Jahresrückblick 2024

Ich hab schon lange keinen Jahresrückblick mehr geschrieben, früher war das fast eine Regelmäßigkeit. Irgendwie kippt man dann ja oft schnell in eine Art Nostalgie und das ist meistens wenig zielführend. Auf der anderen Seite ist immer die Frage, was es überhaupt zu berichten gibt und auf was man im abgelaufenen Jahr zurückblicken kann. Blogbeiträge wie diese arten bei mir immer in eine etwas gefühlsduselige Selbstreflexion aus - Achtung also an dieser Stelle: es könnte derartiger Content folgen... (wobei ich mit meinem erratischen Schreibstil an dieser Stelle des Textes noch nicht genau weiß, wohin die Reise führt!)

Das Sportliche

Fangen wir mir den Hard Facts an: 4.068,4 Kilometer gibt mit Strava als Jahreskilometerzahl für 2024 an. Weit entfernt von den magischen 10.000 Kilometern, die vor einigen Jahren mal eine Art Heiliger Gral gewesen sind. Wobei mir diese geschriebenen und ungeschriebenen Regeln mittlerweile nicht gleichgültiger sein könnten. War es vor einiger Zeit nach lustig, sich über die „Rules of Cycling“ zu unterhalten und auf deren Einhaltung zu pochen (Sockenlänge, Beine rasieren, Harden the fuck up, was auch immer da alles stand), klingen die meisten dieser Regeln heute irgendwie outdated und haben schon leichten Staub von Dad Jokes. Die Corona-Pandemie und alle damit verbundenen Folgen hat hier etwas in Bewegung gebracht. Es ging plötzlich ums RADFAHREN - egal mit welchem Rad, egal mit welchem Gewand, egal mit welchen Leuten, egal auf welchem Untergrund. Sofern man nicht ganz eng in seiner bestehenden sportlichen Rennradwelt verhaftet war, sah man sich plötzlich mit einem herrlich egalisierenden, befreienden und relativ zwanglosen Schwung konfrontiert, wo es plötzlich um andere Dinge ging als Tempo, Durchschnitt und Kilometer. Mir persönlich hat hier die Wiener Schotteria mit ihren Gravel-Ausfahrten die Augen geöffnet. Was ich von dort übernommen habe - und mein Eindruck ist, dass das viele andere auch getan haben - ist eine Loslösung von den alten Parametern hin zu neuen Faktoren, die zählen. Komoot hat das ganz gut auf den Punkt gebracht, indem in einem „Jahreszusammenfassungsmail“ von ihnen sinngemäß drinnen gestanden ist: „Du hast im Jahr xy so und so viele Abenteuer und gute Momente gesammelt“ - anstelle von plumpen Kilometerzahlen.

Und wenn wir schon bei den berühmt-berüchtigten Jahresrückblicken aller möglichen Plattformen sind: Gefühlt haben dieses Jahr 1. viel weniger Leute ihre Strava-Recaps gepostet und 2. viel spannender war, dass mit Stolz auch „geringere“ Kilometerzahlen geteilt wurden. Das klingt vielleicht etwas blöd oder auch überheblich, immerhin sind auch 3.000 Kilometer „viele“ Kilometer. Aber man merkt, dass durch Gravel und Bikepacking einfach andere Dinge wichtiger werden, die sich jetzt nicht mehr 1:1 in Kilometerzahlen widerspiegeln und nacherzählen lassen. In diesem Sinne fühle ich mich überhaupt nicht alleine mit meiner Einstellung, dass die Jahreskilometer eigentlich unerheblich sind und andere Dinge zählen. Zurück aber zu meinen 4.000 Kilometer im Jahr 2024. Es geht also nicht darum, ob ich damit zufrieden bin oder nicht - das sind die falschen Kategorien. Richtig muss es heißen: Ich wäre gerne mehr Rad gefahren, hätte noch die eine oder andere Tour gemacht und diese oder jene Region erkundet.

Das Medizinische

„Ein Lipom ist ein gutartiger Tumor der Fettgewebszellen (Adipozyten)“ sagt Wikipedia und es beschreibt, was an meinem Hals die letzten Jahre herangewachsen ist. Tumor klingt immer gleich sehr dramatisch aber es ist im Endeffekt ein Klumpen Fett, der subkutan, also unterhalb der Haut - vor sich hin wächst. Medizinisch leicht abzuklären und an sich auch einfach zu entfernen. Bei mir war das Ding aber am Hals und zumindest räumlich in der Nähe zu ein paar wichtigen Organen und Verbindungen, von daher war die Entfernung nicht die alleeleichteste Übung sondern mit Operation und Krankenhausaufenthalt verbunden. Und ich hab das Ganze eh lange genug vor mir her geschoben, aber 2024 wollte ich das Ding dann doch mal weghaben. Ein Termin im Winter (Off-Season) wäre natürlich am praktischsten gewesen, aber nachdem OP-Termine mitunter nicht so einfach zu bekommen sind, hab ich den im Juni genommen. Verbunden mit der Gewissheit, zwei Monate feinen Radfahrsommer ohne Radfahren verbringen zu müssen. Ich habe zuerst gedacht, dass ich unter dem Entzug massiv leiden werde, am Ende war es aber eigentlich nicht so schlimm, weil - eine OP ist eine OP - ich gar nicht wirklich in der Verfassung war, aufs Rad zu steigen und eigentlich auch nicht wirklich Lust darauf hatte.

Der ehrgeizige Kilometerzähler wird daher in meiner Strava-Statistik ein Loch von zwei Monaten finden, in denen eben exakt null Kilometer zu Buche stehen. Auch das Comeback war langsam und eher vorsichtig und auch etwas schaumgebremst - ich wollte es nicht übertreiben und habe eher auf Qualität statt Masse gesetzt. Medizinisch möchte ich noch kurz nachschießen: Bitte geht regelmäßig zum Arzt, hört auf eure Körper, achtet auf Signale, verschleppt Dinge nicht, die erledigt gehören und reiht die Gesundheit höher ein als irgendeine Statistik, dieses eine Event oder diese eine Ausfahrt mehr.

Auf der Habenseite

Ganz im komoot’schen Sinne habe ich aber eben trotzdem einige Erinnerungen gesammelt und auch ein paar Dinge von meiner Bucket List abgehakt. Meine Teilnahme am Unknown Race ist ja im Schatten eines epochal katastrophalen Wintereinbruchs eher kurz ausgefallen (DNF nach Tag 1) - wobei auch das natürlich eine Geschichte ist, die durchaus erzählenswert ist... Aber in der Vorbereitung zum „TURNo2“ waren viele schöne Dinge dabei.

Und hier sind wir auch bei einem der wichtigsten Punkte angelangt, nämlich meiner Erkenntnis, was mir am Radfahren im Moment am meisten Spaß macht. Und das ist dann wohl das flottere Reisen mit dem Rad in Form von 2-4 tägigen Bikepacking-Trips. In den letzten Jahren waren es eigentlich IMMER diese Touren und Kurztrips, die am meisten und die intensivsten Erinnerungen und Eindrücke erzeugt haben, die mich am meisten beeindruckt und geprägt haben und die am lustigsten waren. Begonnen mit Fahrten zu Freunden in Schladming und Ferlach im Jahr 2015 hab ich eigentlich in fast jedem Jahr irgendeine Art von Trip untergebracht. Mit Hotelübernachtungen oder draußen, um Freunde zu besuchen, neue Regionen kennenzulernen oder aber einfach ins Blaue hinein als eine Art Selbsterfahrung... ich habe es noch nie bereut! Im Frühjahr 2024 war ich mit dem Rad in Ungarn/Kroatien/Slowenien und dann auch nochmal von Kärnten Richtung Wien unterwegs und auch heir waren es wieder die schönsten Momente. Wenn man mich jetzt nach den prägendsten Erinnerungen des Jahres fragt, waren das fix Szene von diesen Touren. Die wunderschöne Pack-Überquerung, der geniale Schotterweg über den Griffener Berg, die Weinberge südlich von Murska Sobota, und und und. Es ist also aufgelegt, was ich auch in den nächsten Jahren gerne machen möchte...!

Abgesehen davon? 

Ich verbringe viel Zeit auf Komoot und klicke mich durch Österreich und Europa auf der Suche nach highlights und Routen. Ich überlagere die Komoot-Karten mit meinen Wandrer-Daten und suche so Wege, auf denen ich noch nicht unterwegs war. Ich könnte Stunden damit verbringen, auf Komoot im Geiste zu reisen... Aber dazu gibt es in Kürze eine eigene kurze Geschichte hier am Blog.

Was den fahrbaren Untersatz betrifft, hab ich mich wohl auf das Gravelbike auf „first choice“ festgelegt. Zu vielseitig, komfortabel und flexibel ist es, jederzeit das Terrain wechseln zu können, sich keine Gedanken über den Untergrund zu machen und einfach drauf los zu fahren. Ich liebe Gravelbikes so sehr, dass ich - manche mögen eine Art Midlife Crisis vermuten - mir noch ein zweites zugelegt habe, das BMC Kaius.

Das am zweitmeisten benutzte Rad ist dann wohl mein Brompton Faltrad, das in der Stadt fast täglich zum Einsatz kommt und auch auf Dienstreisen mitkommt. Immer dabei, flexibel, klein und immer für eine kurze Tour zu haben. Und auch wenn mein Sohn in Folge von zu viel verfügbarer Energie ausgelüftet werden muss, ist das Brompton mit seinem Rad schnell eingepackt und man fährt schon auf irgendeinem Radweg dahin. (Teach them young!)

Und mit diesem zukunftsträchtigen Slogan schließe ich am besten jetzt auch den Blogbeitrag. Keine Ahnung, was ich jetzt genau geschrieben habe, ich werde es nicht noch einmal durchlesen. Danke fürs Beiwohnen meiner ganz persönlichen Seelenhygiene, ich freue mich, euch auf Komoot, in Zwift oder aber am besten draußen in der Natur zu sehen. Winkt und sagt Hallo, lasst uns 2025 neue Erinnerungen sammeln!

Steiermark - Grundsätzliches

In den letzten Jahren war ich überproportional oft und viel in Oberösterreich unterwegs. Zum Beispiel bei der Race Around Austria Challenge entlang der oberösterreichischen Grenzen, wobei - und das wissen nicht alle - die RAA Challenge rund um OBERösterreich auch kurz nach NIEDERösterreich und auch nach Salzburg führt). Ich war unzählige Mal am Attersee bei King of the Lake. Und auch wenn es in und rund um das Salzkammergut immer wieder territoriale Unklarheiten gibt, ordne ich die Salzkammergut-Trophy jetzt einfach mal Oberösterreich zu. Und auch ohne Rad...: Fotografieren bei der Oberösterreich-Rundfahrt, Begleitung des RAA200, Promo-Tour bei Löffler in Ried, Micro-Escape auf der Mühlviertler Alm, und und und. All diese Aktivitäten und Veranstaltungen haben mir nicht nur viele schöne Kilometer am Rad beschert sondern auch die Gesellschaft, Bekanntschaft und da und dort sogar Freundschaft mit vielen netten Menschen - Danke dafür an dieser Stelle, you know who you are...

Und dann war da plötzlich die Steiermark!

November 2023, Oliver und Claudia theatern mich spontan in einen Ausflug in die Südsteiermark, eine „Gravel Extravaganza“ stünde auf dem Programm. Ich bin nicht ganz fit und außerdem wäre es mein Geburtstagswochenende und ich hätte schon Pläne... Aber spontane Dinge sind oft die besten und im Nachhinein betrachtet war dieses Wochenende wohl der Startschuss für meine „Steiermark-Phase“. Nicht falsch verstehen: Ich bevorzuge kein Bundesland gegenüber einem anderen, hege keinen Gram gegen das eine oder das andere und habe (mit dem Rad und abseits) schon in jedem Winkel dieses Landes (und darüberhinaus) große und kleine Schätze gefunden. Sogar in jenen Ecken, von denen man üblicherweise nicht in den höchsten Tönen spricht. Das Rad und die Art und Weise und das Tempo, mit dem Rad zu reisen, machen es möglich. 

Steiermark also, und es ist irgendwie passiert. Zuvor war die Steiermark auf meiner Rad-Landkarte ein erstaunlich weißer Fleck - keine Ahnung warum, es hat sich wohl bis dahin noch nie so richtig ergeben. Und dann eben die Gravel Extravaganza im November 2023. In der Südsteiermark rund um Gamlitz und Leutschach war ich schon oft - mit der Familie, mit Freunden - in erster Linie zum Wandern, Essen und Wein Trinken. Ich liebe die fruchtigen und spritzigen Weine der sogenannten Steirischen Klassik. Die Wein-Wissenden werden jetzt mit dem Finger auf mich zeigen, ist doch die Steirische Klassik der Wein für die Masse - eher gefällig und leicht zugänglich, quasi der Prolet aus dem Stahltank im erlauchten Kreis der Lagenweine, die gemütlich und ohne jeglichen Stress in Holzfässern vor sich hin schlummern, um ihre komplizierten Aromanoten zu entwickeln. Aber reden wir nicht über den Wein - mittlerweile nehme ich ohnehin eher Traubensaft für die Kinder mit in den 6er-Kartons im Kofferraum.

Weinlandhof Gamlitz

In Gamlitz steht der Weinlandhof, ein großes Hotel, dem man sein feines Gespür für Radfahren, Geselligkeit und „the good life“ auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so ansieht. Man muss aber nur reingehen und mit Thomas und Chrissi plaudern und schon wird man in eine neue, schöne Welt hineingesogen. Die beiden waren und sind es dann auch, die das Spektrum der Besucher erweitern woll(t)en - idealerweise zuerst einmal an den ruhigeren Saisonrändern. Radfahren und Kulinarik ist eine Kombination, die immer geht und wer sich mit beidem auskennt, hat schon mal ein gutes Paket an der Hand. Die Gravel-Extravaganza (im Oktober/November) ist quasi der Newcomer, währenddessen der Gegenpart im Frühling - das sogenannte „Woamfoahn“ - schon auf eine kurze aber eindrucksvolle Tradition zurückblicken kann. Einmal ist man auf Schotter unterwegs, beim Woamfoahn auf der Straße mit Rennrädern - die Grundcharakteristik ist aber ähnlich: Gesamtpaket vom Weinlandhof, Wellness, kulinarische Köstlichkeiten (von Rosi), Buschenschankbesuche, geführte Touren (mit tollen und kundigen Guides), Rahmenprogramm und - sorry für meinen Bias ;) - die letzten Male gabs immer auch brandneue und edle BMC-Bikes zum Testen!

Ich könnte an dieser Stelle noch recht lange weiter schwärmen von der Südsteiermark, den Routen, den Ausblicken, dem Wein, der Gastfreundlichkeit... ich war sogar im Sommer mit meiner Familie im Weinlandhof auf Urlaub - ohne Rad :)

Uncharted Territory (for me)

Aber wie gesagt, die Gravel Extravaganza im November 2023 war irgendwie nur der Anfang einer längeren Steiermark-Geschichte. Irgendwie hat es mich dann noch ein paar Mal ins grünste Bundesland verschlagen.

Zu Allererst ist hier meine „Stammstrecke“ zu erwähnen - Wohnort Wien - Schwiegereltern Osttirol. Keine andere Strecke hab ich auf Komoot öfter geplant, ich habe mittlerweile eine eigene Collection nur mit Variationen dieser einen Relation - Schotter, Straße, lang, kurz, mit Umwegen, flotter, Tourist-Mode, you name it! Aber leider ergibt sich dann nur sehr selten eine tatsächliche Möglichkeit, die Strecke auch in Angriff zu nehmen, das Verhältnis „Reise mit dem Finger auf der Karte“ vs. „Wirklich in die Pedale treten“ steht irgendwo bei 100:1 ... Und auch leistungsmäßig is so eine Strecke von doch immerhin knapp 500 Kilometern vernünftig einzuordnen. Und da ich meine jeweils aktuelle Leistungsfähigkeit mittlerweile ganz gut einschätzen kann - man lernt halt Kinder, Krankheiten und so halbwegs zu quantifizieren -, habe ich mich im Frühjahr 2024 für eine gekürzte Variante Villach - Wr. Neustadt entschieden. (Den Radweg im Drautal kenne ich schon auswendig und auf der anderen Seite habe ich auch schon die meisten Reize des Wiener Beckens erschöpfend kennengelernt). 

Lange Rede kurzer Sinn: Aus dem schnellen Blick in die Karte ergibt sich schon, dass eine südliche Verbindung Osttirol-Wien einer Steiermark-Durchquerung gleichkommt. Und während die Gravel Extravaganza oder das Woamfoahn ja eher eine punktuelle oder regionale Angelegenheit sind (in deren Fall: Südsteiermark), bin ich ja ein Riesen-Fan von „Durchquerungen“, das inkludiert ja meistens ein richtige Kennenlernen einer Region, das Annehmen von Eindrücken, das Wahrnehmen von Veränderungen von Landstrichen, lokalen Kulturen, Geografien, Topologie und Menschen. Und da war die „Heimattour“ Richtung Wien eine steirische Offenbarung. Beginnend mit kleinen Nebenstraßen über die Pack, die mir Komoot kredenzt hat - anspruchsvoll steile aber verkehrsfreie und aussichtsreiche Wege zum Packer Stausee, um die Süd-Autobahn mäandrierend also genau diese Wege, die ich aus dem Auto immer sehnsuchtsvoll ins Auge gefasst habe. 

Dann das lautmalerische Örtchen Edelschrott schon am Rande der Pack mit einem weiten Blick Richtung Grazer Becken und danach eine lange und flowige Abfahrt Richtung Krottendorf (Gößnitzstraße!) um vom bergigen ins hügelige überzugehen. Wer mit den ganzen Ortsbezeichnungen wenig anfangen kann, schaut übrigens idealerweise bei meinem Komoot-Account vorbei, dort gibts sowieso alle meine Touren! Dann eine Übernachtung Nahe Hitzendorf (kennt man vom gleichnamigen 24h-Rennen), ein Schupfer über den Plabutschtunnel (unten rauscht man mit dem Auto durch, oben zwitschern die Vögel) und ein Pflicht-Stop für großartigen Kaffee und gute Laune bei Evas „Coffee Ride“ am Franziskanerplatz (Achtung: offiziell Radfahrverbot!).

Ein paar kurze Sätze hier zu Graz an sich: Ich war zu selten da (Schande über mich) und noch viel seltener mit dem Fahrrad (noch mehr Schande über mich) - ich kann daher nicht viel mehr sagen, als das immer schon viele Radlerinnen und Radler in der Stadt unterwegs waren und mit „Veloblitz“ wohl der Rad-Botendienst mit den meisten Race Across America-Teilnahmen (und Siegen) in Graz beheimatet ist. Was ich aber in kurzer Zeit gelernt habe: Man ist schnell aus der Stadt draußen, man kann Richtung Norden den Murradweg entlangfahren oder auf die Teichalm kraxeln, Richtung Süden flach wobei sich als Tagestour locker ein Besuch in Maribor ausgeht, nach Westen hin ist es hügelig, nach Osten hin auch. Eigentlich also supervariables und vielseitiges Terrain mit unzähligen Trainingsmöglichkeiten. In der Praxis werde ich in nächster Zeit versuchen, ein paar dieser Dinge auch zu erproben. Zurück aber zu meiner Tour, denn die hat auch auf den letzten Kilometern Steiermark einiges zu bieten - vor allem nämlich einiges an Höhenmetern. Über Laßnitzhöhe geht es noch gemütlich bis nach Gleisdorf, den industrialisierten Schlurf zwischen Weiz und Gleisdorf habe ich bewusst auslassen - mit der Gegend kann ich (noch) nicht so viel anfangen. Aber dann geht der Höhenmeterzähler in die Höhe... Von Gleisdorf bis zum Wechsel ist man in einem permanenten Auf und Ab unterwegs, kreuzt jedes einzelne Tal, fährt kurz den Hügel runter, gegenüber wieder hinauf. Wer die 24h-Radchallenge von Kaindorf kennt, weiß was gemeint ist. Stetige Höhenmeter, mal schmierig, sodass man sie gar nicht richtig merkt, oft aber auch gemein und steil, wenn auch nur recht kurz. Und dort, wo sich dann Steiermark, Burgenland und Niederösterreich zu mischen beginnen, gibt es auch noch einige Schmankerl, aber dazu ein andermal mehr!

Štajerska

Eine andere mir bis dahin unbekannte Steiermark habe ich dann auch noch im Rahmen eines kurzen Bikepacking-Trips nach Slowenien und Kroatien gefunden. Von Ilz aus bin ich an der Riegersburg vorbeigeschrammt und dann über Feldbach und Jennersdorf (schon Burgenland!) nach Ungarn, Slowenien und in einem weiten Bogen über Kroatien wieder zurück Richtung Österreich gefahren. Auch da gibts einige Geschichten für ein paar andere Blogposts, aber es geht ja um die Steiermark - also bei Mureck zurück über die slowenisch-österreichische Grenze und dann gerade Richtung Norden zurück zum Startpunkt nach Ilz. Auch dort eine „neue“ Steiermark, viel Gegend, eine völlig andere Charakteristik als in der „klassischen“ Südsteiermark rund um Gamlitz oder in der neueren, fancy Süd-Ost-Steiermark rund um Klöch. (Hier und da hört man, dass die Südsteiermark touristisch gesättigt ist und der Schwarm von Wochenendgrazern und Touristen jetzt tendenziell die Weinberge und Kellerstöckln der Südoststeiermark ansteuern). Ich bin dazwischen durchgefahren - keine gschmackigen Buschenschanken sondern eher „Zwischenland“. Aber dennoch eine spannende Erfahrung (im wahrsten Sinne des Wortes), das von mir so oft beschworene und heissgeliebte Erkunden von Regionen!

Into the Unknown

Ein Kapitel hätt ich noch...! Im April war ich ja beim Unknown Race am Start. Ihr wisst schon, die Geschichte wo man unsupported rund 1.000 Kilometer in vier Tagen absolvieren soll, wobei der erste Checkpoint erst eine Stunde vor Start bekanntgegeben wird und die Koordinaten des zweiten Checkpoints stehen am ersten, und so weiter... Also war alles recht „Unknown“, als einziges halbwegs gesichert war die Wetterprognose, nämlich mit einem tiefen Wintereinbruch. Der kam dann auch so, weshalb ich das Rennen noch am ersten Abend abgebrochen habe, mehr oder weniger gestrandet in einer eher räudigen Pension in Hieflau. Von Hieflau zum nächsten Zug bei Schnee und Null Grad war eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera (und dem Fahrplan der ÖBB) - die Wahl fiel auf die „nur“ 800 Höhenmeter von Hieflau nach Leoben. Die wunderbar symmetrische Pyramide am Höhenprofil hab ich geflissentlich ausgeblendet, irgendwie musste ich ja aus dem tiefsten Gesäuse wieder rauskommen. Den „Präbichl“, den Gipfel dieser Pyramide hasse ich seither - ob es zu einem späteren Zeitpunkt eine Versöhnung geben wird, ist noch offen. Aber auch hier - Achtung Business-Bullshitting: „jede Challenge ist auch eine Chance“ - war am Ende etwas Positives rauszuholen. Bei aller Grauslichkeit des Moments - man schaue sich auf Komoot die grauenhafte Straße von Eisenerz zum Präbichl hinauf an, plus Schneefall, plus Minusgrade, plus Gepäck am Rad - hatte es aber doch auch etwas Schönes. Die Kipper des Erzbergs mit ihren Riesenmulden sind mit mir simultan die Höhenmeter hinaufgekrochen, die Bergbau-Baracken strahlen einen spannenden Lost Places-Vibe aus, ich habe mich tatsächlich gefreut (und mache das immer!), auf Straßen unterwegs zu sein, wo ich vorher noch nie gefahren bin und rein psychohygienisch habe ich diesen kleinen Gipfelsieg auch gebraucht, um das DNF des Unknown Race zu verarbeiten.

Was kommt noch?

So genug geschwafelt, wo geht die Reise hin? Was ich eigentlich sagen möchte - auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: ich liebe es, neue Wege zu befahren. Meistens sind sie schön, manchmal weniger. Das Rad bietet ein einmaliges Tempo - langsam genug, um Eindrücke aufsammeln zu können und gleichzeitig schnell genug, um auch weiterzukommen. Durch Zufall haben mich meine Wege dieses Jahr eben öfters in die Steiermark geführt und ich habe das Gefühl, als ob ich dort noch einiges zu entdecken hätte. Das wird bei vielen anderen Orten und Bundesländern auch der Fall sein, aber jetzt eben mal Steiermark. Konkreter? Mit dem Weinlandhof in Gamlitz hab ich nicht nur eine tolle Location für die Events Woamfoahn und Gravel Extravaganza gefunden, ich möchte das Hotel auch als Basis für weitere Geschichten nutzen. Die „Weinland Radtour“ führt quasi am Weinlandhof vorbei (Namensähnlichkeiten in diesem Fall übrigens zufällig!), das ist die offizielle Steiermark Radroute, wenn man sich die Vielfältigkeit der südlicheren Steiermark aus dem Sattel aus anschauen möchte. Da schwebt mir ein 3-Tages-Bikepacking Trip vor im Frühjahr. Außerdem - nochmal vom Weinlandhof - ist es nur ein Katzensprung nach Slowenien. Slowenien ist nicht Steiermark und wird auch selbst noch Teil vieler künftiger Geschichten sein, aber hey - sLOVEnia. Das Land muss man ja quasi lieben!

Und auch sonst gibts noch ganz viele vermeintliche Kleinigkeiten, die ich mir auf eine lange Liste geschrieben habe: Gesäuse mit dem Gravel- oder Mountainbike, zum „Gaberl“, um dort Gabriel in einer Story zu markieren (Gaberl kommt nämlich von Gabriel), ich möchte einen Weg über den Speikkogel und die Koralpe finden, ich möchte die Südoststeiermark näher kennenlernen - dort gibts mit Gravel 33+ auch ein spannendes Event mit - für Gravel - langer Tradition und auch wenn wir letztes Jahr schon am Großen Jogl unterwegs waren, alles gesehen habe ich dort bei weitem nicht!

Und wer es bis hierhin zum Schluss geschafft hat (Danke fürs Lesen!), dem und der sei gesagt, dass es in Zukunft wieder mehr Geschriebenes auf 169k geben wird und genau genommen sind das ja 10 Blogposts in einem... Es gibt einfach so viel zu erzählen und berichten! 

#169krides - die monatliche Gravelroute rund um Wien

#169krides sind mir eine Herzensangelegenheit! Jedes Monat gibt es eine neue Gravelroute rund um Wien, mit Liebe kuratiert und ausgewählt, mit versteckten Schätzen und Geheimtipps garniert und auf Komoot geteilt - immerhin sollen die Routen nachgefahren werden. Wie das funktioniert, wo die Routen zu finden sind und ein paar schöne Eindrücke von der Mai-Route seht ihr in diesem Video. Viel Spaß beim Anschauen und Nachfahren!

https://www.komoot.de/collection/1814201/-169k-rides

Mühlviertler Alm mit dem Rennrad (im Gästehaus Weitblick)

Rainer ist ein Typ, der Dinge einfach macht! Sympathisch und offen geht er an Themen heran, aber auch mit der notwendigen Hartnäckigkeit und Ausdauer. In einer Region, die über Jahrzehnte an der Peripherie der Zentren gelegen ist und erst durch ein Zusammenwachsen von Menschen, Regionen und Identitäten näher ans Zentrum gerückt wurde, ist ein gewisses Durchhaltevermögen auch notwendig.

Wir befinden uns in der Region „Mühlviertler Alm“, einem Zusammenschluss an acht Gemeinden im Bezirk Freistadt zu einer gemeinsamen Tourismusregion. Und Rainer ist neben seinem Brotberuf und diversen Vereinsfunktionen noch umtriebiger Unternehmer und leidenschaftlicher Radfahrer. Um die Vorzüge seiner Heimat einem breiteren Publikum bekanntzumachen, hat er mit anderen Unternehmern der Region ein Paket aus Mountainbike- und Rennradtouren geknüpft und bringt dabei sein Know-How aus der Region ein. Und als Tüpfelchen auf dem „i“ hat Rainer das Gästehaus Weitblick in Sankt Leonhard geschaffen, eine Unterkunft, die Radfahrenden einen idealen Ausgangspunkt für Touren in die Region bietet. Und damit sind wir – mit einigen Umwegen – am Startpunkt dieser Geschichte: Ich durfte Rainer nämlich in St. Leonhard im Gästehaus Weitblick besuchen und drei seiner Touren abfahren – in einer Region, die für mich neu war, in einer Landschaft, die unberührt und pur ist und in einem Terrain, in dem man keine Angst vor reichlich Höhenmetern haben sollte.

Die Mühlviertler Alm & Sankt Leonhard

Natur, Natur, Natur! Davon gibt es zwischen Freistadt, tschechischer Grenze und niederösterreichischem Waldviertel ausreichend. Die Charakteristik der Region bietet einiges – bergig und hügelig, Almen, Hochplateaus, Moore, Wälder und Gräben, die Flüsse über tausende Jahre in die Landschaft gegraben haben. Sankt Leonhard liegt auf einer Kuppe und bildet so etwas wie die zentrale Aussichtsplattform über die Region Mühlviertler Alm. Nach Osten – Richtung Niederösterreich und Waldviertel – verdichtet sich die Natur weiter zu einem Fast-Urwald, Richtung Süden wird es etwas welliger, bis man sich im Bezirk Perg langsam der Abrisskante des Mühlviertels und dem beginnenden Donauraum nähert.

Abschalten fällt hier sehr leicht, man ist schnell bei sich und absolut ungestört. Wanderer (unter anderem auf dem Johannes- oder auch dem Jakobsweg), Wintersportler und Familien wissen das schon länger zu schätzen. Aber auch Radfahrende sollen in den Genuss der unberührten Natur und der Ruhe kommen. Für Mountainbiker gibt es bereits zahlreiche Angebote, aber auch Rennradlerinnen und Rennradlern bietet sich ein breites Spektrum an Herausforderungen. Im Osten schneidet sich die Aist mit dem gleichnamige Tal wie eine Schneise durch die Landschaft und bildet somit einen natürlichen Trenner, während rund um Freistadt die Landschaft etwas aufgeht. Und wer Richtung Norden und ehemaligen Eisernen Vorhang eine landschaftliche Zuspitzung im Sinne einer natürlichen Barriere zum Nachbarland vermutet, wird von einer sich öffnende Landschaft und wunderbar welligen Hochebenen überrascht.

Straßen & Wege, Charakteristik

Die Straßen selbst sind eher auf der schmalen Seite, dem wenigen Verkehr „geschuldet“ – wobei, das nehmen wir Radfahrenden natürlich sehr gerne zur Kenntnis. Autos und andere Verkehrsteilnehmer*innen trifft man in sehr überschaubaren Dosen, generell wird eher Rücksicht genommen. Klimatisch kann es im rauen Norden schon etwas extremer zugehen – das äußert sich dann auf unterschiedliche Art und Weise. Wo Schnee und Eis im Winter die Straßen beherrschen, kann es schon zum einen oder anderen Frostaufbruch kommen und Risse in der Fahrbahn sind nichts ungewöhnliches. Angesichts dessen befinden sich die Straßen in der Region allerdings in einem sehr guten Zustand, das Frühjahr nützt man, um Schäden zu reparieren. Apropos Auswintern: Je nach Jahreszeit ist auf den ausgebrachten Rollsplitt zu achten, der dem Radfahren natürlich nur bedingt zuträglich ist. Mitte/Ende April hat sich dieses Problem allerdings zumeist erledigt. Wie in Oberösterreich üblich – zumindest kenne ich persönlich es nur aus Oberösterreich in diesem Ausmaß – wird de facto jeder Hof, jede Siedlung und jeder Weiler von einem asphaltierten Güterweg erschlossen. Die Variationen und Kombinationsmöglichkeiten potenzieren sich damit und man kann sich in 99% der Fälle darauf verlassen, auf einer befestigten Straße seine Runden ziehen zu können. Dementsprechend macht ein Gravel-Bike in einer derartigen Region verhältnismäßig wenig Sinn – wer ins Gelände möchte, nimmt dann gleich das Mountainbike.

Wer mit dem Rad hier her kommt, sollte sich allerdings einer Tatsache bewusst sein: Es geht hier entweder bergauf oder bergab – flache Strecken sucht man hier mehr oder weniger vergeblich. Die Steigungen und Höhenmeter haben allerdings einen eigenen Charakter. Der Gradient bewegt sich häufig zwischen 2 und 6 Prozent, lassen sich also recht gut „wegdrücken“. Außerdem sind Anstiege meist eher kurz. Eurosport-Kommentatoren würden dazu „Rollerberge“ sagen. Man muss also keine (leichtgewichtige) Bergziege sein, um hier reüssieren zu können, vielmehr sammelt man oft eher unbemerkt Höhenmeter und wundert sich nach Ende der Tour, wo die 1.500 Höhenmeter genau herkommen. Natürlich muss einem auch das irgendwie liegen – wer lange und steile Anstiege gewöhnt ist, könnte auch mit so einer Charakteristik ein Problem bekommen, Radler*innen aus dem Osten Österreichs sollten solche Höhenmeter aber eigentlich liegen. Steiler und etwas knackiger werden die Anstiege im Süden der Mühlviertler Alm (beispielsweise bei Blasenstein – siehe Tour unten), wo etwas giftigere Stiche warten.

Zusammenfassend eignen sich die Straßen der Mühlviertler Alm hervorragend fürs Rennrad – die Variationsmöglichkeiten sind groß, der Verkehr gering und man hat seine angenehme Ruhe. Höhenmeter sammelt man reichlich, dementsprechend ist es jedenfalls vorteilhaft eine gewisse Fitness mit ins Mühlviertel zu bringen. Und je nachdem wie lange man unterwegs sein möchte, ist auch auf ausreichende Verpflegung zu achten, da nicht jede Ortschaft über die entsprechende Infrastruktur verfügt bzw. nicht an jeder größeren Straße eine Tankstelle auf Kundschaft wartet.

Jedenfalls meiden sollte man die Bundesstraßen B38 (Verkehrsachse Freistadt – Sandl – Karlstift – Richtung Groß-Gerungs) und die B125, die von Freistadt Richtung Linz führt – angesichts der Vielzahl an Wegen sollte das allerdings kein schwerwiegendes Problem darstellen.

„Tour de Alm“ & offizielle Routen

Wie bereits erwähnt haben Rainer und andere Herbergsbetriebe der Region ein Netzwerk an Routen entwickelt und zusammengestellt, das eine gute Auswahl für jedwede Leistungsstufe und Präferenz erlaubt. Von der 40 Kilometer-Runde bis zur Tour über 160 Kilometer ist alles dabei, auch verlängern oder verkürzen ist angesichts der vielen Querverbindungen und Wege kein Problem. Die Übersicht mit den Routen liegt in den beteiligten Betrieben auf, beim Gästehaus Weitblick von Rainer erhält man die Tracks auch gerne als GPX-Files, die man schnell auf seine Computer laden kann. Am oberen Ende der Skala befindet sich die „Tour de Alm“. In der Mountainbike-Version gibt es diese schon seit längerer Zeit, mit 188 Kilometern und 5.410 Höhenmetern als Mehrtagestour konzipiert und auf beschilderten Strecken zu befahren. Die Rennradversion der Tour de Alm wartet mit 182 Kilometern und 3.976 Höhenmetern auf, stellt also für eine Tagestour ein ordentliches Pensum dar. Dafür durchquert man dabei einmal das gesamte Gebiet der Mühlviertler Alm (inkl. einem kleinen Exkurs nach Niederösterreich) und bekommt auch das gesamte landschaftliche und kulturhistorische Spektrum der Region zu spüren (inkl. Land und Leute, Architektur und natürlich Natur!). Die Rennradtour ist im Gegensatz zur MTB-Tour (noch) nicht beschildert, aber auch hier gibt es die entsprechenden GPX-Files.

Gästehaus Weitblick

Dem Gästehaus war ein etwas holpriger Start beschieden, fiel die Eröffnung doch zeitlich mit der COVID-Krise zusammen. Doch trotz widriger Umstände und dank Rainers Leidenschaft konnte das Projekt einen erfolgreichen Start hinlegen. Sechs Zimmer bieten eine geräumige und komfortable Unterkunft, Haus und Einrichtung wurden von regionalen Betrieben gefertigt bzw. eingebaut – die Regionalität findet man übrigens in vielen Details wieder (in der ganzen Region, nicht nur im Gästehaus). Für Radlerinnen und Radler gibt es einen absperrbaren Raum, um den fahrbaren Untersatz zu verstauen, GPX-Files gibt’s (im Idealfall) vom Chef persönlich an der Rezeption, Werkzeug zum Schrauben oder für den Notfall liegt im Radraum, Schläuche im Fall eines Platten gibt es beim Automat vor der Türe, abgerundet wird das Ganze auch noch durch einen Wäscheservice. Es handelt sich um ein Gästehaus ohne Restaurant, vor den Zimmern bietet ein voll ausgestatteter Aufenthaltsraum aber Küche, Kühlschrank, Weinschrank und Pizzaofen – man wird also weder verhungern noch verdursten. Fürs Frühstück erhält man Jetons, die im Cafe gegenüber einlösbar sind – funktioniert einwandfrei, und vom Tisch des Kaffeehauses hat man übrigens einen wunderbaren Ausblick in die Region! In Summe merkt man die Freude der Betreiber, Menschen und im speziellen Radfahrende in die Region und ins Gästehaus zu locken, gleichzeitig herrscht ein angenehmer Pragmatismus vor – man hat es nicht notwendig, mit allerlei Firlefanz aufzuwarten sondern konzentriert sich aufs Wesentliche.

Mein Zimmer - circa 1,5 Minuten, nachdem ich angekommen bin…

Touren

Aus einer Auswahl von elf Touren konnte ich während meines dreitägigen Aufenthalts die „Tanner Moor-Runde“, die „Liebenau-Runde“ und die Tour nach St. Thomas am Blasenstein testen und während etwas Beschreibung natürlich nie schaden kann, sollen doch in erster Linie die Bilder und die tolle Landschaft für sich sprechen!

„Tanner Moor“

Die Runde durchs Tanner Moor ist so etwas wie die Standard-Runde, die jede Besucherin und jeder Besucher auf dem Rennrad als erste Empfehlung bekommt. Bietet sie doch auf 66 Kilometern eine kompakte und komprimierte Zusammenfassung der Vorzüge der Region und deren Vielfältigkeit. Wellig und durch Wälder geht es zuerst hinauf nach Kaltenberg, durch Unterweißenbach und dann wellig durch das Tanner Moor. Dieses bietet eine einzigartige und eigene Landschaft als Hochebene, durchzogen von kleinen Seen und Lacken mit spezifischer Vegetation – Moore sind da ganz etwas eigenes und eigentlich mit wenig anderen Landschaften vergleichbar – muss man selbst gesehen haben. In Liebenau hat man den höchsten Punkt der Tour erreicht und auch gleichzeitig einen der Dorfbrunnen, an dem man seine Flaschen gut auffüllen kann (liegt etwas versteckt neben der Straße). Zwischen Maxldorf und Schöneben tun sich spannende (Hoch-)Ebenen auf, die einen weiten Ausblick Richtung Süden und etwas Befreiung von der vermeintlichen Enge des Waldes bieten. Noch ein kleiner Anstieg nach Harrachstal und es geht bergab zurück Richtung St. Leonhard zum Gästehaus. Wie schon erwähnt liegt dieses mit einer herrlichen Fernsicht oben in Sankt Leonhard, man hat daher bei jedem Heimkommen noch ein paar Höhenmeter zurückzulegen, bevor man im Gästehaus die Füße hochlagern kann.

„Liebenau-Runde“

Die Liebenau-Runde führt vom Gästehaus und St. Leonhard aus auf einer anderen Route nach Liebenau, als das die Tanner Moor-Runde macht und bietet dabei leicht abgeänderte Perspektiven auf das, was man am Vortag gesehen hat – ein Straße weiter rechts oder links und die Dinge werden in ein anderes Licht gerückt (oder so manche Abfahrt oder Steigung). Nach Schöneben biegt man rechts auf ein Netz von kleinen Güterwegen, auf denen man großartig und ruhig vor sich hin pedalieren kann, bis man in Sandl wieder auf Zeichen von Zivilsation stößt. Und die können durchaus einen kleinen Schock hervorrufen, mündet man doch aus der angenehmen Ruhe des Waldes für wenige Meter (es sind wirklich nur 200 Meter) auf die bereits oben erwähnte Bundesstraße B38. Auf dieser donnert der Schwerverkehr zwischen tschechischer Grenze und dem Waldviertel (und weiter Richtung Zwettl) und man fühlt sich wie aus seiner Trance gerissen und kann kurz nicht verstehen, woher der Lärm und der Verkehr kommen. Ein Nahversorger lädt zum Auffüllen der Vorräte auf, bevor man schnell wieder auf die Güterwege flüchtet und mit ein paar Metern Abstand zur Bundesstraße auch gleich wieder seinen Frieden findet.

Vorbei an einem kleinen Skigebiet steigt man noch ein paar Meter an und erwartet sich insgeheim eine landschaftliche Kulmination zur ehemaligen dichten Grenze hin, allerdings geht kurz vor Windhaag die Landhscaft auf, alles wird weit, die Berge werden zu Hügeln und Wellen und die Region zeigt eines ihrer anderen Gesichter. Dementsprechend entspannter radelt es sich nun entlang der Staatsgrenze bis kurz vor Wullowitz (bekannt aus Grenzwartezeiten früherer Fernseh- und Radionachrichten) bevor die Route nach Süden schwenkt und über Rainbach Richtung Freistadt führt. Hier befindet man sich übrigens kurz auf bzw. neben der Challenge-Strecke des Race Around Austria – bei meiner Challenge war es allerdings tiefste Nacht und es war wenig von der umliegenden Landschaft zu erkennen. Wer in die Zwickmühle eines Defekts kommen sollte oder aber einfach bei einem Kaffee mit einem mehrfachen, erfolgreichen Starter bei der Österreich Rundfahrt plaudern möchte, kehrt bei Martin Fischerlehner (Radsport Fischerlehner) in Freistadt ein – die paar Meter Umweg zahlen sich aus.

Von Freistadt geht es über Lasberg (den Radweg neben der Landesstraße nutzen!) und Sankt Oswald wieder „hinein“ in die Mühlviertler Alm – man merkt den landschaftlichen Wechsel von der offenen Gegend rund um Freistadt hinein ins „Verschlossenere“. Die Straßen sind hier teilweise in etwas mäßigerem Zustand und je nach Tageszeit kann auch der Verkehr etwas zunehmen, es bleibt aber alles in erträglichem Maß. Über eine flowige Abfahrt und den (unvermeidlichen) letzten kleinen Aufstieg nach St. Leonhard gelangt man wieder zu Gästehaus.

„St. Thomas am Blasenstein“

Führten die ersten beiden Touren Richtung Norden, eröffnen sich im Süden neue Aspekte und Perspektiven. Nach einer langen und flotten Abfahrt vom Leonharder Berg ordnet man sich entlang der Waldaist ein und kommt in den Genuss einiger tatsächlich nahezu flacher Meter, bevor man links wegbiegt und über welliges Terrain nach Bad Zell gelangt. Bad Zell ist als Kur- und Wallfahrtsort bekannt, man sollte jedenfalls von der durchgehenden Hauptstraße abbiegen und über den Dorfplatz rollen, der von historischen Bürgerhäusern eingefasst ist. Wenig später quert man zum ersten Mal die Naarn – neben der Aist der zweite wichtige Flusslauf der Region –, klettert über einen anspruchsvollen Anstieg nach Rechberg und über einen weiteren kleinen (und steilen) Güterweg nach St. Thomas am Blasenstein. Neben der wechselvollen Geschichte des Ortes sticht natürlich die Pfarrkirche in prominenter Lage hervor – wer Zeit und Lust hat, kann sich dort den „luftg´selchten Pfarrer“ anschauen, eine Mumie die Mitte des 19. Jahrhunderts zum ersten mal erwähnt wurde und allerlei Anlass zu Mythen und Legenden bietet. Bei klarer Sicht kann man auch einen Blick auf den Ötscher und das Alpenvorland erhaschen.

Auf einer gut ausgebauten Straße geht es schnell bergab und flach bis kurz vor Mühltal, wo man rechts über einen steilen „Schupfer“ (kann man auch umfahren) und Pierbach ins Naarntal kommt und ab jetzt auf einem kleinen Güterweg entlang der Naarn radelt. Die Naarn biegt zwar irgendwann einmal nach rechts ab, man wird aber kurz darauf mit einem neuen Anblick belohnt – jenem auf die Burgruine Ruttenstein, die hoch über dem Weg thront. Der Weg um den Kogel, auf dem die Burg steht, steigt mehr und mehr an und nach einem letzten Blick zurück auf die Ruine erlangt die Straße wieder jene Charakteristik, die wir von der Mühlviertler Alm kennen. Waldstücke wechseln sich mit offenen Hochebenen ab, über Mötlas, Unterweißenbach und Pieberbach geht es wellig wieder zurück zum Startpunkt in St. Leonhard beim Gästehaus Weitblick.

Alle Infos zu den Routen auf meinem Komoot-Profil, alle Infos zum Gästehau Weitblick hier: https://www.gaestehaus-weitblick.at/

Wahoo Elemnt Bolt (V2) im Test

Eines vorab, weil ich schon seit gefühlter Ewigkeit darüber nachdenke, einen Wahoo vs. Garmin Post oder Video zu machen. Da hab ich mittlerweile keine Lust mehr drauf, es macht ja keinen Sinn die beiden Lager immer wieder gegeneinander aufzuhetzen, es soll jede und jeder das fahren, was am besten zu einem passt. Ich für meinen Teil habe diese Frage vor mittlerweile mehreren Jahren entscheiden, und das hat 4 kurze Gründe: 

  1. Bedienbarkeit

  2. Logik

  3. Funktionsumfang

  4. Routensynchronisation.

Bei den ersten beiden Punkten kann man einen guten Vergleich ziehen, wie es zwischen Apple und Windows wäre. Wahoo ist da für mich eher wie Apple und damit etwas logischer, einfacher zu finden und intuitiver. Beim Funktionsumfang ist das ganze etwas komplizierter, da können die Garmins nominell oft mehr als die Elemnt Computer von Wahoo. Aber da finde ich tatsächlich, dass das großteils Funktionen sind, die man (also zumindest ich) nicht unbedingt braucht. Trail Forks? Climb Pro? Connect IQ? Mähh. Ich brauche gutes Routing, gute Darstellungen, ein schnelles Anpassen auf mein jeweiliges Rad und die jeweilige Art von Aktivität. Und zu den Routen kommen wir gleich noch im Detail.

Ordnen wir den Bolt V2 erst einmal ein. Ich hatte den alten Elemnt, den Bolt 1, den (ehrlicherweise etwas überflüssigen) Mini (in erster Linie, weil der ohne Telefon keine Navigation und Routen konnte) und jetzt habe ich seit einiger Zeit schon den Roam in Verwendung. Sieht man sich die direkte Nachfolge an (also Bolt 1 zu 2) ist der neue etwas größer (höher, „blockiger“) und auch etwas schwerer, aber noch immer etwas kleiner als ein Garmin 530. Und um das gleich vorwegzunehmen: Auch der Preis ist etwas gestiegen, rund 280 muss man für den Bolt V2 auf den Tisch legen. Ein ordentlicher Haufen Geld aber dafür bekommt man ja auch einiges - und er ist damit noch geringfügig billiger als der Garmin 530.

Von außen gibt es neben dem Formfaktor ein paar offensichtliche Neuerungen. Die Knöpfe sind jetzt etwas konvex und haben einen besseren (oder überhaupt erst) einen Druckpunkt, sodass man auch mit Handschuhen besser arbeiten kann. Unter der kleinen Abdeckung verbirgt sich - AAAAAHHHH - ein USB-C Anschluss. Halleluja! Ich brauche zwar auf meinen längeren oder mehrtägigen Touren noch immer mehrere Kabel, um alle meinen Geräte zu laden, aber es wird langsam.

USB-C Anschluss an der Unterseite

Voll geladen hält der Akku laut Wahoo 15 Stunden, beim größeren Roam sind es 17. Erfahrungsgemäß - und ich bin grundsätzlich immer mit Navigation, Herzfrequenz und Powermeter unterwegs - sind es geringfügig weniger. Beim Bolt V2 würde ich am Ende des Tages mit 12-13 Stunden rechnen. Noch immer viel und absolut ausreichend auch für sehr lange Touren.

Wer Akku sparen möchte, fängt am besten bei der Hintergrundbeleuchtung an, da geht erfahrungsgemäß am meisten und am schnellsten Akkuleistung verloren - auch wenn die Geschichte mit der automatische Helligkeitsanpassung an die Umgebung sehr gut funktioniert.

In the Box

Box öffnen, Wahoo auspacken, Folie runter, einschalten. Paaren mit dem Smartphone funktioniert schnell und einfach mit der Wahoo App. Diese ist grundsätzlich notwendig, um den Wahoo einzurichten, Dinge zu verändern oder zu synchronisieren (oder zumindest die Synchronisierung beim ersten Mal zu aktivieren). Und hier zeigt sich schon, wie einfach das ganze funktioniert, z.b, das Einrichten der Datenfelder. In der App ein Datenfeld auswählen, an die gewünschte Position ziehen, und schwupp - ist es auch auf dem Wahoo sichtbar. Wie oft muss man am Garmin dafür nochmal auf irgendeinen Knopf drücken? ;)

Andere Seiten kann man sich noch zusätzlich einstellen - Anstieg, Höhenprofil, Segmente, Navigation usw. Je nachdem was man braucht und verwenden möchte. Ich persönlich bin da mit Datenseite, Höhenprofil und Karte recht minimalistisch unterwegs - ich möchte ja aber auch in erster Linie Radfahren und nicht durch Datenseiten scrollen…

Spätestens auf der Kartenseite sieht man dann auch die beiden wichtigsten Neuerungen des Wahoo Bolt V2. Erstens: Farben! Das Display kann nun überhaupt Farben bzw. verglichen mit dem Roam einige mehr. Dadurch wird die Kartenansicht schöner, man kann schneller Straßentypen und Kategorien unterscheiden und es ist auch einfach schöner anzuschauen. Die Farbe kommt auch noch anderen Funktionen zugute: In der Datenansicht kann man ein Feld farblich hinterlegen und sich so zum Beispiel die aktuellen Leistungs- oder Herzfrequenzzonen anzeigen lassen. Ebenfalls in Farbe erstrahlt eine Seitenleiste, falls man mit dem Garmin Radar unterwegs ist, der einem von hinten herannahende Autos anzeigt. 

Zweite Neuerung am Bolt V2: Dynamisches Routing! Bisher konnte das nur der Roam, nun weiß auch der Bolt wie man smart von A nach B kommt. Weicht man nun also von einer vorgegebene Route ab, kann der Bolt einen wieder auf den richtigen Weg zurückführen und sinnvolle Alternativen und Abkürzungen anbieten. Außerdem kann man sich natürlich auch vom Bolt dynamisch und mit Abbiegehinweisen zu einem vorher gewählten Ziel bringen lassen. Am einfachsten geht das übrigens wieder, wenn man mit der Handy-App die Wunsch-Destination auswählt. Am Bolt direkt geht das zwar grundsätzlich auch, aber mir persönlich ist das ehrlicherweise zu fummelig.

Routen

Und wenn wir schon bei Routen sind - das ist für mich eigentlich der wichtigste Punkt. Ich bin mittlerweile fast immer mit vorgefertigter Route unterwegs und habe auch 99% der Zeit die Kartenansicht eingeblendet. Ich habe es mir beim Radeln zur Mission gemacht, neue Ecken zu entdecken und für mich noch unbekannte Highlights zu befahren. Die Routen, die ich dabei auf Komoot bastle, kann ich schnell und ohne viel Aufwand auf den Wahoo bekommen - für mich eines der Key-Features. Aber da hat eben jeder seine eigenen Präferenzen.

Auf Komoot geplante Routen (oder auch von vielen anderen Anwendungen wie Strava, RidewithGPS, usw.) kann man automatisch synchronisieren lassen - das heißt jedes Mal wenn der Wahoo mit einem (bekannten) WLAN verbunden ist, wird synchroniert. Oder man synchronisiert alle oder aber auch einzelne Routen über die dazugehörige App. Das funktioniert einfach und schnell. Sogar ein GPX aus dem Internet oder aus einem File kann man im Handumdrehen auf den Bolt bekommen - quasi Copy-Paste!

Vor allem die vielen bunten Karten brauchen auch Speicherplatz und da hat der neue Bolt eines der größte Mankos des Roam ausgeräumt, hat dieser jetzt doch 16 GB Speicherplatz. Damit muss man nicht mehr mit Kartenabschnitten jonglieren oder vor dem Urlaub überlegen, für welches Land man jetzt noch schnell die Karte hochladen muss und was man dafür runterlöschen muss damit überhaupt genug Speicherplatz frei ist… Das alles ist Vergangeheit, mit 16 GB ist das kein Thema mehr. Es ist ohnehin mehr als erstaunlich, dass das oft noch so ein Problem ist, wenn ich mir überlege, wieviel eine 128GB microSD karte kostet und wie klein diese ist… Kann ja eigentlich nicht so schwer sein, denkt man…

Nicht neu am Bolt V2 sondern bei Wahoo eh schon immer auch an Bord: Struktuiertes Training und Trainingsprogramme, nach denen man seine Ausfahrten anlegen kann und Live Segmente, wenns einen mal juckt. KICKR-Steuerung für den Indoor Trainer und Nachfahren von Routen auf der Rolle, usw. usf. Und wie schon gesagt: Viele Funktionen, die man auf einem riesigen Garmin 1030 finden wird, sucht man am Bolt vergeblich. Aber da sollte man sich aus meiner Sicht vorher wirklich fragen, ob man diese auch wirklich braucht. 

Unabhängig davon ist Wahoo dafür bekannt, regelmäßige Updates für alle Elemnt Computer zu bringen, die dann auch neue Funktionen auf die Geräte bringen. Und sorry - dieser Seitenhieb muss sein: die Updates funktionieren dann auch und legen nicht das komplette Gerät lahm - wie das bei der Konkurrenz oft genug der Fall war oder ist…

Ein Wort noch zu den Halterungen: Wahoo verwendet wie Garmin ein Art Quartermount, allerdings um 90 Grad gedreht und die Ecken sind minimal größer. Man kann also mit etwas Gewalt und unter Verlust eines halben Millimeters Kunststoff einen Wahoo in eine Garmin Halterung hineinpressen, die elegantere Lösung ist aber ein kleiner Adapter, den es von Wahoo zu kaufen gibt, und der die ganze Geschichte um genau diese 90 Grad dreht. Im Lieferumfang enthalten ist aber ohnehin ein Aero Mount und eine weitere kleine Halterung, die man mit Kabelbindern zb am Vorbau oder aber irgendwo anders am Lenker anbringen kann. Außerdem gibt es noch eine Standardhalterung zu kaufen, eine für TT-Lenker oder aber Drittanbieter-Ware von beispielsweise K-Edge, die ich im Einsatz habe und die einen praktischen Mount für GoPro oder meine Lupine-Lampe unten dran haben. Falls das für irgendjemanden wichtig ist: Der neue Bolt passt in den Aerohalter des alten Bolt, der alte aber nicht in den Aeromount des neuen - das ist aber auch schon die einzige Einschränkung.

Apropos Einschränkung - und damit kommen wir auch schon zum Ende: Mit Corona, Lieferzeiten und Chipmangel kann es momentan eine Challenge sein, einen neuen Bolt zu finden. Wer also einen möchte und im Geschäft liegen sieht, sollte eher schnell zugreifen. 

WER sollte zugreifen: Vom Roam umsteigen? Nicht unbedingt notwendig, der hat schon Farbe und dynamisches Routing und ist auch noch etwas größer. Vom alten Bolt? Ja, wenn man bessere Navigation, schönere Farben und bessere Bedienbarkeit haben möchte. Und von Garmin umsteigen? Hm, da macht euch mal euer eigenes Bild, das ist eine eigene Geschichte ;)

Noch ein paar Fotos:

169k - Rides

In diesen Tagen feiert 169k seinen vierten Geburtstag. Am 24.11.2016 ging hier der erste Blogbeitrag online. Seitdem sind viele spannende und schöne Dinge passiert und ich bin sehr dankbar für alle Veranstaltungen, Themen und vor allem Menschen, die in den letzten vier Jahren meinen Weg gekreuzt haben.

Nun hat Corona auch das 169k-Jahr durcheinandergebracht und viele Dinge konnten nicht so umgesetzt werden, wie geplant. Einige Projekte und Themen sind in der Warteschleife und können erst dann realisiert werden, wenn sich die Rahmenbedingungen wieder normalisiert haben.

Zum Geburtstag möchte ich aber trotzdem noch ein Herzensprojekt auf den Weg schicken, nämlich "169k Rides" - eine Mischung aus Community Building, Routeninspiration und schönen Gewinnspielen.

Es wird jedes Monat einen Routenvorschlag geben - einen Abschnitt, der mir besonders am Herzen liegt und den ich gerne teilen möchte. Teilen mit allen, die auch gerne einmal etwas Neues ausprobieren oder auch mal auf den unbekannten Weg einbiegen. Diese Route kann man alleine oder in der Gruppe nachfahren - wer den Parcours absolviert hat und mit dem Hashtag #169krides etwas auf Facebook und/oder Instagram postet, nimmt auch am Gewinnspiel teil - es gibt jedes Monat etwas zu gewinnen. Das soll nicht die Hauptmotivation sein aber ein kleines Incentive hat noch nie geschadet... Zum Auftakt gibt es beispielsweise ein von Patrick Konrad signiertes Meistertrikot. Über das was noch kommt, möchte ich noch nicht mehr verraten.

Dabei ist nicht wichtig, wie schnell man auf der Strecke war. Vielmehr möchte ich zu neuen Wegen inspirieren, zu Gruppenfahrten einladen und das Erleben in den Vordergrund stellen. Einmal pro Monat wird es daher auch - so die Rahmenbedingungen und Corona das erlauben - eine von 169k organisierte Gruppenfahrt geben - Ehrengäste nicht ausgeschlossen :)

Mit dem Hashtag #169krides sollen schließlich noch eure Erlebnisse, Ausfahrten und vor allem Fotos versehen werden, die dann am Ende des Monats als kleine Collage noch einmal einen Überblick geben sollen, was wir alle gemeinsam erlebt, wen wir getroffen haben und wo wir unterwegs waren.

Kurz noch einmal die Facts:

  • ein GPX-Track pro Monat

  • nachfahren und dokumentieren

  • Hashtag #169krides verwenden

  • auf diese Weise am Gewinnspiel teilnehmen

  • es gibt eine organisierte Gruppenfahrt pro Monat

  • Radfahren und genießen!

Ich freu mich sehr!

Alles Liebe und bleibt gesund, Martin

Festive 500-Tagebuch

24. Dezember 2019

Weihnachten! Das Fest der Liebe, des Friedens und der Familie ist gleichzeitig der Start von "Festive 500". Und während Friede (ein Gefühl, das sich bei mir im Sattel einstellt) und Liebe (eindeutige Assoziation mit dem Radeln) noch mit dem Radfahren in Verbindung gebracht werden können, steht die Familie in diametralem Gegensatz zu den Opfern, die man für die Festive 500 erbringen muss. Es gilt, 500 Kilometer zwischen Weihnachten und Silvester abzuspulen - an jenen acht Tagen also, an denen normalerweise Herumknotzen, Fernsehen und Kekse Essen im Vordergrund stehen.

500 Kilometer an acht Tagen ergibt 62,5 Kilometer pro Tag. Macht man einen Tag Pause, sind es bereits über 70 Kilometer pro Tag, bei zwei Aussetzern schon gut 80. "Veranstaltet" wird das ganze von Rapha und Strava, wobei das zwischendurch auch einmal hin- und hergewechselt hat.

Warum man sich das antun sollte? Naja, es gibt einen virtuellen Pokal auf Strava und wenn man sich entsprechend bei Rapha meldet, einen physischen Stoff-Badge, der dann - so wie alle derartigen Trophäen, die ich in meiner Laufbahn errungen habe - in irgendeiner Lade verstaubt. Wichtiger sind in meinen Augen allerdings andere "Belohnungen": der ultimative Sieg gegen den inneren Schweinehund - rauszugehen, während andere vor dem Ofen sitzen bleiben, Kalorien zu verbrennen, während andere vielleicht noch einmal auf den Keksteller greifen, sich ins Radgewand zu schmeißen, während andere den Tag im Pyjama verbringen.

Tag 1 bringt mir gut 72 Kilometer bei 750 Höhenmetern. Von Lienz aus fahre ich nach Osten, der vorhergesagte Föhnsturm hat mich meine Routenplanung adaptieren lassen, tatsächlich bleibt der Wind allerdings aus - also weder Qualen durch Gegenwind noch großartige Begünstigung durch Rückenwind. Auf der ansonsten wild befahrenen B100 durch das Drautal scheint auch eine Art Weihnachtsfrieden eingekehrt sein - während alle ihre letzten Einkäufe tätigen oder schon auf dem Weg zu den Freunden und Verwandten sind, kann ich in Ruhe auf der Bundesstraße dahinrollen. Für Abwechslung sorgen kurze Abstecher weg von der Bundesstraße und hinauf auf die benachbarten Hänge des Kärntner Drautals. Irschen, Dellach und Berg im Drautal liegen malerisch am Hang und genießen die klimatischen Vorzüge der Sonnseite - Plusgrade und herrlicher Sonnenschein, während auf der Schattseite Reif, Schnee, Eis und Grade um den Gefrierpunkt vorherrschen.

Ab Greifenburg wird das Tal weiter, der Schnee weniger und bei leichten Plusgraden fährt es sich noch einmal etwas leichter. Sachsenburg markiert den Zusammenschluss von Drau- und Mölltal, von hier aus geht es auf dem Drauradweg Richtung Spittal an der Drau. Abseits von vielbefahrenen Straßen ist man hier auf Güter- und Feldwegen, kleinen Straßen und Radwegen unterwegs. Die geplante Runde um den Millstätter See muss aufgrund von Zeitgründen ausfallen, von Spittal an der Drau gehts per Zug zurück nach Osttirol.

Tag 1: 72,4 KM; 14% der Festive 500 erreicht

25. Dezember 2019

Tag 2 meiner Festive 500 bringt die Verschärfung eines Festive 500-Aspekts, den ich im Vorfeld wohl nicht zu Ende gedacht habe. Natürlich macht es einen riesigen Unterschied, WO man die 500 Weihnachtskilometer abspulen möchte. Es gibt da in Singapur oder Indonesien diesen einen Radfahrer, der jedes Jahr in den ersten Stunden der Festive 500 die kompletten 500 Kilometer abspult. Jetzt ist die Bewältigung der großen Distanz natürlich an sich eine enorme Leistung, bei lauen und gemütlichen Temperaturen fällt dies allerdings leichter als bei jenen Witterungsbedingungen, die uns in einem durchschnittlichen Winter in den Alpen oder in Mitteleuropa begegnen. Man hat daher mit widrigen Bedingungen zu rechnen - egal ob das Regen und Nebel, Schnee und Eis oder Minusgrade sind. Ich verbringe die Feiertage mittlerweile traditionell in Osttirol - schön zum Skifahren, schön zum Langlaufen aber auf dem Rad wird man im Dezember eher schief angeschaut. Hinzu kommt, dass die letzten Jahre klimatisch sehr gutmütige Weihnachten produziert haben, schneefrei und verhältnismäßig warm. Mit diesen Erfahrungswerten bin ich im Vorfeld auch meine Touren- und Routenplanung angegangen. Die Realität von 2019 sieht allerdings anders aus: Radwege sind plötzlich gespurte Langlaufloipen, Wege im Schatten der Berge sind ob des Eises nahezu unbefahrbar und die Temperaturen sind für ein Weichei aus der Stadt wie mich doch eher außerhalb des Wohlfühlbereichs.

Meine via Komoot zusammengebastelten Routen und Wege sind daher nur bedingt brauchbar, viele von den "epischen" Bildern und Abenteuern, die ich im Sinne hatte, zerbrechen an der Realität des alpinen Winters.

Tag 2 zwingt mich wetter- und zeitbedingt zu einer meiner Standard-Runden, wenn ich in Osttirol mit dem Rad unterwegs bin, der Talboden-Runde. Dabei wird der Lienzer Talboden nach allen Seiten hin mehr oder weniger ausgefahren, mit ein paar kleinen "Schupfern" drinnen, etwas Bundesstraße und schönen Nebenwegen. Wieder ist es auf der Schattseite frisch und eisig, in der Sonne etwas wärmer und wunderschön, wie direkt von einer Postkarte abgemalt. Die Runde nütze ich gleich auch um festzustellen, welche meiner Wege und Radwege befahrbar sind oder nicht. Isel- und Pustertal fallen leider flach, einzig das Drautal kann am Radweg befahren werden. 54 Kilometer und knapp 480 Höhenmeter später werden die nassen Kleidungsstücke über den Ofen gehängt und mit der Familie gemeinsam auf Weihnachten angestoßen.

Nach zwei Tagen stehen 126 Kilometer in den Büchern, mein "Guthaben" beträgt einen Kilometer - nicht gerade ein großer Polster...

Tag 2: 125,5 KM; 25% der Festive 500 erreicht

26. Dezember 2019

Manchmal kommt es anders als man denkt... - zum Beispiel, dass nach 10 Kilometern das Vorderrad zu wabern beginnt, die Luft langsam weniger wird, das Fahrgefühl nicht mehr ganz so souverän ist. Mein BMC URS Testbike ist als Tubeless aufgesetzt, daher ist es erstmal kein Problem, weiterzufahren. Ich möchte nämlich nicht bei Minusgraden auf der Schattseite des Tals am Rad herumhantieren sondern lieber auf einer gemütlichen Bank in der Sonne. Doch auch daraus wird nichts, die Luft ist draussen. In Oberdrauburg wird der Reifen inspiziert, nachgepumpt, geflucht. Der Mantel kommt runter, Milch überall - irgendwie werde ich mit Tubeless nicht warm... Schaden am Reifen kann ich keinen finden, auch das Ventil scheint noch ganz und dicht, dennoch bleibt die Luft nicht drinnen. Ersatzschlauch habe ich natürlich einen mit, gewechselt ist auch schnell - die Finger werden in wenigen Momenten an der frischen Luft klamm. Das Aufpumpen der großvolumigen Schläuche dauert mit der Handpumpe eine gefühlte Ewigkeit und beim Abziehen der Pumpe passiert es - das Ventil geht mit und die Luft ist wieder draußen. Doch damit nicht genug, hat sich auch noch das Ventil in der Pumpe verkeilt. Mit Betteln und Bitten, Gewalt und Fluchen und meinen eiskalten Fingern bekomme ich es auch nicht mehr heraus. 19,3 statt der geplanten 120 Kilometer werfen natürlich auch meinen kompletten Festive 500-Plan über den Haufen. Aber wenn schon stranden, dann zumindest gleich neben dem Bahnhof. Also mit dem Zug zurück nach Lienz und Wunden lecken - der luftlose Walk of Shame vom Bahnhof zurück nach Hause ist genug für die geschundene Ehre.

Die Familie ist währenddessen hin- und hergerissen zwischen Empathie und Mitleid für den offensichtlich geistig umnachteten Radfahrer, unterstützender Motivation und Ärger über die stundenlangen Abwesenheiten. Dennoch stellt sich kurzfristig so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl ein, welches dann auch gleich in ein gemeinsames Brainstorming darüber mündet, wie denn die fehlenden Kilometer des heutigen Tages am besten wettgemacht werden können. Vorhergesagter Schnee, Regen und starker Wind gepaart mit der Aussicht auf einen weiteren "Patschen" führen zur Idee, in der Nähe des Zuhauses zu bleiben und hier irgendwie Kilometer abzuspulen. Unterschiedliche Runden und Varianten werden diskutiert, am Ende entscheide ich mich für eine Runde direkt vor dem Haus, auf der ich am nächsten Tag ein paar Kilometer wiedergutmachen kann.

Tag 3: 145,8 KM; 29% der Festive 500 erreicht

27. Dezember 2019

Vier Stunden sind heute eingeplant, der Blick aus dem Fenster ist nicht sehr verheißungsvoll - leichtes Tröpfeln und Wind, aber daran habe ich mich mittlerweile irgendwie gewöhnt. Und tatsächlich ist es so, dass mit der richtigen Kleidung viel vom Schrecken des schlechten Wetters verloren geht. (Und ja, ich hasse den Spruch "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Ausrüstung"). In weiser Voraussicht habe ich meinen halben Kleiderkasten nach Osttirol mitgeschleppt, alles was nach Winter aussieht, nach Merino riecht oder mit Primaloft gefüllt ist.

An den Füßen Merino-Socken (Fingerscrossed oder Isadore), Heizpads auf die Zehen und die dicken Fizik-Winterschuhe. Zwei Hosen (RH77 und Isadore), die jeweils mit flauschigem Thermo-Material ausgeführt sind. Einzige Schwachstelle - wie leider bei fast allen Hosen, die ich bisher hatte - ist die goldene Mitte. Ich hoffe meine Zeugungsfähigkeit wird darunter nicht allzu sehr leiden.

Der Oberkörper bekommt drei Schichten gegönnt - Merino Baselayer (Isadore), Langarmtrikot (Isadore, RH77) und darüber noch eine Jacke (Isolation - RH77/Isadore oder aber die Primaloft Jacke von Löffler). Auf den Kopf kommt meine alte Rapha-Haube, die Hände bekommen auch zwei Lagen - einen Merino Liner-Handschuh von Rapha und darüber die großartigen weil langen und dichten Isadore-Handschuhe). Dieses Setup variiere und mische ich durch, je nachdem, was ich gerade für wichtig erachte - tatsächlich sind die Unterschiede allerdings gering. Am Körper selbst sind maximal die ersten Kilometer frisch, sobald man allerdings auf Betriebstemperatur ist oder stetig vor sich hin pedaliert, wird es meistens angenehm warm oder zumindest erträglich. Probleme treten dagegen an den äußeren Enden des Körpers auf: Zehen werden kalt, egal wie gut man sie verpackt, unabhängig der Zahl der Wärmepads oder der Qualität der Schuhe. Die Frage ist hier nicht "ob", sondern eher "wann". Den Moment des Erfrierens hinauszuzögern ist also die eigentliche Aufgabe. Gleiches gilt für die Hände, die - wie die Füße auch - ständig dem Fahrtwind ausgesetzt sind. Ich helfe mir mit häufigem Umgreifen am Lenker, damit nicht ständig die gleichen Stellen exponiert sind und fahre ab und zu für ein paar Meter freihändig und verstecke dabei die Hände unter den Achseln oder hinter dem Rücken.

Derart vorbereitet besteht mein 4. Tag der Festive 500 aus der am Vorabend ausbaldowerten Idee, vor der Haustüre Runden zu fahren. Der ausgesuchte Kurs ist 1,7 Kilometer lang, führt teilweise auf einem Radweg, zumeist aber - auf weihnachtsbedingt leergeräumten Straßen - durch ein nahes Gewerbegebiet. Pausen zur Verpflegung, zum Aufwärmen oder im Falle eines Defekts kann ich jederzeit zuhause einlegen - so eine Möglichkeit eines Boxenstopps beruhigt. Bei jeder Passage der imaginären Start- und Ziellinie drücke ich auf den Lap-Button meines Wahoos, dieser zeigt jeweils um die 4 Minuten Fahrzeit für die 1.740 Meter. Die Menschen, die mir auf meinem Rundkurs begegnen, auch sie schwanken zwischen Verwunderung und Mitleid - vor allem jene, die nicht innerhalb der vier Minuten Rundenzeit wieder verschwunden sind, denen ich also mehrmals begegne. Die Mitarbeiter des Autohauses an der Strecke kennen sich irgendwann gar nicht mehr aus, ignorieren aber wohl den Radler, der da seine Runden dreht. Auch die Angestellten der Bäckerei kümmern sich nicht um mich, umgekehrt weht mir aber in jeder Runde der Duft frischgebackenes Brotes um die Nase.

Bis zum Mittagessen möchte ich fahren, so viele Kilometer wie möglich für die Festive 500 hamstern. Unterwegs bleibt viel Zeit zum Nachdenken, ich erfinde das "1. Internationale Peggetz Winterkriterium" mit mir als einzigem Starter (mit dementsprechend aussichtsreichen Gewinnchancen!), rekapituliere die ersten Tage der Festive 500 und kann auch abseits des Radelns den einen oder anderen Gedanken wälzen. Das Format eines Kriteriums wird meiner Meinung nach ja wieder an Attraktivität gewinnen und hoffentlich auch eine Art Renaissance erleben. Große Attraktivität für Zuschauer gepaart mit einem erheblich geringeren Organisationsaufwand sind eine Kombination, mit denen große Rennen und Rundfahrten zunehmend ihre Probleme haben (vor allem mit zweiterem). Ein richtiges Rennen würde wohl über eine kürzere Distanz führen als mein Experiment hier, ich genieße aber die körperliche und mentale Herausforderung. Stetiges Abspulen von Runden hat mir noch nie große Probleme bereitet, so stehen am Ende dann auch 58 Runden auf dem Wahoo und mit 101 Kilometern kann ich mein Festive 500-Konto wieder etwas aufbessern.

Tag 4: 247,0 KM; 49% der Festive 500 erreicht

28. Dezember 2019

Für diesen Tag ist besseres Wetter vorhergesagt - im Sinne von weniger Wolken und mehr Sonne. Allerdings gesellen sich tiefe Temperaturen und starker Nordwestwind dazu. Die Routenplanung ergibt daher - wie schon am ersten Tag - einen "Transfer Ride", also eine Rückfahrt mit dem Zug. Noch einmal durchs Drautal zu fahren reizt mich nicht - es wäre dies das vierte Mal innerhalb von vier Tagen und den Abschnitt bis Oberdrauburg muss ich ohnehin wieder zurücklegen. Die erste Challenge des Tages soll der Gailbergsattel werden, an sich keine große Prüfung aber unter winterlichen Bedingungen und bei knappen Minusgraden doch nicht ganz so ohne. Am Gailbergsattel angekommen bläst dann tatsächlich der Wind - viel stärker als geplant und aus allen Richtungen, sodass ich kurz mein heutigen Vorhaben zu zweifeln beginne. Am Sattel selbst scheint mir die Sonne ins Gesicht und alle Zweifel sind verflogen. Ein kurzer Abstecher auf der Abfahrt vom Gailbergsattel führt mich - traditionell - zu den Wurzeln einer meiner Familienhälften nach Laas und bringt eine kurze Verschnaufpause, bevor es in die restliche Abfahrt nach Kötschach hinuntergeht. Ich rolle den Berg nur hinunter, reduziere sogar bewusst die Geschwindigkeit, weil der eisige Fahrtwind meine Finger und Zehen ans Limit bringt. Es fühlt sich an, als würden Nadeln in die Finger und Zehen stechen und das eigentlich Grausliche daran ist, dass man während der Fahrt weder durch Positionswechsel noch durch andere Maßnahmen Linderung bewirken kann.

Ich erreiche das Gailtal unter einer dicken Decke von Nebel, die zwar da und dort die Sonne durchblitzen lässt, gleichzeitig sind aber auch die Temperaturen noch weit in den Minusgraden und der Radweg, der mich gen Osten führen soll ist unter einer fragwürdigen Schnee- und Eisschicht verborgen. Die ersten 10-15 Kilometer friere ich mich über den Radweg, unter Reif und Schnee verborgene kleine Eisplatten lassen meinen Puls immer wieder kurz hochschießen. Erst kurz vor Tröpolach ist der Nebel endgültig verschwunden und die einzige Trübung der Sonne erfolgt durch die Schneekanonen des Skigebiets am Nassfeld, dass sich über meiner rechten Schulter erhebt.

Um nicht permanent auf der Schattseite fahren zu müssen und meiner Seele auch etwas Sonnenschein zu gönnen, fahre ich nicht auf dem offiziellen Radweg sondern auf einem Begleitweg der Gail. Mit meinem Gravelbike bin ich für derartigen Untergrund grundsätzlich perfekt ausgerüstet, jedoch bringt die Sonne mit sich, dass die schmelzende Schneedecke den darunterliegenden lehmigen Erdboden in eine zähe Masse verwandelt, die einiges an Kraft erfordert. Mein Durchackern dieser Wege richtet auch mein Rad entsprechend zu, URS erträgt allerdings mit stoischer Gelassenheit meine Schmutzattacken auf Tretlager, Antrieb und Rahmen und verrichtet einwandfrei seinen Dienst.

Bei Hermagor wechsle ich auf den Drauradweg 3a, eine weitere Ader des in Kärnten sehr gut ausgebauten Radwegenetzes. Auf den unberührten und mit Schnee bedeckten Wegen, die vor mir liegen, entdecke ich plötzlich Reifenspuren und wähne mich nicht mehr als einzigen Verrückten, der hier mit dem Rad unterwegs ist. Ich finde den gesuchten Radfahrer nicht, für meinen Kopf ist es allerdings eine willkommene Abwechslung - schließlich bin ich schon recht lange alleine auf meinen Wegen unterwegs.

Vor mir erhebt sich der Dobratsch, der Villacher Hausberg und damit kann ich ungefähr erahnen, wie weit mich der heutige Tag noch führt. Am Fuße des Dobratsch führt der Radweg durch wunderbare Nadelwälder, über asphaltierte und geschotterte Wege, wellig und flott geht es dahin - ich bin kurz in so etwas wie einem Flow, bin ganz bei mir selbst. Bei Arnoldstein beginnt es zu rauschen, das Geräusch kommt näher und nach dem Überqueren einer Brücke, fährt man für kurze Zeit neben der Autobahn, die sich an dieser Stelle aus Italien Richtung Villach und Klagenfurt schlängelt. Dieser Streckenabschnitt ist mir noch von der Tour de Franz im Sommer in Erinnerung, da hatte es allerdings rund 30 Grad mehr. Die Fußgeherfrequenz steigt, mit ihr auch Hunde, Pferde und andere Gesellschaft - man nähert sich der Stadt. Noch immer entlang der Gail führt der Radweg bis an den Stadtrand von Villach, das heutige Etappenziel ist erreicht. Richtung Bahnhof benütze ich einen der vielen Radwege in der Stadt, zuerst steuere ich noch fälschlicherweise den Westbahnhof an, danach den "richtigen" Hauptbahnhof. Ich überfalle eine Tankstelle am Weg und nehme alles mit, was aus Plunder, Nougat, Cola und Marmelade besteht und warte auf meinen Zug zurück nach Lienz.

Tag 5: 370,1 KM; 74% der Festive 500 erreicht

29. Dezember 2019

Es ist Sonntag und damit Tag des Herrn. Die einen gehen in die Kirche, die anderen - scheinbar nicht minder religiös - beten den österreichischen Ski-Gott an, der in Form des Damen-Skiweltcups in Lienz Halt macht. Auch ich fröhne einer Art Spiritualität beim Radfahren, obwohl der Blick aufs Thermometer eher an Kasteiung und Selbstgeißelung denken lässt. Bei -8 Grad bin ich noch nicht oft in meinem Leben nach draußen gegangen, um Rad zu fahren. Festive 500 kümmert sich allerdings nicht um derartige Befindlichkeiten und somit verlasse ich unter leichtem Kopfschütteln der Familie das Haus, um - nun bereits zum fünften Mal - im Talboden Richtung Oberdrauburg zu fahren. Dank Skirennen läuft der Verkehr nur in eine Richtung, die Bundesstraße lässt mich vergleichsweise rasch ein paar Kilometer sammeln. Auf der Rückfahrt wirft mir die Schattseite über eine knappe Stunde die vollen -7 oder -8 Grad entgegen, ich überlege kurz aufzuhören oder irgendwo einzukehren, doch Pausen machen das ganze Unterfangen nicht wirklich einfacher. Und halbwegs aufgewärmt wieder aufs Rad zu steigen ist in vielen Fällen die größere Qual als das Weitermachen.

Ich lege einen kurzen Stopp beim Zielhang des Skirennens ein, auch als Nicht-Fan haben derartige Ereignisse natürlich ihren Reiz. Der weitere Weg führt heute hinein ins Iseltal und wieder zurück. Meine Hoffnung auf einen schneegeräumten Isel-Radweg erfüllt sich leider nicht, auf der Bundesstraße ist es eher spaßbefreit aber immerhin scheint die Sonne, -4 Grad sind da schon eine bedeutende Verbesserung.

80 Kilometer stehen am Ende auf dem Wahoo, genau was ich wollte. Damit bleiben für die letzten beiden Tage noch 50 Kilometer, die für die Erreichung der Aufgabe fehlen. Und nebenbei wurde auch noch die eigene Vorgabe erfüllt, zumindest an einem der acht Tage nicht fahren zu müssen und stattdessen etwas mit der Familie unternehmen zu können.

Wie auch schon an den letzten Tagen hat sich bei niedrigen Temperaturen ein massives Problem ergeben, jenes der Verpflegung nämlich. Gels sind an sich keine Herausforderung, ihre Konsistenz ist auch bei niedrigen Temperaturen nahezu unverändert und damit auch deren Verzehr. Bei Riegeln wird die Sache mitunter schon etwas komplizierter. Wer schon einmal versucht hat, einen halbgefrorenen Clifbar oder Powerbar runterzubekommen, weiß wovon ich spreche. Mein Tipp ist so einfach wie banal, nämlich den Riegel möglichst nah am Körper zu tragen und damit warm zu halten. Die Trikottaschen unter der Jacke reichen dafür in der Regel aus, alles was außen liegt ist zu exponiert. Richtig schwer wird es allerdings mit den Trinkflaschen, diese sind permanent den niedrigen Temperaturen ausgesetzt. Ein Rucksack mit einer Trinkblase, die nahe am Körper anliegt, wäre ein gangbarer Weg aber mit Rucksack fühle ich mich am Rennrad nicht wohl. Thermo(s)flaschen sind auch eine Variante, allerdings halten derartige Flaschen die Flüssigkeit auch nur minimal länger warm (außer es sind dezidierte Thermosflaschen). Und dann gibt es da noch den Mpemba-Effekt, demzufolge es - frei interpretiert - auch keinen Sinn macht, besonders warme Getränke in normale Flaschen einzufüllen, da diese noch schneller abkühlen als kühle. Ich habe so gut wie nichts getrunken bei meinen Ausfahrten, weil meine Flaschen stets innerhalb von kurzer Zeit so kalt waren, dass nur noch kleine Schlücke möglich waren, ohne dass einem auch noch innerlich ganz kalt wird. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie man das am besten handhabt.

Tag 6: 450,3 KM; 90% der Festive 500 erreicht

30. Dezember 2019

Finale! Eigentlich bin ich ja mit allerhand Routen, Ideen und Bildern von epischen Abenteuern nach Osttirol gekommen. Man ist von Instagram und dergleichen ja mittlerweile auch schon insofern verklärt, als jedes Unterfangen "außergewöhnlich", "besonders" oder eben "epic" sein muss. Eine normale Ausfahrt in schöner Umgebung ist da vermeintlich ja schon fast nichts mehr, über das man berichten könnte. Die Realitäten des Osttiroler Winters haben mich aber in Demut gelehrt, genauso wie die Erkenntnis, dass 500 Kilometer innerhalb einer Woche keine einfache Aufgabe darstellen.

Und so mache ich mich erneut auf den Weg durch den Lienzer Talboden, die Strecken zu wiederholen und immer wieder abzufahren empfinde ich dementsprechend auch nicht als Schande sondern schlicht und ergreifend als Maximum dessen, was unter diesen Rahmenbedingungen möglich ist. Und mit dieser Einstellung fällt es auch wieder leicht, das Schöne zu sehen: die Berge, die Sonne, die Landschaft, die Kirchen an den Berghängen, die Höfe auf den Hügeln - all das, wofür es keine epischen Abenteuer braucht sondern nur den Schritt vor die Tür.

Gut 54 Kilometer später kann ich die hartnäckigen Minusgrade endgültig vergessen, den Heimathafen ansteuern aber nicht ohne vorher noch bei der Tankstelle eine Flache Sekt in meine Trikottasche zu stecken. Die Erledigung der Festive 500 soll einen würdigen Abschluss erfahren.

Ein letztes Mal den Wahoo synchronisieren, die Fotos des Tages bearbeiten und das Ganze auf Komoot und auf Strava hochladen - das ist mittlerweile zum Ritual geworden. Auf der Seite der Festive 500-Herausforderung wandert der Balken nach rechts, erreicht die 100% und überschreitet diese Grenze geringfügig. Ein Fenster poppt auf, Gratulation zur absolvierten Challenge, Halleluja.

Tag 7: 504,9 KM; 101% der Festive 500 erreicht

31. Dezember 2019

8:30, zum ersten Mal seit acht Tagen muss ich nicht darüber nachdenken, wohin ich heute fahre, was ich anziehe oder wie weit ich fahren sollte. Zum ersten Mal kann ich das machen, was der Rest der Familie und vermutlich so gut wie jeder andere Mensch in Osttirol zu dieser Jahreszeit macht, wenn er Sport machen will - in meinem Fall ein paar Runden auf den Langlauf-Skiern.

Zurück von der Skating-Runde folgt auf Strava eine kurze Krise. Plötzlich scheinen in meiner Challenge nur noch 495 Kilometer statt der tatsächlich gefahrenen 505 auf, Erreichungsgrad 98%. Schnell mache ich Screenshots von allen Mails und Nachrichten, die ich bereits bekommen hatte, in denen samt und sonders steht, dass ich die Herausforderung absolviert habe. Mal schauen, was meine Anfrage an Strava bringt... Auch bei eventuellen Ungenauigkeiten oder Neuberechnungen sollte ich mit 505 Kilometern auf der sicheren Seite sein. Was ich allerdings in den letzten Tagen erlebt habe, kann mir ohnehin keiner mehr nehmen. Ebenso wie es an sich völlig egal wäre, ob ich dafür nun ein virtuelles Abzeichen oder einen kleinen Stoff-Aufnäher bekomme. Die Tatsache, dass ich für 500 Kilometer am Rad gesessen bin, bringt ohnehin mehr mit als nur das formale Absolvieren der Challenge. Ich konnte ohne jegliches schlechtes Gewissen Kekse in mich hineinstopfen, war gemütlich im Ausdauermodus unterwegs und hab dementsprechend (hoffentlich) schon eine kleine Trainingsbasis fürs Frühjahr gelegt und hab einen großen Kampf gegen den inneren Schweinehund gewonnen.

Tipps

Abschließend möchte ich die Erkenntnisse meiner Festive 500-Woche in einige Tipps fließen lassen, für folgende Jahre und andere Radlerinnen und Radler, die eventuell etwas Inspiration brauchen.

Möglichst früh, möglichst viel

Gerade die ersten beiden Tage sind oft für Feierlichkeiten reserviert. Wer allerdings schon zu Beginn aussetzt oder Kilometer auf später verschiebt, tut sich nichts Gutes. Es steigt damit der Druck und die anfangs noch vorhandene Freude an der Herausforderung wird vermutlich zunehmend schwinden.

Routenwahl

Die Routenwahl ist aus zweierlei Gründen relevant. Einerseits hat die Tourenplanung großen Einfluss darauf, wie schnell man die 500 Kilometer erreicht - flach gewinnt vor bergig. Zweiter Aspekt ist das Klima - je nachdem, in welcher Region man unterwegs ist, kann man sich mit einer geschickten Routenwahl das Leben einfacher oder lebenswerter gestalten. Lange Abfahrten bei niedrigen Temperaturen tun dem Körper nichts Gutes.

Rad

Natürlich auch in Abhängigkeit der Region, des Terrains und der Pläne ist die Wahl des geeigneten Rads essentiell. Ich war sehr glücklich mit der Wahl des Gravelbikes von BMC, es war der exakt richtige Erfüllungsgehilfe für meine Challenge. Sich nicht um (speziell im Winter) schlechten Asphalt kümmern zu müssen, Schotter und Splitt auf der Straße ignorieren zu können und auch auf Schnee und Eis etwas mehr Sicherheit zu genießen, ist das eine. Bei der Routenwahl auch Schotter, Erde und Waldwege miteinbeziehen zu können, das andere - eine enorme Bereicherung der Routenvielfalt und des damit verbundenen Fahrspaßes.

Rücklicht

Es mag banal erscheinen aber ich habe für die Festive 500 ein neues Rücklicht angeschafft. Dieses hat Leuchtstufen, die ehrlicherweise mit keinem Gesetz der Welt mehr vereinbar sein dürften, allerdings hat es mir die Sicherheit gegeben, mit der ich auch auf viel befahrenen Bundesstraßen und bei schlechten Lichtverhältnissen beruhigt unterwegs war.

Rahmentasche

Auch neu für mich war die Rahmentasche, wobei ich mich ja grundsätzlich eher gegen allzu viel Ballast und Gepäck auf dem Rad ausspreche. Hintergedanke war, immer einen trockenen Ersatz-Baselayer mitzuführen, eine weitere Jacke und eine Außenschicht, Ersatzschlauch und Werkzeug nicht im Trikot verstauen zu müssen und auf langen Touren auch etwas mehr Verpflegung mitzuführen. Die wasserdichte Ortlieb-Tasche konnte alle diese Erwartungen erfüllen, war ein praktischer Begleiter und hat sich auf diesem Wege wohl auch für künftige Herausforderungen wie das Race Around Austria Unsupported qualifiziert.

Gesellschaft

Was ich nicht hatte, kann wohl ein großer Vorteil bei der Bewältigung von 500 Kilometern in acht Tagen sein - Gesellschaft, jemand, der mitleidet, jemand der motiviert und mitfühlt.

Familie

Die Familie kann natürlich auch motivieren und unterstützen, wird jedoch nie die "Innensicht" haben, das verstehen, was man am Rad durchlebt und die Motive, warum man das ganze auf sich nimmt. Umgekehrt ist es essentiell, der Familie auch etwas zurückzugeben - die Entbehrungen und die Abwesenheit sind immerhin beträchtlich!

Keinen Druck machen

Entspannt zu bleiben ist wohl auch ein Schlüssel zum Erfolg. Egal, ob man mit den Kilometern hinten ist, ob man ein technisches Problem hat oder aber - wie oben erwähnt - Sorge hat, weil man “nur” vermeintlich ereignislos und unberichtenswert auf allseits bekannten Wegen hin- und herrollt. Spaß haben, genießen und das Ganze zu spüren, sollte im Vordergrund stehen. Und rechtfertigen muss man sich sowieso immer nur vor sich selbst!

Genießen und Feiern

Ganz in diesem Sinne gilt es natürlich auch, den Erfolg entsprechend zu zelebrieren. 500 Kilometer sind in meinem Fall rund 10 Prozent meiner aktuellen Jahreskilometerleistung. Angesichts meines Fitnesszustands bin ich daher auch aus sportlicher Sicht mit meinen Festive 500 sehr zufrieden. Schwerer wiegen allerdings trotzdem die Erlebnisse und die Dinge, die mir durch den Kopf gegangen sind, während ich rund 21 Stunden auf dem Rad gesessen bin. Damit kann ich mit aufgeräumten Gedanken und einem durchgelüfteten Hin in ein neues Jahr starten!

Traveling without moving

Ich bin recht viel unterwegs, hauptsächlich in Österreich - privat und beruflich, mit dem Zug und dem Auto, von rechts bis links, von oben bis unten. Die eine Erkenntnis daraus ist, dass ich mich glücklich schätzen kann, so ein Fleckchen Erde bewohnen zu dürfen. Schaut man etwas genauer hin und lässt sich auf die Gegenden ein, findet man so gut wie überall etwas Schönes oder Besonderes.

Nun habe ich mir über die letzten Jahre angewöhnt, die Welt durch eine Fahrrad-Brille anzusehen. Auch wenn ich nicht am Rad sitze, sehe ich daher überall potentielle Routen, Straßen und Spots. Während also die Bahnfahrt über den Semmering eine gefühlte (und auch tatsächliche) Ewigkeit dauert, lehne ich den Kopf an das Fenster und stelle mir vor, auf dem Wanderweg neben den Gleisen mit dem MTB zu fahren. Im Murtal nahe Judenburg führt eine Schotterstraße parallel zur Bahntrasse, die mir auch schon öfters aufgefallen ist. Mal verläuft sie neben der Bahn, dann verschwindet sie im Wald, dann schmiegt sie sich wieder an die Geleise, wechselt bei einer Unterführung die Seite, sodass ich sie kurz aus den Augen verliere bis sie plötzlich wieder vor meinem Fenster auftaucht.

Kurz vor Kraubath führt parallel zur Schnellstraße eine Bundesstraße durch das Murtal, eigentlich recht unspektakulär am Waldrand entlang durch die Landschaft. Bei Kraubath klingelt es aber in meinem Hirn - Christoph Strasser ist hier aufgewachsen - und schon denke ich mich auf einen Zeitfahrer und spule Kilometer für Kilometer auf dieser neben mir liegenden Bundesstraße ab. Wie großartig es sich auf den Bundesstraßen fahren lässt, die parallel dazu eine Schnellstraße oder Autobahn dazu gebaut bekommen haben, konnte ich bereits öfters am eigenen Leib erleben.

Im Drautal wiederum kann man aus dem Zugfenster die hoch gelegenen Höfe oder Siedlungen erahnen, die über kurze und meistens unmenschlich steile Stiche erschlossen sind. Wie es wohl dort oben aussieht, was folgt dahinter, kann man dort mit dem Rad fahren?

So oder so ähnlich sehe ich die Welt, durch die ich mich bewege und ich könnte noch hundert weitere Beispiele anführen, die ich sofort benennen und auch verorten kann. Dass mein Hirn dementsprechend voll ist mit derartigen Informationen und ich mir deswegen bestimmte andere Dinge nicht gut merken kann, das ist eine andere Geschichte... ;)

Was ich unterwegs sehe, versuche ich oft - zuhause am Computer - wiederzufinden, zu verifizieren, ob die Straße auch auf der Karte so lieblich aussieht wie das kurze Stück, das man unterwegs aufgeschnappt hat. Oder es geht schlicht und ergreifend darum, herauszufinden, wohin dieser Weg überhaupt führt. Auf diese Art und Weise hat sich in meinem Gehirn ein unzusammenhängendes, unstrukturiertes und zufälliges Netz an Wegen gebildet, das in mir das dringende Bedürfnis weckt, aufs Rad zu steigen und alle diese Wege abzufahren. Ob es jemals dazu kommen wird, ist eine andere Geschichte - aber dieses Netz existiert einmal.

Schreibtischtäter

Es erfüllt mich mit Glück und Zufriedenheit, abends, untertags oder auch kurz zwischendurch eine Karte auf dem Bildschirm aufzurufen und mich dort umzusehen. In der Wohnung meiner Mutter und dem Haus meiner Schwiegereltern liegt ein großer Atlas auf - immer in Griffweite, um dieses oder jenes nachzuschlagen. Waldbrand auf Sumatra? Dort! Unruhen im Südsudan? Da! Unwetterschäden im Mölltal? Hier! Für die einen mag es unnützes Wissen sein oder zumindest eines, das keinen nachhaltigen Bestand oder Nutzen hat. Für mich ist es mehr und vor allem ist es eine Art des Reisens - und das meine ich einerseits überhaupt nicht esoterisch und andererseits auch nicht im Sinne von Fantasiewelten eines Peter Pan oder einer Alice im Wunderland. So wie es für mich als Kind schon spannend war, ein Lexikon zu „lesen“, so sind es heutzutage die Karten, die mich schnell und unmittelbar in ihren Sog ziehen. Und das Radfahren hat mir dabei geholfen, neue Kategorien von Wegen wahrzunehmen - in der Realität und als Folge davon auch auf Karten. Während man (Auto)reisen eher anhand höherrangiger Wege plant, lenkt das Rad die Aufmerksamkeit auf die schönen Straßen, die kleinen Wege, die pittoresken Landschaften.

Und so finde ich mich wieder und tippe auf Straßen, setze Wegpunkte auf Routen, definiere Zwischenziele und betrachte Höhendiagramme. Das Werkzeug ist dabei variabel. Der physische Atlas in Kombination mit dem enzyklopädischen Wissen, der Erfahrung und den Anekdoten meines Schwiegervaters hat natürlich eine andere Qualität als Google Maps. Strava bietet Heatmaps und damit die kollektiven Erinnerungen einer weltweiten Community. Komoot setzt noch eins drauf und spielt zusätzliche Informationen in die Karten. Schön auch die Seite mit dem klingenden Namen „Quäl dich“, die sämtliche Aufstiege und Pässe in Europa mit Diagrammen, Fotos und Erlebnisberichten auflistet.

Traveling without moving

Auf diese Weise habe ich schon unzählige Ausfahrten absolviert und die Strecken, die ich mir da zusammengebastelt habe, fast schon gespürt. Ich weiß, wie sich 5 Prozent Steigung anfühlen, erinnere mich, wie sich ein Untergrundwechsel auswirkt, weiß was man spüren kann, wenn man 100, 150 oder schon 200 Kilometer in den Beinen hat.

Es mag vielleicht wie eine absurde Übung klingen, mir macht es jedoch großen Spaß! Die Routen habe ich gespeichert - ergibt sich eine Gelegenheit, habe ich mit großer Wahrscheinlichkeit schon ein paar Streckenvarianten vorbereitet. Es ersetzt natürlich keine reale Ausfahrt, aber in stressigen Phasen oder wenn das Gehirn kurz vor dem Overload steht, bietet sich ein derartiger Ausflug an, um kurz abzuschalten, sich in eine positive Atmosphäre zu versetzen und die Gefühle zu spüren, die man mit dem Radfahren verbindet.

Am Ende muss ich aber ohnehin raus gehen und mich auf mein Rad setzen, immerhin möchte ich meine persönliche Strava-Heatmap weiter anfärben - es sind noch zu viele Regionen und Bereiche auf der Karte weiß. Da werd ich wohl mehr ins Schwitzen kommen, als vor dem Bildschirm...