Licht am Ende des Tunnels?

Die letzten Monate waren irgendwie seltsam - wenig Zeit, wenig Energie, mehrere Verkühlungen, grippale Infekte und was man sonst noch so aus dem Kindergarten bekommt. Und dann natürlich winterbedingt auch noch kalt, nass und dunkel!

Für mich haben daher die ersten Kilometer, die ich 2023 draußen abspulen kann, eine besondere Bedeutung und ich genieße den Wind, die Sonne und die frische Luft. Und zu einem gewissen Grad hab ich im Zuge dessen auch überdacht und neu festgelegt, was Radfahren für mich bedeutet und worauf ich in nächster Zeit meinen Fokus legen möchte.

Wahoo Systm (nach 6 Monaten Einsatz)

Wenn man etwas über einen längeren Zeitraum für einen Blogbeitrag testen möchte, kann es mitunter passieren, dass man überholt wird – von der Realität, vom Zeitplan oder von Neuerungen. So geschehen bei meinem Test von Wahoo Systm. Wobei die Inhalte, über die ich schreiben möchte, deswegen nicht alt oder überholt sind und sich ja eigentlich nichts Grundlegendes an der App geändert hat, seit ich begonnen habe, sie zu benützen.

Was ist in der Zwischenzeit passiert? Wahoo – bisher in erster Linie als Hersteller von Rollentrainern bekannt – hat neben SYSTM (das auf dem von Wahoo gekauften „Sufferfest“ beruht) auch noch „RGT Cycling“ in sein Portfolio aufgenommen. Und während hier also Wahoo einen Schritt vom Gerätehersteller zum Gesamtanbieter macht, bastelt dem Vernehmen nach parallel dazu der Softwareanbieter Zwift an seinem ersten Smart Trainer, möchte also von der Softwarebude auch zum Gesamtanbieter werden (nur von der anderen Richtung halt). Es werden hier also spannende Zeiten auf uns zukommen und idealerweise profitieren die Endkundin und der Endkunde ja auch von solchen – hoffentlich befruchtenden – Konkurrenzverhältnissen. Aber dazu an anderer Stelle mehr, kümmern wir uns um den eigentlichen Inhalt: Wahoo SYSTM!

Apps, Apps, Apps

Kurz zur Einordnung – es gibt derzeit ja grob drei Arten von Trainingsapps und –software, mit denen man sich die Zeit auf dem Home-Trainer spannender oder effektiver gestalten kann:

1.       echte (Real-World) Videos von Strecken, die man sich auf einen Computer oder Bildschirm streamt und nachradelt. Videos dazu gibt es in unterschiedlicher Qualität, Länge und von diversen Anbietern. Wahlweise gibt es noch einen Avatar, den man sich einblenden kann, da und dort minimale „social features“ und auch die Frage, ob Widerstand und Geschwindigkeit von der Software gesteuert werden – sich also die Anstrengung anpasst und damit der Realitätsgrad steigt (ist von Anbieter und Software abhängig).

2.       Reine Trainingsplattformen blenden auf einem Bildschirm diverse Balken, Zonen und Striche ein, die ein Trainingsprogramm vorgeben, den Widerstand der Rolle/des Trainers steuern und – idealerweise in Form eines Trainingsplans über einen längeren Zeitraum – zum Formaufbau beitragen. Hier gibt es in der Regel kein zusätzliches Video oder eine andere Art der Ablenkung. Das Training und die zu erreichenden Wattzahlen stehen im Mittelpunkt.

3.       Zwift ist wenn man so will eine dritte (eigene) Kategorie. Hier bewegt sich ein Avatar durch eine virtuelle Welt, die Gamification-Elemente sind hier definitiv am ausgeprägtesten, soziale Elemente und kleine Challenges sorgen für Zerstreuung und Abwechslung. Aufgrund der großen User-Zahlen und der guten finanziellen Ausstattung musste sich der Mitbewerb bisher immer an Zwift orientieren.

SYSTM!

Worum geht’s? Systm – ja, das ist so „richtig“ geschrieben – ist eine Plattform, die, 1. Trainings und Programme für Radfahren, Laufen, Yoga, Kraft- und Mentaltraining bietet, 2. dafür eine Vielzahl von Streckenvideos, „Pro Rides“, Filmen und Trainingsvideos bietet und 3. auf Computer (auch ohne App!), Tablet und Handy läuft. Im Details schaut das dann folgendermaßen aus:

Sportarten

Im Kern steht das Radfahren, auch wenn das Programm noch Laufen und Schwimmen als Sportarten anbietet. Für die beiden letzteren ist es aber realistischerweise vorgesehen, sich die vorgeschlagenen Trainings und Intervalle auf eine Uhr zu laden und dann außerhalb der App abzuspulen. Eine „immersive experience“, wie das oft so schön heraufbeschwört wird – also ein Hineingezogen-werden in ein realistisches und mitreißendes Trainingserlebnis – ist hier nicht wirklich zu erwarten (und stößt bei Themen wie Schwimmen naturgemäß auch irgendwie an Grenzen der Umsetzung). Beim Radfahren schaut das allerdings anders aus – hier ist es tatsächlich ein großer und sehr bunter Strauß an Möglichkeiten, die sich hier auftun und es sind viele, viele Stunden an Training und auch Spaß garantiert.

Wichtig ist in meinen Augen hingegen der Hinweis auf Yoga und Krafttraining! Traditionell ist das eines der größten Mankos von Radsportler*innen. Von 100 Radfahrer*innen wissen vermutlich rund 50, dass Rumpfstabilität und Core-Kräftigung fürs Radeln förderlich sind, 20 der 100 machen vermutlich hie und da etwas Training und 5 der 100 haben das regelmäßig in ihre Abläufe integriert. Ich gehöre hingegen zu dem hartnäckigen einen Prozent, die a) wissen, dass Coretraining sehr wichtig wäre, b) mit fast-Bandscheibenvorfällen auch schon mehrfach die (potentielle) Rechnung fürs Nichtstun präsentiert bekommen haben und es c) trotzdem nicht auf die Reihe bringen, die wenigen notwendigen Minuten aufzubringen, sich ein paar Mal zu strecken und zu kräftigen… Umso dankbarer bin ich, wenn es ein gutes und angeleitetes Training gibt, das ich auf „meiner“ Trainingsplattform gleich in der Übersicht vor den Latz geknallt bekomme und so immer wieder dezent drauf hingewiesen werden, gefälligst etwas zu machen! Dabei lassen sich Intensität, Dauer und Fokus der Trainings frei wählen, knapp 60 Einheiten stehen dafür zur Auswahl. Die Hemmschwelle ist dabei sehr niedrig: es sind keine Tools oder Geräte notwendig, oft braucht es nicht einmal eine Fitnessmatte. Und wenn am Bildschirm jemand die Übungen vormacht ist auch die Versagensangst geringer, den Arm in die falsche Richtung zu strecken oder sich irgendwo falsch zu belasten. Die einzige Challenge stellt sich, wenn man die ersten Male die Core-Trainings macht: die Abfolge der Übungen ist recht schnell und zackig, hier muss man sich erst zurechtfinden und sich „eingrooven“.

Und eine Nummer ruhiger (aber nicht zwingend weniger anstrengend) sind die Yoga-Einheiten. Auch hier gibt es die Differenzierung und Wahlmöglichkeit nach Dauer, Intensität und Yogi-Level, wiederum sind es rund 60 Videos zwischen 3 Minuten und 1 Stunde.

Von mir beim Yoga zeige ich lieber kein Foto her… da muss ein Screenshot aus der App herhalten! :)

Arten von Rad-Trainings („Channels“)

Kommen wir zum Kern der Sache und zwar den Möglichkeiten, ein Radtraining abzuspulen – und da gibt es einige, in ganzen neun unterschiedlichen Kategorien:

Sufferfest

Die Trainingsvideos von Sufferfest sind so etwas wie die Basis von Wahoo Systm. Dabei handelt es sich um Videos, die anspruchsvolle Trainingseinheiten mit Spaß und Unterhaltung verbinden. Die Zonen, Watt und Stufen des Trainings werden eingeblendet, wie man das auch von anderen Plattformen kennt, oben drauf gibt es allerdings Videos, die zumeist Ausschnitte von Profirennen wiedergeben und mit den Trainingsinhalten synchronisiert sind. Wobei „synchronisiert“ hier nicht auf Steigung oder Wattzahlen abzielt sondern eher auf eine „situative Synchronisierung“ – so wird zum Beispiel bei einem kurzen und harten Intervall eine Attacke aus der Spitzengruppe eingeblendet, oder aber man findet sich in einer Fluchtgruppe und soll mit einem hohen Tempo-Effort dem Peloton davonfahren. Genauso rollt man in Intervallpausen dann aber auch locker mit dem Feld mit, scherzt mit den anderen Fahrer*innen oder befindet sich in einer landschaftlich schönen Abfahrt. So vergeht zum einen die Zeit recht schnell, zum anderen hat der Geist auch etwas, worauf er sich einstellen kann oder aber bestimmte Situationen am Rad, die man mit dem Trainingsblock assoziieren kann. Alles in allem funktioniert das sehr gut und oft genug endet ein (hartes) Training mit dem Sieg eines Rennens oder einer Etappe im Video – die Belohnung kommt also instantly.

Fahr, du Sau!

Trainings und Intervalle machen selten Spaß – das ist ja auch nicht ihre ureigenste Aufgabe… Allerdings scheinen die Sufferfest-Videos schon eher auf der anspruchsvollen Seite zu sein, nicht umsonst steckt das Leiden schon im Titel drinnen. In diesem Licht sind viele Einheiten dann eher ein Durchbeißen und Kämpfen und auch die – teils schon fast derben – Motivationssprüche tragen ihren Teil dazu bei, dass es hier um „Glory through Suffering“ geht!

GCN

Das Global Cycling Network ist den meisten wohl bekannt, entweder von Beginn an durch den gleichnamigen Youtube-Kanal oder aber durch andere Aktivitäten, ist GCN doch mittlerweile an vielen Ecken aktiv. Bei den Trainings auf Wahoo Systm wird man von den bekannten GCN-Gesichtern nach dem Muster eines Gruppentrainings durch Einheiten geführt. Viel mehr gibt’s dazu nicht sagen. Ich persönlich bin kein immens großer Fan von GCN, daher ist für mich der Reiz dieser Videos überschaubar, wer jedoch eine entsprechende Affinität besitzt, für die oder den ist das aber vielleicht genau das richtige!

Inspiration

Hier sind tendenziell eher lockere oder ruhigere Einheiten gesammelt, während derer man mit spannenden, aufschlussreichen oder inspirierenden Videos aus der Welt des Radfahrens bei Laune gehalten wird. Es hat etwas von Youtube-Schauen mit Trainingsreizen und das Programm ist vielfältig: ganze Filme wie das großartige „A Sunday in Hell“, Dokus der Rennteams, inspirierende Radreisen mit Lael Wilcox, Making an Hour-Record mit Rohan Dennis, die „Outskirts“-Filmreihe, „Thereabouts“ oder aber Dokus und Blicke hinter die Kulissen einer Welt von Tommeke, Wout van Aert und Mark Cavendish.

Wahoo Fitness

Ehrlicherweise weiß ich nicht genau, was man mit den Trainings dieser Kategorie machen soll bzw. wo sie hingehören. Es handelt sich um jeweils vier Sets von Trainings (jeweils Endurance und Race Pace), die allesamt sehr lang sind und ohne Video daherkommen und damit wohl auch für die Ausübung draußen gedacht sind.

NoVid

Wobei genau für die Ausübung draußen gibt es dann eben auch eine eigene Kategorie von Einheiten ohne Video-Unterstützung oder –Ablenkung. Man kann diese natürlich auch am Hometrainer abspulen, bekommt dabei dann aber eben nur die Balken des Trainings und der Intervalle angezeigt. Die Möglichkeit, diese Videos auf den Radcomputer zu transferieren, legt aber nahe, dass man diese „mit raus nehmen“ sollte. Inhaltlich ist da alles dabei, was man sich nur denken kann – Intensitäten, Zonen, Längen, alles.

A Week with

Nummer eins der – in meinen Augen – spannendsten Channels machen die Trainings, in denen man eine Woche lang (5-6 Tage) einen Pro bzw. bekannten Radler „begleiten“ kann und gemeinsam mehrere Trainingsblöcke durchläuft. Zur Auswahl stehen hier derzeit Phil Gaimon, Neal Henderson und Ian Boswell. Dabei ergeben sich spannende Einblicke und das Konzept macht Freude und Laune.

ProRides

Weniger Freude und Laune als vielmehr viel Laktat und großen Respekt vor den Leistungen von Profis erzeugen die Pro Rides. Dabei kann man aus unterschiedlichen Rennen und Etappen wählen und einen Pro im Einsatz begleiten. Es werden dafür die echten Leistungsdaten dieses Fahrers bzw. dieser Fahrerin von genau dieser Stage herangezogen und auf die Leistungsstufe des Wahoo Systm-Nutzers bzw. Nutzerin runtergerechnet. Wenn also Tosh van der Sande 400 Watt tritt, sind es auf dem Home Trainer übersetzt 300, der Grad der Anstrengung sollte aber ähnlich sein. Und wie das bei einem echten Rennen ist, gibt es hier keine langen und gleichmäßigen Intervalle sondern ein stakkato-artiges Auf und Ab der Leistungskurve, je nachdem ob man gerade im Windschatten oder an der Spitze fährt, ob es bergauf geht oder bergab, ob man im Peloton mitrollt oder versucht, zur Spitzengruppe aufzuschließen. Wie schon erwähnt, erzeugt das (zumindest bei mir) einen sehr hohen Realitätseindruck, es ist als wäre man tatsächlich mitten im Rennen dabei. Zum anderen ist der Einblick in die Welt und die Leistungsfähigkeit von Profis etwas ganz besonderes und mein Respekt für die Leistungen steigt angesichts solcher Programme massiv an. Die Pro Rides sind aus meiner Sicht jedenfalls eines der großen Alleinstellungsmerkmale von Systm und sollen laut Hersteller noch weiter ausgebaut werden.

On Location

Michael Cotty ist vielen von den Youtube-Videos des Col Collective bekannt – schon dort hat er in einer schönen Mischung Radsport, Tourismus, Geografie und Geschichte vermischt und als Reiseberichte von den schönsten Radsport-Bergen der Welt ins Netz gestellt. Ähnlich läuft das nun bei den „On Location“-Videos in Systm ab: Reiseführer Cotty leitet dabei Trainingseinheiten durch wunderbare Radsportregionen wie die Pyrenäen, die Provence oder die Mittelmeerküste. Dabei läuft ein strukturiertes Training ab, das zur Topographie und zur Strecke passt, gleichzeitig erhält man in kurzen Einspielern, Informationen über Land und Leute, lokale Bräuche, Architektur und Kulinarik. Das kommt meiner persönlichen Art des Radfahrens sehr nahe – so ein Format nun auch für meine Indoor-Trainings zur Verfügung zu haben, macht mich sehr zufrieden.

Fitness Test

Zum Abschluss hier noch jene Kategorie, die eigentlich am Beginn und vor allen anderen Trainingseinheiten stehen soll – Leistungentests! Werden hier doch die Basiswerte ermittelt und festgelegt, nach denen sich die Intensitäten aller darauffolgenden Aktivitäten orientieren. Neben dem bekannten Rampentest wird man hier allerdings eines vergeblich suchen: den klassischen FTP-Test!

4DP statt FTP

Wahoo bzw. deren Head Coach Neal Henderson setzen statt FTP auf „4DP“ – Four-Dimensional Power. Die vier Superpowers sind Neuromuscular (Sprints), Anaerobic Capacity (Attacken), Maximal Aerobic Power (Klettern) und FTP (Ausdauer). Diese vier Aspekte sind beim 4DP-Fitness Test alle gleich gewichtet und werden dementsprechend auch gleichwertig ermittelt, anstelle eines FTP-Tests, der sich „nur“ auf die 20 Minuten FTP konzentriert. Der 4DP-Test ist auf den ersten Blick dann auch angsteinflößend, soll man doch neben dem bekannten 20 Minuten FTP-Test auch noch zusätzlich 5 Minuten Anaerobic, Sprints und Over-Threshold fahren. Der Test macht dann auch nicht wirklich Spaß – so ist es aber grundsätzlich bei allen diesen Tests… Am Ende hat man jedoch ein recht komplett wirkendes Profil seiner Stärken und Schwächen.

Mein persönliches Profil gibt beispielsweise aus, dass ich ein „Sprinter“ bin (wo ich doch viel lieber ein Puncheur sein wollte…). Viel spannender ist allerdings ein Blick in die detaillierteren Analysen, die Systm aus dem 4DP-Test zieht. So wird mir attestiert, dass es nicht wirklich möglich ist, meinen FTP-Wert zu erhöhen, solange mein „MAP“-Wert nicht zuerst gesteigert wurde. Ich sollte mein Trainings also zuerst auf meine Maximum Aerobic Power konzentrieren, um dann in Folge erst meinen FTP-Wert weiter steigern zu können – ein spannender Aspekt, den ich zuvor noch nicht so betrachtet habe.

Knowledge Base

Wer grundsätzlich mehr Interesse an solchen und anderen trainingswissenschaftlichen Hintergründen hat und auch inhaltlich verstehen möchte, warum er oder sie jetzt gerade so oder so viel Watt treten soll, der/die findet auf der Plattform auch recht ausführliche Artikel, Hintergrundinformationen und Blogbeiträge zum Thema Training.

Trainingsplan

Allerdings ist kein Einzeltraining effektiv, wenn es aus dem Kontext gerissen wird. Grundintention der Plattform bzw. eines gewünschten Leistungszuwachses ist daher, einen Trainingsplan zu starten. Im Ablauf schaut das so aus, dass man den oben erwähnten 4DP-Leistungstest absolviert, sein Profil erhält, gewünschte Sportarten, Zeitraum und Intensität  wählt, optional Yoga, Kraft- und Mentaltraining oben drauf packt und fertig ist der Trainingsplan. Dabei sind dem Design des Trainingsplans wenig Grenzen gesetzt, man sollte jedoch halbwegs wissen, wo die eigenen Möglichkeiten liegen – und damit meine ich weniger die individuelle Leistungsfähigkeit als die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten, den Trainingsplan auch durchzuziehen. Kann man den Trainingsplan zeitlich bewältigen? Ist die Anzahl der Einheiten richtig gewählt? Ist die Intensität eh nicht zu hoch? Solche Fragen sollte man sich selbst (kritisch) stellen oder aber mit einem Trainer oder eine Trainerin besprechen, bevor man sich in das mehrwöchige Korsett eines Trainingsplans begibt. Denn es muss auch klar sein, dass die Ergebnisse eventuell nicht die erwünschten sind, wenn man nur halbherzig jede zweite oder dritte Einheit bestreitet. Ansonsten gefällt der Modus Trainingsplan sehr gut, vor allem der Fokus auf die spezifischen Bereiche (gemäß 4DP) vermittelt den Eindruck, dass man tatsächlich bei jeder Einheit sieht, wofür das ganze gerade gut ist.

Manko – wie bei jedem (online) Trainingsplan – ist jedoch, dass man den Trainingsplan nur bedingt „mit nach draußen“ nehmen kann. Zwar lassen sich etliche Videos auch am Wahoo speichern und (als „NoVid“ sowieso) auch im Freien absolvieren. Umgekehrt fehlt aber die Möglichkeit, Einheiten von Draußen in den Trainingsplan zu integrieren oder in Systm abzubilden. Was im Winter eher weniger ein Problem ist (weil man vielleicht ohnehin lieber drinnen bleibt), ist in der Übergangszeit und im Sommer mitunter schwierig.

Der in Systm integrierte Kalender gibt eine guten Überblick über die absolvierten Trainingseinheiten, bildet aber eben „nur“ Systm-eigene Einheiten ab. Der Umweg über eine andere Plattform (z.B. Strava) gibt dann zwar ein vollständiges Bild der Trainings und Ausfahrten wieder, hat aber eben keinen Einfluss auf die Trainingsplanung.

Mein persönliches Fazit zu den Trainingsplänen ist ein gemischtes. Ich war noch nie konsequent und ehrgeizig genug, meinen Rad-Alltag einem Plan zu unterwerfen. Als Berufstätiger und Vater fehlt mir außerdem auch oft die Zeit (oder die Energie), um die Einheiten des Tages dann auch entsprechend unterzubringen. Allerdings ist es toll, im Hintergrund so etwas wie eine grobe Guideline zu haben, worauf man seine Trainingseinheiten fokussieren sollte. Und das nutze ich gerne und so oft ich kann!

Gamification

Heutzutage geht nichts mehr ohne Gamification und viele – ich auf jeden Fall! – sind da auch empfänglich dafür. (Und wenn es dabei hilft, besser auf dem Rad zu werden, dann gerne…). Es gibt auf der Plattform zahlreiche Goodies, Achievements, Badges und Belohnungen, wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei anderen Plattformen. Die soziale Gamification entfällt auf Systm, da ist man eher als Einzelkämpfer dabei. Gamification im weiteren Sinne sind dann auch die Videos und deren Aufbau, die auf spielerische Art und Weise versuchen, den User und die Userin vom harten Trainings abzulenken – sei es durch Abwechslung, Ablenkung oder Zuspruch! Die Möglichkeiten der Plattform sind groß und zahlreich genug, dass man länger dran Freude finden kann und bei der Sache bleibt.

Technisches

Systm läuft auf Windows, macOS, iOS und Android, der benötigte Speicherplatz und die restlichen Systemanforderungen sind sehr überschaubar. Zum Abspielen der Videos ist eine aktive Internetverbindung erforderlich, ist diese zu langsam werden die Videos runterskaliert oder im schlimmsten Fall „pausiert“ – das Training läuft dabei im Hintergrund weiter. Es gibt allerdings die Möglichkeit, ausgewählte Videos vorab herunterzuladen und lokal abzuspeichern, damit lässt sich die erforderliche Internetverbindung elegant umgehen. Videos müssen allerdings einzeln zum Download ausgewählt werden (bei Trainingsplänen wäre es beispielsweise toll, wenn man alle Einheiten einer Woche auf einmal runterladen könnte), außerdem steigt damit natürlich der lokale Speicherplatzbedarf (rund 1GB pro Video-Stunde) – das könnte für all jene unter uns problematisch werden, die auf dem iPhone schon 30.000 Fotos ihrer Kinder oder Katzen gespeichert haben…

Idealerweise nützt man Systm mit einem Smart Trainer, dessen Widerstand von der Software gesteuert wird. Die Geschwindigkeiten sind virtuell und mehr oder weniger willkürlich, geht es doch in erster Linie um Wattvorgaben und nicht darum, wie schnell man im Programm unterwegs ist. Ähnlich vernachlässigbar sind etwaige Climb-Funktionen wie beim Wahoo Kickr Bike.

Fazit

Ich bin ein ganz schlechter Trainierer und die Vorstellung von strukturiertem Training lässt mich erschaudern. Umso dankbarer bin ich für jeden (spielerischen) Input, der mich dazu treibt, doch mehr zu machen, als nur spazieren zu fahren oder lockere Einheiten zu absolvieren. Systm drängt mich dazu, mich aus meiner Komfortzone zu bewegen, schreit mich an, treibt mich an, hilft mir aber gleichzeitig auch, wenn es gerade hart ist. Die Videos von Sufferfest vermitteln etwas von einem vermeintlich archaischen (und in meinen Augen an sich veralteten) Heldentum, dem klassischen „Glory through Suffering“ – das mag einem ge- oder missfallen, ehrlicherweise ist es aber ein gutes Gefühl, wenn man sich erfolgreich durch eine harte Einheit gekämpft hat und den belohnenden Finish-Screen präsentiert bekommt. Mehr mein Metier sind die „On Location“-Videos mit Michael Cotty, in denen ich durch Geografie und Geschichte davon abgelenkt werde, dass mir gerade der Schweiß von der Stirn tropft. Definitiv was Neues und Spannendes sind die ProRides, da fällt mir auf die Schnelle keine andere Plattform oder Software ein, die etwas vergleichbares bieten kann – spannend und fordernd und ein toller Einblick in das, was ein Profi leistet.

Bei monatlicher Bezahlung sind für Wahoo Systm 16,49 Euro zu berappen, im Jahresabo wird es etwas günstiger. Der Preis liegt damit irgendwo zwischen Zwift und Trainerroad. Wer von Zwift kommt und etwas mehr Struktur und neue Inputs abseits der puren Gamification und den „social features“ sucht, für den ist Wahoo Systm eine spannende Option. Wer nur pures Training haben möchte – ohne Ablenkung und ohne weitere Inputs, der ist eher bei Trainerroad zuhause.

Nachdem für mich dieses Jahr einige größere Projekte auf dem Plan stehen und ich meine „Junk Miles“ zumindest eine Spur reduzieren möchte (auch wenn sie am meisten Spaß machen), kommen mir die strukturierten Trainingsoptionen von Systm genau recht. Ich persönlich werde daher auch den beginnenden Sommer über die Optionen von Systm nutzen, wenn sich ein Fenster für ein kurzes Training ergibt. Fast noch etwas wichtiger sind mir aber im Moment die Angebote des Kraft- und Rumpftrainings – hier habe ich seit jeher meine Defizite und auch hier bin ich über eine etwas spielerische Option dankbar, die mich zumindest ab und zu auf die Trainingsmatte bekommt!

Für 14 Tage kann man Systm übrigens gratis testen, macht euch gerne selbst ein Bild! Viel Spaß und „Ride On“ (oops nein, das sagt man ja auf der anderen Plattform…) ;)

"1.000k/24h" Christoph Strasser

„Die Beine sind super. Eher unwahrscheinlich, dass ich noch einbreche“

Die Person, die das formuliert und an sein Betreuerfahrzeug weitergibt, muss nicht mehr weiter vorgestellt werden. Der Begriff „Ultracycling“ ist fest mit seiner Person verbunden, er hat sämtliche einschlägigen Rennen gewonnen und Bestmarken neu gesetzt. Und nachdem es mit neuen Zielen dann immer schwieriger wird, bleiben nur noch vermeintlich unmögliche über. Und in dem quasi ultimativen Vorhaben - nämlich 1.000 Kilometer innerhalb von 24 Stunden abzuspulen - fallen diese Worte des Hauptdarstellers Christoph Strasser und zwar bereits nach 700 Kilometern. Die Tragweite der Aussage ist sowohl im Mikrokosmos dieses Rekordversuchs beachtlich als auch im großen Kontext eines Sportlers, der sich über viele Jahre dorthin gearbeitet hat, wo er jetzt steht. Spulen wir daher kurz zurück!

Wer ist Christoph Strasser?

Wer schon einmal einen der unterhaltsamen und aufschlussreichen Vorträge von Christoph Strasser gehört hat, kennt große Teile der Geschichte. Ebenso jene, die das Buch „Der Weg ist weiter als das Ziel“ gelesen haben. Das Leben des Hauptdarstellers wird häufig in Episoden und Erlebnissen aus dem Race Across America erzählt. Das mag auf den ersten Blick irgendwie vereinfacht wirken, jedoch sind es offenbar genau diese Erlebnisse, die den Sportler Strasser geprägt haben, ihn Dinge lernen, ihn jubeln, büßen, fluchen, verlieren oder gewinnen ließen. Und auch wenn die Episoden für sich alleine und losgelöst nur launige Erzählungen sind, in ihrer Gesamtheit erklären sie mitunter ganz gut, wie dieser Mensch tickt.

Wer viel - oder im Fall von Christoph Strasser quasi alles - gewinnt, ist mitunter in einer schwierigen Situation. Alle Augen sind auf einen gerichtet, die Möglichkeit des Scheiterns wird von allen Beteiligten und Kommentatoren in den Hintergrund gerückt, vielmehr rechnen eigentlich alle mit einem neuen Rekord, einer Pulverisierung des bisherigen Ergebnisses und idealerweise auch noch einer Deklassierung des restlichen Starterfelds. Schwierig natürlich auch für alle anderen Starterinnen und Starter, die sich neben Strasser an eine Startlinie stellen, aber was im Hauptdarsteller vorgeht, kann man nur erahnen. Und an dieser Stelle tritt dann üblicherweise ein bescheidener und bodenständiger Christoph Strasser auf die Bühne und entschuldigt sich geradezu für seine Leistungen. Das alles wirkt mitunter etwas surreal und auch der eine oder andere Zweifel an den Motiven von „Straps“ kann da und dort aufkommen, schließlich wird doch auch er gewinnen wollen. Es ist ein komplizierter Spagat, der hier zu vollführen ist. „Ich möchte durch meine Ergebnisse andere motivieren und zeigen, was möglich ist“ setzt er dann noch nach und in vielen anderen Sportarten würde man sich umdrehen und beleidigt fortgehen, aber Ultracycling tickt da anders. Es gibt bei Rennen wie dem RAAM grundsätzlich kein Preisgeld, damit erfolgt - wenn man so will - eine natürlich Auslese des Startfelds. Nur wer über einen ernsthaften inneren Antrieb und die entsprechende Motivation verfügt, wird sich das dazugehörige Training und die langen Stunden im Sattel antun. Dementsprechend ticken die Starterinnen und Starter im Bereich Ultracycling anders als die und der herkömmliche Radmarathonfahrende. Die meisten sind auf einer Art Suche - entweder nach einer besonderen körperlichen Erfahrung oder aber dem Kennenlernen des eigenen Körpers und Geistes. Und der gleichen Logik folgend stehen dann auch Dinge wie Neid oder Missgunst eher im Hintergrund und man freut sich mehr mit den späteren Siegern als dass man den eigenen Leistungen hinterhertrauert.

Corona?

An einem Gegner kommt allerdings auch ein Sportler wie Christoph Strasser nicht vorbei… COVID! Und während ein World Tour-Fahrer vermutlich genauso unter der Unsicherheit und abgesagten Veranstaltungen leidet, so stellt die Pandemie mit ihren Einschränkungen für Strasser als One-Man-Show ein existenzielles Risiko dar - keine Rennen, keine Planung, keine Leistungen, keine Vorträge, keine Events. Diese Unsicherheit zieht sich durch große Teile des Buches und verdeutlicht, welche wirtschaftlichen und auch psychologischen Auswirkungen Corona auf uns haben kann. Sicherlich könnte man an dieser Stelle ins Feld führen, dass ein Rekordversuch - so kühn er auch sein mag - im Kontext einer globalen Gesundheitskrise wohl nicht so wichtig sein kann. Aber wie immer sieht man selten den gesamten Kontext einzelner Handlungen und so ist es auch in diesem Fall. Das Buch beschreibt an dieser Stelle sehr gut die Suche - nach dem Sinn, nach dem Plan und nach der geeigneten Strecke. Für einen Sportler, für den es als logisches nächstes Ziel nur die 1.000 Kilometer innerhalb von 24 Stunden gibt, dreht sich nunmal alles um dieses Projekt. Auch hier offenbart das Buch spannende Einblicke in die Psyche von Strasser - das allgegenwärtige und vielstrapazierte Wort „Resilienz“ ist wohl etwas, das Straps über Jahre und mehrere RAAMs hinweg gelernt und nahezu perfektioniert hat.

Training

Und so trainiert er, organisiert, trainiert, plant, trainiert und trainiert noch mehr. Es entstehen im Buch spannende Einblicke in den Trainingsalltag, aktuelle und abgehängte Trainingspartner, Umfänge, Intensitäten, Trainingsplanung und dazugehörige Alternativen. Die teils absurden Zahlen und Werte werden dadurch nicht weniger beeindruckend oder abschreckend, lassen aber erkennen, dass hier ein Sportler über viele Jahre eine Entwicklung durchgemacht hat und sein System immer weiter zu optimieren sucht. Nicht dass es dabei keine Möglichkeit mehr gibt, zu scheitern - auch hier bietet das Buch „1000k/24“ den Gegenbeweis -, allerdings haben es Strasser und seine Crew geschafft, die Unwägbarkeiten auf ein Minimum zu reduzieren oder zumindest Antworten darauf parat zu haben.

1000k/24

Und so findet sich der ehemalige Zivildiener (in Österreich ist man damit quasi noch immer „Wehrdienstverweigerer“) letztendlich auf einem Militär-Flugfeld nahe seiner steirischen Heimat Kraubath wieder - am Fliegerhorst in Zeltweg. Die eigentliche Generalprobe für den in den USA geplanten Weltrekordversuch wird angesichts von Einreisebeschränkungen zum Hauptevent und zum Tag X. Und die Chronologie (und das Ergebnis) dieses Unterfangens ist am besten und im Detail im Buch nachzulesen - von einer Vielzahl an Weltrekorden, die bereits nach wenigen Stunden eingestellt sind, über eine kurz geballte Faust bei der Durchfahrt bei KM 1.000 bis hin zum „Weiterdrücken“, um die Latte für etwaige Nachfolgende noch ein Stück höher zu legen. Das Staunen nimmt kein Ende und man verschwendet keinen Gedanken daran, wie das in Arizona gewesen wäre, wo aufgrund der Seehöhe errechnete 40 Watt weniger notwendig gewesen wären, um die gleiche Leistung zu erbringen…

Was kommt danach?

Es hat (zumindest aus der Außensicht) fast etwas Tragisches, dass man nach einem erfolgreichen Rekord oder Projekt schon wieder ein nächstes, noch besseres einfordert oder erwartet. Strasser selbst geht mit dieser Situation professionell um, freut sich über das Erreichte, richtet aber auch seinen Blick schon wieder nach vorne. Die Frage ist in diesem Falle nur: Wie kann man das realistischerweise noch toppen?

Auf die Frage nach dem „Danach“ gibt das Buch einige Hinweise (sowohl privater als auch sportlicher Natur), konkrete Antworten muss man sich allerdings zwischen den Zeilen suchen. Spannend die Überlegungen und Vergleiche mit Lachlan Morton, der mit seiner „Alt Tour“ dem Grundgedanken des Unsupported Ultra Cycling recht nahe kommt, dem Profi-Peloton der World Tour-Fahrer und den derzeit angesagten Ultraevents. Gerade das Abgeben von Verantwortung, das Straps und seine Crew über Jahre perfektioniert haben wäre vermutlich eine enorme Herausforderung, würde sich Strasser nun an die Startlinie eines Unsupported-Rennens stellen. Aber ausschließen kann man an dieser Stelle wohl nichts - und es ist sehr wahrscheinlich, dass Straps in irgendeiner Form der Herausforderung gewachsen sein würde. Wer so viele Dinge im und abseits des Sattels erlebt hat, hat wohl für die meisten Situationen ein Rezept parat.

Lesestoff!

Eine kurze Rezension kann niemals wiedergeben, was in einem Buch im Detail alles drinnensteht. Und ich habe Vorträge von Straps gesehen und gehört, sein letztes Buch „Der Weg ist weiter als das Ziel“ gelesen und schon einige Mal mit ihm geplaudert. Und es gibt immer neue Facetten zu entdecken und weitere Geschichten, die darauf warten, erzählt zu werden: Über das RAAM, Reto Schoch, Rollentraining, erfrorene Zehen und Finger, das Race Around Niederösterreich, Mentalcoaching, Vorbilder, Drücken bis zum Schluss, Materialoptimierung, und und und!

Sitzfleisch

Und zusätzlich zum Buch sei an dieser Stelle auch noch dringend auf „Sitzfleisch“ verwiesen, den Podcast, den Christoph Strasser und Florian Kraschitzer zu Beginn der Pandemie ins Leben gerufen haben. Auch dort wartet viel Anekdotisches und Aufschlussreiches aus dem Erfahrungsschatz eines Ultrasportlers und natürlich der vielen spannenden Gäste im Podcast-Studio!

Gewinnspiel

Und es gibt natürlich ein (signiertes!) Exemplar des Buchs „1000k/24“ von David Misch und Christoph Strasser zu gewinnen - zur Verfügung gestellt von Ultracyclingshop.com und Covadonga Verlag.

Alle Teilnehmenden werden auch für den 169k-Newsletter eingetragen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, keine Barablöse. Die Teilnahme ist bis inkl. 31.01.2022 möglich, die Bekanntgabe des Gewinners bzw. der Gewinnerin erfolgt auf der Facebook-Seite von 169k und per Mail.

Pläne für 2021? Pläne für 2021!

2020/2021

Noch nie war ein Ausblick auf das kommende Jahr schwieriger als dieses Mal - und wir reden hier einmal „nur“ vom Radfahren... Ich wollte mit meinem traditionellen Jahresausblick bis Mitte/Ende Jänner warten, da für diesen Zeitpunkt ein Ende des 3. Lockdowns vorhergesagt war. Nun schaut es nicht danach aus, als würde sich in nächster Zeit die gewünschte „neue Normalität“ einstellen. Nach dieser Logik wird sich auch nicht allzu schnell aufklaren, wie das Jahr 2021 in radsporttechnischer Sicht ablaufen wird - insofern starte ich einfach mal ins neue Jahr, komme was da wolle.

Veranstalter, Organisatoren, Fahrerinnen & Fahrer müssen zu einem gewissen Grad ja auch so tun, als würde alles (schnell) gut - sonst müsste man ja den Kopf in den Sand stecken und von Anfang an resignieren. Das wollen wir alle nicht!

Ich habe schon zum Ende des ersten Corona-Lockdowns im Mai 2020 geschrieben, welche Veränderungen das Virus mit sich bringt bzw. wie sich unser Verhalten und unsere Gewohnheiten in Bezug auf das Rad verändern könnten. Jetzt ist bald ein Jahr vergangen, seit Corona seinen Anfang genommen haben und es ist noch immer nicht klar, wohin die Reise gehen wird. Und wie das berühmt-berüchtigte „New Normal“ aussehen wird, traut sich auch keiner zu sagen. Das Mindeste wird sein, dass wir auf Group Rides künftig das Schnäuzen nach hinten verbieten werden... :)

Indoor

Glücklich wer einen Smart Trainer besitzt oder noch rechtzeitig ergattern konnte. Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen und Social Distancing legen nahe, zuhause zu bleiben und die Trainingseinheiten auf dem Indoor Trainer zu absolvieren. Zwift und die anderen Virtual Cycling-Plattformen haben dementsprechend massiven Zulauf. Und was jetzt noch zu einem großen Teil auch den widrigen Wetterbedingungen geschuldet ist, wird uns wohl auch noch ein Stück weit in den Frühling begleiten. Glücklicherweise ist das Fahren auf der Rolle mit Zwift & Co kurzweilig und spannend - zahlreiche Rennen, organisierte Events und Serien sorgen dabei zusätzlich für Abwechslung.

Und dann ist da noch die Geschichte mit dem „e-Cycling“. Ob Zwiften jetzt e-Sports ist oder nicht, was e-Sports bedeutet (oder nicht) und ob sich ein künftiger Zwift-Weltmeister mit professionellen World of Warcraft-Spielern vergleichen muss, lasse ich jetzt einmal ausgeklammert. Fakt ist jedoch, dass e-Cycling gekommen ist, um zu bleiben. Egal ob das die WM auf Zwift ist oder die vom Radsportverband initiierte e-Cycling Liga in Österreich. Sicher sind es andere Fähigkeiten, die erfolgreiche Fahrer*innen mitbringen müssen, sicher wird e-Sports das klassische Radrennen über Kopfsteinpflaster nicht ersetzen und auch einige Dinge rund um e-Doping und technische Rahmenbedingungen sind noch nicht restlos geklärt. Aber es wäre in meinen Augen ein Fehler, sich dem Thema vollständig zu verschließen.

Handel

Ein Wort noch zu jenen, die keinen Smart Trainer mehr ergattern konnten: 2021 wird uns wohl auch im Handel vor eine bis jetzt unbekannte Situation stellen. Der Radhandel ist zwar grundsätzlich mit einem blauen Auge durch die Corona-Krise gekommen. Viele Menschen haben Bewegung und Sport für sich entdeckt, dementsprechend wurden alle verfügbaren Räder, Helme und Teile verkauft, um diese Bedürfnisse zu stillen. Dieser enormen Nachfrage steht aber insofern ein geringeres Angebot gegenüber, als auch sämtliche Hersteller (vor allem zu Beginn der Pandemie in China) ihre Produktion einstellen oder drosseln mussten. Und dieser Rückstand wurde bis heute nicht aufgeholt. Ich bin gerade dabei, dieses Thema noch genauer aufzuarbeiten (für einen eigenen Beitrag), aber im Endeffekt werden wir 2021 keine bis wenig Teile und Räder in den Läden sehen.

Events

Der klassische Radmarathon wird es wohl auch 2021 noch schwer haben, gibt es doch weiterhin zahlreiche Unwägbarkeiten, was die Durchführbarkeit von Großveranstaltungen betrifft. Der einhellige Tenor der Veranstalter ist dennoch - natürlich! -, dass man die Events wie vorgesehen plant und vorbereitet. Dazu sind die Organisatorinnen und Organisatoren zu leidenschaftlich bei der Sache, als dass sie die Zeit tatenlos verstreichen lassen würden... Wir werden daher in den nächsten Wochen und Monaten zahlreiche Termine und Einladungen zu Radmarathons und Rennen sehen - von den großartigen Rennen der Austria Top Tour über das Race Around Austria bis hin zu King of the Lake und In Velo Veritas. Und ich für meinen Teil werde auch gerne einige dieser Rennen in meinen Kalender eintragen und mich anmelden. Ich bin optimistisch, dass wir in irgendeiner Form ab Sommer doch Rennen fahren werden, ich möchte auf der anderen Seite aber auch die Veranstalter in ihrer Anstrengung unterstützen. Neben dem klassischen Wochenendevent, in dem man - Lenker an Lenker - an der Startlinie steht, werden aber auch zahlreiche Alternativen sprießen. Die Salzkammergut-Trophy hat es im Vorjahr musterschülerartig vorgemacht und ich war nur einer von sehr, sehr vielen, die die „Trophy individuell“ in Angriff genommen haben. Veranstaltungsvarianten, in denen man auf eigene Faust eine ausgeschilderte oder vielleicht gezeitete Strecke befährt, werden zwar „richtige“ Rennen nicht ersetzen können, es gibt aber auch eine große Zahl an Radlerinnen und Radlern, die genau so ein Format bevorzugen. Toll, wenn es hier in Zukunft vielleicht immer zwei Formate gibt, aus denen man das für sich passende wählen kann.

Bucket List

Aber 2020 hat noch etwas anderes gezeigt, nämlich den Trend zu selbstorganisierten Trips, dem Erkunden der näheren Umgebung und einen gewissen Hedonismus des Radfahrens. Und so habe ich für mich eine lange „Bucket List“ verfasst. Also in Gedanken hatte ich sie schon länger, aber jetzt habe ich erstmals ein paar Dinge niedergeschrieben. Deshalb hier - ohne viel Erklärung und Tam-tam - meine unvollständige, lose, unzusammenhängende und chaotische To-Do-Liste, aus der ich 2021 nach Lust und Laune wählen kann:

- Ich habe mich 2020 in die Dolomiten verliebt. 2021 werde ich wieder Richtung Cortina und Corvara aufbrechen und mich - langsam aber voll Genuss - über zahlreiche Dolomitenpässe arbeiten. Valparola, Fedaia und Pordoi - ich komme! #WaitforIT

- Mein BMC-Gravelbike hat mich im abgelaufenen Jahr über Wege und zu Orten geführt, die ich mit dem Rad nicht wirklich am Schirm oder für möglich gehalten hatte. Auf viele verrückte, hochalpine, geländegängige und abenteuerliche Gravel-Rides mehr in 2021!

- Die „Wandrer“-App hat meine Neugier geweckt, neue Regionen und Ecken zu erkunden. So habe ich beispielsweise von 4.400 Kilometern Wegenetz in Wien bereits rund 1.400 „erfahren“ und dabei neue Facetten und Gesichter meiner Heimatstadt kennengelernt. Prädikat wertvoll.

- Ich möchte beginnen, die „Monsters of Carinthia“ zu befahren, jene einsamen und steilen asphaltierten Wege zu den KELAG-Kraftwerken und -Stauseen im Kärntner Mölltal. Was Dümmeres kann ich mir zwar nicht aussuchen - 87 Kilogramm vertragen sich eben nur schwer mit 15 Prozent durchschnittlicher Steigung auf 9 Kilometern -, aber egal... Die Ausblicke sollen schön sein :)

- Dolomiti Superbike ist so etwas wie die italienische Variante der Salzkammergut Trophy - dort möchte ich einmal starten.

- Beim King of the Lake steht ein Start im Vierer-Team auf meiner Wunschliste - idealerweise mit meinen Vereinskollegen vom PBIKE-Racing Team. Die können mir vielleicht eher verzeihen, wenn sie mich auf den letzten Kilometern Richtung Ziel ziehen müssen...

- Vrsic und Mangart stehen schon länger auf meiner Bucket List, als dieser Blog existiert. Kleines Augenzwinkern an dieser Stelle an meine Verwandtschaft in Kärnten, die mir die Begleitung auf dieser Tour zugesagt hat. ;)

- Ich möchte mein Rad mitnehmen, wenn ich in Österreich unterwegs bin, eventuell einmal am Weg stehenbleiben und irgendwo eine Runde drehen. Es gibt so viele schöne Ecken und ich denke mir so oft - egal ob aus dem Zug oder dem Auto heraus: hier würde ich gerne eine Runde fahren.

- Ich möchte mehr fotografieren und filmen - auf dem Rad, neben dem Rad, Shootings, Organisiertes und Spontanes. Wer Lust und/oder Ideen hat, immer nur her damit: martin@169k.net

- Stelvio, Ventoux, Nivolet... Ach! Die Liste könnte noch ewig weitergehen...

Bleibt gesund und hoffnungsvoll! Ich freue mich auf ein weiteres tolles Jahr, denn am Ende des Tages muss man auch anerkennen, dass wir alle gemeinsam den schönsten Sport überhaupt ausüben. Alleine das sollte uns schon eine kleine Portion Glück bescheren. Ich freu mich auf viele tolle Aktionen, Events, Ausfahrten, Fotos, Videos, Podcast, Group-Rides, Workshops und auf euch! Ride On!

FTP Ramp Test auf Zwift

Ich habe einen Ramp Test auf Zwift absolviert, der innerhalb von 15-20 Minuten einen FTP-Wert ausgeben kann. Ob diese Art Test mit einem Stufentest in einem Labor mithalten kann, worin die Unterschiede liegen und worauf man achten muss, erklären Clemens und Matthias von HPC.

Festive 500 - DNF

So wie 2020 insgesamt ein recht holpriges Jahr war, so war auch mein Festive 500-Versuch von schwierigen äußeren Rahmenbedingungen geprägt. Bereits im letzten Jahr war es eine besondere Challenge, die 500 Kilometer zwischen Weihnachten und Neujahr in den Alpen abzuspulen. Die Temperaturen rund um Lienz waren herausfordernd und für mich eine besonders harte Nuss, die ich aber irgendwie knacken konnte.

2020 kamen Rekordschneefälle dazu, die zwar wie eine willkommene Abwechslung wirken mögen, tatsächlich aber hinderlich sind. Viele der Routen und Streckenvarianten fallen auf diese Weise weg - Waldwege, schlecht/nicht geräumte Seitenstraßen aber genauso Berge und Pässe (alleine schon wegen der kalten Abfahrt!). Was also romantisch und abenteuerlich wirkt, ist in Wahrheit nicht ganz so prickelnd :)

Allerdings waren auch die Temperaturen eine Herausforderung - bei bis zu minus 13 Grad kommen auch die besten Schuhe und Handschuhe an ihre Grenzen und begrenzen so die Zeit, die man draußen auf dem Rad verbringen möchte. Dennoch sind die Festive 500 jedes Jahr wieder eine schöne Motviationshilfe, aufs Rad zu steigen, wenn man sonst vielleicht eher vor dem Ofen oder dem Weihnachtsbaum liegen bleiben würde. Aber es soll eben “nur” eine Motivationshilfe sein, allzu sehr sollte man sich nicht zwingen müssen - schließlich geht es ja auch noch um den Spaß am Radfahren!

8 Virtual Cycling Apps im Test

"Es ist Winter und kalt draußen und unter manchen Umständen ist es einfach angenehmer, drinnen auf der Rolle zu fahren". So oder so ähnlich würde dieser Blogpost starten, wenn nicht 2020 wäre. Dieses Jahr kommen noch diverse Lockdowns, Quarantänen und Homeoffice dazu, die dem Indoor Cycling einen massiven Schub verpasst haben. Der scharenweise Zulauf zu diversen Trainings- und Unterhaltungsplattformen hat der ganzen Branche eine neue und zusätzliche Dynamik verpasst.

Platzhirsch ist fraglos Zwift, das 2013/2014 eines der ersten umfassenden Angebote auf den Markt gebracht habt. Seitdem hat sich auf Zwift viel getan und auch zahlreiche andere Player sind aufgetaucht - manche mit ähnlichen Angeboten, andere mit eigenen (guten) Verkaufsargumenten oder Alleinstellungsmerkmalen. Dass Zwift die Nummer Eins ist, haben nicht zuletzt zwei Ereignisse aus der kürzeren Vergangenheit gezeigt: Einerseits ist da die erste Virtual Cycling Weltmeisterschaft, die Anfang Dezember 2020 auf Zwift stattgefunden hat, zum anderen ein Investment von 450 Millionen US-Dollar, das Zwift im September diesen Jahres eingesammelt hat und das wohl für die Zukunft einiges an Erwartungen schürt.

Für diesen Blogpost möchte ich Zwift jedoch außen vor lassen. Ins Scheinwerferlicht werden die Alternativen gerückt. Ich habe über die letzten Wochen hinweg acht Alternativen getestet und ausprobiert und möchte meine Erkenntnisse und Erfahrungen mit euch teilen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit - jede App auf Herz und Nieren durchzutesten, würde jeglichen Zeitrahmen sprengen. Und wie immer sind meine Eindrücke und Meinungen natürlich subjektiv und meine eigenen :)

Zu jeder App bzw. jedem Programm gibt es in Folge eine kurze Zusammenfassung, dann eine Typen- und Kaufberatung und am Ende eine tolle Tabelle mit allen Informationen und zusätzlich auch noch ein Video, schließlich soll man ja auch sehen, wie das ganze in Action aussieht. Im Video gibt es darüberhinaus als Draufgabe einen "Special Guest" - da kann sogar der DC Rainmaker einpacken ;) Und weil es etwas mehr zu erzählen gibt, hier ein Inhaltsverzeichnis:

  1. Rouvy

  2. Kinomap

  3. Fulgaz

  4. Bkool

  5. RGT Cycling (Road Grand Tours)

  6. Sufferfest

  7. Trainerroad

  8. GPX am Wahoo Elmnt

Nicht getestet habe ich die Software von Tacx, die eigene Videos zum Nachfahren anbietet. Außerdem war es nicht möglich, "Velothon" zu testen - eine vielversprechende Software, die sich allerdings seit mittlerweile schon zwei Jahren im Beta-Stadium befindet.

Rouvy

Wenn man dem Gros der Stimmen aus dem Internet glauben schenken möchte, hat Rouvy die besten Karten, der Hauptkonkurrent von Platzhirsch Zwift zu sein. Das tschechische Unternehmen hat es 2020 auch geschafft, "Austragungsort" einiger offizieller Rennen zu sein, bspw. der virtuellen Flandern-Rundfahrt.

Rouvy bietet eine große und gute Auswahl an qualitativ hochwertigen (realen) Streckenvideos, man bewegt sich also auf "echten" Straßen und nicht in einer virtuellen Spielwelt. Die Videos laufen flüssig und die Synchronisation mit dem eigenen Tempo funktioniert sehr gut.

Was man auf Zwift eventuell nie hinterfragt, einem allerdings bereits bei der ersten alternativen App auffällt, ist die "Trainer Difficulty". Auf Zwift ist es nicht ungewöhnlich, auf dem großen Blatt einen sagen wir 8-10% steilen Anstieg hinaufzufahren - in erster Linie liegt das daran, dass Zwift default-mäßig den Trainerwiderstand niedrig anlegt. Auf Rouvy (und in allen anderen Apps dieses Tests) schaut das anders aus, 10% in der App fühlen sich auch an wie 10% draußen - zumindest merkt man das an der Gangwahl. Dementsprechend ist auch das Geschwindigkeitsgefühl und die Art und Weise wie man vorankommt realistisch und nahe an der Wirklichkeit.

Die Strecken und Anstiege sind in kleinere Abschnitte unterteilt, die alle ihre jeweilige Steigung hinterlegt haben. Die Steigungswechsel sind flüssig und entsprechen im Großen und Ganzen auch dem, was man am Bildschirm vor sich sieht. Wer die unmittelbaren und flüssigen Steigungsübergänge von Zwift gewöhnt ist, könnte allerdings bei den ersten Fahrten etwas irritiert sein.

Die Fahrer schauen aus wie Football Spieler, haben einen steifen Oberkörper und bewegen sich wie Roboter. Die Bewegungen wirken unnatürlich und auch die Dynamik passt irgendwie nicht zu dem was man macht - so steht der Fahrer zum Beispiel nicht auf, wenn die Trittfrequenz sehr niedrig ist. Sie schauen auf jeden Fall nicht aus wie Radfahrer - Vicenza Nibali wäre noch mehr ein Strich in der Landschaft neben einem Rouvy-Avatar - und wenn man in Ruhe das Grödner Joch hinauf fährt, irritiert der Avatar fast ein bisschen. Praktischerweise kann man den Avatar aber auch einfach ausblenden und so einen ungestörten Blick auf die Strecke erhaschen.

Andere Fahrer sind zwar (vereinzelt) auf den gleichen Strecken unterwegs und man sieht auf der linken Seite des Bildschirms ein "Leaderboard" bzw. eine Liste der Fahrerinnen und Fahrer, Interaktion ist allerdings keine möglich.

Gamifikation oder anderen Kurzweil sucht man eher vergeblich - wenn man direkt von Zwift kommt, kann das ungewohnt sein. So gibt es zwar "Wertungsbögen" auf den Strecken bei Halbzeit, dort passiert allerdings nichts weiter als dass die eigene Zeit angezeigt wird.

Reizvoll sind hingegen der Karrieremodus, in dem man Stufe für Stufe Erfahrungen sammelt und vom Rookie zum Profis heranwächst. Badges, Challenges und organisierte Rennen bieten Herausforderungen abseits des einsamen Abfahrens von Strecken. Auch Trainingsprogramme sind im Funktionsumfang von Rouvy enthalten, wenn diese auch - für mich nicht ganz nachvollziehbar - noch einmal in einer eigenen App untergebracht sind.

169k-Testergebnis: Gute Strecken und Videos und die größte Verbreitung hinter Zwift. Die Umsetzung ist gut und die App macht Spaß, aber nur wenn den ungelenken Avatar ausblendet.

Kinomap

Auch bei Kinomap liegt der Fokus auf realen Videos, anhand derer man sich durch die ganze Welt bewegen kann. Die Auswahl an Videos ist sehr groß und man weiß im ersten Moment gar nicht, wonach man filtern oder suchen soll. Dafür ist die Suchfunktion aus meiner Sicht auch nicht wirklich ideal, das haben andere Mitbewerber etwas besser gelöst. Aber es ist definitiv für jede und jeden etwas dabei.

Während der Aktivität fährt man die Videostrecke ab, es gibt keinen Avatar der ablenkt. Es sind zwar andere Fahrer auf der gleichen Strecke unterwegs, ein Aufeinandertreffen hat allerdings keine Auswirkungen und es ist auch keine Interaktion möglich oder vorgesehen.

Zwei Dinge fallen aus meiner Sicht bei Kinomap am schlechtesten (in dieser Auswahl von Apps) aus: Einerseits ist die Anpassung der Geschwindigkeit der Videos bzw. die Synchronisierung des Videos zur gerade erbrachten Leistung am Rad am diffusesten. Manchmal scheint das Video fast etwas zu ruckeln, wie wenn das Programm nicht genau wüsste, was man auf dem Rad gerade macht. Natürlich fällt dies eher bei Videos auf, wo noch andere Fahrer, Fußgänger oder Autos unterwegs sind, aber mich persönlich irritiert es ein wenig. Und alles was "unnatürlich" aussieht, trübt bei mir recht schnell den Spaß. Auf einer anderen Strecke war ich bergab mit 75 virtuellen km/h unterwegs, während das Video im Schneckentempo abgespielt wurde.

Weiteres "Problemfeld" sind aus meiner Sicht die Steigungen in Kinomap. Diese sind nämlich auf recht große Abschnitte "ausgebreitet" - soll heißen, dass zum Beispiel im Anstieg zuerst ein 550 Meter langer Abschnitt mit 5,4 Prozent kommt, danach ein 300 Meter langer Teil mit 7,3 Prozent, danach 800 Meter mit 2,3. Alles in allem erzeugt das nicht nur eine irgendwie abgehackte Fahrt sondern auch einen unrealistischen Eindruck der realen Strecke. Ich konnte nicht herausfinden, ob das nur bei den von mir getesteten vier Strecken der Fall war oder bei allen Videos auf Kinomap. Normalerweise werden Videos mit einem dazugehörigen GPX-File eingereicht und angeboten, dementsprechend sollte eigentlich ein detailliertes und feiner unterteiltes Höhenprofil möglich sein.

Es gibt Workouts, die allerdings recht rudimentär daherkommen, einen Challenge-Mode gegen die Zeit und eine gute Mischung aus Features. Für manche mag auch ein Kriterium seien, dass bei Kinomap nur sehr wenige Strecken aus Österreich zur Auswahl stehen.

169k-Testergebnis: Leider vermiest die technische Umsetzung (vor allem die seltsame Steigungsdynamik) jeglichen Spaß am Radfahren.

Fulgaz

Öffnet man Fulgaz zum ersten Mal landet man in einem optisch wenig anspruchsvollen und irgendwie seltsam strukturierten Hauptmenü. Das war es dann aber auch schon mit den Kritikpunkten!

Es gibt einen Haufen Videos realer Strecken, die auf ein Nachfahren warten. Die Sortierung und Suchfunktion ist die beste aller Apps, die Unterteilung ist sinnvoll und man findet schnell, was man sucht oder worauf man gerade Lust hat. Neben den klassischen Kategorien "Berg", "lange Strecken" und "flach" gibt es außerdem - als einzige App - sogenannte Sightseeing-Strecken und auch eine Hand voll Mountainbike-Trails. Am anderen Ende des Regenbogens führt die Ironman Kona Strecke die Liste der "Long Runs" an. Viele Videos sind außerdem auch in 4K-Auflösung verfügbar - ein Alleinstellungsmerkmal im Strauß der Virtual Cycling Apps. (Auch wenn mir persönlich der unmittelbare Nutzen von 4K - mangels geeigneter Abspielgeräte - nicht so wichtig ist...).

Neben der hohen Qualität der Videos ist mir persönlich die gute Synchronisation mit den eigenen Leistungen am wichtigsten - und die funktioniert bei Fulgaz hervorragend. Der Widerstand ist im Mittelfeld, kann allerdings individuell angepasst werden. Die Steigungswechsel sind recht flüssig, die Übergänge gut ausgestaltet - damit ist man recht nahe an der Realität dran und das Videobild stimmt auch mit dem überein was man spürt.

Als einzige App mit realen Streckenvideos kann man bei Fulgaz einzelne Videos lokal herunterladen und damit auch offline trainieren.

Es sind keine anderen Fahrerinnen oder Fahrer auf den Strecken unterwegs - nichts verstellt den Blick auf die Straße, die man neben Video auch als Kartenansicht oder Satellitenbild von oben genießen kann.

169k-Testergebnis: Mein Favorit, wenn man reale Streckenvideos und gute technische Umsetzung haben möchte.

Bkool

Bis vor kurzer Zeit war Bkool noch Hersteller von Rollentrainern, mittlerweile dürften sich die Spanier voll und exklusiv auf ihre App konzentrieren.

Auch hier geht es auf realen Strecken zur Sache, allerdings bietet Bkool als einzige App die Möglichkeit, während der Fahrt zwischen Video, virtueller Strecke und Kartenansicht zu wechseln. Wem das Video mit der echten Strecke und dem realen Verkehr zu viel sein sollte, kann also jederzeit - sofern verfügbar - in eine virtuelle Welt entfliehen, die anhand der GPX-Daten modelliert ist. Auf diese Art und Weise kommt zusätzliche Variation und Abwechslung in die ganze Geschichte.

Bevor man jedoch in die Pedale tritt, empfängt einen die App mit einem gut gemachten und umfassenden Intro, einer Vorstellung der verfügbaren Funktionen und einer entsprechenden "Einschulung" - Pluspunkte dafür! Punkteabzug und großes Unverständnis gibt es von mir allerdings für das Video, das im Rahmen des Tutorials verwendet wird. Hier wäre man mit so gut wie jedem anderen Video besser bedient gewesen und der erste Eindruck wäre jedenfalls ein besserer gewesen.

Neben dem Einführungsvideo finden sich noch zahlreiche andere, die verwackelt oder seltsam schief daherkommen oder einfach nicht gut gefilmt sind. Hier haben alle Apps mit realen Strecken wohl unterschiedliche Herangehensweisen in Bezug auf Streckenauswahl, Videoübermittlung und Qualitätssicherung. Mich persönlich konnten die Videos auf Bkool großteils leider nicht überzeugen - vor allem wenn man Rouvy und vor allem Fulgaz als Benchmark heranzieht.

Teil der Einführung in die App ist auch ein Leistungstest, den man absolvieren muss, um die korrekte FTP anzugeben - ein direktes Eingeben des FTP-Werts ist nicht möglich. Fahren kann man natürlich trotzdem, allerdings geht der Avatar dann schon recht früh aus dem Sattel und die Bewegungen stimmen nicht mit dem überein, was man auf dem Rad macht.

Apropos Übereinstimmung - die Synchronisation zwischen Video und Leistung auf dem Trainer ist solala und eher Mittelfeld, die Steigungen sind zwar gut abgestuft stimmen aber mitunter nur so halbwegs mit dem überein, was man im Video sieht.

Andere Fahrer findet man vereinzelt auf den Strecken, eine Interaktion ist allerdings nicht vorgesehen oder möglich. Mit Trainings, “Live-Strecken” (also quasi organisierten Events) und vielen anderen Features ist für einige Stunden Unterhaltung und Trainingsvariation gesorgt.

Bkool hat übrigens den härtesten Widerstand von allen Apps. Bei 7% Steigung war ich mit 250 Watt bereits im ersten Gang unterwegs...

169k-Testergebnis: Viele Strecken und guter Funktionsumfang, allerdings sind die Videos nicht so hochwertig wie in anderen Apps.

RGT Cycling (Road Grand Tours)

In RGT habe ich persönlich die größten Hoffnungen gesetzt, einen annähernd ebenbürtigen Rivalen zu Zwift zu finden. Und die Grafik des "Spiels" enttäuscht nicht - in bester Auflösung kann man eine der realen Strecken (Stilfser Joch, Cap Formentor, und andere) unter die Räder nehmen. Auch gut gemacht sind die Steigungen und Übergänge, der Widerstand ist realistisch und passt mit dem zusammen, was man am Rad aufführt.

ABER! Was mich absolut fertig macht sind die Bewegungen des Avatars. Und daran ändern auch die ansprechenden Kameraperspektiven und Blickwinkel nichts. Wenn sich der Avatar 100 Meter vor einer Kurve beginnt nach innen zu lehnen aber noch munter geradeaus weiterfährt, dann kann das nicht "realitätsgetreu" sein. Das mag anderen egal sein, mir verdirbt so etwas den Spaß an der App - leider.

Über andere Kleinigkeiten könnte ich sonst noch hinwegsehen: den enormen Ressourcenverbrauch des Programms zum Beispiel, wo ich auf einem halbwegs aktuellen MacBook Pro die Grafikeinstellungen etwas reduzieren muss, um ein flüssiges Bild zu bekommen. Oder die umständliche Lösung mit "Screen App" (am Computer oder iPad) und verpflichtender zusätzlicher "Mobile App" am Telefon. Oder der Tatsache, dass am Ende der Strecke einfach nichts passiert - keine Wertung, keine Zusammenfassung... nur ein Umdrehen und Zurückfahren.

Auch “Magic Roads”, wo man ein eigenes GPX-File einschicken kann und RGT innerhalb von wenigen Minuten in-game eine entsprechende virtuelle Strecke bereitstellt, ist leider nicht so beeindruckend, wie ich es mir erhofft hatte. Zwar bekommt man eine virtuelle Strecke mit den "richtigen" Kurven und Gradienten aber die Landschaft ist ein bleibt eine beliebige und zufällige Insel/Palmen-Mischung. Schon klar, dass man nicht die "echte" Strecke nachgebaut bekommen kann, aber aus meiner Sicht werden hier höhere Erwartungen geschürt, als dann erfüllt werden können.

169k-Testergebnis: Vielleicht bin ich auch nur enttäuscht, weil ich mir von RGT so viel erwartet habe. Aber gute Grafik alleine reicht einfach nicht!

Sufferfest

Sufferfest gehört Wahoo und ist dementsprechend gut in das Wahoo-Universum eingebettet - man kann sich mit einem bestehenden Wahoo-Login anmelden und bei jedem Kickr Smarttrainer ist ein 60-Tage-Test inklusive. Und neben Radfahren bedient Sufferfest auch gleich noch andere Sportarten und -bereiche: Multisport, Yoga, Krafttraining und einiges mehr.

Wenn man sich einen der Trainingspläne von Sufferfest als Grundlage hernimmt, kann man sein komplettes Training inklusive Cross-Activities, Strength und Entspannung in der App absolvieren. Das Ganze ist dabei gut gelöst und einfach zu handhaben.

Bei Sufferfest verabschieden wir uns von klassischen Streckenvideos und Routen, hier geht es um Training anhand von definierten Parametern. Nachdem das eventuell nicht so einfach zugänglich ist, wie das Nachfahren von Straßen, gibt es ein toll gemachtes, unterhaltsames und aufschlussreiches Intro und Tutorial-Video. Hat man dieses absolviert, sind eigentlich alle Fragen beantwortet. Und gleichzeitig fühlt man sich richtig abgeholt und aufgenommen in den Club der "Sufferlandrians". Ein bisschen Übung erfordert es dann trotzdem, bis man die gesamte Systematik durchschaut und internalisiert hat. Für mich war zum Beispiel anfangs schwer, die Wattwechsel mitzugehen - allerdings ist das ein Thema von 2-3 Einheiten, dann geht alles gut von der Hand.

Die Videos sind hochgradig kurzweilig und unterhaltsam, von Szenen aus dem Profi-Peloton über romantische Fahrten durch den Wald bekommt man unterschiedliche Videoschnipsel eingespielt - je nachdem was gerade zum Traininigsblock passt. Anweisungen, Anleitungen und Motivationssprüche sorgen dafür, dass man 1. immer weiß, was zu tun ist und 2. gut unterhalten und motiviert ist. So vergeht die Zeit während dem Training wie im Flug.

In Homeoffice Zeiten lässt sich die App praktisch minimieren, sodass der Bildschirm noch dazu verwendet werden kann Mails zu beantworten. OK, oder Netflix zu schauen...

169k-Testergebnis: Durchdachtes Konzept, das gleichsam unterhält und motiviert. So macht Training Spaß und man bedankt sich auch noch artig, nachdem man sich durch Intervalle gequält hat.

Trainerroad

"Reduced to the max" wäre wohl eine jener Formeln, die an dieser Stelle stehen könnten. Bei Trainerroad geht es nur um eines - Training! Alles andere wird ausgeblendet bzw. existiert erst gar nicht. Nach Avataren, Strecken, Videos, Chats und Gamification sucht man hier also vergeblich - das ist eine andere Zielgruppe.

Trainerroad hat eine immense und vollständige Bibliothek an Trainingsplänen und -einheiten und diese spult man trocken und cool ab - zumindest was Aufmachung und Design angeht. Beim Treten und Trainieren wird es dann ohnehin weniger "cool" zugehen.Mir fallen noch weitere Attribute und passende Adjektive ein: trocken, technokratisch, schick, klar, no bullshit!

Auf dem Bildschirm ist ein Balken zu sehen, der die Watt vorgibt. Diesem zu folgen ist die einzige Vorgabe, die das Programm gibt. Sofern man aus seinem schweißtropfenden Gesicht noch etwas sieht, erhält man gute Anleitungen, Erklärungen, warum man gerade das tut, was man macht und sinnvolle Motivationssprüche.

Da die trockene Aufmachung einigen doch einen Tick zu langweilig sein dürfte, fährt das Gros der User mit Netflix oder TV nebenbei oder aber auch gleichzeitig mit Zwift.

169k-Testergebnis: Maximales Training? Trainerroad! Am weitesten entfernt von einem "Computerspiel" - im positiven Sinn.

GPX am Wahoo Elmnt

Etwas außer Konkurrenz läuft das Nachfahren eines GPX-Tracks auf dem Wahoo Elemnt - handelt es sich dabei doch nicht um eine App im eigentlichen Sinn. Aber auch das ist mitunter eine schöne Möglichkeit, Strecken nachzufahren oder neue kennenzulernen.

Jeder Elemnt hat eine Kickr-Datenseite, die man einmal in der App aktivieren muss und die aktiv wird, sobald ein Kickr in der Nähe zu arbeiten beginnt. Dann ist es möglich, über den Radcomputer den Widerstand des Kickrs zu regulieren oder aber eine GPX-Datei am Elemnt als Strecke auszuwählen. Dieser steuert dann den Widerstand und simuliert die Steigungen.

So kann man - ohne Mehraufwand und Ablenkung - seine Strecken nachfahren, die Auffahrt auf den Mont Ventoux versuchen oder das Zeitfahren rund um den Attersee (den tollen King of the Lake) trainieren. Dabei kann wie gewohnt zwischen Datenfeldern, Höhenprofil und Kartenansicht gewechselt werden.

Das funktioniert grundsätzlich ganz gut, allerdings nur solange man einen tatsächlich gefahrenen GPX-Track verwendet. Dieser hat genug "echte" Datenpunkte, damit die Strecke und die Steigungswechsel entsprechend geschmeidig umgesetzt werden. Nimmt man einen nur geplanten Track sind Datenpunkte und "Bread Crumbs" (also die Punkte, an denen sich der Computer orientiert) zu weit auseinander oder zu wenig und Steigungswechsel werden eher abenteuerlich als realitätsgetreu.

Das Ganze funktioniert offenbar auch mit Garmin-Computern und anderen Trainern, allerdings habe ich das nicht selbst ausprobiert.

169k-Testergebnis: Wer ein konkretes GPX-File nachfahren möchte und dabei keinerlei Training oder Ablenkung braucht, ist hier eventuell gut bedient - allerdings nur mit bereits gefahrenen GPX-Tracks!

Alle Apps im Überblick

Fazit, Typen- und Kaufberatung

Rollenfahren ist eine eigene Geschichte - nicht nur, ob man es grundsätzlich mag oder nicht, auch die Anforderungen an eine Virtual Cycling App können sehr unterschiedlich sein. Im Endeffekt kann man drei Kategorien oder Gruppen bilden: "Zwift-artige" virtuelle Welten, reale Videos oder reine Trainings-Apps.

Das Nachfahren anhand realer Streckenvideos war für mich bis jetzt kein Thema, erst dieser Test hat mir gezeigt, dass darin durchaus ein großer Reiz liegt. Auch auf diese Weise kann man neue Ecken der Welt oder des eigenen Landes kennenlernen, bekannte Strecken nachfahren oder die Landschaft in Südamerika studieren. Die technisch korrekte Umsetzung und da vor allem die Steigungssimulation ist für mich wesentlich, damit mir das Radfahren Spaß macht. Fulgaz und Rouvy bekommen das am besten hin - Fulgaz hat die schöneren Videos und die bessere technische Umsetzung, Rouvy hat dafür mehr Strecken zur Auswahl und die etwas größere Community. Kinomap überzeugt mich nicht, Bkool hat eine große Auswahl und zahlreiche Features, wirkt aber irgendwie noch nicht ganz ausgegoren.

Trainerroad und Sufferfest sind reine Trainingsprogramme, wissenschaftlich aufbereitet und auch entsprechend dargereicht. Hier hat man von Anfang an den Eindruck, ernsthaft an seiner Leistung zu schrauben - bei Sufferfest zusätzlich mit kurzweiliger Ablenkung und Unterhaltung. Auf Dauer würde mir hier aber etwas fehlen - nur vor sich verändernden Leistungsbalken zu sitzen, wäre mir über einen ganzen Winter hinweg zu wenig. Aber wer auf no-nonsense steht und den maximalen Output sucht, ist hier wohl am besten bedient.

Vom Konzept her Zwift am Ähnlichsten ist RGT Cycling, allerdings ist hinter der tollen Grafik (leider) nicht allzu viel Substanz bzw. sind viele Funktionen in meinen Augen schlicht und ergreifend noch nicht fertig.

Was bedeutet dieser Test für mich?

Zwift kann etwas, was mir bis dato gar nicht so richtig bewusst war: Nur Zwift denkt in einer "SpielWELT" und nicht in Strecken und genau dieser "Weltgedanke" ist mir in meinem Radfahren wichtig. So wie ich auch draußen oft planlos fahre und die Vielzahl der Möglichkeiten genieße, so freue ich mich auch in Zwift über die Möglichkeit, bei Kreuzungen spontan abbiegen, Routen variieren zu können und zu Beginn der Fahrt noch nicht zu wissen, wo man eventuell enden wird. Außerdem ist Zwift im Moment technisch am ausgereiftesten - von der Fahrdynamik, dem Avatar, den Steigungswechseln bis hin zur Interaktion mit anderen Fahrerinnen und Fahrern.

Ich werde daher jedenfalls mein langjähriges Zwift-Abo weiterführen - keine Frage. Zusätzlich werde ich diesen Winter eventuell Fulgaz weiter testen, die qualitativ hochwertigen Videos machen Laune und bieten eine gute Mischung aus Training und Sightseeing.

Video

Das folgende Video soll noch einen wichtigen Einblick geben, wie die Apps tatsächlich im Betrieb aussehen - sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen ist immer wichtig. Und nachdem alle Apps Testmöglichkeiten (meistens von 14 Tagen) biete, kann man sich interessante Apps auch einfach mal runterladen und und ausprobieren.

Welcher Smart-Trainer passt zu mir?

Die kalte Jahreszeit lässt sich mannigfaltig nutzen und am besten ist ohnehin, wenn man die "Off-Season" für unterschiedliche Aktivitäten nützt: Laufen oder Langlaufen als Ausdaueralternativen; Skitouren gehen, wenn man in den Bergen wohnt; Cyclocross-Rennen wenn man auch im Winter eine richtig harte Challenge sucht; Mountainbiken, wenn man seine Fahrtechnik-Skills etwas aufpolieren möchte; oder aber natürlich das klassische Rollentraining. Wobei so klassisch ist das nicht mehr, seit sowohl hardware- als auch softwareseitig enorm aufgerüstet wurde! Seitdem gibt es kein stundenlanges Pedalieren mehr vor einer weißen Wand - außer natürlich man möchte genau das, wie Jonas Deichmann... ;)

Cyclocross…

…oder Zwift?

Um in den Genuss von Plattformen wie Zwift und Co. kommen zu können, ist ein sogenannter "smarter" Rollentrainer notwendig. Dieser unterscheidet sich von einem "dummen" (also nicht "smarten") dadurch, dass er mit Computer, Tablet oder Telefon kommunizieren kann und sich auf diesem Wege auch steuern lässt. Mit dem Ergebnis, dass eine Steigung auf dem Radcomputer oder auf Zwift auch als solche spürbar wird, weil die Software den Widerstand des Rollentrainers erhöht. Gleiches gilt für Trainingsblöcke oder Intervalle, bei denen man "nur" noch treten muss - den richtigen Widerstand besorgen der Rollentrainer und das dazugehörige Trainingsprogramm. Auf diesem Wege lassen sich auch Einheiten auf der Rolle unterhaltsam und kurzweilig gestalten und der Schrecken des monotonen Wintertrainings verfliegt im Nu!

Bei der Anschaffung einer smarten Trainingsrolle sollte man vorab kurz seine Anforderungen definieren, denn die Modelle unterscheiden sich sowohl in Funktion als auch Preis mitunter deutlich. Es gibt natürlich mehrere Hersteller am Markt, von Wahoo hatte ich allerdings schon drei unterschiedliche Systeme und Modelle in Verwendung, deshalb werde ich diese als Bespiel heranziehen, um auf Unterschiede, Nutzen und Eignung einzugehen.

Arten von Rollentrainern

"Wheel-On Trainer" (Wahoo Kickr Snap)

So oder so ähnlich kennt man einen Rollentrainer bzw. so haben sie vor einigen Jahren auch schon ausgeschaut - ein stabiles Metallgestänge mit einem Widerstand dazwischen. Man nimmt sein eigenes Rad so wie es vor einem steht und spannt es in den Trainer ein. Man muss dazu lediglich den mitgelieferten Schnellspanner verwenden oder die geeignete Steckachse verwenden. Steckachsen sind da so ein Thema, so wie es teilweise auch noch vereinzelt zu Problemen mit Scheibenbremsen kommen kann, wenn schlicht und ergreifend nicht genug Platz ist, um die Scheiben noch unterzukriegen. Bezüglich der Scheibenbremsen sollte man vorab die Produktbeschreibung und die Kompatibilität checken. Bei Steckachsen ist es so, dass man dafür oft extra Adaptersets dazubestellen muss. Technisch ist das absolut problemlos aber es entstehen halt noch einmal zusätzliche Kosten - am Beispiel des Wahoo sind das immerhin 50 Euro und damit 10% des Preises des Trainers an sich. Hat man die Adapter aber einmal in Verwendung, ist das Rad sicher und stabil mit dem Rollentrainer verbunden. Einen Hebel noch umgeklappt und schon treibt das Hinterrad den Rollentrainer an und der Spaß kann beginnen. Der Widerstand verändert sich entweder - ohne Steuerung von außen - progressiv, oder aber man überlässt die Steuerung einem Wahoo Elmnt Radcomputer oder einer Trainingssoftware a la Zwift oder Trainerroad - Stichwort “smart”.

Vorteile einer derartigen Bauform sind der vergleichsweise günstige Einstiegspreis sowie die Flexibilität, so gut wie jedes Rad einspannen zu können. Wenn man zum Beispiel auf unterschiedlichen Rädern trainieren möchte - sagen wir Rennrad und Zeitfahrrad, so wie ich das im Frühjahr gemacht habe - dann geht dieser Wechsel schnell von der Hand und es sind keine Umbauarbeiten oder dergleichen notwendig. Ebenfalls ein Faktor sind unterschiedliche Antriebssysteme: bei SRAM-12fach auf meinem Zeitfahrer und Shimano 11fach auf meinem Rennrad wäre ein Wechsel immer mit einem gewissen Aufwand verbunden gewesen - mit dem Kickr Snap bzw. einem anderen Wheel-On-Trainer, kein Problem.

optionale Steckachse für den Wahoo Kickr Snap

Aufgrund der indirekten Kraftübertragung über den Hinterreifen hat man geringe Einbußen bei der Unmittelbarkeit des Fahrens - ein paar Watt werden so im System verloren gehen und auch Tempowechsel oder die von der Software gesteuerten Widerstandswechsel werden nicht so direkt und unmittelbar spürbar.

Während viele Reifenhersteller dezidierte Indoor-Reifen anbieten, kann ich dabei keine besonderen Vor- oder Nachteile feststellen. Wichtig ist da eher, dass das Rad mit all seinen Bestandteilen sauber ist, denn der Dreck vom Rad wird sich sukzessive in der Wohnung verteilen, wenn sich das Hinterrad dreht. Kann sein, dass es hier einzelne Reifen-Modelle gibt, bei denen man eventuell Abrieb merkt oder dieser sich in der Wohnung verteilt. Bei meinen Reifen (Vittoria, Pirelli und Continental) konnte ich das allerdings nicht bemerken.

Durch die unterschiedlichen (und zahlreicheren) bewegten Teile ist auch die Geräuschentwicklung bei dieser Bauform von Trainern etwas größer. Das sollte man auf jeden Fall bedenken, wenn man kein Haus sein eigen nennt oder empfindliche Nachbarn hat. Und bei jeder Art von Trainer sollte man nicht nur bedenken, dass der Trainer selbst Geräusche entwickelt sondern auch die Bewegungen und Vibrationen wiederum Körperschall erzeugen, der sich über Wände, Böden und Decken in alle Richtungen verteilt. So kann es passieren, dass es für einen selbst im Raum gar nicht so laut ist, bei den Nachbarn allerdings ein lästiges und lautes Dröhnen entsteht.

Direct Drive-Trainer (Wahoo Kickr)

Am anderen Ende der Produktpalette steht der Wahoo Kickr, der mit diesem Jahr in einen neuen Produktzyklus eingetreten ist. Er ist der klassische Vertreter der Trainer mit "Direct Drive". Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass das eigene Rad ohne hinteres Laufrad direkt in den Trainer eingespannt wird. Die Kraftübertragung erfolgt damit von der Kette des Rads direkt auf den Widerstand des Rollentrainers, mit dem Ergebnis, dass Tempo- und Wattwechsel schnell und direkt spürbar sind und das allgemeine Fahrgefühl besser wird. Außerdem reduzieren sich dadurch etwaige Reibungsverluste im System - so kommt die ganze Kraft aus den Muskeln auch tatsächlich bei der Walze an - der größte Vorteil von Direct Drive!

Vorteile bestehen demnach in der Kraftübertragung, der Direktheit, dem schnellen Ansprechverhalten bei Tempowechseln und dem generell höheren Leistungsvermögen der Rolle. Es sind weniger Teile in Bewegung (das komplette hintere Laufrad fällt weg), damit reduziert sich auch der Verschleiß an Teilen des eigenen Fahrrads. Auch durch die hochwertige Ausgestaltung des Widerstands läuft der Direct Drive-Trainer in der Regel bedeutend leiser als ein Modell, bei dem man das gesamte Rad einspannt. Wahoo hat hier mit dem Kickr über die letzten Jahre erstaunliches geleistet und so kommt die aktuelle Iteration des Wahoo Kickr mit einem derart leisen Betriebsgeräusch daher, dass man teilweise schon glauben könnte, es bewegt sich dort unten gar nichts... Je nach Intensität und Leistung ist das Laufgeräusch der Kette am eigenen Rad lauter als das Betriebsgeräusch des Trainers.

Dem aktuellen Kickr-Modell wurden als Sahnehäubchen noch bewegliche Füße gegönnt, die eine größere seitliche Bewegung des Rads erlauben und so ein noch realistischeres Fahrgefühl ermöglichen. Nicht ganz das, was man mit einer "Roller Plate" oder "Swing Plate" erreichen würde, wo sich ja tatsächlich das ganze System neigt und bewegt und auch nicht dasselbe wie die "Road Feel"-Funktion von Tacx aber eben eine gewisse Flexibilität in Seitenrichtung. Positiver Nebeneffekt: Damit hat auch das Rad etwas mehr "Bewegungsspielraum", was vielleicht jene Zweifler etwas beruhigen wird, die sich um ihren Untersatz Sorgen machen. (Obwohl ich persönlich keinen Fall kenne, bei dem ein (Carbon-)Rahmen auf der Rolle Schaden genommen hätte).

Das alles hat allerdings seinen Preis und die Anschaffung eines Direct Drive-Trainers will dann auch dementsprechend überlegt sein. Wer jedoch regelmäßig trainieren oder an der Genauigkeit und Direktheit seine Freude haben möchte, der wird um einen Direct Drive-Trainer wie den Kickr nicht herumkommen. Und auch die Nachbarn daneben und darunter werden ihre Freude haben.

Wahoo Kickr Core

Wer auf die Leistungsfähigkeit eines Direct Drive-Trainers nicht verzichten möchte, jedoch nicht das letzte Quäntchen aus sich und dem Trainer (und seiner Geldtasche!) ausreizen möchte, findet vermutlich in der goldenen Mitte ein gutes Zuhause. Der Kickr Core vereint die positiven Eigenschaften des "großen" Kickrs (im Sinne eines Direct Drive-Trainers) und verzichtet dabei nur auf einige wenige Merkmale, die allerdings im Alltag eines Radsportlers verzichtbar sein dürften. Statt 2.200 kann der Core beispielsweise "nur" 1.800 Watt simulieren - das dürfte aber eher Andre Greipel oder Sam Bennett stören, weniger uns "Normalos". Auch die simulierbare Steigung ist beim Core mit 16% etwas geringer. Und während beim "großen" Kickr bereits eine Kassette montiert ist, muss man diese beim Kickr Core zusätzlich besorgen. Angesichts der Vielfalt der aktuell verfügbaren Antriebsgruppen ist es aber ohnehin meistens notwendig, die passende Kassette nachzukaufen.

Einziges tatsächliches Manko des Core ist aus meiner Sicht, dass sich dieser nicht zusammenklappen lässt. Während man Kickr Snap und Kickr verkleinern und (z.B. im Sommer) gut verstauen kann, benötigt der Kickr Core etwas mehr Platz.

Komplettes Trainingsbike (Kickr Bike)

Wer sich mit voller Hingabe dem Indoor-Training widmen will, der hat auch noch Training-Bikes als Option - zum Beispiel das Kickr Bike. Dabei bekommt man ein komplettes Ökosystem ins Wohn- oder Hobbyzimmer gestellt und muss sich eigentlich um nichts anderes mehr sorgen. Die Geräuschentwicklung ist ohne bewegliche Teile und dank voller Integration gleich Null. Das eigene Bike kann man getrost schonen und für Fahrten draußen reservieren. Es gibt kein Herumhantieren mit Schnellspannern, Steckachsen, Kassetten oder dergleichen. Im Fall von Wahoo bekommt man mit dem Kickr Bike auch die Climb-Funktionalität dazu, mit der sich das Rad entsprechend der gefahrenen Steigung mitbewegt. Zum Kickr-Bike gibt es allerdings so viel zu sagen, dass ich mir das lieber für einen eigenen Blogpost aufhebe - glücklicherweise steht ein solches nämlich gerade bei mir in der Wohnung! ;)

Fazit und Typenberatung

Wintertraining muss und soll nicht langweilig sein und mit den aktuellen Rollentrainern sind die perfekten Voraussetzungen geschaffen, dass man entspannt und gut unterhalten durch den Winter fährt und im Frühjahr gleich auf einen respektablen Trainingsstand aufbauen kann. Neben Wahoo gibt es mit Tacx und Elite noch die zwei anderen Großen, außerdem noch einige weitere kleinere Hersteller von Smart-Trainern, die man sich jedenfalls genauer ansehen kann. Nicht-smarte Trainer gibt es auch noch auf dem Markt, allerdings spielen die tatsächlich nur noch eine untergeordnete Rolle und wenn man einmal in die Spielereien der smarten Welt hineingeschnuppert hat, möchte man eher nicht wieder zurück. Und ja, auch die freie Rolle gibt es natürlich noch - aber die war immer schon eine Geschichte für Spezialisten, sei es auf der Bahn oder für die Schulung eines schönen und runden Tritts (oder Videos auf Instagram, in denen man freihändig etwas kocht oder ein Instrument spielt, während man auf dem Rad sitzt...).

Die eigenen Anforderungen und die Geldbörse bestimmen am Ende, welches Modell am besten geeignet ist:

- Wechselt man oft zwischen Rädern oder benützt auf unterschiedlichen Rädern unterschiedliche Antriebssysteme, ist ein Wheel-On-Trainer naheliegend - auch wenn die Genauigkeit des letzten Watts nicht so wichtig ist.

- Bei wem Präzision und Leistungsvermögen an erster Stelle steht, ist mit einem Direct Drive-Trainer am besten bedient. Nirgendwo sonst bekommt man derart direkte Kraftübertragung und Direktheit bei einem gleichzeitig sehr leisen Betriebsgeräusch.

- Für einen Großteil der Nutzerinnen und Nutzer wird dann aber die "günstigere" Variante ausreichen, die mit ihrem Funktionsumfang so gut wie alle Anforderungen erfüllt, die man an einen Direct Drive-Trainer stellen kann. Bei Wahoo ist das der Kickr Core (gegenüber dem Kickr), bei Tacx wäre es der Flux (mit dem größeren Bruder Neo).

Smarte Wheel-On Trainer wie der Wahoo Kickr Snap kosten um die 500 Euro, die "billigeren" Direct-Trainer um die 800 und die "großen" um 1.200 Euro. Und erstaunlicherweise ist es so, dass auch die großen Internethändler bei Smart Trainern nicht wirklich bessere Preise anbieten können. Man kann also in diesem Fall getrost beim Hersteller oder im Fachgeschäft des Vertrauens bestellen und kaufen. Derzeit ist das allerdings - ehrlicherweise - sowieso eine enge Angelegenheit, sind doch durch Corona und diverse Lockdowns sowohl die Lager der Hersteller als auch jene der Händler komplett leergeräumt.

Für den Kauf beim Händler spricht übrigens auch - und das muss hier leider ungeschönt erwähnt werden -, dass es unabhängig vom Hersteller doch vermehrt zu Reklamationen und Garantiefällen kommt, weil Dinge nicht 100%ig funktionieren. Woran das liegt, kann ich nicht sagen - sei es die schnelle Produktion mit überschaubarer Qualitätskontrolle, die kurzen Produktzyklen, die permanente Weiterentwicklung oder die technische Komplexität... Immer wieder liest und hört man von "Montags-Geräten", bei denen ein Austausch über den Fachhändler dann wohl auch angenehmer ist, als ein 25 Kilo schweres Paket über die Post an den Hersteller zurückschicken zu müssen...

Aber gehen wir vom Positiven aus und da heißt es nur noch umziehen, genug Trinkflaschen bereitstellen, das Fenster öffnen und loslegen! Ride On!

Wandrer, oder „Wie ich die Welt neu entdecke“

Hallo, mein Name ist Martin und ich bin süchtig! Doch ich bin nicht bei den Anonymen Alkoholikern oder am Weg zur Drogensucht sondern in einem Strava Forum, in dem es um eine Software namens „Wandrer“ geht.

Ehrlicherweise war ich schon immer für Gamification zu haben und wenn es Achievements und Level-Ups zu erreichen gibt, dann spornt mich das an. Auf der anderen Seite habe ich seit meiner Kindheit eine besondere Vorliebe für Karten, schmökere heute noch gerne im Atlas und reise im Geiste durch bekannte und unbekannte Lande. Kombiniert man diese beiden Dinge, hat man jedenfalls ein Rezept gefunden, um mich glücklich zu machen und die Art und Weise, wie ich Rad fahre, maßgeblich zu beeinflussen.

Wie eine dieser Landkarten, bei denen man jene Länder, in denen man schon war, freirubbeln kann, markiert Wandrer jene Straßen und Wege, auf denen man bereits unterwegs war. Strava tut dies grundsätzlich auch und generiert daraus die hübschen „Heatmaps“, auf denen ein Weg stärker eingefärbt wird, je öfter man dort unterwegs ist oder war. Dem „Wandrer“ ist gleichgültig, wie oft man wo unterwegs war - es zählt nur, dass man dort schon einmal gefahren ist. Dann markiert das Programm die Straße und „malt“ sie quasi an, wie man das auf einer analogen Karte vielleicht auch machen würde. Auf diesem Weg malt man nun seine Umgebung an, die Strecken, auf denen man regelmäßig unterwegs ist und die man im Urlaub findet. So weit so gut, bis hierher ist das Ganze noch nicht wirklich neu oder revolutionär...

Gamification & Leaderboards

An dieser Stelle kommt eine gehörige Portion Jagd- und Spieltrieb dazu. Straßen und Wege, auf denen man noch nicht unterwegs war, lechzen förmlich danach, befahren und auf diese Art und Weise „markiert“ zu werden. Für befahrene Straßen gibt es Punkte, Leaderboards je Bezirk und Land motivieren dazu, den nächstbesten Platz zu erreichen. KOMs waren gestern, was hier zählt, sind befahrene Straßen.

Auf diesem Weg erfährt man, dass beispielsweise Wien knapp über 4.000 Kilometer Straßen und Wege hat, die man mit dem Rad befahren kann - 1.300 davon habe ich schon. Meinen ehemaligen Heimatort Baden habe ich auch ganz gut markiert, meine zweite Heimat im wunderbaren Osttirol ist auch schon recht gut erkundet. Es zählen sowohl Straßen als auch unbefestigte Wege, als Datenbasis dienen die diversen Radfahrkarten, allen voran die Open Street Map fürs Radfahren. Die Kartendarstellungen laden - wie auch schon die Strava Heatmaps - zum Schmökern ein, zum Nacherleben von schönen Touren und zum Träumen von neuen Routen und Strecken. Damit man auch sicher weiß, wo es noch neue Wege zu entdecken gibt, kann man sich auch nur diese anzeigen lassen. Dann wird der Kartenausschnitt in ein dichtes Netz aus roten Strichen getaucht und plötzlich hat man tausende Varianten vor sich, wie man seine nächste Tour anlegen könnte.

Altes & Neues entdecken

Und genau hier liegt für mich der einzigartige Reiz und Mehrwert von Wandrer. Sicher muss man sich darauf einlassen und der Jagd nach Bestzeiten ist diese Art und Weise des Radfahrens vermutlich auch nicht wirklich zuträglich. Wer sich jedoch der Langsamkeit und den unendlichen Möglichkeiten hingibt, findet eine Einladung vor, Altes und Neues gleichermaßen zu entdecken. Es werden wohl auch nicht immer die schönsten Wege sein, die romantischsten Ecken der Stadt oder die verkehrsärmsten und pittoresken Straßen. Aber es wird jedenfalls eine Erweiterung des Horizonts sein, wenn man gleich neben dem eigenen Wohnblock ein neues Eck der Stadt entdeckt, wenn man einen anderen Bezirk kennenlernt, seine Meinung über eine Region ändert, weil man einen anderen Blick darauf gewinnt oder aber einfach weil man eine neue Variabilität in der Routenplanung dazugewinnt.

Die Hausrunde oder die Tour, die man immer und immer wieder nach der Arbeit fährt, kann durch etwas Inspiration und Trial & Error schnell einmal aufgefrischt oder spannender gestaltet werden. Neue Regionen kann man ganz anders kennenlernen, wenn man gleich von Beginn an auf eine möglichst breite Herangehensweise setzt. Und auch die tägliche Fahrt ins Büro oder zum Radgeschäft kann man durch ein paar neue Straßen und Wege aufpeppen. Und für mich waren es tatsächlich die Fahrten mit meinem Sohn im Lastenrad während des ersten Corona-Lockdowns, die den Beginn dieser Liebesbeziehung markiert haben. Da waren wir gemeinsam unterwegs in der näheren Umgebung und eigentlich im eigenen Bezirk. Aber auch da konnte man durch etwas Variation und das eine oder andere Abbiegen vom bekannten Weg eine neue Welt entdecken. Und so fährt man durch die Gegend, erweitert seinen Horizont und sammelt dabei auch noch Punkte in einem unterhaltsamen Spiel!

Funktionsweise

Wandrer ist ein Add-On, dass grundsätzlich an einen Strava-Account gekoppelt ist. Lädt man eine Ausfahrt auf Strava hoch, analysiert Wandrer automatisch und im Hintergrund, welche Abschnitte dabei neu gefahren wurden. Man erhält einen Kilometerwert bezogen auf die gesamte Ausfahrt und gleich auch aufgedröselt nach den Bezirken und Regionen, die man durchquert hat. Es gibt Punkte für jedes Prozent eines Bezirks, das man „anmalen“ kann, ab einer gewissen Schwelle (25, 50 und 75% eines Bezirks) erhöhen sich die Punkte noch zusätzlich. Es gibt monatliche Leaderboards in denen nach absoluten Werten und nach dem monatlichen Zuwachs gewertet wird. Zu gewinnen gibt es natürlich nichts, außer einem Haufen neuer Wege, Erfahrungen und Impressionen.

Die Anmeldung ist grundsätzlich gratis, einziges Problem dabei ist allerdings, dass Wandrer in der Free-Version nur die letzten 50 Rides auf Strava nachführt. Alles was davor passiert ist, - die Erkundungen der Umgebung, die Fahrten im Urlaub, das Trainingslager auf Mallorca - werden auf der Übersichtskarte nicht aufscheinen. Und so wie „wir“ Karten- und Datennerds ticken, wird das irgendwann stören. Beheben kann man diesen Umstand durch ein Upgrade auf die „Vollversion“, die mit 30 US-Dollar pro Jahr zu Buche schlägt. Dafür erhält man dann die volle „History“ aller Ausfahrten und den vollständigen Katalog all jener Strecken, die man in seinem Strava-Leben bereits unter der Reifen genommen hat. Und mir geht es dann so, dass ich ab und zu die große Karte aufmache, darauf herumscrolle und -klicke und mich bei jedem Strich an die entsprechende Ausfahrt erinnere!

Integration in den Alltag

Je nachdem wie intensiv man sich mit Wandrer auseinandersetzen möchte, bietet die Software noch eine weitere Integrationsmöglichkeit. So kann die aktuelle eigene Karte - inkl. der Information, ob man dort schon gefahren ist oder nicht - auf den Radcomputer geladen werden. So hat man während des Fahrens in der Kartenansicht des Wahoo oder Garmin einen eindeutigen Indikator, ob man auf einer bekannten oder einer neuen Strecke unterwegs ist. Auf diese Weise macht das Anmalen noch einmal mehr Spaß und man erforscht quasi „on-the-go“.

Alles was farbig markiert ist, “fehlt” noch!

Schwächen

Bleiben wir kurz beim Aufspielen der Karte auf den Radcomputer. Das ist leider etwas kompliziert und umständlich und muss - sofern man es tagesaktuell haben möchte - immer neu aufgespielt werden. Zumindest der Wahoo merkt sich nicht, welche neuen Strecken angemalt wurden bzw. aktualisiert die Karte im Hintergrund nicht entsprechend. Man braucht hier also wahre Dedication, wenn man so unterwegs sein möchte.

Was leider auch (noch?) nicht geht, ist die Wandrer Maps irgendwie in die Routenplanung einzubinden. Wenn man auf Komoot oder Strava eine Route plant, muss man sich nebenbei die Wandrer-Map aufmachen, um zu kontrollieren, ob man dort schon einmal gefahren ist oder nicht. Hier wäre großartig, wenn man die Wandrer-Karte quasi als Hintergrund einblenden kann.

Man spürt aber, dass die Macher von Wandrer sehr bemüht sind, laufend Verbesserungen und Erweiterungen zu liefern. Gleichzeitig ist aber sichtbar, dass es sich wohl eher um eine One Man Show handelt als um eine große Firma. Mit seiner Unterstützung für Wandrer hilft man also auch weiter, das Produkt zu entwickeln. Und es gibt schon noch einige Bereiche, in denen die Software besser werden könnte, auch wenn ich spontan nicht weiß, wie man bestimmte Dilemma auflösen könnte. Beispielsweise die Kartengrundlage, die - gemäß Kategorisierung der Straßen im Hintergrund - glaubt, dass eine Autobahnauffahrt bis zum „Autobahn“-Schild auch tatsächlich mit dem Rad befahren werden kann. Aber dass man ab und zu schräg angeschaut wird, daran wird man sich als enthusiastischer Wandrer-User ohnehin gewöhnen (müssen) - warum fährt man sonst in einsamen Wohngebieten im Kreis, fährt Sackgassen bis zum Ende aus oder kommt nun schon zum dritten Mal am gleichen Kaffeehaus vorbei, in dem die Gäste sich nun schon an den Rennradfahrer erinnern, der hier seine seltsamen Bahnen zieht...

Mehr als nur Punkte und Striche

In einer Mischung aus Corona, Gravel-Enthusiasmus und Entdeckungslust hat sich mein Fokus dieses Jahr auf „interessant“ verschoben, weg von „schnell“. Nicht, dass ich davor besonders schnell unterwegs gewesen wäre oder haufenweise KOMs innegehabt hätte... Und ich fahre natürlich noch immer gerne flott und gleite gerne mit dem Rennrad über die Straßen. Aber die Entdeckung neuer Ecken, das Kennenlernen und Abenteuer wird in meinem Radler-Leben immer wichtiger. Und genau dabei unterstützt mich Wandrer und ich liebe es, eine Straße nach der anderen „anzumalen“. Hallo, ich bin Martin und ich bin Wandrer-süchtig. Und glücklich damit!

Fehlen nur noch die restlichen 99,98 Prozent der Welt :)

Wattmess-Systeme

Mit schöner, unregelmäßiger Regelmäßigkeit gibt es hier einen Artikel zum Thema Wattmessung. Und obwohl ich mich nach wie vor kategorisch weigere, nach Trainingsplan zu trainieren und die angezeigten Watt auf meinem Computer eher zu meiner eigenen Unterhaltung dienen als zu tatsächlichen Trainingszwecken, prangen doch auf mittlerweile drei meiner Räder Wattmess-Geräte. Diese verrichten alle einen guten und ähnlichen Job, könnten aber im Detail nicht unterschiedlicher sein. Grund genug, kurz auf die unterschiedlichen Systeme am Markt einzugehen und aus meinem persönlichen Nähkästchen zu plaudern. Dementsprechend habe ich auch nichts abgewogen, verglichen oder Power-Kurven von verschiedenen Programmen und Geräten übereinander gelegt, um prozentuelle Abweichungen zu suchen. Wie gewohnt gibt es daher vielmehr eine subjektive Erzählung ein paar jener Dinge, die ich an den jeweiligen Geräten mag oder nicht mag, die gut funktionieren oder weniger.

Unterschiedliche Systeme

Die Kraft, die aufgebracht wird, um mit dem Rad vorwärts zu kommen, kann grundsätzlich an vielen Punkten gemessen werden. Je näher man dabei an der Kraftquelle (dem Fuß) ist, desto grundsätzlich besser. Idealerweise wird dir Kraft direkt gemessen, das heißt mittels Dehnmessstreifen oder dergleichen. Der Reihe nach sind das die Pedale bzw. deren Achsen (Garmin, Powertap, SRM Exakt, Favero Assioma), die Kurbelarme (Stages, Rotor, Shimano, Verve, 4iiii), der Kurbel-Spider (SRM, Quarq, Power2Max), die Tretlagerwelle (Rotor InPower) oder die Hinterrad-Nabe (Powertap).

Außerdem gibt es noch Systeme, die man an den Schuhen, den Schuhplatten, am Lenker (!) oder sonst wo befestigen kann - dass dort jedoch tatsächliche Wattleistungen ermittlet werden (können), ist manchmal eher zweifelhaft, deshalb möchte ich diese Systeme aussparen.

Zu Systemen am Hinterrad - der Powertap-Nabe zum Beispiel -, oder Rotor InPower-Systemen, die die Kraft an der Tretlagerwelle messen, kann ich mangels Erfahrungswerten nichts sagen. Und wer nichts zu sagen hat, soll in den meisten Fällen lieber schweigen. ;)

Allgemeines

Es ist zugegebenermaßen etwas unübersichtlich geworden am Powermeter-Markt in den letzten Jahren. Gut, früher hat es SRM gegeben und Leistungsmessung war etwas für Profis. Mit der Demokratisierung der Leistungsmessung hat eigentlich Stages richtig begonnen, als vor einigen Jahren die linken Kurbelarme mit dem blauen Logo aufgetaucht sind, die um rund 700 Euro einen halbwegs leistbaren Einstieg in die Leistungsmessung ermöglichen sollten. Dass die Batteriedeckel der ersten Stages-Generation dabei jeden einzelnen Wassertropfen ins Innere gelassen haben war zwar ein Problem, aber der Weg war grundsätzlich bereitet. Maßgeblich für den Preisvorteil von Stages war zu dem Zeitpunkt natürlich, dass nur im linken Kurbelarm eine Messung eingebaut war, die Werte des linken Fußes einfach verdoppelt wurden, um die gesamten Watt dazustellen. Das Aufstöhnen der Puristen ob der Ungenauigkeit und Unwissenschaftlichkeit dieser Methode wurde recht schnell vom Verkaufserfolg von Stages überlagert.

An dieser Stelle möchte ich gleich meine persönliche Meinung zur Genauigkeit von Powermetern loswerden, die gleichermaßen übrigens auch für Indoor-Trainer gilt. Angegeben werden diese Abweichungen in Prozentschritten, wobei man bei 3% Abweichung oft schon den Eindruck erweckt bekommt, als würde die Welt untergehen. Bei meinen durchschnittlichen Wattwerten wäre eine Abweichung von 3% irgendetwas zwischen 5 und 7 Watt. Das mag nach viel klingen und für einen Profi, der auf 1-2 Watt genau trainieren soll, mag das auch noch relevant sein. Für mich ist das aber tatsächlich völlig vernachlässigbar. Ich möchte bei meinen Touren grob wissen, in welchen Zonen ich unterwegs bin und bei Intervallen oder Trainingsblöcken einen Anhaltspunkt für die zu erbringende Leistung haben. Dementsprechend halte ich es auch für übertrieben, extra Geld auszugeben für zusätzliche oder bessere Präzision. Das soll natürlich jede*r für sich selbst entscheiden und ein gewisses Grundmaß an Genauigkeit muss jedenfalls vorhanden sein. Man kann jedoch sehr wohl abwägen, ob man die Präzision eines teuren SRM-Powermeters (mit 1%) unbedingt benötigt oder ob Stages mit behaupteten 1,5% soviel schlechter ist.

Wichtiger sind da aus meiner Sicht andere Faktoren! Die Kompatibilität mit unterschiedlichen Head Units und damit verbunden die Kommunikationsmöglichkeiten des Powermeters - Bluetooth und/oder ANT+ zum Beispiel. Es soll nach wie vor Radcomputer geben, die nur entweder ANT+ oder Bluetooth aber nicht beides gleichzeitig können oder aber auch ganze Kanäle, die durch ein einziges Gerät blockiert werden und keine weiteren Verbindungen mehr zulassen (letzteres vor allem bei Hometrainern). Hier sollte man sich vor einem Kauf jedenfalls kurz schlau machen.

Stages hat mit der Messung auf der linken Seite zwar etwas losgetreten, bietet aber mittlerweile auch selbst beidseitige Systeme an. Die simple Verdopplung der Werte von einer Seite mag unseriös klingen, gibt aber grundsätzlich ein ganz gutes Gesamtbild ab. Dass mögliche Unschärfen - beispielsweise Dysbalancen und Links-Rechts-Unterschiede - auf diese Art und Weise noch verstärkt dargestellt und dadurch die Werte entsprechend ungenauer werden, ist evident. Massive Links-Rechts-Unterschiede sind den Sportler*innen, die es betrifft aber meistens ohnehin bekannt, weil da vermutlich Verletzungen oder Ähnliches vorangegangen sind. Für alle anderen Anwendungsfälle und bei geringfügigen Dysbalancen sollte dies aber kein gravierendes Problem darstellen.

Idealerweise ist ein Powermeter auch einfach zu bedienen und einfach zu nutzen. Moderne Räder sind ohnehin schon kompliziert genug und das Laden einer Di2-Batterie mutet in meinen Augen ja schon seltsam genug an - wie wenn das Rad ohne Steckdose nicht mehr funktionieren würde… Stromversorgung ist auch bei Powermetern ein großes Thema. Bei einigen Modellen kann man sich schon vorab auf einen massiv gestiegenen Verbrauch von CR2302 oder LR44-Batterien einstellen, andere Hersteller setzen auf praktische (aber fast immer proprietäre) Kabellösungen, auch die klassische AA-Batterie ist noch da und dort zu finden.

Ebenso “deppensicher” soll aus meiner Sicht die Anwendung sein - kein Kalibrieren vor jedem Losfahren, kein Anziehmoment für irgendwelche Schrauben, kein Einstellen von irgendwelchen Grundwerten! Aber damit sind wir schon mittendrin im ersten Praxisbericht…

1/ Garmin Vector

Wenn jemand am Boden liegt, soll man nicht auch noch drauftreten. Und Garmin hatte in den letzten Tagen mit den Problemen rund um Garmin Connect schon genug zu tun. Die “Begleiterscheinungen” der Garmin Vector Pedale waren allerdings von Anfang an schwer zu übersehen. Die an sich geniale Ansage war, Leistungsmessung in ein Pedal zu verpacken, das dementsprechend einfach und schnell von einem Rad aufs andere geschraubt werden kann - super zum Beispiel für das Leihrad im Urlaub oder das Bahnrad im Winter. Allerdings konnte die ersten Generationen der Vector-Pedale genau diese Einfachheit nicht wirklich einlösen. Für die Montage war ein exaktes Drehmoment einzuhalten und an den Achsen hing ein klobiger Pod für die Datenübertragung, der umständlich um das Kurbelende gelegt werden musste und nicht um alle Kurbeln passte.

Die dritte Generation hatte keine Pads mehr, dafür aber ein bedeutendes Problem mit dem Batteriefach - und ab hier kann ich aus persönlicher Betroffenheit berichten. Dabei hätten sich viele eine etwas bessere Kommunikationspolitik von Garmin gewünscht, denn es konnte keine zufriedenstellende Lösung für die mangelhafte Batteriefachabdeckung bereitgestellt werden. Und während dem Vernehmen nach rund 10 Prozent der Units nicht richtig funktionierten, wurden diese weiterhin verkauft und ausgeliefert. Umso überraschender war, dass im Frühjahr 2020 aus heiterem Himmel ein Mail eintrudelte, in dem der kostenlose Austausch der Batterieabdeckungen angeboten wurde. Man hatte mehrere Monate (!) für eine Neuentwicklung genützt, bei der nun verstärkte Kontakte eingesetzt werden und die Batterie stärker an den Kontakt gedrückt wird - Halleluja! Nach dem Einbau des neuen Deckels funktionieren die Garmin Vector Pedale nun (zumindest bei mir) genau so, wie sie sollen.

Der Wechsel zwischen mehreren Rädern funktioniert reibungslos und schnell - Drehmomentschlüssel und irgendwelche Pods sind jetzt nicht mehr notwendig. Die Batterielaufzeit (mit vier LR44-Zellen) ist gut und übertrifft bei mir die von Garmin genannten 120 Stunden bei weitem. Außerdem gibt es einen dezenten Warnhinweis (auch am Wahoo-Computer), bevor die Energie der Batterien endgültig zur Neige geht. Die Vector-Pedale sprechen Bluetooth und ANT+, Firmware-Updates und dergleichen funktionieren über die entsprechende App am Mobiltelefon.

Verwendet man einen Garmin Edge-Radcomputer der Serien 500, 800 oder 1000 kommt man außerdem noch in den Genuss der sogenannten Cycling Dynamics. Dabei werden in aufwendigen Diagrammen und Abbildungen direkt am Computer unterschiedliche Dynamiken dargestellt - darunter die Verteilung des Drucks am Pedal und der dazugehörige Offset von der Mitte, eine Darstellung der Druckphase in der Pedalumdrehung oder eine Erkennung, ob man sitzend oder stehend fährt. Das Ganze ist zwar nett anzuschauen, es fehlen allerdings die konkreten Schlüsse, die man aus diesen Daten ziehen soll. Auf diese Weise entsteht also recht viel Datenmaterial, mit dem man allerdings nicht allzu viel anfangen kann, außer dass es ganz nett aussieht. Auch unter dem Titel Cycling Dynamics läuft die Trittfrequenzmessung, die mit den Vector-Pedalen miterfasst wird - in diesem Fall wiederum sehr sinnvoll!

Die Garmin Vector Pedale gibt es um 500 Euro für die einseitige Messung (am linken Pedal) oder beidseitig um 900 Euro. Die mitgelieferten Pedalplatten sind Look-Standard - auch das ist zu bedenken, wenn man sich für ein System entscheidet. Bei mir waren die Vector-Pedale der Grund, warum ich bei allen Schuhen und (Renn)Rädern auf Look-Platten gewechselt habe.

2/ Stages

Stages war mein erster Powermeter - ich war quasi ein Teil jener Kundenschicht, die auf einen günstigeren Einstieg in die Leistungsmessung gewartet haben. Im Sommer 2016 hab ich einen linken Stages-Kurbelarm auf mein damaliges Canyon geschraubt und bin dadurch zwar keine Sekunde schneller gefahren oder habe keinen Platz dazugewonnen, aber es war hochinteressant, einen Wert zu haben, an dem man sich orientieren kann - egal ob es heiß ist oder kalt, ob man Hunger hat, gut drauf ist oder schlecht. Es gefiel mir von Beginn an, zu wissen, woran man ist - und das ist auch bis heute meine Grundmotivation in Bezug auf Leistungsmessung.

Mein Stages-Kurbelarm war einer der zweiten Generation und hatte dementsprechend schon die Kinderkrankheiten der ersten Generation (den undichten Batteriedeckel) abgelegt. Die Leistungsmessung funktionierte einwandfrei und stabil, einige kleine Aussetzer gehörten damals zwar auch mit dazu, diese waren aber nicht allzu störend. In den Tiefen des Internets findet man Vermutungen, dass die Sendeleistung der Stages-Kurbelarms nicht die beste sein soll oder es zumindest (bis Generation 2) war. Denn auch auf meinem aktuellen Rennrad habe ich eine Stages-Kurbel montiert - wiederum den linken Arm - und dort funktioniert die Messung seit Beginn problemlos und ohne Lücken.

Stages selbst spricht von einer Messgenauigkeit von +/- 1,5 Prozent - ein Wert, den ich weder überprüfen kann noch will. Auch wenn der Wert “falsch” wäre… Solange er immer gleich falsch ist, stimmt zumnidest der Informationsgehalt halbwegs und man kann sich daran orientieren. Während bei meiner ersten Stages Kurbel noch ein Haufen Knopfzellen daran glauben musste - der Batteriewechsel erfolgte gefühlt wöchentlich - halten die Zellen jetzt bedeutend länger durch. Die von Stages genannten 200 Stunden Minimum dürften wohl ungefähr stimmen.

Ansonsten ist der Stages bis auf das kleine Logo am Kurbelarm so gut wie nicht erkennbar, die kleine Ausbuchtung aus Kunststoff an der Innenseite des Kurbelarms ist nur beim genauen Hinsehen erkennbar, die 20 Gramm zusätzliches Gewicht sind vernachlässigbar. Auch hier sind sowohl Bluetooth als auch ANT+ an Bord, auch für Stages gibt es eine dazugehörige App für Firmwareupdates und dergleichen. Wie schon zuvor ist auch bei Stages die Trittfrequenzmessung mit an Bord.

Obwohl Stages mit der einsetigen Messung begonnen hat, gibt es mittlerweile beidseitige System oder auch nur den rechten Kurbelarm (mit Kettenblättern). Die Version der Messung nur auf der rechten Seite ist in erster Linie für Zeitfahrräder oder spezielle Bauformen (unter anderem Direct Mount-Bremsen unten am Rahmen) gedacht, wo tatsächlich nicht genug Platz für den wenige Millimeter hohen Pod am linken Kurbelarm ist.

Gab es zuerst nur Shimano Kurbelarme, ist das Sortiment mittlerweile rieseig und umfasst Shimano, SRAM, Campagnolo, Cannondale, RaceFace, Easton und Specialized Kurbeln. Stages liefert sich außerdem immer wieder recht ambitionierte Preis- und Rabattschlachten mit den anderen Herstellern, dadurch kommt man bereits für 299 Euro in den Genuss einer Leistungsmessung (für den linken Kurbelarm der Shimano 105). Die restlichen linken Kurbelarme bewegen sich preislich irgendwo zwischen 400 und 700 Euro, die beidseitige Messung beginnt im Bereich von 700 Euro (Ultegra oder XT bspw. 749 Euro).

3/ Quarq

Mit dem Quarq Powermeter sind wir beim Kurbel-Spider angelangt. Quarq hat damit viel Erfahrung, werken sie doch schon lange Jahre an ihren Produkten - zuerst unter eigener Marke, seit 2012 unter dem Dach von SRAM, die dann auch die ersten waren, die Powermeter (optional) in ihre Top-Gruppen integrierten. Die Messung erfolgt am Kurbel-Spider - der Powermeter-Spider ersetzt hier mehr oder weniger komplett den originalen, die Kettenblätter werden am PM-Spider montiert. Der Austausch geht einfach von der Hand, der Ort ist für einen Powermeter ideal - nahe an der Kraftquelle, ohne große Eingriffe in bestehende Bauteile und auch nicht so exponiert wie beispielsweise Pedale. Auch der Markt- und Technologie Pionier SRM wählt seit jeher den Spider als Ort für die Messung der auftretenden Kräfte.

Quarq war von Anfang an im Konzert der preisgünstigeren Powermeter dabei, mit dem Nachteil der geringeren Kompatibilität bzw. der engen Verbindung mit SRAM-Komponenten. Dafür hat man den Eindruck, alles aus einer Hand zu bekommen. Und tatsächlich ist es auch im täglichen Betrieb so, dass sich der Quarq Powermter am “integriertesten” anfühlt. Sowohl was die Qualität des Produkts angeht als auch - und das ist noch wichtiger - im Sinne der Positionierung des Powermeters und der Art und Weise, wie er “fest” verbaut ist. Natürlich sind auch Kurbelarme und Pedale fest verschraubt, allerdings ist gefühlsmäßig der Kurbelspider ein noch fixerer Bestandteil des Rads, ist weniger exponiert, wirkt noch stabiler. Es ist dies ein subjektiver Eindruck und - offensichtlich - ist es schwierig, diesen Eindruck in Worte zu fassen… Der Quarq Spider wirkt am solidesten und das beruhigt.

Die Messgenauigkeit ist laut Hersteller bei 1,5 Prozent, die CR2302-Zelle hält rund 200 Stunden, Trittfrequenzmessung ist an Bord, kommuniziert wird über Bluetooth und ANT+ und für Firmware-Updates und dergleichen fügt sich der Powermeter in die SRAM-eigene “AXS”-Welt ein, in der man über eine zentrale App alles steuern kann - vom Powermeter über die Schaltung bis hin zur versenkbaren Sattelstütze.

Linkes und rechtes Bein werden getrennt voneinander ausgewiesen, wobei die Zugphase des einen Beins die Druckphase des gerade anderen ist. Die Links-Rechts-Verteilung kann dadurch natürlich geringfügig verfälscht werden, grundsätzlich geben Powermeter am Spider die L/R-Verteilung aber sehr gut wieder.

Der Einstieg in die Powermeter-Welt von SRAM kostet rund 550-600 Euro wenn man nur den Spider anschaffen möchte, bei höherwertigen Rädern ist der Powermeter mitunter schon mit am Rad verbaut, muss allerdings gegen eine Gebühr freigeschaltet werden.

Mein Fazit

Ich habe am liebsten Systeme, die einfach funktionieren. Ich möchte mich nicht unbedingt mit einer komplizierten Montage befassen, vor jeder Fahrt irgendetwas kalibrieren oder permanent Dinge aufladen müssen. “No nonsense” oder “just works”-Lösungen nennt man das wohl oft. In diesem Sinne ist mir von meinen Powermtern der Quarq am Zeitfahrer am liebsten, fühlt dieser sich doch irgendwie am “vollständigsten” an. Auf der anderen Seite haben mich auch die Stages Kurbel und die Garmin Pedale rein konstruktiv nie wirklich im Stich gelassen, da geht es eher um ein Gefühl der Integrität.

Sehr wohl im Stich gelassen haben mich Stages und Garmin zu Beginn beim Batteriewechsel. Während die zweite Stages-Generation Batterien im Akkord verbrauchte, ging nach dem Batteriewechsel beim Vector Pedal erstmal gar nichts mehr. Stages hat bei der 3. Generation nachgebessert, Garmin ebenfalls. Beide Systeme funktionieren an meinen Rädern einwandfrei und geben keinen Grund zur Klage. Was die Energieversorgung betrifft, wäre mir dennoch ein System lieber, das man mittels (USB-)Kabel aufladen kann - sowohl im Sinne der Usability als auch der ökologischen Nachhaltigkeit.

Zur Genauigkeit der Messung möchte ich mich nicht ausbreiten, dazu sind mir die ausgegebenen Werte nicht wichtig genug - im Sinne des allerletzten Prozents. Nach einer anfänglichen Kalibrierung (und nach jedem Batteriewechsel) geben alle drei Powermeter stabil ihre Werte aus. Gefühlt (und im Vergleich mit meinem Wahoo Kickr) gibt der Quarq die Werte am genauesten wieder, gefolgt von Garmin und mit etwas Abstand Stages. Beim Kurbelarm liegen meine Wattwerte grundsätzlich etwas über dem, was ich sonst trete.

Foto: Sportograf

Kaufentscheidungen?

Vor der Anschaffung eines Powermeters, kann man sich anhand einiger einfacher Fragen an ein passendes Modell herantasten bzw. einige Dinge schon einmal gut eingrenzen oder ausschließen:

  • Möchte ich den PM auf einem oder auf mehreren Rädern benützen?

  • Wo ist meine preisliche Schmerzgrenze?

  • Was fahre ich jetzt für ein Kurbelfabrikat und möchte ich dabei bleiben?

  • Welchen Achsstandard hat mein Rad?

  • Wie relevant ist die Genauigkeit der Messung für meine Zwecke?

  • Bin ich auf SRAM oder Shimano fixiert?

Beantwortet man diese Fragen ehrlich und für sich selbst, kommt man vermutlich schon zu einer Auswahl von nur noch zwei bis drei Fabrikaten und Produkten, die man sich dann näher anschauen kann. Der Zeitpunkt für eine Anschaffung ist derzeit nicht der schlechteste, nachdem sich einige Hersteller in eine neue Runde von Preisschlachten gestürzt haben. Power2Max fährt seit einigen Monaten bereits große Rabatte auf, Stages hat die Einstiegspreise ebenfalls massiv gesenkt.

Ob ein Powermeter Sinn macht, ist eine Entscheidung, die jede*r für sich selber zu treffen hat, Spaß machen sie aber auf jeden Fall. Und wenn es nur darum geht, beim King of the Lake den FTP-Wert auszuloten…!

11 Zwift-Tips in Zeiten von Corona

“When life gives you lemons, make lemonade!” - so oder so ähnlich könnte man es ausdrücken. Für das Fahren auf der Rolle gibt es mittlerweile so viele unterschiedliche Varianten und Spielereien, dass die berühmte “weiße Wand” irgendwie ihren Schrecken verloren hat. Die derzeitige Aussicht auf mehrere Wochen Indoor-Radeln mag dennoch nicht die rosigste sein…

Ich fahre ja gerne auf Zwift und bewege mich mit Freude zwischen virtuellen Trikots, Strecken und anderen Radlern, die zeitgleich auf der ganzen Welt in ihren Kämmerchen und Kellern sitzen und genauso schwitzen wie ich. Über Trainingseffekte, Realitätsgehalt und dergleichen möchte ich an dieser Stelle nicht mehr schreiben - hier wurde bereits das meiste gesagt und ich habe aufgehört, jene bekehren zu wollen, die Zwift nur als reine Spielerei sehen wollen.

Für die kommenden Tage und Wochen brauche allerdings auch ich eine Perspektive, Ziele und kleine Incentives. Daher habe ich mir ein paar Dinge überlegt und möchte diese gerne mit euch teilen, in der Hoffnung, dass für jeden etwas Zerstreuung, Unterhaltung und Training dabei ist.

#stayathome

I - Meet-Ups

Nicht nur Großveranstaltungen und Rennen sind abgesagt, auch die wöchentliche Gruppenfahrt oder der Clubride sind unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht durchführbar. Nun ist die “Gesellschaft” auf Zwift natürlich eine andere, schließlich rollt niemand direkt neben einem. Dennoch bieten Zwift-Rides die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten, ähnlich Trainierten und Schnellen unterwegs zu sein. Dazu stehen zahllose Zwift-Events zur Auswahl, bei denen man sich jeder erdenklichen Art von Training, Ausfahrt oder Rennen hingeben kann.

Wer es gerne etwas intimer haben möchte, kann auf die Funktion der Meet-Ups zurückgreifen. Dabei können bis zu 50 Radlerinnen und Radler zu einer gemeinsamen Ausfahrt eingeladen werden. Strecke, Länge und Tempo werden dabei vom Organisator festgelegt, das ganze erfolgt mehr oder weniger demokratisch, niederschwellig und ohne Zugangsbarrieren. (Im Vergleich dazu ist ein wahrer Kraftakt notwendig, um einen offiziell gelisteten Zwift-Ride zu bekommen). Voraussetzung ist, mit dem Organisator oder der Organisatorin des Rides auf Zwift befreundet zu sein - nur so kann man auch zum Meet-Up eingeladen werden. Die Einladungen scheinen in der App ganz oben auf und können eigentlich nicht übersehen werden (Erinnerungsfunktionen und dergleichen inklusive).

Der Ride selbst funktioniert wie gewohnt, der Ride Leader ist eindeutig als solcher erkennbar, man sieht die anderen, die Abstände und die Strecke. Einzig die Trikots werden nicht angeglichen, beim Bewegen durch die Zwift-Welten ist daher nicht auf den ersten Blick erkennbar, welcher Avatar zur eigenen Gruppe gehört und welcher nicht. Bei maximal 50 Teilnehmer*innen hat man aber ohnehin recht schnell herausgefunden, wer in der gleichen Gruppe fährt und wer nicht.

Für die kommenden Wochen sind einige Club-Ausfahrten bereits in derartige Meet-Ups “umgewandelt” - bspw. der Sonntags-Ride des Vienna International Cycling Clubs oder die Puppyton Rides. Außerdem veranstaltet beispielsweise auch das Profi-Team Hrinkow Meet-Ups, bei denen man auch noch in den Genuss des Windschattens von Radprofis kommen kann.

II - Touren & Etappenveranstaltungen

Zwift selbst bietet regelmäßig organisierte Veranstaltungen an, die motivationssteigernd wirken und zahlreiche Variationen des vermeintlich bereits bekannten Contents bieten. Allen voran ist die Tour de Zwift zu nennen, die einmal im Jahr über sieben Etappen in allen Spielwelten Zwifts stattfindet. Derzeit läuft gerade die Tour of Watopia über fünf Etappen, jeweils unterteilt in eine flache Etappe, eine Bergankunft, etwa schnelles, und so weiter. Einsteigen ist hier noch möglich, ein Nachholen von verpassten Rides natürlich auch.

Auch wenn diese Fahrten meist nicht als Rennen betitelt sind, geht es dort doch recht anspruchsvoll zur Sache. Und auch wenn man es locker angehen lassen möchte, wird man vom Herdenverhalten mitgetrieben, will den Vordermann einholen, noch eine Platzierung gewinnen und die Wattwerte in die Höhe schrauben.

III - Challenges

Ganz ohne Druck geht es hingegen bei den Challenges zu. Hier sind grundsätzlich zeitlich begrenzte Aktionen und die drei großen Zwift-internen Aufgaben zu unterscheiden. Bei letzteren gibt es zwei kilometer-bezogene Challenges, bei denen lediglich eine gewisse Distanz abzuspulen ist: “Ride California” führt dabei über 1.284 Kilometer, bei der “Tour Italy” sind dann schon 2.000 Kilometer zurückzulegen. Allseits bekannt ist hingegen die Everesting Challenge, bei der zuerst ein “normales” Everesting zu absolvieren ist und in einem weiteren Schritt dann das Erreichen von insgesamt 50.000 Höhenmetern, um an das heißbegehrte Tron Concept-Bike zu gelangen. Bei diesen drei Challenges ist zu beachten, dass gefahrene Kilometer und Höhenmeter jeweils nur für die Aufgabe zählen, die gerade aktiviert ist! Das ist auch der Grund, warum ich mein Tron-Bike noch nicht habe, weil ich sehr lange herumgefahren bin, ohne dass die Everesting-Challenge aktiv war.

Zeitlich begrenzt und meistens an aktuelle Ereignisse, Events oder Aktionen geknüpft sind hingegen jene Challenges, die immer wieder einmal in Zwift aufpoppen. Fahre “2.900 Höhenmeter mit einem MTB” und gewinne ein Scott RC Spark im Rahmen der Absa Cape Epic Challenge, “verbrenne 10.000 Kalorien in einem Monat”, fahre x Kilometer auf dieser und jener Strecke mit dem Zwift-Zeitfahrrad und ähnliches. Dabei kann man sich gut und selbst einteilen, ob, wann und wie man diese Aufgaben erfüllen möchte. Für Unterhaltung und Abwechslung ist auf diesem Wege allerdings gesorgt, besteht die Challenge doch oft aus Dingen, die man sonst wahrscheinlich nicht so schnell machen würde oder die man so einfach nicht am Radar hat.

IV - Badges

Ich bin ein großer Freund von Gamification und damit auch von Badges, Levelaufstiegen und Belohnungen. Zwift animiert die Userin und den User zu einer Vielzahl von Dingen und diese werden in der Regel auch mit einem Badge belohnt. Erzielte Wattleistungen, abgespulte Kilometer, erhaltene “Ride-Ons” und regelmäßige Zwift-Besuche - das alles wird mit virtuellen Trophäen und wertvollen XP-Points aufgewogen. Für einzelne Ziele erhält man auch neues In-Game-Equipment. “Klassiker” sind dabei natürlich die 100 und die 160-Kilometer-Challenge - für diese wäre ja jetzt gerade genug Zeit.

Recht neu und ein weites Betätigungsfeld sind die Route Achievements. Bei denen bekommt man für jede Route, die man abfährt einen Badge und XP-Points. Wer so wie ich eine ausgeprägte Sammelleidenschaft für Badges hegt, kann in diesen Tagen zum Beispiel der Reihe nach die unterschiedlichen Strecken auf Zwift abfahren und dafür gute XP-Punkte und Badges einheimsen. Wichtig dabei (und etwas umständlich) ist, dass pro Zwift-Session nur ein derartiger Route-Badge gesammelt werden kann. Will man einen weiteren Route-Badge holen, muss man vorher kurz die Aktivität beenden und eine neue starten. Eine kurze und flache Runde ist entsprechend schnell und einfach geholt, während die harten Brocken (“Four Horseman”, “Uber-Pretzel”) mit 100+ Kilometern und entsprechend Höhenmetern natürlich mehr XP bringen. Ein rascher Levelaufstieg ist auf diesem Weg garantiert.

V - Trainingsprogramme

Es steht außer Frage, dass Zwift für strukturiertes und kontrolliertes Training sehr gute Rahmenbedingungen bietet. Ohne Umwelteinflüsse, Steigungen und rote Ampeln kann man sich ohne Ablenkung auf das wattgesteuerte Training konzentrieren. Die Suche nach Streckenabschnitten, die sich für einen 20-Minunten-Test eignen erübrigen sich damit weitgehend.

Zwift bietet eine Reihe von Trainings-Sessions aber auch mehrtätigen oder sogar mehrwöchigen Trainingsprogrammen. Diese kann man sich durchaus einmal näher ansehen, alle zielen auf unterschiedliche Bereiche des Trainings oder der Leistungsentfaltung ab. Und die Rolle bietet auch die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, die man im Freien sonst nicht so ohne weiteres versuchen kann oder möchte - zum Beispiel einseitiges Pedalieren.

VI - TT-Bikes/TT-Position

Ein Fixtermin in meinem jährlichen Renn- und Eventplan ist der King of the Lake - das einzigartige Einzelzeitfahren rund um den Attersee. Allerdings waren meine bisherigen Versuche auf dem Zeitfahrer eher von Nackenschmerzen und Positionsschwierigkeiten geprägt. Daher hatte ich schon letzten Herbst den Plan geschmiedet, mein Zeitfahrrad auf die Rolle einzuspannen und dort über den Winter etwas an der Position zu arbeiten. Wobei “an der Position arbeiten” in meinem Fall nicht bedeutet, die letzten Hundertstel rauszuholen sondern einfach meinem Rücken möglichst schonend beizubringen, dass er über eine längere Zeit in dieser Position verharren soll. Sich dabei nicht aufs Fahren konzentrieren zu müssen, sondern sich auf der Rolle statisch an diese Verrenkung heranzutasten, ist ein großer Vorteil. Und es kann ein “Projekt” sein, dem man sich in den nächsten Tagen und Wochen annimmt. Auf dass der King of the Lake im September schon wieder in jener Zeit liegt, in der Veranstaltungsabsagen kein Thema mehr sind.

In Zwift spielen Zeitfahrräder auch insofern eine besondere Rolle, als auf diesen kein Windschatten zu nützen ist. Wer daher auf Zwift die Schwierigkeit seiner Ausfahrten und Rides steigern möchte, steigt einfach mal auf ein Zeitfahrrad. Das Zwift-eigene TT-Bike ist von Beginn an freigeschaltet, die Maschinen von BMC, Specialized und Canyon (bis hin zum fürchterlich aussehenden Diamond Back) kann man hingegen freischalten bzw. in-game erwerben (dazu gleich noch mehr). Noch ein positiver Nebeneffekt: Am TT-Bike erhält man bei der Durchfahrt eines Bogens (Start, Ziel, Wertung, usw.) immer Bonus-XP.

VII - Anderes Rad - Anderer Untergrund

Doch auch noch weitere Radgattungen haben in den letzten Monaten Einzug auf Zwift gehalten. Crosser, Gravel- und Mountainbikes durchmischen die Räder des virtuellen Pelotons. Und damit diese Maßnahme nicht nur rein optischer Natur ist, wurde auch der Rollwiderstand der unterschiedlichen Untergrundbeschaffenheiten entsprechend angepasst. Die Erdfahrbahn des Jungle Circuit ist beispielsweise auf einem MTB um vieles schneller zu bewältigen als mit einem klassischen Rennrad. Einfach mal ausprobieren - auch hier sind einige Räder schon von Beginn an verfügbar, andere muss man sich erst verdienen.

VIII - Eigenen Style entwickeln

Der In-Game-Shop in Zwift ist mir grundsätzlich sehr sympathisch, nützt er doch als Währung kreditkartenschonende Schweißtropfen. Mit jedem Kilometer auf Zwift sammelt man diese und hat man sein Konto weit genug aufgefüllt, kann man sich um Schweißtropfen neue Rahmen und Laufräder “kaufen”. Voraussetzung für manche Teile ist außerdem ein gewisses Level.

Auf diesem Wege kann man sich sukzessive “seine” Teile zusammensuchen und so seinen eigenen Stil auf Zwift festlegen. Das mag vielleicht infantil und überflüssig klingen, ich schaue allerdings gerne auf einen Avatar, der mir auch gefällt. Und vielleicht fährt meine Spielfigur auch mit dem gleichen Rad wie jenes, das bei mir im Vorzimmer steht. Oder man erarbeitet sich sein virtuelles Traumrad. Brillen, Helme, Handschuhe, Sockenfarben und ein Haufen Trikots bieten nahezu unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten. Und auch meine grauen Haare kann ich in Zwift mit Stolz reproduzieren…

IX - Ernährung

Nicht ganz unter Laborbedingungen aber doch kontrolliert und mit einem ständigen Sicherheitsnetz (namens Küche oder Badezimmer) kann man auf der Rolle auch noch andere Dinge erproben. Ernährungsstrategien, Verträglichkeiten, Nüchterntrainings, neue Riegel und Gels, andere Geschmacksrichtungen und noch vieles mehr. All diese Dinge sollte man vor einem Rennen oder Event versucht und herausgefunden haben, warum sollte man das nicht in Ruhe und Sicherheit auf der Rolle machen. Und wo wenn nicht dort, kann man sich fünf Trinkflaschen nebeneinander aufstellen, ohne dass die Transportkapazitäten an ihre Grenzen gelangen.

X - Eigene GPX-Strecken nachfahren

Nicht 100% Zwift-relevant aber jedenfalls ein Thema für die Rolle ist das Nachfahren von Strecken über den Radcomputer. Wahoo bietet hier beispielsweise die Möglichkeit, einen vorhandenen GPX-Track schnell und problemlos nachzufahren - inklusive Simulation der Steigungen. Dabei ist es egal, ob man diese Strecke schon einmal selbst gefahren ist, sich einen GPS-Track von jemand anderem besorgt (z.B. als Download von Strava oder GPSies) oder einen Track über ein entsprechendes Routenplanungstool anlegt.

Der Wahoo verbindet sich mit dem Kickr, sobald dieser in der Nähe ist und mit wenigem Knopfdrücken steht man schon am Start der virtuellen Route. Auf diesem Wege kann man den Mont Ventoux hinaufradeln, die gewohnte Greifenstein-Runde nachfahren oder aber sich auf ein spezielles Event vorbereiten. Einfach das GPX-File eines Teilnehmers oder einer Teilnehmerin vom letztjährigen Radmarathon besorgen und schon kann es losgehen. Nicht nur Formel 1-Piloten schauen sich vorher die Rennstrecke auf der Playstation an. Ich habe mir beispielsweise die Route der Race Around Austria Challenge rund um Oberösterreich als GPX angelegt und diese Route in 40km-Abschnitte eingeteilt. Auf diesem Wege kann ich nun die Strecke meines Projekts kennenlernen - natürlich nicht mit dem 100%-igen Realitätsgrad aber zumindest als Annäherung. Vorsicht ist hier nur geboten, wenn man einen Routenplaner mit mäßiger oder schlechter Kartengrundlage verwendet, dann werden Steigungen nämlich oft nicht realitätsgetreu (sondern eher sprunghaft) dargestellt und auch entsprechend an den Rollentrainer weitergeleitet. Bei mir haben sich tatsächlich gefahrene Strecken (als gpx-File) am besten bewährt.

XI - Zwift Run

Wer den Luxus eines Laufbands genießt, kann - etwas außer Radler-Konkurrenz - natürlich auch die Lauf-Funktionen von Zwift ausprobieren. Die Lauf-Sektion der Software kommt in den Genuss ständiger Weiterentwicklungen und auch das Publikum und die Nutzer*innen werden täglich mehr. Das Lauf-Universum auf Zwift gleicht grundsätzlich jenem des Radfahrens - mit den gleichen Challenges, Badges, anderen und zusätzlichen Strecken und dem gleichen Motivationsschub, wie es auch beim Radeln der Fall ist.

Ride On!

Wer noch Tipps zum Setup von Zwift braucht, findet eventuell hier ein paar Ratschläge!

Tour de Zwift

Alle Jahre wieder ruft Zwift zur hauseigenen Tour de Zwift. Es ist ein Weckruf, eine Motivationshilfe oder ein Unterhaltungsformat - je nachdem, wie sehr man nach dem Jahreswechsel und der Wiehnachts-Völlerei schon wieder im (Trainings-)Alltag angekommen ist. Die wachsenden Userzahlen und die mittlerweile sieben Welten machen die “TdZ” mittlerweile zu etwas großem! Group Rides mit 1.000 anderen Usern? Kein Thema! Stündliche Veranstaltungen? Logisch. Live Streams auf Youtube von TdZ-Rennen? Schaue ich persönlich mir nicht an, aber gibts auch. Die einschlägigen Facebook-Gruppen und Foren gehen über mit Tipps, Fragen und Erlebnisberichten - da möchte auch ich um nichts nachstehen. Los geht´s!

Stage 1: London

Bei manchen Vorhaben schaut man sich im Vorfeld am besten gar nicht so genau an, was auf einen zukommt, sondern legt einfach los. So habe ich es mit der Tour de Zwift 2020 gemacht. Die letzten Jahre hat es die Etappen-Veranstaltung zwar auch schon gegeben, allerdings war ich da nur sporadisch mit von der Partie. Und nachdem ich 2019 die Festive 500 abgeschlossen hatte, war ich auch motiviert, gleich die nächste strukturierte Aufgabe zu bekommen.

Es geht los in London! Zur Auswahl stehen - und Zwift versucht es hier tatsächlich, möglichst allen recht zu machen - Group Rides, Women Rides, Races und Runs. Der Modus und der Wettbewerbslevel sind also frei wählbar, in der Praxis unterscheidet sich das allerdings etwas weniger als gedacht. Während die üblichen Kategorien “A” bis “D” bei den Rennen wie gewohnt die Leistungskategorien markieren, fahren die “A”s bei den Group Rides eine längere, die “B”s eine kürzere Strecke - je nach Route sind das immer so um die 40 Kilometer auf den langen, entsprechend ca. die Hälte oder etwas mehr auf den kurzen Strecken.

Zweieinhalb Runden durch die Londoner City - vorbei am Palast, in dem sich gerade royale Abnabelungs-Dramen abgespielt haben - und zum Abschluss zur Bergwertung am Leith Hill. Es geht wie immer auf Zwift vom Start gleich flott los, es kommt nicht so wirklich dazu, dass sich Untergruppen gleicher Leistungsstärke bilden, viel eher zieht sich der ganze Pulk in die Länge und man muss schnell entscheiden, ob man mit den Vorderen mitfahren möchte oder sich zurückfallen lassen muss. 250 bis 300 Watt stehen auf dem Display, weniger werden es allerdings auch mit zunehmender Renndauer nicht. Irgendetwas in mir wird getriggert - auch wenn ich eigentlich langsamer fahren möchte, ich fahre die Lücke zum Vordermann zu, möchte an der Gruppe dranbleiben - und die Beine machen erstaunlicherweise halbwegs mit.

Ein paar Kilometer vor dem Ziel geht es Richtung Leith Hill - meiner Meinung nach der fieseste Anstieg in London. Im Anstieg sortiert sich das Feld noch einmal neu - einige ziehen vorbei, andere, die man davor noch vorne gesehen hat, fallen zurück. Ich versuche meine Leistung auch im Anstieg konstant weiterzutreten. Nach 70 Minuten ist der Spuk vorerst vorbei, 250 Watt Schnitt stehen auf der Ergebnistafel. Unter dem Rad hat sich eine große Lacke Schweiß gebildet. Während noch die Verwunderung über die Intensität des Rides überwiegt, trudelt schon das Mail von Zwift ein, in dem zum Abschluss der ersten Etappe gratuliert wird. Und schon ist die Motivation für die zweite Etappe da!

Stage 2: Innsbruck

Auch wenn die Strecke schwer ist, ich freue mich immer, wenn Innsbruck im Kalender von Zwift aufscheint. Vielleicht liegt es daran, dass es in Österreich ist, sicher aber auch daran, dass ich 2018 bei der Weltmeisterschaft vor Ort war. Und die berüchtigte Höttinger Höll des Elite-Herrenrennens ist ja nicht Teil der Strecke - mir fällt auch keine Rollen-Trainer ein, der die aberwitzige Steigung von 28% simulieren könnte.

Wie schon in London geht es zuerst drei Runden durch die Stadt - vorbei am Goldenen Dachl und den anderen Sehenswürdigkeiten der Tiroler Landeshauptstadt - und dann hinauf Richtung Patscherkofel. Da ich schon länger nicht auf der Zwift-Strecke von Innsbruck unterwegs war und dieses Mal mit dem TdZ-Group Ride noch dazu unter “offizielleren” Bedingungen, werde ich fast schon sentimental während der Fahrt. Ich kann mich noch an jede Rennsituation und Begebenheit erinnern. Das Foto von Greg van Avermaet mit den belgischen Fans kurz vor der großen Fanzone, die lange Gerade vor Lans, in der Peter Sagan den Anschluss an das Hauptfeld verlor, der Campingplatz unter der Bobbahn Igls, bei dem Marco Haller sich das Rennen angesehen hat.

Diese Gedanken lenken davon ab, dass es wiederum viel härter als geplant ist und auch die Absicht, es dieses Mal ruhiger angehen zu lassen, sofort über Bord geworfen wurde, als der Startcountdown zu Ende war. 239 Watt Schnitt über 76 Minuten sind nicht das, was ich eigentlich eher im Sinne eines Grundlagentrainings absolvieren hätte sollen, auch wenn es wieder großen Spaß gemacht hat.

Überhaupt nicht sentimental werde ich allerdings, als das iPad vor mir plötzlich beschließt, die Zwift-App upzudaten. Das Rennen war schon vorbei und ich wollte einen Screenshot vom Ergebnisbildschirm machen, da wird plötzlich der Bildschirm schwarz und die App beginnt ein Update. Hätte ich noch einen Tropfen Flüssigkeit in mir gehabt, er wäre in Form von Tränen panisch aus meinen Augen geschossen. Der Neustart der App nach dem Update, ermöglichte mir zwar, die Aktivität fortzusetzen, allerdings nicht mehr als TdZ-Group Ride sondern einfach als "Aktivität in Innsbruck”. Auch eine Nachfrage beim netten und flinken Zwift-Support konnte daran nichts ändern. So bleibt mir nichts anderes über, als noch einmal durch das schöne Innsbruck zu fahren. Nach Ablauf der regulären sieben Etappen der Tour de Zwift gibt es die sogenannten Make-Up-Tage, an denen man Versäumtes oder - wie in meinem Fall - “Verhautes” nachholen kann.

Stage 3: Watopia

Watopia ist quasi “Kernland” von Zwift - immer online und anwählbar, mit den meisten und längsten Strecken und der größten Vielfalt. Die Routenoptionen sind mannigfaltig, dementsprechend war ich gespannt, welche Strecke die Tour de Zwift unter die Räder nehmen würde. Auf 43 Kilometern der langen Gruppen-Ausfahrt waren dann dementsprechend der Epic KOM, der Jungle und eine Runde um den Vulkan untergebracht. Während bei den ersten beiden Etappen noch das Fahren in der Gruppe im Vordergrund stand, wurde durch den Epic KOM gleich zu Beginn der Watopia-Runde schon ordentlich aussortiert, sodass man im Normalfall schon nach der halben Distanz in einer kleinen Gruppe oder überhaupt alleine unterwegs war.

Verschärfend wirkte außerdem das neue Feature von Zwift, bei dem die Untergrundbeschaffenheit (im Fall der Jungle-Strecke: Schotter und Erde) sich auf das tatsächliche Fahrverhalten bzw. die Geschwindigkeit auswirken. Mit 250 Watt auf Erde ist man mit dem Rennrad plötzlich bedeutend langsamer unterwegs und es fühlt sich an, als würde man überhaupt nicht mehr vom Fleck kommen. Das Feature wurde übrigens gleichzeitig mit den MTB- und Offroad-Trainingsplänen, der MTB-Teststrecke und den neue Offroad-Fahrrädern im Drop-Shop eingeführt.

Der eine oder andere Mitstreiter bei meiner Tour de Zwift war dann plötzlich verschwunden, dann wieder da, dann wieder verschwunden und ich vermutete schon Instabilitäten des Systems bis ich jedoch überriss, dass die Leute ihre Räder wechseln. Mit dem Crosser oder gar dem MTB ist man auf den Schotterpisten doch entsprechend schneller unterwegs. Mir war das zu mühsam, außerdem wollte ich dem Gedanken der Veranstaltung entsprechen und fuhr auf dem Renner meinen Jungle Circuit zu Ende. Auch hier gilt - wie bei fast allen meinen anderen Veranstaltungen auch: es ist egal, ob man als 214. oder als 340. ins Ziel kommt.

Stage 4: Bologna

Die Straßen von Bologna hatte ich vorher noch nie in Zwift befahren, dementsprechend war ich sehr gespannt und neugierig - neue Streckenkilometer in Zwift sind ja immer etwas Besonderes. Aufgrund einer Verkühlung war der Plan, es etwas lockerer angehen zu lassen - doch wie immer wurde ich eines anderen belehrt oder besser: ich konnte mich nicht zurückhalten. In völliger Unkenntnis der Strecke hängte ich mich an die Gruppe vor mir, die in der Ebene schon mit 250 Watt+ durch das schöne Bologna raste. Ich wusste nur “Zeitfahren”, was sollte da schon groß für ein Anstieg vorkommen…

Und so dachte ich mir auch nach gut sechs Kilometern, dass es wohl gut so weiterrollen würde. Bis sich hinter einer unscheinbaren Kehre plötzlich eine Wand aufstellte. Die Punkte der anderen Fahrer auf der Minimap häuften sich zu großen Bündeln, wie eine Prozession schlängelte sich das Fahrerfeld über 15 Prozent steile Rampen nach oben. Die pittoreske italienische Architektur konnte auch nicht davon ablenken, dass es in den Beinen zu kitzeln begann.

Zwei Kilometer misst dieser Anstieg und spätestens hier darf man bereuen, dass man die lange Strecke ausgewählt hat, die nämlich zwei mal hier rauf führt. Die ersten Fahrerinnen und Fahrer kommen schon wieder den Berg herunter, während ich noch Watt für Watt gegen die 17 Prozent Steigung im steilsten Abschnitt kämpfe.

Zerstreuung finde ich in der Tatsache, dass ich vor einigen Jahren auf Dienstreise in Bologna war und dort bei einem Lauf vor meinen Terminen einen ähnlichen Berg hinaufgelaufen bin. Während des ganzen Rennens überlege ich und versuche einzelne Gegebenheiten wiederzuerkennen - wäre doch ein netter Zufall, wenn das genau hier gewesen wäre. Strava wird mich später aufklären, dass ich beim Kloster einen Hügel weiter war und nicht da, wo später der Giro drübergerollt ist.

Die Abfahrt beschert mir ein Zwift-Achievement, als ich die 100 km/h-Schallmauer durchbreche. Dass ich gleich danach mit 106 km/h durch eine Spitzkehre durchfahre ist physikalisch zweifelhaft und lässt mich kurz darüber nachdenken, ob man auf Zwift nicht doch ein bisschen den Bezug zur Realität verlieren kann. Der Rückweg zum Start, die erneute Fahrt zum Anstieg und das zweite Mal den Berg hinauf vergehen erstaunlich schnell - die Bergankunft motiviert, noch einmal richtig anzudrücken. 257 Watt Normalized Power sind in meinem Zwift-Fall immer auch 257 Watt Durchschnittsleistung, höre ich doch auf dem Kickr eigentlich nie auf zu treten. Jedenfalls die anstrengendste Etappe der diesjährigen Tour de Zwift!

Stage 5: New York

Mit New York verbindet mich eine Hassliebe - die Routen und Varianten dort sind spannend und vielseitig aber auch sehr anspruchsvoll. Und gerade die KOM-Wertung zwischen den Wolkenkratzern verlangt mit ordentlichen Steigungsprozenten einiges ab. Die Systematik der Etappen der Tour de Zwift habe ich allerdings mittlerweile durchschaut, ich kalkuliere also schon von Beginn an zwei Bergwertungen ein, das macht es im Kopf etwas einfacher.

Ich verschlafe den Start des Rides etwas, bin plötzlich 800. von knapp 900 Teilnehmern des Rides und überlege kurz, den heutigen Tag als entspannten GA1-Ride abzuwickeln. Die ersten Lücken gehen schnell auf und irgendwie macht es auch hier wieder mehr Spaß, den Vordermann zu jagen und die nächste Lücke schließen zu wollen. Es rollt fein durch den Central Park, mit entsprechendem Schwung in den kurzen Abfahrten bereiten auch die darauffolgenden kleinen “Schupfer” kein allzu großes Kopfweh. Den KOM versuche ich beide Male “ambitioniert” zu nehmen, das Mühsal also in einen positiven Trainingsanreiz zu verwandeln. (Pro Tip: Außerdem ist es schneller vorbei, wenn man schneller drüberfährt).

Dazwischen bleibt genug Zeit, beim Group-Chat mitzulesen: über die Regeln der Tour de Zwift (keine Tron Bikes in Rennen, keine Zipp-Scheibe in Rennen), über jene, die einzelne Etappen nicht nur radfahren sondern auch laufen oder die üblichen Meldungen wie “Meine Trinkflasche ist gerade runtergefallen”, die meist recht unterhaltsam kommentiert werden. Alles Dinge, die Teil des Rezepts von Zwift sind, nämlich die Zeit am Rollentrainer kurzweilig und unterhaltsam zu gestalten.

Stage 6: Richmond

Auch wenn die bisherigen Etappen - wie man so schön sagt - kein “Kindergeburtstag” waren, für Richmond wollte ich mich aus meiner Komfortzone wagen. Richmond, der Kurs der WM 2015, war kurz beliebt, dann eher unbeliebt bis verhasst, dann wieder beliebt - zumindest bei mir. Die schnellen, flachen Teile mit den drei kurzen Anstiegen haben ein Profil, das mir als Fahrer grundsätzlich ganz gut entgegenkommt und beim 23nd Street-Sprint sehe ich noch immer jedesmal Peter Sagan vor mir, wie er die entscheidenden Meter auf seinem Weg zum ersten Weltmeistertitel herausfährt.

Ich mag also Richmond, wähle diesmal “Rennen” statt “Group Ride”, eine Runde auf dem WM-Kurs entspricht 16 Kilometern. Sollte ich also im Rennen völlig am falschen Platz sein, ist der Spuk immerhin in rund 25-30 Minuten wieder vorbei. Bei der Anmeldung stehe ich vor einem Problem, das mir früher schon einmal Kopfzerbrechen gemacht hat. Die Leistungskategorien in Zwift sind nach Watt/Kilogramm unterteilt, mein derzeitiger FTP-Wert liegt genau an der Grenze zwischen den Gruppen B und C, bei rund 3,2 Watt pro Kilogramm. In der Praxis bedeutet das, entweder in Gruppe C mitzufahren und disqualifiziert zu werden, weil man über der zulässigen W/Kg-Grenze tritt oder aber bei Gruppe B mitzufahren, dort allerdings zu den Schwächeren zu gehören. Ich wähle Race Spirit und dementsprechend Gruppe B, es ist dies ohnehin ein Testlauf und eigentlich möchte ich einfach nur meine persönliche Tour de Zwift in meinem Tempo abschließen.

Rennen auf Zwift entscheiden sich in der Startphase. Kurz bevor der Startbogen sich öffnet sollte man schon recht ordentlich in die Pedale treten, damit man nicht schon auf den ersten Metern wertvollen Boden verliert. Begründet liegt dieses “Vorarbeiten” in der Tatsache, dass Zwift ein Drei-Sekunden-Mittel der Leistung heranzieht (zumnidest ist das die Default-Einstellung). Beginnt man demnach erst eine Sekunde vor Start zu treten, “fehlen” zwei Sekunden für die volle Leistung. Mit etwas über 400 Watt geht es aus dem Startbereich hinaus, hier muss man zwei bis drei Minuten ins Rote gehen, bevor sich die Gruppen finden und das ganze etwas zur Ruhe kommt. Wichtig ist, an einer Gruppe dranzubleiben - nur mit dem Draft-Effekt von Zwift kann man mit gut 45 km/h mitschwimmen. Ist man einmal aus dem Windschatten draußen, wird es schwierig.

Die knapp 25 Minuten sind intensiv, der Puls ist hoch, die Wattwerte bleiben oben. Es ist ein gutes FTP-Intervall, wenn man so will - oder wenn man die Anstiege als kleine Intervalle hernimmt, dann die sogenannten “Over and Unders”. Am Ende stehen 294 Watt Leistung im Schnitt auf dem Ergebnisblatt, gerade genug für einen 71. Rang (von 127) in der Kategorie B. Willkommen in der Leistungsgesellschaft von Zwift! Die Schweißlacke unter meinem Rad deutet an, dass mein Körper sich ausgiebig gereinigt hat - kurze intensive Einheiten haben irgendwie schon auch ihr Gutes.

Stage 7: Yorkshire

Mit dem Kurs der letzten Weltmesiterschaft in Yorkshire werde ich irgendwie nicht warm… Einerseits liegt mir die Strecke mit ihren Eigenschaften (wellig, keine allzu großen Steigungen), auf der anderen Seite bereitet es mir aber ungefähr so viel Lust dort zu fahren, wie es den Profis gefallen haben muss, durch 20 Zentimeter hohe Wasserlacken zu radeln. Vielleicht ist es aber auch die ewig lange Gerade gleich nach dem Start, die eine gewisse Monotonie suggeriert. Egal, es ist die letzte Etappe der Tour de Zwift 2020.

Zum Abschluss wähle ich noch einmal die lange Gruppen-Ausfahrt, über zwei Runden auf dem WM-Kurs geht es über knapp 30 Kilometer, es sind zur Hauptabendzeit massig Leute am Start (die Rides zwischen 18:00 und 20:00 sind am besten besucht), die Strecke garantiert ausreichend Mitfahrende und entsprechenden Windschatten.

Da mein Rennrad tatsächlich auch einmal im Ausseneinsatz (bei einer Ausfahrt mit Tini und Andy von geradeaus.at) war, kommt meinem Crosser die Ehre zu, in den Kickr eingespannt als Zwift-Rad zu fungieren. Was ich dabei allerdings nicht bedacht habe, ist die kleinere Übersetzung des Crossers, die mich bei 40x11 zu einer Einheit “Superfast-Spinning” zwingt, um meiner Gruppe folgen zu können. Aber auch diese Herausforderung kann irgendwie gemeistert werden und das Training hat unfreiwilligermaßen einen zusätzlichen Aspekt hinzubekommen.

Während andere bereits ihre virtuelle Trophäe für den Abschluss der Tour de Zwift erhalten, fehlt mir - aufgrund meines Innsbruck-Speicher-Fehlers - noch eine Etappe. Diese wird aber sogleich nachgeholt, folgen doch nach den regulären Etappen die sogenannten ”Make-Up-Days”.

Make-Up Days!

Für jene, die eine Etappe versäumt, versemmelt oder vergessen haben, bieten die Make-Up-Days die Möglichkeit, diese Scharte auszumerzen. Für jede Etappe gibt es dabei entsprechende Events, bei denen man sich nochmal an die jeweilige Startlinie stellen kann. Wäre doch schade, wenn man wegen Terminen, Erkältungen oder anderen Hinderungsgründen auf den Abschluss der Tour und die virtuelle Trophäe verzichten müsste…

Meine zweite Innsbruck-Runde bietet wenig überraschendes, viel mehr die Möglichkeit, noch einmal zurückzuschauen auf die letzten beiden Wochen, zu analysieren und vor allem zu resümieren.

Was hat es gebracht?

Wie immer wird man sich Kritik aus zwei Ecken gefallen lassen müssen:

  1. Warum tut man sich das an - für einen virtuellen Pokal, einen virtuellen Badge, ein virtuelles Trikot, ein Rad oder - wie beispielsweise auch bei den Festive 500 - für einen kleinen Stoff-Fetzen?

  2. Radfahren auf Zwift ist doch gar kein richtiges Radfahren und nützt für das “echte” Radfahren draußen nichts.

Die Replik darauf kann mannigfaltig erfolgen und spiegelt meine persönlichen Erfahrungen wider: Der Stoff-Badge, der virtuelle Pokal oder das Trikot sind kleine Freunden und Zeichen der Anerkennung, aber auch Platzhalter. Als solche stehen sie stellvertretend für einen Erfolg, den man errungen hat (immerhin ist man gerade sieben Etappen gefahren), den inneren Schweinehund, den man überwunden hat oder aber die Liter Schweiß, die man “erfolgreich” herausgeschwitzt hat. Wer diese Leistung nicht vollbracht hat, sollte am besten gar nicht urteilen (Stichwort: “Glashaus”). Durch meine Festive 500 Ende letzten Jahres habe ich (wieder einmal) vor Augen geführt bekommen, wie wichtig Training im Winter ist, wenn man im darauffolgenden Jahr gut unterwegs sein möchte. Die Grundlage, die ich mir dort erarbeitet habe, wird mir im Laufe des Jahres noch viel Freude bereiten. Und ähnlich sehe ich es auch mit der Tour de Zwift: Hier waren es nicht die Grundlagen-Kilometer sondern eher Tempo-Einheiten, aber auch diese erfüllen ihren Zweck im Trainingsalltag. Ohne die Tour de Zwift wäre ich vermutlich im Grundlagentempo auf Watopia herumgerollt - auch sinnvoll, aber ein paar knackige Tempo-Einheiten bereichern das Training enorm.

Und auch der zweite potentielle Kritikpunkt kann leicht beantwortet werden. Die Anstrengung, der Schweiß und auch die Schmerzen sind echt, die Trainingsbelastung ist real und der Effekt jedenfalls vorhanden. Wie und inwiefern man Radfahren auf Zwift mit jenem draußen vergleichen kann, darüber sollen sich Zwift-Blogs, User-Foren und Wissenschafter weiter den Kopf zerbrechen.

Für mich stellt Zwift einen wertvollen und wesentlichen Beitrag in meinem Training dar und ich habe keine Zweifel daran, dass mir die Stunden auf dem Wahoo später im Jahr helfen werden. Sicherlich fühlen sich die echten Berge anders an als Alpe du Zwift und Wattwerte von Zwift wird man eventuell auf der Straße nicht 1:1 reproduzieren können - aber so viel Realitätssinn muss im Endeffekt jede und jeder haben, dass man seine eigenen Leistungen realistisch einschätzen und auf andere Situationen übertragen kann.

In diesem Sinne: Danke, Tour de Zwift, für spannende, unterhaltsame und fordernde Stunden im Sattel. Danke, dass ich aus der Komfortzone gelockt wurde. Danke, dass ich zu regelmäßigen Einheiten “gezwungen” wurde. Danke für ein strukturiertes und durchdachtes Format, bei dem ich mich um nichts mehr kümmern muss, als ums Treten. Und danke für die Belohnung ;)

Was bringt 2020?

Mit Vorsätzen für das neue Jahr ist es so eine Geschichte… Der Schwung, Elan und Idealismus aus den wenigen freien und hoffentlich entspannten Tagen rund um Weihnachten und Neujahr ist in der zweiten Jännerwoche oft schon wieder zur Gänze verflogen - und damit auch die guten Vorsätze. Grund genug für mich, mit meinen Plänen für das Jahr 2020 erst dann herauszurücken, wenn das Jahr wieder in seine normale Ordnung zurückgekehrt ist, der Alltag erneut funktioniert und auch die eine oder andere Idee wieder sanft auf dem Boden der Realität angekommen ist.

2019 war gut zu mir und meinen Projekten - darüber können auch kleine Rückschläge, DNFs und Weh-Wehchen nicht hinwegtäuschen. Die Möglichkeiten, hier meine Erlebnisse mit anderen zu teilen, haben mir im vergangenen Jahr große Freude bereitet und werden das auch in den kommenden Monaten tun. An der Mischung aus Rennberichten, Tests, Fotos und - seit kurz vor Weihnachten - Podcasts wird sich 2020 also nichts Wesentliches ändern. Jedes Format kommt dort zum Einsatz, wo es am besten passt.

169k

An der sportlichen Front habe ich mein großes Ziel aus dem letzten Jahr kurzerhand ins neue Jahr mitgenommen. Die Teilnahme an der Race Around Austria Challenge ist 2019 noch an meinem bescheidenen Fitnesslevel und den mangelnden Trainingsstunden gescheitert, für 2020 sind die Rahmenbedingungen bessere. Das Training - sowohl in Struktur als auch Umfang - ist schon jetzt auf das Highlight des Jahres ausgerichtet, dafür habe ich sogar einen Teil meiner Freigeistigkeit aufgegeben und mich einem Leistungstest und dazugehörigen Trainingsempfehlungen unterworfen. Zusätzliche Motivation erhalte ich aus dem Rennmodus der RAA Challenge, die dieses Jahr zum ersten Mal in einer “Unsupported”-Variante bestritten werden kann. Dabei verzichtet man auf Begleitfahrzeug, Crew und Support und begibt sich alleine auf die 560 Kilometer lange Distanz rund um Oberösterreich. Ich war bei der Testfahrt im Oktober dabei und habe mir dort meinen letzten Gusto geholt - auch wenn mich die Anstiege im Mühlviertel kurz zweifeln haben lassen. Besonders freut mich, dass der Virus Race Around Austria auch in meinem Umfeld zu wirken begonnen hat - so finden sich in und rund um Wien mehrere Mitstreiter und Teams, die man wohl an der Startlinie in Sankt Georgen treffen wird. Das RAA wird mich - und dadurch auch alle Leser/Hörer/Seherinnen von 169k - das Ganze Jahr über in unterschiedlichen Formaten begleiten - von einem Videotagebuch über einen RAA-Nightride in Wien bis hin zu RAA-”Stammtischen”, die Teilnehmer*innen und Interessierte unkompliziert zusammenbringen.

Ob und in welcher Form ich auch beim zweiten Rennen “Rund um…”, dem Race Around Niederösterreich nämlich, dabei sein werde, ist derzeit noch Thema von Verhandlungen und Überlegungen. Fix hingegen sind einige andere Termine: Gespannt bin ich auf den Radmarathon Bad Kleinkirchheim, der als Teil der Austria Top Tour in den Rennkalender zurückkehrt. Wir erinnern uns, vor wenigen Jahren gab es dort einen Unfall, eine darauffolgende Klage eines Teilnehmers und als Rattenschwanz bleiben uns heute noch dutzende Formulare und Haftungserklärungen, die wir vor jedem Rennen und Marathon zu unterzeichnen haben. Umso bewundernswerter finde ich, dass die Organisatoren rund um den Radclub Feld am See die Segel nicht endgültig gestrichen sondern mit voller Kraft weitergemacht haben und dieses Jahr wieder ein Rennen stellen. Auch Teil der Top Tour ist der Super Giro Dolomiti, mit dem ich bekanntermaßen ja noch eine Rechnung offen habe - dass ich diese Scharte ausgerechnet über den Monte Zoncolan ausmerzen soll, macht die Sache nicht einfacher aber der Blogpost wird so oder so ein guter werden - da bin ich zuversichtlich.

Noch ein weiterer Baustein der Austria Top Tour - wenn auch auf anderem Untergrund - ist die Salzkammergut Trophy in Bad Goisern. Nachdem ich seit letztem Jahr nebenbei wieder auf dem MTB sitze und in Mondsee auch mein erstes diesbezügliches Rennen bestritten habe, steht der Plan, hier 2020 mehr zu machen. Zwar hat mir das Event in Mondsee aufgezeigt, dass für MTB-Rennen noch einmal andere Anforderungen gelten und ich dabei nicht besser sondern eher noch etwas weiter hinten unterwegs bin, dennoch überwiegt der Spaß und die Lust an den breiten Reifen. Noch ist nicht klar, an wieviele Startlinien ich mich stellen werde - es gibt im MTB-Sport zahlreiche spannende Rennserien -, aber das eine oder andere wird da schon dabei sein. Und abseits des organisierten Fahrens freue ich mich darauf, mit dem MTB in alpinere Regionen vorzustoßen - der Stoneman Dolomiti ist da so ein Projekt, das mich sehr reizen würde.

Und auch zwischen Rennrad und MTB bleibt noch etwas Platz - für ein Gravel Bike nämlich. Nachdem ich das BMC URS nunmehr bei zwei Gelegenheiten ausgiebig testen durfte und mein eigenes Exemplar innerhalb der nächsten Wochen bei mir zuhause stehen sollte, freue ich mich auf spannende und abenteuerliche Ausfahrten. Der Variantenreichtum der möglichen Routen und die Flexibilität unterwegs machen ein Gravelbike zu einem spannenden Begleiter und ich habe einige Projekte im Sinn, über die ich aber noch nicht allzu viel verraten möchte… ;)

Events & Fotos

Veranstaltungen und Fotos nehmen auf 169k einen großen Platz ein und das wird auch im Jahr 2020 der Fall sein. Zu spannend, vielfältig und unterhaltsam sind die Geschichten und Bilder, die sich bei derartigen Gelegenheiten auftun, als dass man nicht über sie berichten sollte. Die Österreich Rundfahrt steht wieder auf meinem Menüplan, die Rad-WM findet 2020 in der Schweiz statt - nahe genug also, um eventuell vorbeizuschauen, der Giro d´Italia startet in Budapest - mit dem Zug schnell erreicht und auch Tour of the Alps oder die eine oder andere kleinere Rundfahrt in einem unserer Nachbarländer ist in Schlagdistanz.

Nicht ganz so groß aber nie und nimmer weniger abwechslungsreich sind die kleinen Rennen in und um Wien, zum Beispiel der Kriterium-Cup auf der Donauinsel, der auch 2020 wieder vom VICC - Vienna International Cycling Club mitorganisiert wird oder das großartige Wiener Bahnorama, das regelmäßig und niederschwellig für tolle Unterhaltung auf der Wiener Radbahn sorgt.

Videos & Podcasts

Ich habe länger darüber nachgedacht, welche Kanäle wieviel Zuwendung brauchen und welche Formate wieviel Aufwand erzeugen. Dabei geht es mir natürlich nicht um Gewinnmaximierung (denn den gibt es nicht) oder Aufwandsminimierung (denn sonst würde ich das Ganze hier nicht machen) sondern darum, für die richtigen Inhalte auch das am besten geeignete Format zu finden. 2020 wird es daher alles geben, von Text über Fotos bis hin zu Videos und Podcasts. Hier auf der Homepage wird alles zusammenlaufen, werden alle Informationen und Formate gesammelt abzurufen sein. Feedback und Anregungen sind immer willkommen, gerade in der Anfangsphase neuer Formate freue ich mich über Rückmeldungen von euch und dir.

Zwift

Mit meinen zeitlichen Ressourcen muss ich nach wie vor haushalten. Sobald zwischendurch oder abends etwas Zeit bleibt, möchte ich diese für Trainings und Radeln nützen und dabei die Zeit am Rad maximieren. Das heißt im Umkehrschluss, dass ich mir bei Dunkelheit, Kälte und Wetter das umständliche Anziehen, Herrichten und Vorbereiten spare und mich auf die Rolle setze. Im Gegensatz zu manch anderen - die mir diesbezüglich schon eine Art Störung attestieren wollen - macht mir das Rollentraining wirklich Spaß. Ich habe kein Problem damit, stundenlang im Kreis zu fahren, vermeintlich monoton dahinzurollen oder meinen Geist anderen Prüfungen zu stellen. Die Abwechslung und Kurzweile von Zwift helfen mir, die Kilometer abzuspulen, die ich für meine RAA-Vorbereitung brauche. Zusätzlich schmökere ich regelmäßig durch die unzähligen Trainingspläne und -programme auf Zwift, um mir das eine oder andere strukturierte Training zu suchen. Events auf Zwift - wie die derzeit laufende Tour de Zwift - bieten zusätzliche Motivation. Und wenn wir schon (wieder) vom Race Around Austria sprechen: Ich habe mir auf Komoot bereits die Route des RAA abgespeichert und zurechtgelegt und werde die Funktion des Wahoo Kickr ausprobieren, einen “echten” GPS-Track am Trainer nachzufahren. Die Steigung und die Streckenbeschaffenheit werden dabei wie gewohnt vom Kickr gesteuert. Vielleicht bekommt man so etwas Gefühl für die Strecke - und in der Vorbereitung für das RAA ist mir jedes Hilfsmittel recht.

Rides

Damit ich nicht immer nur alleine unterwegs bin, möchte ich 2020 schließlich wieder mehrere Rides ausschreiben. In den letzten beiden Jahren ist die Zahl der organisierten oder ausgeschriebenen Social- und Community-Rides stark zurückgegangen. Die Gründe dafür kann ich mir nur zusammenreimen - ich denke, es ist eine Mischung aus dem Aufwand, der mit der Organisation eines Rides natürlich verbunden ist, und zum anderen - unter Berücksichtigung der teils eher angespannten Situation auf den Straßen - auch eine gewisse Belastung, sich für eine Gruppe in gewisser Weise verantwortlich zu fühlen.

Etwas entschärfen lässt sich diese Situation, wenn man auf einen tollen Verein zurückgreifen kann, der bei solchen Dingen (und bei anderem Blödsinn) immer gerne dabei ist. Auch 2020 bin ich wieder Teil des PBIKE.AT Racing Team, obwohl ich mich vom Wortteil “Racing” nur bedingt angesprochen fühle… Es wird in diesem Sinne mehrere Veranstaltungen geben, bei denen 169k und Pbike gemeinsam auftreten werden - Kräfte zu bündeln, macht hier jedenfalls Sinn.

Feedback

Ich freue mich auf das Jahr 2020, ganz egal, ob die oben genannten Dinge eintreten werden oder nicht. Denn ich weiß jetzt schon, dass ich Freude haben werde, bei dem was ich machen darf. Und ich werde weiterhin die 169k-Kanäle mit Inhalten füllen. Wenn es Wünsche, Anregungen, Kritik, Beschwerden, Tipps oder Feedback gibt, bitte Immer her damit! Wir sehen uns auf der Straße - Ride On!

Titelbild aufgenommen von Nora!

Festive 500-Tagebuch

24. Dezember 2019

Weihnachten! Das Fest der Liebe, des Friedens und der Familie ist gleichzeitig der Start von "Festive 500". Und während Friede (ein Gefühl, das sich bei mir im Sattel einstellt) und Liebe (eindeutige Assoziation mit dem Radeln) noch mit dem Radfahren in Verbindung gebracht werden können, steht die Familie in diametralem Gegensatz zu den Opfern, die man für die Festive 500 erbringen muss. Es gilt, 500 Kilometer zwischen Weihnachten und Silvester abzuspulen - an jenen acht Tagen also, an denen normalerweise Herumknotzen, Fernsehen und Kekse Essen im Vordergrund stehen.

500 Kilometer an acht Tagen ergibt 62,5 Kilometer pro Tag. Macht man einen Tag Pause, sind es bereits über 70 Kilometer pro Tag, bei zwei Aussetzern schon gut 80. "Veranstaltet" wird das ganze von Rapha und Strava, wobei das zwischendurch auch einmal hin- und hergewechselt hat.

Warum man sich das antun sollte? Naja, es gibt einen virtuellen Pokal auf Strava und wenn man sich entsprechend bei Rapha meldet, einen physischen Stoff-Badge, der dann - so wie alle derartigen Trophäen, die ich in meiner Laufbahn errungen habe - in irgendeiner Lade verstaubt. Wichtiger sind in meinen Augen allerdings andere "Belohnungen": der ultimative Sieg gegen den inneren Schweinehund - rauszugehen, während andere vor dem Ofen sitzen bleiben, Kalorien zu verbrennen, während andere vielleicht noch einmal auf den Keksteller greifen, sich ins Radgewand zu schmeißen, während andere den Tag im Pyjama verbringen.

Tag 1 bringt mir gut 72 Kilometer bei 750 Höhenmetern. Von Lienz aus fahre ich nach Osten, der vorhergesagte Föhnsturm hat mich meine Routenplanung adaptieren lassen, tatsächlich bleibt der Wind allerdings aus - also weder Qualen durch Gegenwind noch großartige Begünstigung durch Rückenwind. Auf der ansonsten wild befahrenen B100 durch das Drautal scheint auch eine Art Weihnachtsfrieden eingekehrt sein - während alle ihre letzten Einkäufe tätigen oder schon auf dem Weg zu den Freunden und Verwandten sind, kann ich in Ruhe auf der Bundesstraße dahinrollen. Für Abwechslung sorgen kurze Abstecher weg von der Bundesstraße und hinauf auf die benachbarten Hänge des Kärntner Drautals. Irschen, Dellach und Berg im Drautal liegen malerisch am Hang und genießen die klimatischen Vorzüge der Sonnseite - Plusgrade und herrlicher Sonnenschein, während auf der Schattseite Reif, Schnee, Eis und Grade um den Gefrierpunkt vorherrschen.

Ab Greifenburg wird das Tal weiter, der Schnee weniger und bei leichten Plusgraden fährt es sich noch einmal etwas leichter. Sachsenburg markiert den Zusammenschluss von Drau- und Mölltal, von hier aus geht es auf dem Drauradweg Richtung Spittal an der Drau. Abseits von vielbefahrenen Straßen ist man hier auf Güter- und Feldwegen, kleinen Straßen und Radwegen unterwegs. Die geplante Runde um den Millstätter See muss aufgrund von Zeitgründen ausfallen, von Spittal an der Drau gehts per Zug zurück nach Osttirol.

Tag 1: 72,4 KM; 14% der Festive 500 erreicht

25. Dezember 2019

Tag 2 meiner Festive 500 bringt die Verschärfung eines Festive 500-Aspekts, den ich im Vorfeld wohl nicht zu Ende gedacht habe. Natürlich macht es einen riesigen Unterschied, WO man die 500 Weihnachtskilometer abspulen möchte. Es gibt da in Singapur oder Indonesien diesen einen Radfahrer, der jedes Jahr in den ersten Stunden der Festive 500 die kompletten 500 Kilometer abspult. Jetzt ist die Bewältigung der großen Distanz natürlich an sich eine enorme Leistung, bei lauen und gemütlichen Temperaturen fällt dies allerdings leichter als bei jenen Witterungsbedingungen, die uns in einem durchschnittlichen Winter in den Alpen oder in Mitteleuropa begegnen. Man hat daher mit widrigen Bedingungen zu rechnen - egal ob das Regen und Nebel, Schnee und Eis oder Minusgrade sind. Ich verbringe die Feiertage mittlerweile traditionell in Osttirol - schön zum Skifahren, schön zum Langlaufen aber auf dem Rad wird man im Dezember eher schief angeschaut. Hinzu kommt, dass die letzten Jahre klimatisch sehr gutmütige Weihnachten produziert haben, schneefrei und verhältnismäßig warm. Mit diesen Erfahrungswerten bin ich im Vorfeld auch meine Touren- und Routenplanung angegangen. Die Realität von 2019 sieht allerdings anders aus: Radwege sind plötzlich gespurte Langlaufloipen, Wege im Schatten der Berge sind ob des Eises nahezu unbefahrbar und die Temperaturen sind für ein Weichei aus der Stadt wie mich doch eher außerhalb des Wohlfühlbereichs.

Meine via Komoot zusammengebastelten Routen und Wege sind daher nur bedingt brauchbar, viele von den "epischen" Bildern und Abenteuern, die ich im Sinne hatte, zerbrechen an der Realität des alpinen Winters.

Tag 2 zwingt mich wetter- und zeitbedingt zu einer meiner Standard-Runden, wenn ich in Osttirol mit dem Rad unterwegs bin, der Talboden-Runde. Dabei wird der Lienzer Talboden nach allen Seiten hin mehr oder weniger ausgefahren, mit ein paar kleinen "Schupfern" drinnen, etwas Bundesstraße und schönen Nebenwegen. Wieder ist es auf der Schattseite frisch und eisig, in der Sonne etwas wärmer und wunderschön, wie direkt von einer Postkarte abgemalt. Die Runde nütze ich gleich auch um festzustellen, welche meiner Wege und Radwege befahrbar sind oder nicht. Isel- und Pustertal fallen leider flach, einzig das Drautal kann am Radweg befahren werden. 54 Kilometer und knapp 480 Höhenmeter später werden die nassen Kleidungsstücke über den Ofen gehängt und mit der Familie gemeinsam auf Weihnachten angestoßen.

Nach zwei Tagen stehen 126 Kilometer in den Büchern, mein "Guthaben" beträgt einen Kilometer - nicht gerade ein großer Polster...

Tag 2: 125,5 KM; 25% der Festive 500 erreicht

26. Dezember 2019

Manchmal kommt es anders als man denkt... - zum Beispiel, dass nach 10 Kilometern das Vorderrad zu wabern beginnt, die Luft langsam weniger wird, das Fahrgefühl nicht mehr ganz so souverän ist. Mein BMC URS Testbike ist als Tubeless aufgesetzt, daher ist es erstmal kein Problem, weiterzufahren. Ich möchte nämlich nicht bei Minusgraden auf der Schattseite des Tals am Rad herumhantieren sondern lieber auf einer gemütlichen Bank in der Sonne. Doch auch daraus wird nichts, die Luft ist draussen. In Oberdrauburg wird der Reifen inspiziert, nachgepumpt, geflucht. Der Mantel kommt runter, Milch überall - irgendwie werde ich mit Tubeless nicht warm... Schaden am Reifen kann ich keinen finden, auch das Ventil scheint noch ganz und dicht, dennoch bleibt die Luft nicht drinnen. Ersatzschlauch habe ich natürlich einen mit, gewechselt ist auch schnell - die Finger werden in wenigen Momenten an der frischen Luft klamm. Das Aufpumpen der großvolumigen Schläuche dauert mit der Handpumpe eine gefühlte Ewigkeit und beim Abziehen der Pumpe passiert es - das Ventil geht mit und die Luft ist wieder draußen. Doch damit nicht genug, hat sich auch noch das Ventil in der Pumpe verkeilt. Mit Betteln und Bitten, Gewalt und Fluchen und meinen eiskalten Fingern bekomme ich es auch nicht mehr heraus. 19,3 statt der geplanten 120 Kilometer werfen natürlich auch meinen kompletten Festive 500-Plan über den Haufen. Aber wenn schon stranden, dann zumindest gleich neben dem Bahnhof. Also mit dem Zug zurück nach Lienz und Wunden lecken - der luftlose Walk of Shame vom Bahnhof zurück nach Hause ist genug für die geschundene Ehre.

Die Familie ist währenddessen hin- und hergerissen zwischen Empathie und Mitleid für den offensichtlich geistig umnachteten Radfahrer, unterstützender Motivation und Ärger über die stundenlangen Abwesenheiten. Dennoch stellt sich kurzfristig so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl ein, welches dann auch gleich in ein gemeinsames Brainstorming darüber mündet, wie denn die fehlenden Kilometer des heutigen Tages am besten wettgemacht werden können. Vorhergesagter Schnee, Regen und starker Wind gepaart mit der Aussicht auf einen weiteren "Patschen" führen zur Idee, in der Nähe des Zuhauses zu bleiben und hier irgendwie Kilometer abzuspulen. Unterschiedliche Runden und Varianten werden diskutiert, am Ende entscheide ich mich für eine Runde direkt vor dem Haus, auf der ich am nächsten Tag ein paar Kilometer wiedergutmachen kann.

Tag 3: 145,8 KM; 29% der Festive 500 erreicht

27. Dezember 2019

Vier Stunden sind heute eingeplant, der Blick aus dem Fenster ist nicht sehr verheißungsvoll - leichtes Tröpfeln und Wind, aber daran habe ich mich mittlerweile irgendwie gewöhnt. Und tatsächlich ist es so, dass mit der richtigen Kleidung viel vom Schrecken des schlechten Wetters verloren geht. (Und ja, ich hasse den Spruch "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Ausrüstung"). In weiser Voraussicht habe ich meinen halben Kleiderkasten nach Osttirol mitgeschleppt, alles was nach Winter aussieht, nach Merino riecht oder mit Primaloft gefüllt ist.

An den Füßen Merino-Socken (Fingerscrossed oder Isadore), Heizpads auf die Zehen und die dicken Fizik-Winterschuhe. Zwei Hosen (RH77 und Isadore), die jeweils mit flauschigem Thermo-Material ausgeführt sind. Einzige Schwachstelle - wie leider bei fast allen Hosen, die ich bisher hatte - ist die goldene Mitte. Ich hoffe meine Zeugungsfähigkeit wird darunter nicht allzu sehr leiden.

Der Oberkörper bekommt drei Schichten gegönnt - Merino Baselayer (Isadore), Langarmtrikot (Isadore, RH77) und darüber noch eine Jacke (Isolation - RH77/Isadore oder aber die Primaloft Jacke von Löffler). Auf den Kopf kommt meine alte Rapha-Haube, die Hände bekommen auch zwei Lagen - einen Merino Liner-Handschuh von Rapha und darüber die großartigen weil langen und dichten Isadore-Handschuhe). Dieses Setup variiere und mische ich durch, je nachdem, was ich gerade für wichtig erachte - tatsächlich sind die Unterschiede allerdings gering. Am Körper selbst sind maximal die ersten Kilometer frisch, sobald man allerdings auf Betriebstemperatur ist oder stetig vor sich hin pedaliert, wird es meistens angenehm warm oder zumindest erträglich. Probleme treten dagegen an den äußeren Enden des Körpers auf: Zehen werden kalt, egal wie gut man sie verpackt, unabhängig der Zahl der Wärmepads oder der Qualität der Schuhe. Die Frage ist hier nicht "ob", sondern eher "wann". Den Moment des Erfrierens hinauszuzögern ist also die eigentliche Aufgabe. Gleiches gilt für die Hände, die - wie die Füße auch - ständig dem Fahrtwind ausgesetzt sind. Ich helfe mir mit häufigem Umgreifen am Lenker, damit nicht ständig die gleichen Stellen exponiert sind und fahre ab und zu für ein paar Meter freihändig und verstecke dabei die Hände unter den Achseln oder hinter dem Rücken.

Derart vorbereitet besteht mein 4. Tag der Festive 500 aus der am Vorabend ausbaldowerten Idee, vor der Haustüre Runden zu fahren. Der ausgesuchte Kurs ist 1,7 Kilometer lang, führt teilweise auf einem Radweg, zumeist aber - auf weihnachtsbedingt leergeräumten Straßen - durch ein nahes Gewerbegebiet. Pausen zur Verpflegung, zum Aufwärmen oder im Falle eines Defekts kann ich jederzeit zuhause einlegen - so eine Möglichkeit eines Boxenstopps beruhigt. Bei jeder Passage der imaginären Start- und Ziellinie drücke ich auf den Lap-Button meines Wahoos, dieser zeigt jeweils um die 4 Minuten Fahrzeit für die 1.740 Meter. Die Menschen, die mir auf meinem Rundkurs begegnen, auch sie schwanken zwischen Verwunderung und Mitleid - vor allem jene, die nicht innerhalb der vier Minuten Rundenzeit wieder verschwunden sind, denen ich also mehrmals begegne. Die Mitarbeiter des Autohauses an der Strecke kennen sich irgendwann gar nicht mehr aus, ignorieren aber wohl den Radler, der da seine Runden dreht. Auch die Angestellten der Bäckerei kümmern sich nicht um mich, umgekehrt weht mir aber in jeder Runde der Duft frischgebackenes Brotes um die Nase.

Bis zum Mittagessen möchte ich fahren, so viele Kilometer wie möglich für die Festive 500 hamstern. Unterwegs bleibt viel Zeit zum Nachdenken, ich erfinde das "1. Internationale Peggetz Winterkriterium" mit mir als einzigem Starter (mit dementsprechend aussichtsreichen Gewinnchancen!), rekapituliere die ersten Tage der Festive 500 und kann auch abseits des Radelns den einen oder anderen Gedanken wälzen. Das Format eines Kriteriums wird meiner Meinung nach ja wieder an Attraktivität gewinnen und hoffentlich auch eine Art Renaissance erleben. Große Attraktivität für Zuschauer gepaart mit einem erheblich geringeren Organisationsaufwand sind eine Kombination, mit denen große Rennen und Rundfahrten zunehmend ihre Probleme haben (vor allem mit zweiterem). Ein richtiges Rennen würde wohl über eine kürzere Distanz führen als mein Experiment hier, ich genieße aber die körperliche und mentale Herausforderung. Stetiges Abspulen von Runden hat mir noch nie große Probleme bereitet, so stehen am Ende dann auch 58 Runden auf dem Wahoo und mit 101 Kilometern kann ich mein Festive 500-Konto wieder etwas aufbessern.

Tag 4: 247,0 KM; 49% der Festive 500 erreicht

28. Dezember 2019

Für diesen Tag ist besseres Wetter vorhergesagt - im Sinne von weniger Wolken und mehr Sonne. Allerdings gesellen sich tiefe Temperaturen und starker Nordwestwind dazu. Die Routenplanung ergibt daher - wie schon am ersten Tag - einen "Transfer Ride", also eine Rückfahrt mit dem Zug. Noch einmal durchs Drautal zu fahren reizt mich nicht - es wäre dies das vierte Mal innerhalb von vier Tagen und den Abschnitt bis Oberdrauburg muss ich ohnehin wieder zurücklegen. Die erste Challenge des Tages soll der Gailbergsattel werden, an sich keine große Prüfung aber unter winterlichen Bedingungen und bei knappen Minusgraden doch nicht ganz so ohne. Am Gailbergsattel angekommen bläst dann tatsächlich der Wind - viel stärker als geplant und aus allen Richtungen, sodass ich kurz mein heutigen Vorhaben zu zweifeln beginne. Am Sattel selbst scheint mir die Sonne ins Gesicht und alle Zweifel sind verflogen. Ein kurzer Abstecher auf der Abfahrt vom Gailbergsattel führt mich - traditionell - zu den Wurzeln einer meiner Familienhälften nach Laas und bringt eine kurze Verschnaufpause, bevor es in die restliche Abfahrt nach Kötschach hinuntergeht. Ich rolle den Berg nur hinunter, reduziere sogar bewusst die Geschwindigkeit, weil der eisige Fahrtwind meine Finger und Zehen ans Limit bringt. Es fühlt sich an, als würden Nadeln in die Finger und Zehen stechen und das eigentlich Grausliche daran ist, dass man während der Fahrt weder durch Positionswechsel noch durch andere Maßnahmen Linderung bewirken kann.

Ich erreiche das Gailtal unter einer dicken Decke von Nebel, die zwar da und dort die Sonne durchblitzen lässt, gleichzeitig sind aber auch die Temperaturen noch weit in den Minusgraden und der Radweg, der mich gen Osten führen soll ist unter einer fragwürdigen Schnee- und Eisschicht verborgen. Die ersten 10-15 Kilometer friere ich mich über den Radweg, unter Reif und Schnee verborgene kleine Eisplatten lassen meinen Puls immer wieder kurz hochschießen. Erst kurz vor Tröpolach ist der Nebel endgültig verschwunden und die einzige Trübung der Sonne erfolgt durch die Schneekanonen des Skigebiets am Nassfeld, dass sich über meiner rechten Schulter erhebt.

Um nicht permanent auf der Schattseite fahren zu müssen und meiner Seele auch etwas Sonnenschein zu gönnen, fahre ich nicht auf dem offiziellen Radweg sondern auf einem Begleitweg der Gail. Mit meinem Gravelbike bin ich für derartigen Untergrund grundsätzlich perfekt ausgerüstet, jedoch bringt die Sonne mit sich, dass die schmelzende Schneedecke den darunterliegenden lehmigen Erdboden in eine zähe Masse verwandelt, die einiges an Kraft erfordert. Mein Durchackern dieser Wege richtet auch mein Rad entsprechend zu, URS erträgt allerdings mit stoischer Gelassenheit meine Schmutzattacken auf Tretlager, Antrieb und Rahmen und verrichtet einwandfrei seinen Dienst.

Bei Hermagor wechsle ich auf den Drauradweg 3a, eine weitere Ader des in Kärnten sehr gut ausgebauten Radwegenetzes. Auf den unberührten und mit Schnee bedeckten Wegen, die vor mir liegen, entdecke ich plötzlich Reifenspuren und wähne mich nicht mehr als einzigen Verrückten, der hier mit dem Rad unterwegs ist. Ich finde den gesuchten Radfahrer nicht, für meinen Kopf ist es allerdings eine willkommene Abwechslung - schließlich bin ich schon recht lange alleine auf meinen Wegen unterwegs.

Vor mir erhebt sich der Dobratsch, der Villacher Hausberg und damit kann ich ungefähr erahnen, wie weit mich der heutige Tag noch führt. Am Fuße des Dobratsch führt der Radweg durch wunderbare Nadelwälder, über asphaltierte und geschotterte Wege, wellig und flott geht es dahin - ich bin kurz in so etwas wie einem Flow, bin ganz bei mir selbst. Bei Arnoldstein beginnt es zu rauschen, das Geräusch kommt näher und nach dem Überqueren einer Brücke, fährt man für kurze Zeit neben der Autobahn, die sich an dieser Stelle aus Italien Richtung Villach und Klagenfurt schlängelt. Dieser Streckenabschnitt ist mir noch von der Tour de Franz im Sommer in Erinnerung, da hatte es allerdings rund 30 Grad mehr. Die Fußgeherfrequenz steigt, mit ihr auch Hunde, Pferde und andere Gesellschaft - man nähert sich der Stadt. Noch immer entlang der Gail führt der Radweg bis an den Stadtrand von Villach, das heutige Etappenziel ist erreicht. Richtung Bahnhof benütze ich einen der vielen Radwege in der Stadt, zuerst steuere ich noch fälschlicherweise den Westbahnhof an, danach den "richtigen" Hauptbahnhof. Ich überfalle eine Tankstelle am Weg und nehme alles mit, was aus Plunder, Nougat, Cola und Marmelade besteht und warte auf meinen Zug zurück nach Lienz.

Tag 5: 370,1 KM; 74% der Festive 500 erreicht

29. Dezember 2019

Es ist Sonntag und damit Tag des Herrn. Die einen gehen in die Kirche, die anderen - scheinbar nicht minder religiös - beten den österreichischen Ski-Gott an, der in Form des Damen-Skiweltcups in Lienz Halt macht. Auch ich fröhne einer Art Spiritualität beim Radfahren, obwohl der Blick aufs Thermometer eher an Kasteiung und Selbstgeißelung denken lässt. Bei -8 Grad bin ich noch nicht oft in meinem Leben nach draußen gegangen, um Rad zu fahren. Festive 500 kümmert sich allerdings nicht um derartige Befindlichkeiten und somit verlasse ich unter leichtem Kopfschütteln der Familie das Haus, um - nun bereits zum fünften Mal - im Talboden Richtung Oberdrauburg zu fahren. Dank Skirennen läuft der Verkehr nur in eine Richtung, die Bundesstraße lässt mich vergleichsweise rasch ein paar Kilometer sammeln. Auf der Rückfahrt wirft mir die Schattseite über eine knappe Stunde die vollen -7 oder -8 Grad entgegen, ich überlege kurz aufzuhören oder irgendwo einzukehren, doch Pausen machen das ganze Unterfangen nicht wirklich einfacher. Und halbwegs aufgewärmt wieder aufs Rad zu steigen ist in vielen Fällen die größere Qual als das Weitermachen.

Ich lege einen kurzen Stopp beim Zielhang des Skirennens ein, auch als Nicht-Fan haben derartige Ereignisse natürlich ihren Reiz. Der weitere Weg führt heute hinein ins Iseltal und wieder zurück. Meine Hoffnung auf einen schneegeräumten Isel-Radweg erfüllt sich leider nicht, auf der Bundesstraße ist es eher spaßbefreit aber immerhin scheint die Sonne, -4 Grad sind da schon eine bedeutende Verbesserung.

80 Kilometer stehen am Ende auf dem Wahoo, genau was ich wollte. Damit bleiben für die letzten beiden Tage noch 50 Kilometer, die für die Erreichung der Aufgabe fehlen. Und nebenbei wurde auch noch die eigene Vorgabe erfüllt, zumindest an einem der acht Tage nicht fahren zu müssen und stattdessen etwas mit der Familie unternehmen zu können.

Wie auch schon an den letzten Tagen hat sich bei niedrigen Temperaturen ein massives Problem ergeben, jenes der Verpflegung nämlich. Gels sind an sich keine Herausforderung, ihre Konsistenz ist auch bei niedrigen Temperaturen nahezu unverändert und damit auch deren Verzehr. Bei Riegeln wird die Sache mitunter schon etwas komplizierter. Wer schon einmal versucht hat, einen halbgefrorenen Clifbar oder Powerbar runterzubekommen, weiß wovon ich spreche. Mein Tipp ist so einfach wie banal, nämlich den Riegel möglichst nah am Körper zu tragen und damit warm zu halten. Die Trikottaschen unter der Jacke reichen dafür in der Regel aus, alles was außen liegt ist zu exponiert. Richtig schwer wird es allerdings mit den Trinkflaschen, diese sind permanent den niedrigen Temperaturen ausgesetzt. Ein Rucksack mit einer Trinkblase, die nahe am Körper anliegt, wäre ein gangbarer Weg aber mit Rucksack fühle ich mich am Rennrad nicht wohl. Thermo(s)flaschen sind auch eine Variante, allerdings halten derartige Flaschen die Flüssigkeit auch nur minimal länger warm (außer es sind dezidierte Thermosflaschen). Und dann gibt es da noch den Mpemba-Effekt, demzufolge es - frei interpretiert - auch keinen Sinn macht, besonders warme Getränke in normale Flaschen einzufüllen, da diese noch schneller abkühlen als kühle. Ich habe so gut wie nichts getrunken bei meinen Ausfahrten, weil meine Flaschen stets innerhalb von kurzer Zeit so kalt waren, dass nur noch kleine Schlücke möglich waren, ohne dass einem auch noch innerlich ganz kalt wird. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie man das am besten handhabt.

Tag 6: 450,3 KM; 90% der Festive 500 erreicht

30. Dezember 2019

Finale! Eigentlich bin ich ja mit allerhand Routen, Ideen und Bildern von epischen Abenteuern nach Osttirol gekommen. Man ist von Instagram und dergleichen ja mittlerweile auch schon insofern verklärt, als jedes Unterfangen "außergewöhnlich", "besonders" oder eben "epic" sein muss. Eine normale Ausfahrt in schöner Umgebung ist da vermeintlich ja schon fast nichts mehr, über das man berichten könnte. Die Realitäten des Osttiroler Winters haben mich aber in Demut gelehrt, genauso wie die Erkenntnis, dass 500 Kilometer innerhalb einer Woche keine einfache Aufgabe darstellen.

Und so mache ich mich erneut auf den Weg durch den Lienzer Talboden, die Strecken zu wiederholen und immer wieder abzufahren empfinde ich dementsprechend auch nicht als Schande sondern schlicht und ergreifend als Maximum dessen, was unter diesen Rahmenbedingungen möglich ist. Und mit dieser Einstellung fällt es auch wieder leicht, das Schöne zu sehen: die Berge, die Sonne, die Landschaft, die Kirchen an den Berghängen, die Höfe auf den Hügeln - all das, wofür es keine epischen Abenteuer braucht sondern nur den Schritt vor die Tür.

Gut 54 Kilometer später kann ich die hartnäckigen Minusgrade endgültig vergessen, den Heimathafen ansteuern aber nicht ohne vorher noch bei der Tankstelle eine Flache Sekt in meine Trikottasche zu stecken. Die Erledigung der Festive 500 soll einen würdigen Abschluss erfahren.

Ein letztes Mal den Wahoo synchronisieren, die Fotos des Tages bearbeiten und das Ganze auf Komoot und auf Strava hochladen - das ist mittlerweile zum Ritual geworden. Auf der Seite der Festive 500-Herausforderung wandert der Balken nach rechts, erreicht die 100% und überschreitet diese Grenze geringfügig. Ein Fenster poppt auf, Gratulation zur absolvierten Challenge, Halleluja.

Tag 7: 504,9 KM; 101% der Festive 500 erreicht

31. Dezember 2019

8:30, zum ersten Mal seit acht Tagen muss ich nicht darüber nachdenken, wohin ich heute fahre, was ich anziehe oder wie weit ich fahren sollte. Zum ersten Mal kann ich das machen, was der Rest der Familie und vermutlich so gut wie jeder andere Mensch in Osttirol zu dieser Jahreszeit macht, wenn er Sport machen will - in meinem Fall ein paar Runden auf den Langlauf-Skiern.

Zurück von der Skating-Runde folgt auf Strava eine kurze Krise. Plötzlich scheinen in meiner Challenge nur noch 495 Kilometer statt der tatsächlich gefahrenen 505 auf, Erreichungsgrad 98%. Schnell mache ich Screenshots von allen Mails und Nachrichten, die ich bereits bekommen hatte, in denen samt und sonders steht, dass ich die Herausforderung absolviert habe. Mal schauen, was meine Anfrage an Strava bringt... Auch bei eventuellen Ungenauigkeiten oder Neuberechnungen sollte ich mit 505 Kilometern auf der sicheren Seite sein. Was ich allerdings in den letzten Tagen erlebt habe, kann mir ohnehin keiner mehr nehmen. Ebenso wie es an sich völlig egal wäre, ob ich dafür nun ein virtuelles Abzeichen oder einen kleinen Stoff-Aufnäher bekomme. Die Tatsache, dass ich für 500 Kilometer am Rad gesessen bin, bringt ohnehin mehr mit als nur das formale Absolvieren der Challenge. Ich konnte ohne jegliches schlechtes Gewissen Kekse in mich hineinstopfen, war gemütlich im Ausdauermodus unterwegs und hab dementsprechend (hoffentlich) schon eine kleine Trainingsbasis fürs Frühjahr gelegt und hab einen großen Kampf gegen den inneren Schweinehund gewonnen.

Tipps

Abschließend möchte ich die Erkenntnisse meiner Festive 500-Woche in einige Tipps fließen lassen, für folgende Jahre und andere Radlerinnen und Radler, die eventuell etwas Inspiration brauchen.

Möglichst früh, möglichst viel

Gerade die ersten beiden Tage sind oft für Feierlichkeiten reserviert. Wer allerdings schon zu Beginn aussetzt oder Kilometer auf später verschiebt, tut sich nichts Gutes. Es steigt damit der Druck und die anfangs noch vorhandene Freude an der Herausforderung wird vermutlich zunehmend schwinden.

Routenwahl

Die Routenwahl ist aus zweierlei Gründen relevant. Einerseits hat die Tourenplanung großen Einfluss darauf, wie schnell man die 500 Kilometer erreicht - flach gewinnt vor bergig. Zweiter Aspekt ist das Klima - je nachdem, in welcher Region man unterwegs ist, kann man sich mit einer geschickten Routenwahl das Leben einfacher oder lebenswerter gestalten. Lange Abfahrten bei niedrigen Temperaturen tun dem Körper nichts Gutes.

Rad

Natürlich auch in Abhängigkeit der Region, des Terrains und der Pläne ist die Wahl des geeigneten Rads essentiell. Ich war sehr glücklich mit der Wahl des Gravelbikes von BMC, es war der exakt richtige Erfüllungsgehilfe für meine Challenge. Sich nicht um (speziell im Winter) schlechten Asphalt kümmern zu müssen, Schotter und Splitt auf der Straße ignorieren zu können und auch auf Schnee und Eis etwas mehr Sicherheit zu genießen, ist das eine. Bei der Routenwahl auch Schotter, Erde und Waldwege miteinbeziehen zu können, das andere - eine enorme Bereicherung der Routenvielfalt und des damit verbundenen Fahrspaßes.

Rücklicht

Es mag banal erscheinen aber ich habe für die Festive 500 ein neues Rücklicht angeschafft. Dieses hat Leuchtstufen, die ehrlicherweise mit keinem Gesetz der Welt mehr vereinbar sein dürften, allerdings hat es mir die Sicherheit gegeben, mit der ich auch auf viel befahrenen Bundesstraßen und bei schlechten Lichtverhältnissen beruhigt unterwegs war.

Rahmentasche

Auch neu für mich war die Rahmentasche, wobei ich mich ja grundsätzlich eher gegen allzu viel Ballast und Gepäck auf dem Rad ausspreche. Hintergedanke war, immer einen trockenen Ersatz-Baselayer mitzuführen, eine weitere Jacke und eine Außenschicht, Ersatzschlauch und Werkzeug nicht im Trikot verstauen zu müssen und auf langen Touren auch etwas mehr Verpflegung mitzuführen. Die wasserdichte Ortlieb-Tasche konnte alle diese Erwartungen erfüllen, war ein praktischer Begleiter und hat sich auf diesem Wege wohl auch für künftige Herausforderungen wie das Race Around Austria Unsupported qualifiziert.

Gesellschaft

Was ich nicht hatte, kann wohl ein großer Vorteil bei der Bewältigung von 500 Kilometern in acht Tagen sein - Gesellschaft, jemand, der mitleidet, jemand der motiviert und mitfühlt.

Familie

Die Familie kann natürlich auch motivieren und unterstützen, wird jedoch nie die "Innensicht" haben, das verstehen, was man am Rad durchlebt und die Motive, warum man das ganze auf sich nimmt. Umgekehrt ist es essentiell, der Familie auch etwas zurückzugeben - die Entbehrungen und die Abwesenheit sind immerhin beträchtlich!

Keinen Druck machen

Entspannt zu bleiben ist wohl auch ein Schlüssel zum Erfolg. Egal, ob man mit den Kilometern hinten ist, ob man ein technisches Problem hat oder aber - wie oben erwähnt - Sorge hat, weil man “nur” vermeintlich ereignislos und unberichtenswert auf allseits bekannten Wegen hin- und herrollt. Spaß haben, genießen und das Ganze zu spüren, sollte im Vordergrund stehen. Und rechtfertigen muss man sich sowieso immer nur vor sich selbst!

Genießen und Feiern

Ganz in diesem Sinne gilt es natürlich auch, den Erfolg entsprechend zu zelebrieren. 500 Kilometer sind in meinem Fall rund 10 Prozent meiner aktuellen Jahreskilometerleistung. Angesichts meines Fitnesszustands bin ich daher auch aus sportlicher Sicht mit meinen Festive 500 sehr zufrieden. Schwerer wiegen allerdings trotzdem die Erlebnisse und die Dinge, die mir durch den Kopf gegangen sind, während ich rund 21 Stunden auf dem Rad gesessen bin. Damit kann ich mit aufgeräumten Gedanken und einem durchgelüfteten Hin in ein neues Jahr starten!

Leistungsmessung - Teil 2: Leistungsdiagnostik mit HPC

Rund um den Jahreswechsel werden gerne Pläne geschmiedet - Vorsätze, Rennen, Projekte, alles, was im Rad-Jahreskalender gut aussieht. Was jedoch gar nicht sichtbar ist oder zumindest weit weniger spektakulär aussieht, ist die Basis, die man sich über den Winter legen sollte. Denn nur auf diesem Wege kann man seine Projekte dann übers Jahr auch realisieren oder - noch besser - sie genießen! Mein großes Ziel für 2020 ist die Race Around Austria Challenge, ein Vorhaben, das man nur mit etwas Vorbereitung in Angriff nehmen sollte. Die geringen Trainingsumfänge und die mangelnde Struktur meiner Aktivitäten hat mir bereits im laufenden Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht, ein Fehler, den ich 2020 nicht wiederholen möchte.

Gleichzeitig sperrt sich innerlich aber etwas gegen strukturiertes Training und Trainingspläne. Zu groß ist meine Sorge, mich einem rigiden Plan unterjochen zu müssen, bis hin zum völligen Verlust der Selbstbestimmung. Ich möchte fahren, wenn ich Lust habe und nicht, wenn der Plan es befiehlt. Bei schlechtem Wetter mag ich aussetzen können, bei gutem Wetter auch mal länger fahren. Sollte es mich doch einmal "jucken", werde ich Vollgas fahren, ansonsten so schnell wie ich will und nicht nach Zahlen, die mir mein Wahoo anzeigt.

Seine eigenen Fähigkeiten und Grenzen zu kennen, ist dennoch von Vorteil. Wozu hat man sich denn sonst um teures Geld einen Wattmesser ans Rad geschraubt, wenn man dann trotzdem "nur" nach Herzfrequenz oder überhaupt nur "irgendwie" fährt... Ein Leistungstest muss also her!

Vorbereitung

Den (ersten) Leistungstest macht man sinnvollerweise, bevor man sich auf ein Projekt vorbereitet. Gerne kann mitten in der Vorbereitung noch ein weiterer Test eingeplant werden, um beispielsweise Fortschritte zu prüfen. Grundsätzlich sollte man aber schon den Beginn des Trainings am entsprechenden Leistungszustand ausrichten. Beliebte Zeiten für einen Test sind daher Herbst und Winter - die Sommer- und Rennsaison ist vorbei und das Wintertraining steht vor der Tür. Und Rollentraining mit Wattsteuerung stellt sicher, dass die mitunter recht eintönig und hart erkämpfte Zeit auf der Rolle zumindest effizient genützt wird.

Bevor man sich einen Termin ausmacht, sollte man gesundheitlich auf dem Damm sein, was gerade im Herbst und Winter auch problematisch sein kann. Bei mir hat eine hartnäckige Verkühlung den Testtermin mehrfach nach hinten verschoben. Umgekehrt wäre es wenig sinnvoll, verkühlt oder anderweitig beeinträchtig zum Test zu gehen. Zum einen, weil dann die Werte entsprechend niedriger liegen können, was für die Trainingssteuerung wenig zielführend wäre. Zum anderen geht man bei einem Leistungstest üblicherweise doch nahe an seine körperliche Belastungsgrenze - das ist ja auch der Sinn eines derartigen Tests. Und in dieser Ausnahmesituation nicht 100% körperlich fit zu sein, könnte im Extremfall tatsächlich auch zu Schäden führen.

Dem Testlabor bzw. dem Testleiter zuliebe klärt man vorher auch noch kurz ab, mit welchem Rad man den Test absolvieren wird. Unterschiedliche Bremssysteme und eine Vielzahl von Achsstandards stellen mitunter auch die Tester vor Herausforderungen, schließlich soll das eigene Rad optimal in den Testaufbau passen. Standardgerät ist bei den meisten Testern nach wie vor der "Cyclus 2", der akkurat und verlässlich Leistungsdaten liefert.

Einige Labore bieten im Zuge der Leistungsmessung außerdem eine Analyse der Atemluft an, das ganze nennt sich dann "Spiroergometrie". Dabei bekommt man im Stile Hannibal Lecters eine Maske aufgesetzt, die sowohl ein- und ausgeatmete Luftmenge als auch die Zusammensetzung der Atemluft misst.

Der Test

Der Morgen beginnt mit einem Vorgespräch mit dem Testleiter, in meinem Fall Clemens von HPC - High Performance Coaching, einem Firmennamen, der meine Ambitionen natürlich um Welten übersteigt... Wir besprechend den Testablauf und gehen neben meinen persönlichen Daten auch eventuelle Krankheiten, Vorbelastungen und dergleichen durch. Während wir plaudern, werden mein Rad eingespannt, die Geräte vorbereitet und kalibriert und mein Ohr desinfiziert - hier wird mir später während des Tests tröpfchenweise Blut abgenommen werden, um meine Laktatwerte zu ermitteln.

Der Test beginnt mit einer Minute Ruhe und stillhalten, damit das System einen Referenzwert hat - das schaffe ich! ;) Danach beginnt der eigentliche Test, bei Clemens kommt ein Rampentest zur Anwendung. Dabei erhöht sich die Wattleistung, die man erbringen muss alle drei Minuten um 20 Watt, beginnend bei 100 Watt. So geht es also dahin - 100 Watt, 120 Watt, 140 Watt, 160 Watt... Jeweils zum Ende der drei Minuten nimmt Clemens mir einen Tropfen Blut ab und füttert damit seine Gerätschaften. Watt, Herzfrequenz und Laktat sind die wichtigsten Werte, anhand derer später meine Auswertung in eine Leistungskurve gegossen werden wird.

Bis knapp an die 200 Watt fällt es mir leicht, die Atmung passt, der Puls ist noch unten. Ich befinde mich im Grundlagen-Ausdauerbereich, jenen Zonen, in denen ich gefühlt ewig fahren könnte. Dies sind auch jene Zonen, die ich bei meinem Race Around Austria am sinnvollsten beanspruche möchte, um würdevoll über die 24 Stunden zu kommen. Rund 200 Watt markieren gleichzeitig das Ende dieser "Wohlfühlzone" und was sich so anfühlt kann auch wissenschaftlich belegt werden, anhand der unteren Laktat-Schwelle. Dort wo die 2 mmol-Laktat-Grenze überschritten wird, fängt der Körper an zu investieren, es wird nicht mehr auf Basis der vorhandenen Ressourcen gefahren sondern man muss Energie zuführen.

220 Watt, 240 Watt, jeweils für drei Minuten. Mein Puls steigt jetzt schneller, der Schweiß tropft nicht mehr sondern rinnt an meinem Gesicht herunter. Meine Brille läuft an und mein Blickfeld verengt sich. (Die Brille abzunehmen wäre eine Option gewesen, aber ich wollte den Bildschirm und die Werte vor mir sehen. Kontaktlinsen wären die andere Option gewesen, aber daran hatte ich vor dem Test nicht mehr gedacht.) Bei 260 Watt wird es zum ersten Mal mühsam, ich beginne die Minuten zu zählen - ein untrügliches Zeichen (unter anderem bekannt von Zwift), dass man sich langsam schwer tut.

Ungefähr 280 Watt ist in den letzten Monaten meine "FTP" (Functional Threshold Power) gewesen, also jener Wert, den ich über eine Stunde erbringen kann. "FTP" ist als Schlagwort sehr präsent, wenn man sich mit Zwift und Stammtischdiskussionen beschäftigt, Leistungsdiagnostiker hören den Begriff etwas weniger gerne, weil er nur einen Ausschnitt der eigentlichen Leistungsfähigkeit wiedergibt und viele Dinge darin nicht berücksichtigt werden können. An meiner FTP angekommen beginnen die Oberschenkel zu brennen - Willkommen Laktat! Die 4mmol-Laktat-Schwelle ist da, untrüglich daran erkennbar, dass der Körper das einschießende Laktat nicht mehr restlos abbauen kann. Fährt man dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum in diesem Leistungsbereich gerät man in eine Schuld, die der Körper alleine nicht mehr ausgleichen kann - im anaeroben Bereich nämlich.

Die Laktatkurve steigt jetzt stark an, der Puls ist oben, die Beine brennen. 300 Watt gehen noch halbwegs souverän, 320 Watt tun schon richtig weh. Mein im Allgemeinen gerade recht bescheidener Energielevel und meine eben erst abgeklungene Verkühlung kündigen ein baldiges Ende des Leistungstests an. Der Schweiß tropft, das Atmen ist einem Röcheln und Stöhnen gewichen, die Uhr auf der Anzeige des Cyclus 2 scheint sich in Zeitlupe zu bewegen. Die dreiminütige Stufe bei 320 Watt möchte ich noch vollmachen, danach weiß ich, dass sehr schnell Schluss sein wird. Clemens gibt sein bestes, aus den Testpersonen noch das Letzte herauszuholen, mit Anfeuerungen und Ermunterungen motiviert er, noch einmal die eisernen Reserven zu mobilisieren. Aber auch seine besten Sprüche können nicht verhindern, dass meine Tanks bei 340 Watt leer sind und ich froh bin, mit dem Treten aufhören zu können.

Schnell etwas trinken, mit dem Handtuch die gröbsten Spuren des Kampfes beseitigen und locker auskurbeln. Während sich die Körperfunktionen und -werte langsam wieder normalisieren, macht sich Clemens bereits an die erste Auswertung.

Die Ergebnisse

Unter der Dusche kommen die ersten Gedanken zu dem, was gerade passiert ist. 340 Watt? Hätte ich mir mehr erwartet? Wie sind die letzten Wochen verlaufen? Was hätte ich besser oder anders machen können? 340 Watt für drei Minuten zu treten, stellt an sich kein Problem dar, mit den 30 Minuten Belastung davor allerdings schon - da summieren sich die einzelnen Leistungsstufen auf.

Clemens klärt mich bei einer Tasse Kaffee auf. Auf drei kompakten Seiten bekomme ich eine erste Bestandsaufnahme meiner Leistungsfähigkeit - oder auch dem, was nicht vorhanden ist...

Meine Zonen sind im Großen und Ganzen dort, wo sie schon die vergangenen Jahre waren, allerdings war es nach dem geringeren Trainingsumfang der letzten beiden Jahre gut zu sehen, dass noch eine gute Basis vorhanden ist. Mein FTP-Wert war schon einmal höher, aber auch da ist eine solide Basis vorhanden, die glücklicherweise nicht so schnell schwindet, wie das subjektiv manchmal erscheinen mag, wenn man in die Pedale tritt.

Ernüchternd ist hingegen die Schlussfolgerung, dass die Verschlechterung meiner Leistungsfähigkeit auf den viel geringeren Trainingsumfang zurückzuführen ist und darin eigentlich der Schlüssel liegt - so schwarz auf weiß wurde mir das bis jetzt noch nicht präsentiert.

Positiv jedenfalls die Analyse meiner Atmung, die eine gute Verstoffwechselung zeigt und vor allem eine gute Ökonomie - nicht ganz unwesentlich angesichts der Ziele für 2020.

Mein Plan

Was bedeutet das für mich? Clemens setzt erneut zur Erklärung an:

1. Trainingsumfänge steigern

2. Bi-polares Training

3. VO2-Max steigern

Dass meine Trainingsumfänge ausgedehnt werden müssen, war mir von Anfang an klar und dementsprechend wenig überraschendes Ergebnis der Leistungsdiagnostik. Vom jetzt sehr niedrigen Level an wöchentlicher Trainingszeit ausgehend werde ich meine Umfänge nach und nach steigern, um Richtung Sommer eine entsprechende Basis aufbauen zu können.

Clemens befürwortet den Aufbau einer soliden Ausdauer-Basis, dementsprechend sind auch große Teile des Trainings auf die Grundlagen-Zonen ausgerichtet. Demgegenüber stehen Intervalle an der zweiten Schwelle, um VO2-Max und Laktatschwelle entsprechend "nach rechts" zu verschieben.

Spannend und für mich in dieser Form neu ist der Themenkomplex Energiebedarf und -bereitstellung. Dabei ist auf einer Skala der Energiebedarf in Kalorien pro Stunden für den jeweiligen Wattwert aufgetragen. Für eine Herausforderung wie das Race Around Austria, wo die Energiebereitstellung und Nahrungszufuhr ein zentrales Element dabei ist, ob man dieses Rennen (erfolgreich) beendet oder nicht, ist eine derartige Auswertung natürlich extrem hilfreich. Auf diese Weise kann beispielsweise eine Ernährungsstrategie für ein Langstreckenrennen recht exakt an einen geplanten Leistungsoutput gekoppelt oder entsprechend daran orientiert werden.

Als erster Test nach einer längeren Zeit ohne eine derartige Diagnostik, kann ich nun mein Training an wissenschaftlich erhobenen Werten orientieren. Clemens wird mir außerdem Trainingsempfehlungen zusammenstellen, die ich möglichst einfach und unkompliziert in meinen Alltag einbauen kann. Hier bin ich froh, eine individuelle Beratung und Betreuung zu haben. Auf meinem Weg zu den Projekten des Jahres 2020 und dem Race Around Austria werde ich im Frühjahr jedenfalls noch einen weiteren Test einplanen, um Fortschritte und Potentiale messen und realisieren zu können.

Exkurs: Leistungstest auf Zwift

Der Wert einer individuellen und wissenschaftlich durchgeführten Leistungsdiagnostik steht natürlich außer Frage. Dennoch war es überraschend, dass die in Zwift ermittelten Werte jenen der "richtigen" Diagnostik in manchen Punkten sehr ähnlich waren. Dies spricht grundsätzlich für die Algorithmen und Logiken der Software und attestiert eine gewisse Verwendbarkeit der dort erzielten Werte. Zwift bietet sowohl einen 20-minütigen FTP-Test als auch - seit diesem Sommer - einen klassischen Rampentest in der Software an. In meinem Fall waren die Werte ähnlich, bei anderen Personen können diese Übereinstimmungen allerdings schon weniger groß sein, da Zwift einige Parameter entweder gar nicht erfassen kann oder nur bedingt in seine Berechnungen miteinbeziehen kann. Die individuelle Komponenten kann auf Zwift beispielsweise überhaupt nicht berücksichtigt werden. Laktatmessungen werden auch weiterhin der klassischen Leistungsdiagnostik vorbehalten bleiben und damit auch die fundierteren Eingangsdaten für eine wattbasierte Trainingssteuerung. Und auch die Analyse der Atemluft ist ein Asset, das man wohl noch längere Zeit nur im Rahmen einer sportwissenschaftlich durchgeführten Leistungsdiagnostik finden wird können.

HPC - Clemens Rumpl

Geräte sind nur so gut, wie die Person, die sie einstellt und bedient und Daten nur so viel Wert, wie die Person, die sie lesen und interpretieren kann. Clemens Rumpl ist mit HPC - High Performance Coaching schon einige Zeit "im Geschäft" und berät und versorgt mit seiner Leistungsdiagnostik und Trainingsberatung zahlreiche Sportlerinnen, Sportler und Mannschaften im Ausdauerbereich. Er war selbst Lizenzfahrer und als solcher weiß er auch, auf die (besonderen) Bedürfnisse von Radsportlerinnen und Radsportler einzugehen. In seinem feinen Büro in Pottenbrunn nahe Sankt Pölten steht neben Rad- auch eine Lauf-Spiroergometrie zur Verfügung. Und Clemens hatte während des Leistungstests noch Zeit, alle der hier gezeigten Fotos von mir zu machen! ;)

Midlife Crisis (Thank you, Cycling)

Es begibt sich dieser Tage, dass ich meinen 40. Geburtstag feiere. Dabei möchte ich kein großes Fest oder irgendeine Aktion starten, dazu sind mir (meine) Geburtstage grundsätzlich nicht „feiernswert“ genug. Etwas Reflexion über sich selbst, so wie man das ohnehin regelmäßig machen sollte, ein Glas Sekt in engem Kreis vielleicht, und gut ist. Es sind eher Impulse von außen, die den bevorstehenden Jahrestag wie den Meilenstein einer fortschreitenden und unheilbaren Krankheit erscheinen lassen. „Geht es dir gut damit?“, „Wie fühlt sich das an?“ sind Fragen, die ich mir von selbst nicht stellen würde und sie verursachen mitunter, dass man in ruhigen Momenten dann doch etwas zu grübeln beginnt.

Krise

Natürlich gab es Vorzeichen! Ich wurde dieses Jahr erstmals in der Altersklasse „AK40“ gewertet - als November-Geborener ist man ja gewöhnt, dass einige Alterslogiken nicht ganz genau stimmen. Die kurze Euphorie, dass ich jetzt eventuell im Altersklassenranking ein paar Plätze gutmachen würde, hat sich beim ersten Rennen - logischerweise - auch gleich wieder in Luft aufgelöst. Schließlich werden wir alle (gleichzeitig) älter, und gerade im Ausdauersportler war es immer schon so, dass Alter nicht unbedingt etwas über Leistungsfähigkeit aussagt.

Dann war da Spotify, dessen Algorithmus einiges Tages plötzlich begann, mir Lieder aus meiner späten Jugend (man könnte schon fast sagen „alte Hadern“) in die Playlist zu legen. Wie das so ist, kippt man dann recht oft in einen Nostalgie-Trip hinein, das eine führte zum anderen - in diesem Fall zu den von mir damals und auch heute noch sehr geschätzten „Faith No More“. Musik von früher zu hören, transportiert einen immer wieder zurück in ein anderes Alter. Wer so wie ich immer gerne und intensiv Musik gehört hat, kann sich dabei auch noch etwas tiefer zurückfühlen als manch anderer. Und so geschieht es auch, dass man sich in einem schwachen Moment bewusst macht, wann genau dieses Album oder jener Song erschienen ist, man rechnet im Kopf und ist dann doch etwas überrascht, dass 1995 nicht vor 7 oder 8 Jahren war sondern vor 23! Dass einer der Songs dann auch noch „Midlife Crisis“ heißt, macht die Sache nicht einfacher.

Schließlich sprach auch noch das Buch zu mir, das gerade neben meinem Bett liegt (- keine Sorge, wir kommen gleich wieder zu etwas, das mit Radfahren zu tun hat!) Der großartige Karl Ove Knausgård schreibt im zweiten Band seines epischen Romanzyklus („Lieben“), dass „die Krise rund um den 40. Geburtstag kein Mythos“ ist. 

„In letzter Zeit traf sie Menschen in meiner Nähe und traf sie hart. Manche wurden fast wahnsinnig vor verzweifelter Sehnsucht. Wonach? Nach mehr Leben. Mit vierzig war das Leben, das man momentan lebte und das stets provisorisch gewesen war, zum Leben selbst geworden, und diese Kombination schloss alle Träume aus, nivellierte alle Vorstellungen davon, dass es das wahre Leben, für das man bestimmt war, das Große, das man vollbringen würde, andernorts gab. Mit vierzig erkannte man, dass alles hier war, im Kleinen und Alltäglichen, fertig ausgeformt, und dass es für immer so bleiben würde, wenn man sich nicht noch etwas zutraute“.
— Knausgård in „Lieben“

Gut, Knausgards spielt hier auf die private Ebene an, die Beziehungen die seine Protagonisten zu Partnern und Menschen haben. Dennoch kann man in diesen wenigen Zeilen - wenn man sich vorher schon ein paar Gedanken darüber gemacht hat - einiges wiederfinden. Und schon ist der vermeintlich ruhige und ereignislose 40. Geburtstag ein aufgeladenes und bedeutungsschweres Konstrukt.

Ausweg?

Auch wenn es vor dem Fenster kalt, nass und grau ist, möchte ich dennoch nicht schwarzmalen! Es geht mir sehr gut, ich habe eine großartige Familie, Rückzugsorte und viel Freude in meinem Leben, so wie es derzeit ist. Von einer Krise bin ich daher weit entfernt und auch die Unsicherheit und das Schicksal von Knausgård wird mir wohl erspart bleiben. Mir war daher wichtiger, herauszufinden, warum ich zufrieden bin. Und nach dieser nach allen Regeln der Dramaturgie verfassten Einleitung dieses Blogbeitrags mag es langweilig oder gar enttäuschend sein, dass ich zu keinem „besseren“ Ergebnis gekommen bin.

In der Tat ist es zu einem großen Teil das Radfahren, die Beschäftigung damit, meine Radlerkolleginnen und Kollegen und natürlich auch dieser Blog hier, der in meinem Leben einen großen und wichtigen Teil einnimmt und der zu einem gewissen Grad als Ventil und Ausgleich für vieles dient, was sich in anderen Konstellationen potentiell zu einem Problem auswachsen könnte (oder gar einer Krise).

Im Sinne des Mottos von Fingerscrossed - „Thank you Cycling“ - ist es mir wichtig, auf die Glücks-, Ausgleichs- und Hygiene-Funktion von Radfahren hinzuweisen. Sich dessen bewusst zu sein, ist essentiell. Radfahren zu können und zu dürfen ist ein großes Glück - der Spitzensportler mag sich über die verlorenen Sekunden ärgern, abseits vom Leistungsgedanken kann man aber auch ab und zu einmal einen Schritt zurück machen und sich über das große Ganze freuen. Training ist anstrengend, hinauszugehen, wenn das Wetter schlecht ist ebenso - doch ich hatte in meinem Radleben erst ganz wenige Ausfahrten, bei denen ich wirklich das Gefühl hatte, „die haben überhaupt keinen Spaß gemacht“ oder „das hätte ich mir sparen können“. An einer Hand könnte ich diese Ausfahrten aufzählen und ich erinnere mich vermutlich auch noch an jede einzelne. Auf der Haben-Seite gibt es hingegen bei jeder Ausfahrt mindestens diesen einen Moment - wenn die Beine passen, wenn das Reh über das Feld läuft, wenn man die Kuppe erreicht hat, wenn man eine Bestzeit erringt, egal... 

Gleiches gilt für die vielen Menschen, die ich dank des Radfahrens kennenlernen durfte - viele davon sind Freunde geworden. Sie alle bilden ein dichtes und engmaschiges Netz, das für Freude, Zerstreuung und Rückhalt steht. Wie soll man da in eine Krise geraten?

Und letztlich bin ich auch überglücklich, diesen Blog und die dazugehörigen Seiten betreiben und befüllen zu können. Über meine Erlebnisse zu berichten und diese fotografisch festzuhalten, macht einen großen Teil meines Lebens aus. Dass sich das alles zeitlich ausgeht, hab ich einem sehr geduldigen und toleranten Umfeld zu verdanken (DANKE an dieser Stelle)! 

Um diesen - zugegebenermaßen ungeplanten, unkoordinierten und dementsprechend chaotischen - Blogpost zu einem Ende zu bringen: Thank you Cycling! Ich bin dankbar und demütig, freue mich auf das nächste Lebensjahr von mir selbst und 169k (der Blog feiert dann zwei Wochen nach mir Geburtstag!) und gespannt, was die Zukunft bringt! „More of the same“ klingt für mich nicht nach Wiederholung sondern eher nach vielen spannenden und unterhaltsamen Abenteuern! ;)

Zwift: Fuego Flats

Mit beeindruckender Regelmäßigkeit erweitert Zwift die Strecken in und rund um Watopia. Gerade jetzt, wo der Frühling - oder ist es schon der Sommer? - anklopft und man seine frisch rasierten Beine am liebsten schon wieder an der frischen Luft ausführen würde, hilft die neue Erweiterung “Fuego Flats” auch noch die letzten kleinen Phasen von schlechtem Wetter zu überstehen.

Watopia (Island) - nach Jarvis Island aus der Beta-Phase - quasi die älteste originale Strecke, hat mittlerweile schon einige Erweiterungen erlebt: Ocean Boulevard, den Epic KOM, die Runden durch und auf den Vulkan, die Maya-Ruinen im Süden und das legendäre Alpe du Zwift. Jede Strecke und jedes Segment hat eine andere Charakteristik, je nachdem worauf man gerade Lust hat - Höhenmeter, Wellen oder Tempobolzen - wählt man die geeignete Route.

Fuego Flats

Fuego Flats ist der neue Streich, zweigt vom Ocean Boulevard bzw. vom Sequoia Circle ab und führt in eine trockene Wüste, in der Hoffnung, dass man genug Wasser für die Fahrt mitgeführt hat. Die Strecke ist - wie es so schön heißt - “brettleben”, auf 15 Kilometern sammelt man ganze 60 Höhenmeter. Die Route ist somit hervorragend für Zeitfahren, Ausdauertrainings und Rennen geeignet, allzu viel Ablenkung bietet die Landschaft dabei nicht. Gut also, um in sich selbst zu gehen, fokussiert zu fahren und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Ist mentale Stärke auf der Rolle schon grundsätzlich nicht schlecht, wird man sie in den Fuego Flats jedenfalls brauchen, um dort länger unterwegs sein zu können.

Zwei Orte unterbrechen die Wüstenlandschaft - einer davon gleicht einer Wild West-Geisterstadt, der andere bietet futuristische Gebäude, wie man sie aus Zukunftsvisionen der 60er-Jahre kennt. Dazwischen durchmisst man Canyons (vielleicht gibt es da einen Bonus, wenn man auf einem Canyon-Rad sitzt ;) ), fährt an pittoresken Wasserfällen vorbei und passiert Steinsäulen, wie man sie aus den amerikanischen Wüsten und von Bildern des Race Across America kennt.

An den Übergängen von der Wüste zur bestehenden Zwift-Welt stößt man auf hübsche Waldgebiete und hügelige Berglandschaften, und wer genau hinsieht, findet auch gleich den Hinweis auf die nächste Erweiterung. Auf beiden Seiten der Strecke deuten Absperrungen darauf hin, dass früher oder später die dahinterliegende Asphaltstücke eröffnet werden. Dem Vernehmen nach - es gab schon erste Bilder der Strecke bei einem der Zwift-Entwickler - handelt es sich dabei dann um eine knackige Bergstrecke durch Redwood-ähnliche Waldlandschaften. Damit wäre eine Bergstrecke verfügbar, die noch näher beim Startpunkt von Zwift Island liegt als Epic KOM und vor allem Alpe du Zwift.

Zwei Segmente bieten die Möglichkeit, sich offiziell mit anderen Fahrern - oder sich selbst - zu messen. Im Uhrzeigersinn führt ein 500 Meter langes “klassisches” Sprintsegment, gegen den Uhrzeigersinn gibt es hingegen ein neues Format in Form eines sieben Kilometer langen TT-Segments.

Impressionen von der Strecke

Streckenoptionen

Mit den Fuego Flats wächst die Zahl der Streckenvarianten noch weiter, sodass man sich - sofern man nicht frei fahren möchte - vorab schon einige Gedanken machen sollte, wohin man fahren will. Wenn man - so wie ich - immer erst kurz vor dem Fahren chaotisch die Routenoptionen durchklickt, dauert das mittlerweile recht lange, so groß ist die Auswahl.

Folgende Varianten beinhalten die neue Strecke Fuego Flats (inkl. der neuen ultimativen Super-Runde “The Uber-Pretzel”, die man ganz einfach charakterisieren kann, nämlich “einmal alles!”):

Hier meine Testfahrt über den Tick Tock-Kurs: https://www.strava.com/activities/2316074115

Leistungsmessung - Teil 1: Grundlagen und Notwendigkeiten

Vor zwei Wochen war ein Paket in meinem Postkasten, darin enthalten die neueste Auflage von Joe Friels „Trainingsbibel für Radsportler“. Dieser geradezu Orgie an Zahlen, Tabellen und daraus ableitbaren Möglichkeiten werde ich im Idealfall noch einen eigenen Beitrag widmen. Was jedoch auffällt, wenn man das Buch auch nur überfliegt: State of the Art in der Trainingssteuerung ist heutzutage Leistungsmessung. Rad-Industrie und Magazine haben hier natürlich mitgeholfen, sodass heutzutage kein Radfahrer mehr ohne Wattmesser leben kann. Aber Spaß beiseite… Auch aus trainingswissenschaftlicher Sicht spricht einiges für Leistungsmessung, ist der Watt-Output doch konstanter und unabhängiger von (Umwelt)Einflüssen als die Herzfrequenz.

Doch alles der Reihe nach… Wer diesen Blog regelmäßig verfolgt, weiß, dass ich nicht der ehrgeizigste Mensch der Welt bin. Zerstreuung, Spaß und entspanntes Abenteuer stehen für mich am Rad immer noch im Vordergrund. Ein gewisses Grundlevel an Fitness möchte ich mir dabei aber stets erhalten und auch abrufen können, damit die Projekte, die ich mir über das Jahr hinweg vornehme auch halbwegs würdevoll bewältigt werden können. Ansonsten bin ich aber so unterwegs, wie es mir gerade Spaß macht, Trainingsplan hatte ich noch nie einen. Ich hab mich immer dagegen gesperrt, meine Radgewohnheiten einem Plan von außen unterwerfen zu müssen - Fahren, wenn es regnet, Ruhetage bei schönstem Wetter, Grundlage, wenn man Lust auf was kurzes, schnelles hat, Inkompatibilität mit Gruppenfahrten… Alles Argumente, die für mich gegen einen Trainingsplan sprechen.

Unterstützt wurde diese These noch durch den ersten Leistungstest, den ich damals vor einigen Jahren gemacht habe. Ergebnis war, dass meine Werte verhältnismäßig gut sind, „wie ich denn genau trainierte“ war die Frage des Trainers. Meine Antwort war für ihn damals offenbar wenig befriedigend, lautete sie doch sinngemäß „ich fahre, was mir gerade Spaß macht“. Dann solle ich doch genau so weitermachen, wie bis jetzt, wenn sportliche Höchstleistungen nicht mein wichtigstes Ziel wären.

Fart…was? Fartlek!

Freies Fahren bietet fraglos viele Vorteile. Im vermeintlich flachen Osten Österreichs ist man tatsächlich mit einer schier endlosen Anzahl an kleineren Hügeln konfrontiert (außer man bewegt sich ausschließlich am Donauradweg auf und ab). Das Weinviertel mit seinen zuerst sanften, kleineren und dann auch etwas größeren Hügeln, der nahe „domestizierte“ Wienerwald für den klassischen Wiener Ausflügler, der ins Alpenvorland übergehende Wienerwald, der plötzlich etwas bergiger und wilder wird - nennen wir es einmal kupiertes Gelände. Im Trainings-Sprech gibt es den Begriff „Fartlek“ - aus dem skandinavischen kommend, bedeutet das soviel wie Fahrtenspiel. Dieses wiederum meint eine spielerische Abfolge von Geländeformen, Intensitäten und natürlichen Intervallen, die sich auch in der Trainingsintensität entsprechend niederschlagen. Für mich bedeutet dieses „Fahrtenspiel“, sich auszutoben, zu machen, was man will, „es laufen zu lassen“. Im Training fast nur Fartlek zu betreiben, erzeugt einen guten Allrounder - Spezialist wird man dadurch aber keiner.

Mit meinem Leistungsmesser am Rennrad nutze ich die Daten, die mir nach der Ausfahrt auf Strava ausgespuckt werden, bisher eher zu Unterhaltungszwecken als zur Steuerung. Ich freue mich wie ein kleines Kind vor dem Christbaum, wenn irgendwo vierstellige Wattzahlen stehen (obwohl diese überhaupt keinen Schluss auf eine Gesamtleistung zulassen), studiere meine Durchschnittsleistungen (gebe mich aber damit zufrieden, wenn sich diese einem Fenster von 30-40 Watt bewegen) und nutze die Zahlen in erster Linie dazu, das schwere Gefühl in meinen Beinen zu begründen. Im kleineren Rahmen und speziell bei Veranstaltungen und Rennen versuche ich natürlich schon, anhand der Daten meine Leistungen im Nachhinein zu bewerten und bestimmte Entwicklungen zu begründen. Drei Beispiele dazu (Achtung: es handelt sich dabei um meine Hobby-Analysen - ein Trainer wird da vermutlich andere Schlüsse daraus ziehen…):

Wachauer Radtage 2018

Nach sieben Tagen im Tross der Österreich Rundfahrt, die ich vor allem stehend oder im Auto sitzend verbracht habe, war ich nicht allzu optimistisch für dieses Rennen. Umso überraschender war, dass meine Beine recht frisch waren und die kleinen Watts nur so herausgesprudelt sind. Der FTP-Wert war damals noch etwas höher (und nicht winterbedingt so niedrig wie im Bild unten dargestellt), insofern stimmen die 99% Intensität nicht ganz. In Summe schaut das Muster für ein Rennen über 2,5 Stunden ganz gut aus, viel höher dürften die Wattwerte nicht sein, ansonsten würde ich vermutlich nicht über die Distanz kommen. Das wellige Streckenprofil der Wachauer Radtage kommt mir zugute, kurze Anstiege mit anschließender Möglichkeit, sich zu erholen und mitzurollen und längere flache Passagen entsprechen recht gut meinem Anforderungsprofil.

Arlberg Giro 2018

Jedenfalls weniger meinem Anforderungsprofil entspricht der Arlberg Giro mit seinen zwei großen Anstiegen. (Dennoch ist Bergfahren noch immer eine der schönsten Geschichten, die man machen kann - abseits jeglicher Leistungsmessung oder-bewertung!). Wie die Balken erkennen lassen, verschiebt sich das Ganze leistungstechnisch etwas nach unten, erklärbar durch die längeren Anstiege, in denen man eher haushalten muss und die Leistungsgrenze lieber etwas niedriger ansetzt. Lange Bergabfahrten bringen auch längere Phasen mit keinem oder weniger Leistungsoutput. Dafür fehlt die „goldene Mitte“, also jene Bereiche und Abschnitte, in denen man flott dahinrollt (Zone „Tempo“ wäre das dann). Aufgrund der Länge des Rennens (von in diesem Fall 5,5 Stunden) fehlen auch die Spitzen und die Werte „im Roten“ weitgehend, da geht es bei mir eher darum, konsistent über die Länge des Rennens zu kommen - Sprints und Ähnliches sind da für mich kontraproduktiv. Einzig ab und zu den Anschluss an eine Gruppe zu schaffen (oder diesen zu halten) ist es meiner Meinung nach wert, kurz „ins Rote“ zu gehen.

King of the Lake 2018

Eher ernüchternd ist die Analyse des King of the Lake 2018, den ich diesmal auf dem Rennrad in Angriff genommen habe. Der “KOTL” bezieht ja auch aus der Tatsache seinen Reiz, dass man annähernd an dieser magischen Stundengrenze unterwegs ist - dementsprechend also seinen FTP-Wert unter realen (und schmerzhaften) Bedingungen der Realitätsprüfung unterziehen kann. Dementsprechend sollte der Balken rund um 280-290 Watt durchgehen bis zum rechten Bildschirmrand, die Realität sieht aber anders aus. Praktisch zeigt die Analyse, dass ich den größten Teil des Rennens recht deutlich unter meinem FTP-Wert unterwegs war, die möglichen Erklärungen sind vielfältig, eine weiterführende Überprüfung wird auch dieses Jahr stattfinden :) Die Strecke des “KOTL” ist schwierig, einige - mitunter recht gemeine - Hügel wollen auf dem Kurs rund um den Attersee bezwungen werden , hier mit gleichmäßiger Leistung drüber zu fahren, ist an sich schon schwer. Zusätzlich scheint es mir schwer zu fallen, eine konstante Leistung über einen gewissen Zeitraum zu erbringen - vielleicht ist das normal, vielleicht sprechen andere Faktoren dafür oder dagegen, jedenfalls konnte ich bei diesem Rennen meinen Leistungsoutput nicht konstant (hoch) halten. Bei einer Dauer von gut einer Stunde würde ich mir erwarten, dass die Balken allesamt etwas weiter im Roten liegen, für aktive Regeneration hat man in diesem Fall nach dem Rennen genug Zeit.

Zwift

Bringen wir noch einen weiteren Faktor ins Spiel, der aus meiner Sicht beim Thema Wattmessung nicht fehlen sollte - zumindest in meiner Rad-Welt. Die allseits bekannte und beliebte Trainingsplattform Zwift lebt zu einem großen Teil von den Vorteilen von Smart Trainern, die notwendigerweise auch eine Leistungsmessung beinhalten. Wer also keinen Powermeter auf seinem Rennrad montiert hat, kommt eventuell in den virtuellen Welten von Zwift (erstmals) mit Leistungsmessung in Berührung. Ich möchte hier nicht über den Realitätsgrad von Zwift diskutieren, sondern nur feststellen, dass bei Verwendung der Trainingsprogramme in Zwift immer mit Leistungswerten gearbeitet wird. Und wenn man im Winter auf der Rolle nach Watt fährt (und Zwift wird die Intensitäten der Trainings und Intervalle nach Watt einteilen), dann wird man vermutlich auch im Sommer wissen wollen, wie man denn gerade unterwegs ist und eventuell auch sein Training ab diesem Zeitpunkt auf Basis eines Leistungsmessers abwickeln. Zwift ist daher aus meiner Sicht eine gute und naheliegende Möglichkeit, die Welt der Leistungsmessung und das darauf aufbauende Training auszuprobieren und sich quasi langsam „einzuleben“. Es bleiben gewisse Unschärfen zwischen der Leistungsentfaltung auf der Rolle und draußen auf dem Rad - die Angaben über die Unterschiede sind unterschiedlich - im Endeffekt ist empfehlenswert, einen Leistungstest zu Beginn der Freiluftsaison durchzuführen, um die tatsächlichen Leistungszonen feststellen zu können. Denn es ist jedenfalls kontraproduktiv, mit falschen Leistungszonen zu arbeiten und sein Training entsprechend (falsch) darauf auszurichten.

Was will ich damit jetzt sagen?

Ich habe bis jetzt getan, „was ich wollte“ - ohne wirkliches Ziel, ohne wirklichen Plan. (Und es hat gut funktioniert und Spaß gemacht). Ich verwende Zwift und bekomme dort meine Leistungsdaten ausgespielt. Ich habe einen Powermeter am Rennrad und komme auch dort in den vollen Genuss des „quantified selfs“. Irgendwie möchte ich da aber jetzt mehr daraus machen.

Es ist kein Geheimnis, dass ich 2019 am Start der Race Around Austria Challenge stehen werde - dabei geht es nonstop 560 Kilometer rund um Oberösterreich. Mein Ehrgeiz beschränkt sich momentan noch auf die „Besiegung des inneren Schweinehunds“ - ich möchte die Strecke innerhalb des Zeitlimits zurücklegen, dabei würdevoll bleiben und auch meinen Spaß haben und neue Erfahrungen sammeln. Gewinnen sollen andere! Während ich also grundsätzlich optimistisch bin, dieses Vorhaben mit meiner üblichen Vorbereitung (Stichwort „Fartlek - ungeplant“) bewältigen zu können, gibt es da in meinem Kopf eine Ecke, in der eine kleine Stimme wiederholt darauf hinweist, dass ich meinen Ars** doch etwas mehr bewegen sollte und das Privileg, bei so einer Veranstaltung dabei zu sein, besser nützen sollte.

Ich habe daher beschlossen, dieser Stimme Folge zu leisten und meine bisherigen Konventionen ein Stück weit über Bord zu werfen. Ich werde seit langem wieder einen Leistungstest machen, meinen Powermeter mit neuen Batterien versorgen und kalibrieren und mir einen Trainingsplan gönnen. Die Weichen dafür sind bereits gestellt, die Termine großteils organisiert, die notwendigen Ansprechpartner gefunden. Es handelt sich hier also um eine … *Trommelwirbel* … Serie von Blogposts. Bis Ende Mai folgen dementsprechend noch:

  • Teil 2: Langzeittest Garmin Vector 3

  • Teil 3: Leistungstest bei Flowsports

  • Teil 4: Training für das Race Around Austria

Ich freue mich sehr auf die nächsten Wochen - auf neue Erkenntnisse, neue Erfahrungen und eventuell ein paar Watt mehr am Ende des Tages. (Und keine Sorge: ich werden meine Hobby-Analysen auch noch vom Profi beurteilen lassen).

Ernährung (Teil I)

„Nummer 81. Nummer 81!“ ruft der junge Mann mit dem karierten Halstuch und ich trete vor an die Theke, um mein Essen entgegenzunehmen. Es sind Hüttenwochen bei McDonalds und ich mittendrin - ab nach Hause, auspacken, essen, fertig. Dass ich mich danach weder gesättigt noch besonders gut versorgt fühle hat Tradition, war aber bis jetzt kein dringender Grund, McDonalds links liegen zu lassen. Ist doch eh heimisches Fleisch, Gemüse ist auch drinnen, die Kalorienzahlen lesen sich nicht allzu dramatisch. Aber ist das der Weisheit letzter Schluss? Und was ist mit dem Schokoriegel zwischendurch, der Topfengolatsche nach dem Mittagessen und warum bin ich jetzt schon wieder aufgebläht?

Die Pläne für 2019 sind teilweise groß, die sportlichen Herausforderungen werden beträchtlich und auch wenn kein allzu großer Leistungsdruck da ist, es wäre doch schade, wenn man nicht 100% seiner Leistung abrufen kann. Bis jetzt habe ich mir keine allzu großen Gedanken über meine Ernährung gemacht, obwohl mir natürlich immer klar war, dass hier (großes) Potential schlummert, besser zu werden. Ich habe nur aus den Augenwinkeln diverse Ernährungstrends mitverfolgt - Veganismus, Paleo, Keto-Irgendwas, High Carb, Low Carb - und mir bei den meisten gedacht, dass diese keinen Bestand haben werden. Außerdem habe ich nie besonderen Leidensdruck verspürt, an meiner Ernährung etwas verändern zu müssen - ich bin kein Risikopatient, habe keine hervorstechenden Blut-, Zucker- oder Cholesterin-Werte, mein Bauch wächst - keksbedingt - über den Jahreswechsel an und wird wieder kleiner, wenn im Frühjahr die Zahl der abgespulten Radkilometer steigt.

Für 2019 habe ich mir allerdings vorgenommen, mich mit meiner Ernährung näher zu beschäftigen. Mein einjähriger Sohn bekommt jeden Tag feinstes Bio-Gemüse, hochwertige Hafer- und andere Getreideflocken, beste Zutaten von überall - und es schmeckt ihm hervorragend! Damit also ich ein Vorbild sein kann, muss ich mir ihn als Vorbild nehmen. Es geht demnach um Wohlbefinden und Gesundheit - ganz unsportlich gesehen. Weniger Zucker, bessere Inhaltsstoffe, bewusstere Entscheidungen. Zweiter Grund ist aber natürlich der Sport und die mögliche Leistungssteigerung, die man durch eine Optimierung der Ernährung erzielen kann. Dazu habe ich mir professionelle Hilfe geholt.

Anamnese im „Büro für Ernährung“

Caroline Schlinter-Maltan führt in Wien das „Büro für Ernährung“. Neben der Ausbildung als Ernährungsberaterin ist sie auf Ausdauersportler spezialisiert, genau die richtige Kombination für meine Anforderungen. Das Kennenlernen ist herzlich, Vertrauen sofort da - dieses ist aus meiner Sicht auch deshalb wichtig, weil es sich schon um eine recht intime Angelegenheit handelt, nicht im medizinischen Sinn sondern eher im Sinne einer Beichte. Sich selbst gegenüber sollte man natürlich auch ehrlich sein bzw. sein wollen und können - wer den Schokoriegel zwischendurch verheimlicht und verleugnet, wird nur bedingt erfolgreich sein.

Es beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Das Gewicht, dass die Hightech-Waage ausspuckt, ist dabei nicht die einzig wesentliche Messgröße. Es werden Körperfett, Muskel- und Flüssigkeitsanteil, die Verteilung auf die einzelnen Extremitäten und viele andere Werte ermittelt, am Ende sieht man sich einer recht profunden Analyse des eigenen Körpers gegenüber. An dieser Stelle gibt es möglicherweise schon erste Erkenntnisse - beispielsweise wenn einer der ermittelten Werte tatsächlich weit außerhalb einer Norm oder Empfehlung liegt. Ansonsten aber sind diese Werte als Ausgangsposition zu sehen, möglicherweise als Arbeitsauftrag, jedenfalls aber als Grundlage für die weiteren Schritte. Es ist ähnlich wie mit wattgesteuertem Training - wer von einem falschen FTP-Wert ausgeht, wird permanent in den falschen Leistungsbereichen trainieren und damit wenig bis nichts erreichen. Ebenso ist es wichtig, grundlegende Werte wie den täglichen Kalorienumsatz zu kennen, um die Ernährung entsprechend darauf einstellen zu können.

Neben der Vermessung und Verwiegung dient ein ausführlicher Fragebogen der Ermittlung der mitunter lieb gewonnenen Gewohnheiten. „Süß“ mag ich, „Linsen und Bohnen“ mag ich, kommen aber in meinem Speiseplan nicht vor, „wieviel Kaffee trinkst du täglich“ - alle Bereiche und Segmente der Ernährung werden sukzessive abgeklopft. Auch mögliche Allergien und Unverträglichkeiten werden an dieser Stelle vorgebracht - bei mir sind diese glücklicherweise nicht vorhanden, andere leiden darunter recht massiv.

Dritter Puzzleteil - neben Waage und Fragebogen - sind die Ernährungsprotokolle. Als erste Hausaufgabe ist man angehalten, seine täglichen Mahlzeiten aufzuzeichnen. „Frühstück, Vormittag, Mittag, Nachmittag, Abendessen, später Abend“ - dazu sind möglichst detaillierte Angaben (in Gramm, Stücken, Portionen oder Kalorien) zu machen. Ehrlichkeit ist dabei - wie schon erwähnt - sehr wichtig, schlechtes Gewissen nicht angebracht. Umgekehrt sagt Caroline Schlinter-Maltan, dass Ernährungsprotokolle sehr oft schon eine erste Verbesserung mit sich bringen - die Bewusstmachung der täglichen Mahlzeiten, lässt einen schon viel differenzierter an die Sache herangehen, Schokoriegel werden mitunter schon alleine deswegen weggelassen, weil man sie ansonsten aufschreiben und damit dokumentieren müsste.

Ernährungsprotokolle

Ich habe also von nun an einen Pack Zettel in meiner Hand - immer und überall. Im Büro, zuhause, vor dem Computer - jede Mahlzeit, jeder Snack wird protokolliert. Am zweiten Tag stelle ich beim Frühstück eine Küchenwaage neben mich und beginne Brot, Butter und Marmelade zu wiegen. Klingt pedantisch und übertrieben? Möglicherweise, aber wer ist sich schon bewusst, wie viel 100 Gramm oder 100 Kalorien sind. Davon eine Idee zu bekommen, hilft dabei, Mahlzeiten und Mengen besser einschätzen zu können. (Nach dem zweiten Tag kann man die Waage getrost wieder in der Küche stehen lassen, es geht ja nur darum, ein Gefühl dafür zu bekommen). Mein direktes Umfeld zeigt sich übrigens schnell interessiert, das Thema Ernährung lässt offenbar keinen locker, betrifft jede und jeden. Einige schließen sich mir an und beginnen auch für sich mitzuschreiben, was sie den ganzen Tag so zu sich nehmen - rein aus Interesse.

Nach zwei Wochen Ernährungsprotokoll wird recht schnell klar, wo man ansetzten könnte. Mein Frühstück ist immer das Gleiche, Variation und andere Inhaltsstoffe können mir hier helfen, besser durch den Tag zu kommen. Es ist kein hochwissenschaftliches Geheimnis, wo die Unterschiede zwischen einfachem Zucker und langkettigen Kohlenhydraten liegen. Dass man nach der Marmelade-Semmel am Morgen spätestens um 10 Uhr vormittag wieder Hunger bekommt, ist biologisch recht einfach darstellbar - warum man es dann trotzdem nicht von selbst macht, weiß ich nicht… Schmeckt halt auch gut so ein Honigbrot! Mit mehr (=nachhaltigerer) Energie vom Frühstück erspare ich mir dann vielleicht auch meine Vormittagsjause, esse später zu Mittag und auch der Snack am Nachmittag wird vielleicht nicht mehr so wichtig und notwendig sein wie im Moment. Ich bin sehr gespannt, wie sich das die nächsten Wochen und Monate entwickeln wird.

Denn klar ist auch, dass eine derartige Entwicklung nicht von heute auf morgen passieren wird bzw. kann. Ebenso auf der Hand liegt, dass Ernährung eine sehr individuelle Geschichte ist und man deshalb nicht blindlings auf vorgefertigte oder standardisierte Pläne und Konzepte aufsetzen sollte. Mein Entwicklungshorizont ist ein moderates Abnehmen bis Juni - wobei „Abnehmen“ im Sinne des Wohlbefindens zu verstehen ist - und danach eine Optimierung meiner Nahrungsaufnahme während des Sports.

Auf dem Rad

Denn ist man oft und viel auf dem Rad unterwegs, beeinflusst das den Energiehaushalt natürlich entsprechend. Es macht keinen Sinn mit einem Ruhe-Kalorienverbrauch von 1.950 Kalorien zu rechnen, wenn man beim Training auf dem Rad noch zusätzliche 1.000 Kalorien verbrennt. Trainingshäufigkeit und -intensitäten müssen daher bei einem Ernährungsplan und einer Optimierung der Ernährung entsprechend berücksichtigt werden. Es werden auch sportliche Aktivitäten ins Ernährungsprotokoll eingetragen - sobald man seinen Puls misst, erhält man über Zwift, Strava und dergleichen auch einen (annäherungsweise richtigen) Kalorienverbrauch für ebendiese Aktivität. Auch hier ist ein großer Teil die Bewusstmachung - bei meiner 160k-Tour auf Zwift habe ich beispielsweise 3.200 Kalorien verbraucht - interessant, diesen Wert zu kennen und für andere Aktivitäten einschätzen zu können.

Neben dem Einfluss des Sports auf die allgemeine Ernährung und den Energiebedarf geht es für mich auch ganz stark um die Ernährung auf dem Rad bzw. vor und nach dem Training. Das beste Training hat keinen (oder weniger) Sinn, wenn man hungrig oder vollgestopft aufs Rad steigt, die Leistung wird nicht passen, wenn man von den falschen Lebensmitteln aufgebläht ist und wer schon einmal ein Müsli direkt vor dem Radfahren gegessen hat, weiß, dass der Körper sich dann nicht ausschließlich aufs Radeln konzentrieren wird können. Während der Aktivität gibt es mit der großen Auswahl an Nahrungsmitteln (Shots, Gels, Riegel) natürlich großen Spielraum und Variationsmöglichkeiten - aber auch hier gibt es „natürlichere“ oder „bessere“ Produkte. Und schließlich ist da noch das Essen nach dem Heimkommen - und das soll nicht in einen „Fress-Flash“ ausarten, in dem man wahllos alles in sich reinstopft, was man findet, um seine Speicher wieder zu füllen, sondern idealerweise kommen auch hier „sinnvolle“ und hochwertige Inhaltsstoffe und Produkte zur Verwendung, die einem die Weiterentwicklung ermöglichen und nicht den ganzen Trainingseffort gleich wieder zunichte machen.

Im Hinblick auf mein Race Around Austria im August stellt sich außerdem die Frage, wie man sich am Rad für eine Belastung über 24 Stunden am besten versorgt. Dabei sind die Anforderungen wiederum andere als bei kurzen Trainings auf der Rolle oder den klassischen zwei- bis dreistündigen Ausfahrten. Aber dazu kann ich im Sommer mehr sagen, schließlich läuft mein Projekt Ernährungsberatung über die nächsten Monate. Mehr dazu also im nächsten Teil der Serie - voraussichtlich wird das Ende Mai/Anfang Juni der Fall sein. Ich habe außerdem bereits in den ersten Tagen einige Nachrichten zu diesem Thema bekommen, mit Vorschlägen, Anregungen und weiteren Inputs - diese möchte ich auch in den nächsten Teilen gerne mitbehandeln.

Bis dahin: Mahlzeit!

Link:

Büro für Ernährung - Mag. Caroline Schlinter-Maltan