende Dusche zu stellen, mag wie eine plausible Alternative klingen, ist jedoch nicht dasselbe und für einen Test auch irgendwie unwürdig. Dann kam noch Corona und der damit verbundene Lockdown dazu, womit große Teile des Frühjahrs für Ausfahrten draußen überhaupt nicht mehr in Frage kamen. (In diesem Fall) Glücklicherweise war auch der Juni wettertechnisch ein einziges Drama, wodurch dann doch noch der eine oder andere standesgemäße Test möglich war. Und statt die Geschichte chronologisch oder nach Kleidungsstücken zu strukturieren, möchte ich hier einfach ein paar “Use Cases” aufzeigen, in denen die Teile bei mir im Einsatz waren.

Foto: Nora Turner // Unicorn Cycling

Use Cases

Gravel bei Sonne und 12 Grad

Sportful hat zwar eine eigene Gravel-Kollektion namens “Giara” im Programm (mehr dazu im Laufe des Sommers), aber es spricht natürlich nichts dagegen, das Rennradgewand auch mit ins Gelände zu nehmen - Funktionalität ist nun einmal Funktionalität. Bei Temperaturen um die 10 Grad bin ich persönlich ein riesiger Fan von kurzen Thermo-Bibs und tatsächlich war mir dieses Kleidungsstück (lustigerweise unabhängig vom Hersteller) immer das liebste und wichtigste. Eine kurze Hose mit aufgerauhtem Thermo-Material hält warm, wo es notwendig ist, engt aber nicht ein, wo man Bewegungsfreiheit haben möchte - rund um das Knie nämlich.

Obenrum sind 10 Grad eine spannende Angelegenheit, findet man hier doch alles vom Kurz-Kurz-Fahrer bis hin zur Winterausrüstung. Temperaturwahrnehmung ist letztendlich auch etwas sehr individuellles, dementsprechend schwierig bis unmöglich ist es, hier ein allgemein gültiges Rezept zu finden. Layering für die notwendige Flexibilität und natürlich die Vielseitigkeit und Funktionalität der Kleidungsstücke sind hier die wesentlichen Faktoren. Sportful geht hier einen - auf den ersten Blick - ungewöhnlichen Schritt, und bietet die Fiandre Trikots und Jacken auch als Kurzarm-Varianten an. Der Sinn einer kurzärmeligen Thermo-Jacke mag sich erst auf den zweiten Blick erschließen, wer jedoch einmal hinter die Möglichkeiten dieser Variante geblickt hat, wird sofort ein Fan (so wie ich)! In Kombination mit einem guten Baselayer und Ärmlingen hat man auf diese Weise ein Kit beisammen, das für so gut wie jede nur denkbare Situation geeignet ist. Zu kalt? Ärmlinge drauf. Gut temperiert? Ärmlinge runter. Warm am Oberkörper? Reißverschluss auf. Gerade bei wechselhaften Bedingungen kann man sich so ohne viel Interaktion und Herumwurschteln an die Umgebung anpassen.

In den Bergen bei 8 Grad

Was in der Ebene funktioniert, macht natürlich auch in den Bergen Sinn. Dort wo sich Wetterbedingungen noch schneller ändern können und auch die Konsequenzen eines Wetterwechsels mitunter schwerwiegender sind, ist eine gute Ausrüstung noch mehr wert. Mit einem dickeren Baselayer ist man auch für Gipfeltemperaturen und frische Abfahrten gewappnet. Das Sportful-Trikot ist mir zum ersten Mal bei den BORA-Profis ins Auge gestochen, die sich für die lange Abfahrt vom Großglockner das Fiandre-Jacket übergeworfen haben.

Patrick Konrad 2019 im Light Jacket SS (und schon damals mit Mund-Nasen-Schutz…)

Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann natürlich auch mehrere Fiandre-Teile übereinander anziehen. Das mag vielleicht nicht unbedingt im Sinne des Erfinders sein, auf meiner Tour in Osttirol waren die vielen Möglichkeiten des An- und Ausziehens, Auf- und Zumachens jedenfalls gut und hilfreich.

Von 13 auf 31 Grad in 150 Kilometern

Ein Kleidungsstück zu entwerfen, dass nur unter gewissen Bedingungen gut sein muss, ist glaube ich mitunter keine allzu große Kunst. Bei einer längeren Tour über 150 Kilometer, die bei 13 Grad in den Bergen startet und im Flachland bei gut 30 Grad endet, sind allerdings andere Qualitäten gefragt. Die Fiandre-Oberflächen sorgen dafür, dass man vor den Elementen geschützt ist - Wind und Wasser kommen gar nicht erst bis zum Körper durch. Während man in anderen Jacken jedoch von innen schwitzt und es dann fast schon egal scheint, ob man von draußen oder drinnen völlig durchnässt ist, ist hier die Atmungsaktivität sehr gut gegeben. Mir persönlich wird recht schnell heiß beim Fahren, gleichzeitig habe ich es aber gerne angenehm warm - ich bin also tendenziell immer etwas zu dick angezogen. Dann bin ich natürlich extra dankbar, wenn mir mein Gewand ein gutes Maß an Temperaturregulierung erlaubt und mich nicht von einem Aufguss zum nächsten schickt. Auch die Hose ist warm genug und schützt vor widrigen Wetterbedingungen und kühlen Temperaturen, fühlt sich aber dennoch nicht dick an oder trägt unnötig auf - da gehts ja tatsächlich auch stark um eine individuelle Wahrnehmung und ein Wohlfühlen.

Über 20 oder spätestens bei 25 Grad ist die Fiandre-Kollektion natürlich nur mehr bedingt die richtige Wahl. Ist man nur in der Sonne unterwegs, plant keine außergewöhnlichen Ausflüge oder sind die Rahmenbedingungen tatsächlich stabil und kalkulierbar, greift man einfach zur normalen Ausrüstung - spezielle Funktionen für das Frühjahr, Wind und Regen sind da schlicht und ergreifend nicht notwendig. Das soll allerdings nicht heißen, dass die Fiandre-Kleidungsstücke dort nicht (mehr) funktionieren. Aber ich habe es ohnehin schon gesagt, es geht vielmehr um den Mix und die Abwechslung von Wettersituationen und -bedingungen. Nach meiner Ankunft bei 31 Grad hatte ich schöne Salzränder an Armen und Beinen - die hätte ich in leichterem Gewand zwar auch gehabt, aber dank Fiandre war ich auch in den kühlen Morgenstunden auf den ersten Kilometern durch die Berge gut geschützt.

Ein Tag im Sattel bei Frühlingswetter

Die wahre Bewährungsprobe war die Wallfahrt nach Mariazell über mehr als 300 Kilometer. Nicht nur große Temperaturunterschiede sondern auch unklare Wettersituationen, feuchte Straßen, dunkle Wolken, starker Wind und wunderbare Abendsonne waren der Rahmen für diese Unternehmung. Als Teil meiner Vorbereitung auf die Race Around Austria-Challenge hatte ich meine Rahmentasche aufs Rad geschnallt und diese mit allerlei Ersatzgewand und Jacken vollgestopft, um dies und das auszuprobieren, einzelne Teile zu testen und natürlich auch eine Rückfallebene zu haben, sollte ein Unwetter über unsere Gruppe hereinbrechen. Tatsächlich war ich den ganzen Tag mit dem Sportful Light Jacket über einem einfachen Baselayer unterwegs - von 12 Grad um 6 Uhr früh, zu 24 Grad in der Mittagssonne und wieder zurück zu 16 Grad während des Sonnenuntergans um 21:30 Uhr. Einzig nach der Mittagspause verlangte der Körper nach zusätzlicher Wärme in Form einer weiteren Schicht - aber nach wenigen Kilometern zurück auf dem Rad, war diese genauso schnell wieder in der Tasche verstaut.

Ebenfalls am Morgen waren außerdem die Fiandre Handschuhe im Einsatz, die dafür sorgen, dass die Hände warm und trocken bleiben. Gerade auf den äußersten Extremitäten kühlt man oft sehr schnell aus, diese entsprechend zu schützen (und das von Anfang an und nicht erst wenn es zu spät ist!), hilft immens und wirkt sich auf den Gesamtkomfort aus.

Der Regen-Test

Manchmal muss man sich zu Dingen überwinden - zum Beispiel die Regenfestigkeit einer Jacke zu testen. Mit Blick auf die Wettervorhersage und einem Schielen auf die schwarzen Wolken vor dem Fenster, stand als Abschluss noch eine Fahrt im Regen auf dem Programm - schließlich möchte ich wissen, ob und wie Dinge funktionieren, ob Pressetexte die Wahrheit sagen, Laborbedingungen hin oder her. Es hat genau zehn Minuten gedauert und die Front, auf die ich zugefahren bin, hat sich mit Gewitter, Hagel, heftigem Regen und Windböen über mich ergossen. Mit dem Sicherheitsnetz des nahen Zuhauses und zahlreichen Unterstellmöglichkeiten für den Fall der Fälle macht so eine Fahrt im Regen ja auch Spaß. Das Wissen, hier und jetzt unterwegs zu sein, wenn andere längst das Weite suchen, verleiht ein besonderes Gefühl. Ganz ohne Leichtsinn kann man auf diese Weise ruhig einmal durch einen Sommerregen fahren und versuchen, das richtig zu genießen (Pro-Tipp!). ;)

Mein kurzer Ausflug war nur bedingt zu genießen - zu heftig waren Regen und Wind, aber für den Test der Fiandre-Jacke war es genau richtig. Die ersten Regentropfen bildeten nur kleine oberflächliche Flecken auf der Jacke, perlten ab oder verschwanden sofort wieder. Das gibt einen Hinweis darauf, was passiert, wenn man in leichtem Regen oder Nieseln unterwegs ist. Die Technologie der Oberflächenbehandlung - nicht umsonst mit dem Namen “NoRain” - sorgt dafür, dass man sehr lange trocken bleibt. Erst bei größeren Mengen beginnt das Material langsam nass zu werden, wobei der Körper oder der Baselayer darunter fühlbar länger trocken bleibt. Nach meinem Abenteuer-Ausflug war beim Ausziehen zwar die Jacke durchnässt, der Baselayer jedoch staubtrocken. Die Jacke - kurz aufgehängt - war nach rund 10 Minuten ebenso wieder trocken und bereit für neuen Unsinn.

Fazit, Größen und Preise

Das Ganze zusammenzufassen ist nicht einfach, dazu sind zu viele individuelle und persönliche Variablen im Spiel. Ohne mich irgendwie verrenken zu müssen, kann ich jedenfalls einmal festhalten, dass das “Fiandre Light Norain Jacket SS” zum allerbesten gehört, was jemals den Weg in meinen Kleiderschrank gefunden hat (und dieser Schrank ist erschreckend gut gefüllt…). Die Variabilität und Flexibilität entspricht dem, was Sportful vermeintlich großmundig formuliert, besonders in der Short Sleeve Variante spielt die Jacke in meinen Augen alle Trümpfe aus. Die Ärmel sind perfekt lang, die Bündchen und Abschlüsse sind angenehm und breit, die Verarbeitung ist sehr gut und auch die gedeckten Farben (und speziell das dunkle Grün) finde ich großartig. Der Preis von 130 Euro ist für das Gebotene absolut in Ordnung, bei der Größe sollte man sicherheitshalber genau nachmessen und die Größentabelle konsultieren. Ich trage üblicherweise L und war bei Sportful schon fast bei XL - ich habe trotzdem L genommen und es passt gerade so. Manchmal muss ich den Bauch etwas einziehen, wenn mir jemand entgegenkommt…

Die “Fiandre Pro Jacket SS” (sie gibt es wie das Light-Jacket auch mit langen Ärmeln) bietet spürbar dickeres Material und damit noch etwas mehr Schutz und Wärme. Auch hier ist aber der Begriff “Jacket” mitunter etwas irreführend, handelt es sich doch eher um ein dickeres Trikot. Alles was im Absatz davor steht, trifft auch hier zu - zusätzlich bietet die Pro Jacket am Hals noch einen zusätzlichen Schutz in Form eines vergrößerten Bündchens. Das klingt unspektakulär, sorgt aber für zusätzlichen Schutz vor Regen und Kälte im sensiblen Bereichs des Nackens und Halses. Die Pro Jacket kommt auf 210 Euro, ist aber an Tagen um die 10 Grad herum eine hervorragende Wahl und jeden Cent wert. Bei meinem Modell war der Reißverschluss etwas schwergängig, dieser ist größer und wuchtiger als beim Light Jacket, damit man ihn auch mit Handschuhen gut fassen kann.

Die Fiandre Norain Pro Bibshort möchte ich in meinem Kleiderkasten ebenso nicht mehr missen. Hosen leben natürlich in erster Linie immer von der Qualität und Passform des Sitzpolsters - während ersteres bei Sportful außer Frage steht ist zweiteres natürlich eine individuelle Angelegenheit. Für mich persönlich ist der Sitzpolster auf der breiten Seite und spürbarer als andere Polster, wenn man unterwegs ist. Dennoch waren die 300 Kilometer am Stück für mein Sitzfleisch kein Problem - die Hose mit dem Sitzpolster hat dazu einen guten Beitrag geleiset. Auch hier sorgt die “Norain”-Technologie dafür, dass Regen abperlt oder die Hose zumindest längere Zeit nicht klatschnass wird. Einziges Manko bei der Hose sind die aus meiner Sicht oben etwas zu schmalen Träger - diese behalten beim Tragen nicht wirklich ihre Form und bilden eher einen Wulst als eine schöne Auflagefläche auf den Schultern. (Eine Sache, die mir in letzter Zeit übrigens bei mehreren Marken aufgefallen ist). Die Pro-Variante der Fiandre Norain Bibs kostet 140 Euro, die “normale” 110. Auch hier sollte man bei den Größen genauer hinschauen - statt meiner üblichen Größe L habe ich hier vorsorglich XL gewählt und auch diese Größe ist bei mir auf der engen Seite!.

Bleibt zum Abschluss die Empfehlung, sich die Finadre-Kollektion jedenfalls näher anzusehen, wenn man eine vielseitige, schlagkräftige und schicke Kleidung für die Übergangszeit sucht (und sind wir uns ehrlich: in unseren Breitengraden ist 75% des Jahres Übergangszeit!). Wer es etwas billiger haben möchte, könnte übrigens auch der Sportful-Fabrik im italienischen Fonzaso einen Besuch abstatten und bei der Gelegenheit gleich auch den Monte Grappa, den Passo Manghen und den Croce d´Aune unter die Räder nehmen. ;)

Disclaimer

Weitere Infos bei Sportful, die beschriebenen Teile wurden von Sportful für den Test zur Verfügung gestellt.

6 Dinge, die sich (bis jetzt) durch Corona verändert haben

Corona begleitet uns nun schon mehrere Monate und wird es wohl auch noch einige Zeit tun. In unzähligen Bereichen des Lebens ist dabei kein Stein auf dem anderen geblieben und auch das Radfahren bzw. der Radsport wurden getroffen. Manche Wirkungen und Konsequenzen schaden dem Radsport, andere beflügeln ihn oder erlauben neue Blickwinkel auf Vorhandenes.

1. Mehr Radfahrer*innen auf den Straßen

Nach ein paar Wochen Lockdown und Selbstisolation war der Hunger auf frische Luft umso größer. Die Möglichkeit für Bewegung im Freien wurde bereitwillig genützt, viele haben dafür das Rad als Modus Vivendi gewählt. Neben den "üblichen Verdächtigen" waren plötzlich viele neue Gesichter zu sehen - Familien mit Kindern, Pärchen und Menschen, die (mehr oder weniger offensichtlich) vorher noch nicht allzu viel Bezug zum Rad hatten. Die dazugehörigen Räder waren großteils Fundstücke aus Kellern und Garagen, instandgesetzter Altbestand oder gerade (noch) neu angeschaffte Flitzer. Besonders im urbanen Umfeld wurde dadurch auch der Nutzungsdruck auf die Rad-Infrastruktur immer größer, Mängel wurden evident und mehr oder weniger solide Lösungen wurden eingerichtet (Stichwort: Pop-Up-Radwege).

Auch und speziell am Rennrad war ein massiver Zuwachs erkennbar. Das ist gut und richtig und für den Sport nur förderlich. Und man kann den meisten auch unterstellen, dass sie es freiwillig und zum Spaß machen. Nicht, dass irgendjemand gezwungen würde, Rad zu fahren... Aber manchmal - im speziellen bei Paaren - kann man beobachten, dass es einem Teil des Paares mehr Spaß zu machen scheint als dem anderen (was wiederum dem Vergnügen des ersteren abträglich ist, usw. usf.).

Am Wichtigsten - und da unterschreibe ich alles, was Phil Gaimon in einem seiner letzten Videos gesagt hat - ist, allen neuhinzugekommenen Radfahrer*innen Unterstützung zu geben oder anzubieten. Keine nett gemeinten Hinweise auf falsche Sockenfarben, keine Verweise auf irgendwelche historischen "Regeln" und kein "Mansplaining", sondern ein herzliches Willkommen heißen! Und wenn von den Entgegenkommenden keine*r zurückgrüßt, dann nervt mich das zwar stellenweise, aber vielleicht war mein Winken ja auch erst der erste Gruß in einer neuen Rennradkarriere! ;)

2. Stellenwert von Gruppenfahrten

Abgesehen von Haushaltsmitgliedern war das gemeinsame Fahren mehr oder weniger nicht möglich - und das war anfangs auch gut so. Ich für meinen Teil habe in den letzten Jahren und speziell zu Beginn meiner "Karriere" viel Zeit alleine im Sattel verbracht. Für mich hatte es (und hat es noch immer) einen besonderen Wert, alleine und in Ruhe durch die Landschaft pedalieren zu können und dabei über Gott und die Welt nachzudenken und die Gegend zu genießen. Ich hatte daher nie große Probleme, wenn gerade keine Gruppe da war, der ich mich anschließen konnte. Umgekehrt kenne und schätze ich natürlich auch den Wert einer guten (aus Trainingszwecken) oder unterhaltsamen (aus Entspannungs- und Zerstreuungsgründen) Gruppe. Auch meine Vereinskolleg*innen vom PBIKE Racing Team haben mir gefehlt.

Mit den Entbehrungen der vergangenen Monate und dem Fehlen von Gruppenaktivitäten haben diese aber aus meiner Sicht wieder an Wertigkeit gewonnen. Wenn ich jetzt in einer (vorerst nur kleinen) Gruppe unterwegs bin, freue ich mich umso mehr und genieße die Gesellschaft. Was mir dennoch etwas fehlt, sind die "großen" organisierten Rides - hier überwiegen allerdings Vernunft und Hausverstand. Ich habe dieses Jahr lange überlegt, - wie in den letzten Jahren auch - eine Sonnwendfahrt zu organisieren, doch möchte ich persönlich nicht in der Zeitung lesen, dass sich bei einer "Radausfahrt nahe Wien 80 Leute mit Corona angesteckt" haben - unwahrscheinlich zwar, aber man muss ja nichts provozieren.

3. Boom im Radhandel

Ein Wechselbad der Gefühle musste der Rad-Handel erleben. Auf den Schock des vollständigen Zusperrens und der damit verbundenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten folgte ein eher unerwarteter Boom. Glücklicherweise war Radfahren einer jener Bereiche, die als "wichtig" oder "systemrelevant" erkannt wurden und recht früh wieder geöffnet werden konnte - wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen wie Maskenpflicht und beschränkter Personenzahl im Geschäft. Aber der Boom in allen Bereichen des Radfahrens bescherte den Radgeschäften regen Zulauf. Mit dem Ergebnis, dass Servicetermine trotz Krise plötzlich nicht mehr zu bekommen, Lager so gut wie leer und Bestellzeiten lang waren. An dieser Stelle zu attestieren, dass es dem Radhandel "eh gut gegangen ist", wäre wohl falsch. Dass er mit einem blauen Auge davongekommen ist, stimmt wohl. Dies bestätigt auch Christoph Pulz, Eigentümer von PBIKE mit zwei Standorten in Wien, obgleich auch er spannende Veränderungen wahrgenommen hat. So hat sich laut Christoph die Struktur der Kundschaft gewandelt - sie ist breiter geworden, etwas weg von den sportlichen Radler*innen, hin zu mehr Freizeit- und Alltagsfahrer*innen.

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Konkurrenz besteht natürlich nach wie vor zwischen stationärem Handel und Online-Shops. Vor allem während der Schließungen und Einschränkungen im stationären Handel haben viele den einfachen und schnellen Weg zu den Online-Händlern gesucht. Wobei sich dieses "Entweder-Oder", das hier immer wieder heraufbeschworen wird, in meinen Augen durchaus auch gut ergänzen könnte. Beratungsintensivere Dinge kauft man im stationären Handel - Bikefittings, Satteldruckanalysen und andere Services macht man ebenfalls dort, wo man einen persönlichen Ansprechpartner hat. Pedalplatten oder Bremsbeläge kann man meiner Meinung nach auch mal online besorgen - wo große Online-Händler im Verkauf billiger anbieten als der stationäre Handel im Einkauf (!) zahlt, ist tatsächlich nicht mehr viel zu holen.

4. Bikepacking als Ersatzprogramm

Genauso wie Gruppenfahrten oder Events sind auch so gut wie alle Radmarathons, RTFs und Großveranstaltungen gestrichen worden. Man wird sehen, welche Events im Herbst noch über die Bühne gehen werden, ein Großteil der Veranstalter hat auf andere Formate umgestellt - beispielsweise das individuelle Abfahren der beschilderten Strecken mit Zeitnehmung und anschließender Wertung.

Schaut man sich aber auf Strava um, haben viele Radler*innen ein würdiges Ersatzprogramm gefunden. Egal ob es ein tatsächlicher Trend ist, die Abenteuersehnsucht geweckt wurde oder aber zahlreiche Marketingagenturen nachgeholfen haben: Bikepacking ist da (und wird es vermutlich auch bleiben)!

Tatsächlich erlangt man mit ein paar aufs Rad geschnallten Taschen eine ordentliche Portion Freiheit. Es ist ein Ausbrechen aus Routinen (egal ob damit der Arbeitsalltag gemeint ist oder aber die ewig gleiche Trainingsrunde), ein Kennenlernen von neuen Regionen und Gegenden, ein Begegnen (mit Mitfahrenden, Entgegenkommenden oder überhaupt irgendjemand anderem) und ein Entschleunigen. Im Idealfall hat man den ganzen Tag Zeit zum Radfahren, muss sich um nichts kümmern, kann seinen Alltag tatsächlich einmal vollständig ausblenden und in den Tag hineinleben. Und wer an dieser Stelle bemängelt, dass manche Grenzen geschlossen sind (oder geschlossen waren oder es bald wieder sein könnten), der soll einmal seine nähere Umgebung erkunden, denn auch dort gibt es unerforschte Ecken, unbekannte Landstriche und Schätze, die nur darauf warten entdeckt zu werden.

5. E-Sports schön und gut, aber…

Zu Beginn des Lockdowns habe ich über Möglichkeiten geschrieben, wie man mit Hilfe von Zwift fit bleiben und sein Training abwechslungsreich gestalten kann. Und ich bin und bleibe nach wie vor der Überzeugung, dass Zwift und ähnliche Trainingsplattformen eine enorme Bereicherung für den Alltag vieler Radler*innen sind. Zwift selbst hat dies natürlich auch erkannt und investiert massiv in die Software, hier werden wir in den nächsten Monaten und Jahren wohl noch viele spannende Erweiterungen und Features dazubekommen. Auch Profiteams und Veranstalter haben schnell reagiert und zahlreiche Rennen und Rennserien aus dem Boden gestampft. Nicht alles ist gleich "E-Sports" und nicht alles unterliegt der gleichen Ernsthaftigkeit, aber für viele Profis und Teams waren virtuelle Rennen die einzige Möglichkeit, aktiv zu bleiben. Dabei können bestimmte Mankos (noch) nicht ignoriert werden: inkonsistente Gewichtsangaben, unterschiedliche Trainer-Fabrikate, ungenaue Power-Outputs, Drop-Outs aufgrund von schlechten Internetverbindungen... Auf viele Fragen müssen noch Antworten gefunden werden, bevor man daran denken kann, eine ernsthafte Profiserie oder Meisterschaften auf Zwift auszutragen, doch der Weg ist der richtige. Und dabei werden trotz Zwift und virtuellen Rennen in Zukunft auch weiterhin "echte" Rennen stattfinden. Kein "Video killed the Radio Star" sondern ein tolles zweites Standbein für den Profi- und Amateurradsport.

6. Profis erbringen irre Leistungen

Und wenn wir schon bei den Profis sind: Die Vorbereitung während der Wintermonate gipfelt üblicherweise in Höchstleistungen während des Sommers wenn die großen Rennen stattfinden. Ohne diese Rennen hatten die Profis Zeit, sich anderen Aufgaben zu widmen - und diese hatten und haben es in sich. Everesting, KOMs, Rekorde, Long Distance-Trips - alles war dabei. Emanuel Buchmann von BORA stellte einen Everesting-Rekord auf (auch wenn dieser dann für ungültig erklärt wurde), Marco Haller von Bahrain-Merida knallte mit einem Höllentempo von Wien nach Klagenfurt, Matthias Krizek vom Team Felbermayer-Simplon Wels ging rund um Wien auf (sehr erfolgreiche) KOM-Jagd und MTB-Weltmeister Alban Lakata schoss mit mehreren intensiven Wochen in seiner Heimat Osttirol den Vogel ab. In einer "Ultimate Week" fuhr Lakata an sieben Tagen jeweils mindestens 200 Kilometer und 5.000 Höhenmeter (zahlreiche KOMs inklusive und einmal davon mit dem Mountainbike)!

Das spezielle an diesen Leistungen ist, dass sie die Leistungen der Profis anschaulicher machen. Während einer Tour de France sind die Leistungen, Geschwindigkeiten und Platzierungen der Fahrer sehr abstrakt, die ganze Veranstaltung findet gleichsam in einer anderen Welt statt. Den Anstieg von Buchmanns Everesting kennen allerdings viele Fahrerinnen und Fahrer, schließlich ist dieser Teil des Ötztaler Radmarathons. Wenn Matthias Krizek den KOM auf der "Eisernen Hand", dem steilsten Anstieg Wiens holt, ist das "erlebbar" wenn man die Zeiten vergleicht. Und nochmal der Ötztaler als Referenz, den Alban Lakata hier quasi sieben Mal in einer Woche absolviert hat. Für mich persönlich ist das ein wertvoller Einblick in das Training und vor allem die Leistungen, die die Fahrerinnen und Fahrer hier erbringen müssen und können. Und den Erlebnisberichten, Fotos und Daten auf Strava zufolge haben sie dabei auch Spaß. Womit sich wiederum der Kreis zum Beginn dieses Artikels schließt - Radfahren soll schließlich Spaß machen, Leistungen und Erlebnisse der einen inspirieren die anderen und bringen neue Radfahrerinnen und Radfahrer auf die Bühne! Ride On!

Wallfahrt nach Mariazell

Ich habe viele Wochen Urlaub meiner Kindheit auf einem Bauernhof kurz vor Mariazell verbracht. Ich habe dort im Stall gespielt, Tiere gefüttert, hab mit dem Hund des Hofs den Kopf in den Bach gesteckt auf der Suche nach Fischen, war dabei, wie ein Schwein geschlachtet wurde, war auf der nahegelegenen Alm auf der Hütte oder bei Festen, habe mich mit dem Nachbarsjungen angefreundet, frische Kuhmilch getrunken, hab im Auto meiner Eltern geweint, als wir am Kreuzberg nach Mariazell im Schnee stecken geblieben sind und war jedesmal glücklich über den Geruch von Lebkuchen, wenn man vor der Lebzelterei Pirker steht. Diese Liste könnte ich noch lange weiterführen, es dürfte daher verständlich sein, dass ein Besuch in Mariazell für mich immer etwas besonderes war und sein wird. Während andere wallfahren gehen und sich den Weg nach Mariazell (zum Beispiel auf der Via Sacra) pilgernd erarbeiten, habe ich nun bereits mehrmals meine Leidenschaft Radfahren benützt, um dorthin zu kommen.

Mariazell, 1982

Während meine bisherigen Besuche mit dem Rad immer eine Übernachtung oder einen Transfer zurück vorsahen, war dieses Mal die Hin- und Rückfahrt an einem Tag geplant. Auch im Hinblick auf mein Saison-Highlight - die Race Around Austria Challenge - brauche ich die Kilometer und Stunden im Sattel ohnehin. Und die geschätzte Distanz von rund 300 Kilometern entsprechen auch dem, was zwischen Sonnenauf- und untergang halbwegs gut unterzubringen ist.

Ich frage in der WhatsApp-Gruppe meines Vereins “PBIKE” nach potentiellen Mitfahrern und ein paar spontane Rückmeldungen deuten darauf hin, dass meine Idee und das Unterfangen wohl nicht so absurd sein dürfte… Die Route ist mithilfe von Komoot schnell gebastelt, orientiert sich bei der Hinfahrt an jener Strecke, die ich auch in meiner Kindheit im Auto meiner Eltern erlebt habe. Die Rückfahrt wiederum verläuft auf einigen Abschnitte des Sankt Pöltener Radmarathons und führt am nördlichen Rand des Wienerwalds zurück nach Wien.

Der Wettergott ist uns gnädig gesinnt, während der Pfingstsonntag noch stark verregnet war, begrüßt mich der Pfingstmontag mit blauem Himmel und frischen 11 Grad. Das Rad ist vorbereitet und meine Ortlieb Rahmentasche ist gut gefüllt mit Ersatzgewand, Lampen, Werkzeug und Verpflegung. Schon beim Packen am Vorabend scheint mir das eine oder andere Teil redundant oder zu viel zu sein, aber im Hinblick auf das Race Around Austria im August möchte ich ein paar Dinge ausprobieren. Wieviel passt wirklich in eine Rahmentasche? Was kann ich mitnehmen und was muss zuhause bleiben? Reicht das Setup auch für 24 Stunden?

Bei der Wiener Oper stößt Matthias zu mir, am Gürtel Sebastian und in Brunn am Gebirge noch Jojo. Damit ist das Quartett komplett und nach einem Kaffee an der Tankstelle geht es los Richtung Südwesten. Die ersten Kilometer sind bekanntes Terrain und kein Meter Straße kann hier noch überraschen. Sehr wohl überraschend ist jedoch der starke Wind, der uns recht ungeniert direkt ins Gesicht bläst. Solange dieser am Rückweg als Rückenwind dient, tolerieren wir das… Das Tempo ist anständig, alleine würde ich die ersten Hügel wohl etwas langsamer hinauffahren, doch die Gruppendynamik ist in solchen Situationen ein Hund. Vor allem auf langen Distanzen kann sich das schon mal auswirken - ob man möchte oder nicht.

Nach rund 60 Kilometern - auf “dem Hals” zwischen Pottenstein und Pernitz springt der Höhenmeterzähler über die 1.000 und es sollen noch einige folgen. Der blaue Himmel ist zunehmend grau geworden und dicke Wolken haben sich über unsere weitere Route gelegt. Dass wir den ganzen restlichen Tag keine Regentropfen spüren werden obwohl permanent schwarze Wolkenbänke im Blick waren, wird uns noch einige Male verwundern. Bis auf den Wind also ideale Bedingungen fürs Radfahren - Thermo-Bibs und mein mittlerweile liebgewonnenes Sportful Fiandre-Trikot, das wie gebaut ist für solche Rahmenbedingungen.

Von der Wirkungsstätte Ferdinand Raimunds - Gutenstein -, geht es die “Haselrast” hinauf. Dabei handelt es sich um ein Kleinod der Voralpen - geographisch sitzt man hier etwas zwischen den Stühlen: nicht mehr Wienerwald, etwas Voralpen, gerade noch Kalkalpen. Autoverkehr ist hier eine ausgesprochene Seltenheit, ehrlicherweise gibt es auch nicht allzu viele Destinationen, die man hier ansteuern könnte. Motorradfahrer sind hier schon häufiger, glücklicherweise ist das Wetter nicht (noch) besser - sonst würden sich hier scharenweise Biker Richtung Kalte Kuchl bewegen, einem bekannten Treffpunkt der Szene. Jojo absolviert an der Spitze unserer Vierergruppe ein etwas ambitioniertes Intervall und schon sind wir am Gasthaus Kalte Kuchl vorbeigerollt, welches sich an sich ideal für eine Pause angeboten hätte. (Wer dort stehenbleiben möchte: —> Buchteln mit Vanillesauce!!)

Nach dem Ochssattel geht es auf einer schnellen und flowigen Abfahrt hinunter nach Sankt Aegyd am Neuwalde, von dort - entweder auf der Bundesstraße oder dem parallel verlaufenden Radweg auf der alten Bahntrasse - weiter nach Kernhof, vorbei am - ob seiner Skurrilität weithin bekannten - Kameltheater (inkl. Pizzeria “Don Kamelo”) und zum Fuße des “Gscheid”. Das Gscheid markiert eine Art Landschaftswechsel, man bewegt sich am Göller entlang - einem Berg, der vor allem unter Wanderern und Skitourengehern viele Anhänger hat. Während die Straße auf den letzten Kilometern bereits merklich nach oben “geschmiert” hat, man also die Steigung zwar etwas spürt, tendenziell aber immer etwas zu schnell und über seine Verhältnisse fährt, stellt sich die Straße aufs Gscheid am Ende vor einem auf. Die Steigungsprozente gehen unvermittelt ins Zweistellige, 13 Prozent auf ein paar hundert Metern sind nach 115 Kilometern schon eine spürbare Herausforderung. Auf der anderen Seite des Gscheid fährt man hinunter nach Terz, überquert die Grenze zwischen Niederösterreich und der Steiermark und befindet sich quasi schon im Landeanflug auf Mariazell. Einzig der Kreuzberg, bestehend aus einigen Kehren und knapp 100 Höhenmetern ist noch zu überwinden und schon rollt man unter dem Schild “Willkommen in Mariazell” durch, das an diesem Tag dem Wertungsbogen einer großen Rundfahrt gleichkommt.

Mariazell selbst bedarf keiner Vorstellung, dafür ist der Wallfahrtsort zu bekannt - die Basilika in ihrem markanten Rot-Weiß mit den drei Türmen, der Lebkuchengeruch, die Rivalität um den ältesten Magenbitter zwischen den Häusern am Platz (Pirker und Arzberger), die Devotionalien-Stände auf dem Kirchenvorplatz und die Hotels und Kaffees, vor denen sich Ausflügler, Motorradfahrer und Pilger sammeln. Unsere Wahoos zeigen 140 Kilometer und 2.200 Höhenmeter, also rund die Hälfte dessen, was wir uns für diesen Tag vorgenommen haben. Kaffees, Säfte, Toasts und Kuchen wechseln von der Hand des Kellners in Windeseile auf unsere Tische und von dort weiter in unsere Mägen - die Ernährung ist einer der Schlüssel bei solchen Unterfangen und auch eine der größten Herausforderungen, wenn ich an mein Race Around Austria im Sommer denke.

Kein Mariazell-Besuch ohne Erlaufsee! Zum Zeitpunkt der Routenplanung habe ich einen kurzen Sprung in den Erlaufsee als Zwischenstopp eingeplant gehabt, die jetzigen Temparaturen machen darauf allerdings eher weniger Lust. Bleibt also die Ehrenrunde von Mariazell zum Erlaufsee, bevor wir uns Richtung Ötscher auf den zweiten Teil unserer Reise machen. Zwischen Bürger- und Gemeindealpe (diesen semantischen Kontrast hab ich schon immer gemocht) rollt man auf der Mariazeller Bundesstraße gen Norden, die nächsten Kilometer werden wir uns den Pfad mit der Mariazeller Bahn teilen. Diese Schmalspurbahn ist gleichzeitig eine Art Exit-Szenario, sollte man keine Lust mehr, einen Defekt oder Einbruch haben - auch auf Touren in weniger gut erschlossene Regionen ist es angenehm, einen Plan B zu haben. Den markanten Gipfel des Ötscher und damit die höchste Erhebung des Mostviertels bekommen wir nicht zu Gesicht, dunkle Wolken haben sich davor geschoben. Dennoch sind zahlreiche Wanderer unterwegs, die Ötschergräben sind ein beliebtes Wanderziel - auch wenn die selbst verliehene Bezeichnung “Grand Canyon Österreichs” vermutlich (und aus eigener Erfahrung) etwas zu hoch gegriffen ist.

Die wellige Strecke Josefsberg - Wienerbruck - Reith teilen wir uns mit zahllosen und sportlich bewegten Motorrädern, die wie wir in den Genuss einer gut ausgebauten und vor allem fein trassierten Straße kommen wollen. Die Kurvenradien verbunden mit leichten Überhöhungen in den Kurven oder zumindest den richtigen Neigungen machen mit dem Rad große Freude. Kurz vor Annaberg biegen wir zur Bergwertung des Tages ab - der Name könnte mit “Wastl am Wald” nicht schöner sein. Der Anstieg ist stetig und führt bis auf 1.110 Meter, eigentliches Highlight ist allerdings die Abfahrt nach Puchenstuben, die einen wunderbaren Flow erzeugt. Zurück auf der Bundesstraße befindet man sich im Pielachtal, auch wenn vorerst noch die Nebenflüsse Laubenbach und Nattersbach neben einem dahinplätschern. Leicht bergab geht es flott und mit dem zu Beginn erhofften Rückenwind hinaus aus den Voralpen. Ebenfalls “hinaus” will leider die Luft aus Jojos Schlauchreifen, der irgendwo bei Kilometer 190 dann seinen Dienst endgültig quittiert und das Quartett zu einem Trio macht. Nachdem der Tagesplan keine allzu großen Verzögerungen zulässt und der Abholdienst nach einem kurzen Telefonat schon auf dem Weg ist, lassen wir Jojo beruhigt zurück.

Nach Kirchberg an der Pielach sorgt Komoot indirekt für das erste Highlight. Von der Bundesstraße abgebogen geht es über Tradigist und Eschenau Richtung Traisen. Auch diese Verbindung bedient nur wenige Siedlungen und Ortschaften, dementsprechend können wir dort die Straße für uns genießen - ein langer und flacher Anstieg auf der einen Seite, eine flotte und kurvige Abfahrt auf der anderen. Im Traisental angekommen durchfahren wir auf der Bundesstraße Wilhelmsburg (oder wenn es nach dem Verkehr geht eher Williamsburg) und biegen dann doch lieber auf den Traisenradweg, der parallel dazu verläuft und um einiges entspannter er-radelt werden kann. 225 Kilometer stehen auf der Uhr, der Tag dauert schon recht lang aber es geht dahin. Sitzt man mehrere Stunden im Sattel, verliert man zunehmend das Gefühl für Zeit und Distanzen. Nicht, dass die Zeit schneller vergehen würde oder die Kilometer “von selbst” purzeln, vielmehr spult man das in einer Art Flow ab.

Achtet man nicht auf sich und seine Umgebung und gibt sich nur diesem Flow hin, vergisst man zwangsläufig irgendwann einmal zu essen und/oder zu trinken. Und ein halbvoller oder gar leerer Tank wiegt bei längeren Distanzen schwerer als auf der kurzen Feierabendrunde. Wenn ich den Tag in der Retrospektive betrachte, liegt das “Problem” eigentlich schon beim Wegfahren. Bis wir alle als Quartett vereint waren - und im engeren Sinne “startklar” - waren schon fast eine Stunde und 20 Kilometer vergangen. “Nur 20 Kilometer locker am Stadtrand” würde man sagen, aber natürlich isst und trinkt man auf diesen Kilometern des Einrollens nichts. Und dennoch kann das schon ein Beginn eines Defizits sein, das man über den ganzen Tag irgendwie nicht mehr losbekommen kann. Und Essenpausen in Restaurants oder bei Tankstellen bringen zwar Abwechslung in die Einheitskost aus Gels und Riegeln, der Schinken-Käse-Toast meldet sich allerdings spätestens 10 Minuten nachdem man wieder im Sattel sitzt wieder und protestiert dagegen, nicht ordentlich verdaut und zwischen Oberkörper und Oberschenkel eingeklemmt zu werden. Man sollte glauben, dass man solche Dinge mit der Zeit lernt, bei mir ist es jedoch irgendwie nicht der Fall. Für mein Race Around Austria muss ich mir daher einbläuen, laufend zu essen und zu trinken - abgesehen von einer etwas überlegteren Ernährungsstrategie. Und den Cappuccino werd ich wohl auch eher weglassen (oder auf Espresso umsteigen).

Südlich von Sankt Pölten ist man aus den Voralpen und den Bergen draussen - der Wind, den wir zu Beginn ins Gesicht geblasen bekamen, schiebt uns jetzt kräftig von hinten an. Mit müder und müder werdenden Beinen ist das nur gut und angenehm! Von Pyhra nach Böheimkirchen sind wir fast geflogen, die Jubelschreie waren aber nicht nur dem Rückenwind geschuldet sondern auch Komoot, dessen Algorithmus uns auf diesen Weg geführt hatte und den Beinen von Sebastian und Matthias, die wie Lokomotiven vorne weg marschierten.

Nach einer Eis-Pause in Böheimkirchen trat ein Phänomen auf, dass ich schon von anderen längeren Ausfahrten kannte und vor allem von meiner Fahrt nach Kärnten vor einigen Jahren. Fährt man nach der Arbeit noch eine Runde, dann sind 50 Kilometer viel, wenn man allerdings seit über 10 Stunden unterwegs ist und schon 250 Kilometer in den Beinen hat, dann sind 50 Kilometer eher “wir sind eh schon fast zuhause”. Und dieser Trugschluss ist gleichsam eine beliebte Falle, denkt man sich doch meistens, “ach, die 50 Kilometer fahren wir noch schnell fertig”. Dass dem nicht so ist, wenn man sich nicht um seine Tanks kümmert und trotzdem noch weiter isst und trinkt, dass lernt man auf die harte Tour. Bei meiner Fahrt nach Kärnten musste ich deshalb knapp 15 Kilometer vor meinem Ziel noch eine “richtige” Pause einlegen und mich um meine Ernährung kümmern. Am Rückweg aus Mariazell und einige wenige Kilometer von Wien entfernt, hatte ich glücklicherweise noch zwei Mitstreiter, die sich meiner annahmen. Die letzten 40 Kilometer hatten nur noch zwei kleine “Schupfer” aufzuwarten - einmal in Neulengbach, der andere bei Rekawinkel. Auch diese wenigen Höhenmeter waren für mich nur im Schneckentempo zu absolvieren, dazwischen konnte ich den Windschatten von Matthias und Sebastian genießen. Wäre ich alleine unterwegs gewesen, hätte ich hier wohl noch einmal eine längere Pause zum Auffüllen einlegen müssen - oder weniger Eis essen…

Pünktlich wie die Sonnenuhr und begleitet von einem wunderbaren Sonnenuntergang trennten sich unsere Wege an der Westeinfahrt von Wien nach 288 gemeinsamen Kilometern. Es ist entlang der Strecke nichts außergewöhnliches passiert - keine Regenbogen, keine Einhörner, keine Epiphanien (auch wenn man das bei Mariazell schon erwarten hätte können). Dennoch war es ein Tag, den man wohl als “episch” bezeichnen würde und es war ein Tag und ein Erlebnis, das man mit Freunden teilen konnte. Die gemeinsame Zeit auf der Straße, das Erleben des Wetters, der Umgebung, der Landschaft, der Temperatur, des Zustands der Mitfahrer, das Auf und Ab, die Gemeinschaft und das “Zusammen” sind wohl Dinge, die man nur auf diese einzige Art und Weise erfahren kann. Die Motorradfahrer sind zwar gemeinsam unterwegs, können aber nur punktuell miteinander kommunizieren und sind außerdem (viel) zu schnell unterwegs. Der Wanderer oder Pilger ist mir persönlich wiederum etwas zu langsam unterwegs, auch wenn er dabei vielleicht mehr Zeit hat, in sich zu gehen. Mit dem Auto fehlt der direkte Bezug zur Umgebung. Ohne das Auspowern und das Vorankommen durch den eigenen Körper fehlt eine wichtige Komponente, durch die man merkt, zu was der eigene Körper imstande ist. Gut, jetzt ist es doch noch etwas emotional geworden am Ende… Mariazell eben!

Route auf Komoot: https://www.komoot.de/tour/195544736