Die kalte Jahreszeit lässt sich mannigfaltig nutzen und am besten ist ohnehin, wenn man die "Off-Season" für unterschiedliche Aktivitäten nützt: Laufen oder Langlaufen als Ausdaueralternativen; Skitouren gehen, wenn man in den Bergen wohnt; Cyclocross-Rennen wenn man auch im Winter eine richtig harte Challenge sucht; Mountainbiken, wenn man seine Fahrtechnik-Skills etwas aufpolieren möchte; oder aber natürlich das klassische Rollentraining. Wobei so klassisch ist das nicht mehr, seit sowohl hardware- als auch softwareseitig enorm aufgerüstet wurde! Seitdem gibt es kein stundenlanges Pedalieren mehr vor einer weißen Wand - außer natürlich man möchte genau das, wie Jonas Deichmann... ;)
Um in den Genuss von Plattformen wie Zwift und Co. kommen zu können, ist ein sogenannter "smarter" Rollentrainer notwendig. Dieser unterscheidet sich von einem "dummen" (also nicht "smarten") dadurch, dass er mit Computer, Tablet oder Telefon kommunizieren kann und sich auf diesem Wege auch steuern lässt. Mit dem Ergebnis, dass eine Steigung auf dem Radcomputer oder auf Zwift auch als solche spürbar wird, weil die Software den Widerstand des Rollentrainers erhöht. Gleiches gilt für Trainingsblöcke oder Intervalle, bei denen man "nur" noch treten muss - den richtigen Widerstand besorgen der Rollentrainer und das dazugehörige Trainingsprogramm. Auf diesem Wege lassen sich auch Einheiten auf der Rolle unterhaltsam und kurzweilig gestalten und der Schrecken des monotonen Wintertrainings verfliegt im Nu!
Bei der Anschaffung einer smarten Trainingsrolle sollte man vorab kurz seine Anforderungen definieren, denn die Modelle unterscheiden sich sowohl in Funktion als auch Preis mitunter deutlich. Es gibt natürlich mehrere Hersteller am Markt, von Wahoo hatte ich allerdings schon drei unterschiedliche Systeme und Modelle in Verwendung, deshalb werde ich diese als Bespiel heranziehen, um auf Unterschiede, Nutzen und Eignung einzugehen.
Arten von Rollentrainern
"Wheel-On Trainer" (Wahoo Kickr Snap)
So oder so ähnlich kennt man einen Rollentrainer bzw. so haben sie vor einigen Jahren auch schon ausgeschaut - ein stabiles Metallgestänge mit einem Widerstand dazwischen. Man nimmt sein eigenes Rad so wie es vor einem steht und spannt es in den Trainer ein. Man muss dazu lediglich den mitgelieferten Schnellspanner verwenden oder die geeignete Steckachse verwenden. Steckachsen sind da so ein Thema, so wie es teilweise auch noch vereinzelt zu Problemen mit Scheibenbremsen kommen kann, wenn schlicht und ergreifend nicht genug Platz ist, um die Scheiben noch unterzukriegen. Bezüglich der Scheibenbremsen sollte man vorab die Produktbeschreibung und die Kompatibilität checken. Bei Steckachsen ist es so, dass man dafür oft extra Adaptersets dazubestellen muss. Technisch ist das absolut problemlos aber es entstehen halt noch einmal zusätzliche Kosten - am Beispiel des Wahoo sind das immerhin 50 Euro und damit 10% des Preises des Trainers an sich. Hat man die Adapter aber einmal in Verwendung, ist das Rad sicher und stabil mit dem Rollentrainer verbunden. Einen Hebel noch umgeklappt und schon treibt das Hinterrad den Rollentrainer an und der Spaß kann beginnen. Der Widerstand verändert sich entweder - ohne Steuerung von außen - progressiv, oder aber man überlässt die Steuerung einem Wahoo Elmnt Radcomputer oder einer Trainingssoftware a la Zwift oder Trainerroad - Stichwort “smart”.
Vorteile einer derartigen Bauform sind der vergleichsweise günstige Einstiegspreis sowie die Flexibilität, so gut wie jedes Rad einspannen zu können. Wenn man zum Beispiel auf unterschiedlichen Rädern trainieren möchte - sagen wir Rennrad und Zeitfahrrad, so wie ich das im Frühjahr gemacht habe - dann geht dieser Wechsel schnell von der Hand und es sind keine Umbauarbeiten oder dergleichen notwendig. Ebenfalls ein Faktor sind unterschiedliche Antriebssysteme: bei SRAM-12fach auf meinem Zeitfahrer und Shimano 11fach auf meinem Rennrad wäre ein Wechsel immer mit einem gewissen Aufwand verbunden gewesen - mit dem Kickr Snap bzw. einem anderen Wheel-On-Trainer, kein Problem.
Aufgrund der indirekten Kraftübertragung über den Hinterreifen hat man geringe Einbußen bei der Unmittelbarkeit des Fahrens - ein paar Watt werden so im System verloren gehen und auch Tempowechsel oder die von der Software gesteuerten Widerstandswechsel werden nicht so direkt und unmittelbar spürbar.
Während viele Reifenhersteller dezidierte Indoor-Reifen anbieten, kann ich dabei keine besonderen Vor- oder Nachteile feststellen. Wichtig ist da eher, dass das Rad mit all seinen Bestandteilen sauber ist, denn der Dreck vom Rad wird sich sukzessive in der Wohnung verteilen, wenn sich das Hinterrad dreht. Kann sein, dass es hier einzelne Reifen-Modelle gibt, bei denen man eventuell Abrieb merkt oder dieser sich in der Wohnung verteilt. Bei meinen Reifen (Vittoria, Pirelli und Continental) konnte ich das allerdings nicht bemerken.
Durch die unterschiedlichen (und zahlreicheren) bewegten Teile ist auch die Geräuschentwicklung bei dieser Bauform von Trainern etwas größer. Das sollte man auf jeden Fall bedenken, wenn man kein Haus sein eigen nennt oder empfindliche Nachbarn hat. Und bei jeder Art von Trainer sollte man nicht nur bedenken, dass der Trainer selbst Geräusche entwickelt sondern auch die Bewegungen und Vibrationen wiederum Körperschall erzeugen, der sich über Wände, Böden und Decken in alle Richtungen verteilt. So kann es passieren, dass es für einen selbst im Raum gar nicht so laut ist, bei den Nachbarn allerdings ein lästiges und lautes Dröhnen entsteht.
Direct Drive-Trainer (Wahoo Kickr)
Am anderen Ende der Produktpalette steht der Wahoo Kickr, der mit diesem Jahr in einen neuen Produktzyklus eingetreten ist. Er ist der klassische Vertreter der Trainer mit "Direct Drive". Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass das eigene Rad ohne hinteres Laufrad direkt in den Trainer eingespannt wird. Die Kraftübertragung erfolgt damit von der Kette des Rads direkt auf den Widerstand des Rollentrainers, mit dem Ergebnis, dass Tempo- und Wattwechsel schnell und direkt spürbar sind und das allgemeine Fahrgefühl besser wird. Außerdem reduzieren sich dadurch etwaige Reibungsverluste im System - so kommt die ganze Kraft aus den Muskeln auch tatsächlich bei der Walze an - der größte Vorteil von Direct Drive!
Vorteile bestehen demnach in der Kraftübertragung, der Direktheit, dem schnellen Ansprechverhalten bei Tempowechseln und dem generell höheren Leistungsvermögen der Rolle. Es sind weniger Teile in Bewegung (das komplette hintere Laufrad fällt weg), damit reduziert sich auch der Verschleiß an Teilen des eigenen Fahrrads. Auch durch die hochwertige Ausgestaltung des Widerstands läuft der Direct Drive-Trainer in der Regel bedeutend leiser als ein Modell, bei dem man das gesamte Rad einspannt. Wahoo hat hier mit dem Kickr über die letzten Jahre erstaunliches geleistet und so kommt die aktuelle Iteration des Wahoo Kickr mit einem derart leisen Betriebsgeräusch daher, dass man teilweise schon glauben könnte, es bewegt sich dort unten gar nichts... Je nach Intensität und Leistung ist das Laufgeräusch der Kette am eigenen Rad lauter als das Betriebsgeräusch des Trainers.
Dem aktuellen Kickr-Modell wurden als Sahnehäubchen noch bewegliche Füße gegönnt, die eine größere seitliche Bewegung des Rads erlauben und so ein noch realistischeres Fahrgefühl ermöglichen. Nicht ganz das, was man mit einer "Roller Plate" oder "Swing Plate" erreichen würde, wo sich ja tatsächlich das ganze System neigt und bewegt und auch nicht dasselbe wie die "Road Feel"-Funktion von Tacx aber eben eine gewisse Flexibilität in Seitenrichtung. Positiver Nebeneffekt: Damit hat auch das Rad etwas mehr "Bewegungsspielraum", was vielleicht jene Zweifler etwas beruhigen wird, die sich um ihren Untersatz Sorgen machen. (Obwohl ich persönlich keinen Fall kenne, bei dem ein (Carbon-)Rahmen auf der Rolle Schaden genommen hätte).
Das alles hat allerdings seinen Preis und die Anschaffung eines Direct Drive-Trainers will dann auch dementsprechend überlegt sein. Wer jedoch regelmäßig trainieren oder an der Genauigkeit und Direktheit seine Freude haben möchte, der wird um einen Direct Drive-Trainer wie den Kickr nicht herumkommen. Und auch die Nachbarn daneben und darunter werden ihre Freude haben.
Wahoo Kickr Core
Wer auf die Leistungsfähigkeit eines Direct Drive-Trainers nicht verzichten möchte, jedoch nicht das letzte Quäntchen aus sich und dem Trainer (und seiner Geldtasche!) ausreizen möchte, findet vermutlich in der goldenen Mitte ein gutes Zuhause. Der Kickr Core vereint die positiven Eigenschaften des "großen" Kickrs (im Sinne eines Direct Drive-Trainers) und verzichtet dabei nur auf einige wenige Merkmale, die allerdings im Alltag eines Radsportlers verzichtbar sein dürften. Statt 2.200 kann der Core beispielsweise "nur" 1.800 Watt simulieren - das dürfte aber eher Andre Greipel oder Sam Bennett stören, weniger uns "Normalos". Auch die simulierbare Steigung ist beim Core mit 16% etwas geringer. Und während beim "großen" Kickr bereits eine Kassette montiert ist, muss man diese beim Kickr Core zusätzlich besorgen. Angesichts der Vielfalt der aktuell verfügbaren Antriebsgruppen ist es aber ohnehin meistens notwendig, die passende Kassette nachzukaufen.
Einziges tatsächliches Manko des Core ist aus meiner Sicht, dass sich dieser nicht zusammenklappen lässt. Während man Kickr Snap und Kickr verkleinern und (z.B. im Sommer) gut verstauen kann, benötigt der Kickr Core etwas mehr Platz.
Komplettes Trainingsbike (Kickr Bike)
Wer sich mit voller Hingabe dem Indoor-Training widmen will, der hat auch noch Training-Bikes als Option - zum Beispiel das Kickr Bike. Dabei bekommt man ein komplettes Ökosystem ins Wohn- oder Hobbyzimmer gestellt und muss sich eigentlich um nichts anderes mehr sorgen. Die Geräuschentwicklung ist ohne bewegliche Teile und dank voller Integration gleich Null. Das eigene Bike kann man getrost schonen und für Fahrten draußen reservieren. Es gibt kein Herumhantieren mit Schnellspannern, Steckachsen, Kassetten oder dergleichen. Im Fall von Wahoo bekommt man mit dem Kickr Bike auch die Climb-Funktionalität dazu, mit der sich das Rad entsprechend der gefahrenen Steigung mitbewegt. Zum Kickr-Bike gibt es allerdings so viel zu sagen, dass ich mir das lieber für einen eigenen Blogpost aufhebe - glücklicherweise steht ein solches nämlich gerade bei mir in der Wohnung! ;)
Fazit und Typenberatung
Wintertraining muss und soll nicht langweilig sein und mit den aktuellen Rollentrainern sind die perfekten Voraussetzungen geschaffen, dass man entspannt und gut unterhalten durch den Winter fährt und im Frühjahr gleich auf einen respektablen Trainingsstand aufbauen kann. Neben Wahoo gibt es mit Tacx und Elite noch die zwei anderen Großen, außerdem noch einige weitere kleinere Hersteller von Smart-Trainern, die man sich jedenfalls genauer ansehen kann. Nicht-smarte Trainer gibt es auch noch auf dem Markt, allerdings spielen die tatsächlich nur noch eine untergeordnete Rolle und wenn man einmal in die Spielereien der smarten Welt hineingeschnuppert hat, möchte man eher nicht wieder zurück. Und ja, auch die freie Rolle gibt es natürlich noch - aber die war immer schon eine Geschichte für Spezialisten, sei es auf der Bahn oder für die Schulung eines schönen und runden Tritts (oder Videos auf Instagram, in denen man freihändig etwas kocht oder ein Instrument spielt, während man auf dem Rad sitzt...).
Die eigenen Anforderungen und die Geldbörse bestimmen am Ende, welches Modell am besten geeignet ist:
- Wechselt man oft zwischen Rädern oder benützt auf unterschiedlichen Rädern unterschiedliche Antriebssysteme, ist ein Wheel-On-Trainer naheliegend - auch wenn die Genauigkeit des letzten Watts nicht so wichtig ist.
- Bei wem Präzision und Leistungsvermögen an erster Stelle steht, ist mit einem Direct Drive-Trainer am besten bedient. Nirgendwo sonst bekommt man derart direkte Kraftübertragung und Direktheit bei einem gleichzeitig sehr leisen Betriebsgeräusch.
- Für einen Großteil der Nutzerinnen und Nutzer wird dann aber die "günstigere" Variante ausreichen, die mit ihrem Funktionsumfang so gut wie alle Anforderungen erfüllt, die man an einen Direct Drive-Trainer stellen kann. Bei Wahoo ist das der Kickr Core (gegenüber dem Kickr), bei Tacx wäre es der Flux (mit dem größeren Bruder Neo).
Smarte Wheel-On Trainer wie der Wahoo Kickr Snap kosten um die 500 Euro, die "billigeren" Direct-Trainer um die 800 und die "großen" um 1.200 Euro. Und erstaunlicherweise ist es so, dass auch die großen Internethändler bei Smart Trainern nicht wirklich bessere Preise anbieten können. Man kann also in diesem Fall getrost beim Hersteller oder im Fachgeschäft des Vertrauens bestellen und kaufen. Derzeit ist das allerdings - ehrlicherweise - sowieso eine enge Angelegenheit, sind doch durch Corona und diverse Lockdowns sowohl die Lager der Hersteller als auch jene der Händler komplett leergeräumt.
Für den Kauf beim Händler spricht übrigens auch - und das muss hier leider ungeschönt erwähnt werden -, dass es unabhängig vom Hersteller doch vermehrt zu Reklamationen und Garantiefällen kommt, weil Dinge nicht 100%ig funktionieren. Woran das liegt, kann ich nicht sagen - sei es die schnelle Produktion mit überschaubarer Qualitätskontrolle, die kurzen Produktzyklen, die permanente Weiterentwicklung oder die technische Komplexität... Immer wieder liest und hört man von "Montags-Geräten", bei denen ein Austausch über den Fachhändler dann wohl auch angenehmer ist, als ein 25 Kilo schweres Paket über die Post an den Hersteller zurückschicken zu müssen...
Aber gehen wir vom Positiven aus und da heißt es nur noch umziehen, genug Trinkflaschen bereitstellen, das Fenster öffnen und loslegen! Ride On!