Steiermark - Grundsätzliches

In den letzten Jahren war ich überproportional oft und viel in Oberösterreich unterwegs. Zum Beispiel bei der Race Around Austria Challenge entlang der oberösterreichischen Grenzen, wobei - und das wissen nicht alle - die RAA Challenge rund um OBERösterreich auch kurz nach NIEDERösterreich und auch nach Salzburg führt). Ich war unzählige Mal am Attersee bei King of the Lake. Und auch wenn es in und rund um das Salzkammergut immer wieder territoriale Unklarheiten gibt, ordne ich die Salzkammergut-Trophy jetzt einfach mal Oberösterreich zu. Und auch ohne Rad...: Fotografieren bei der Oberösterreich-Rundfahrt, Begleitung des RAA200, Promo-Tour bei Löffler in Ried, Micro-Escape auf der Mühlviertler Alm, und und und. All diese Aktivitäten und Veranstaltungen haben mir nicht nur viele schöne Kilometer am Rad beschert sondern auch die Gesellschaft, Bekanntschaft und da und dort sogar Freundschaft mit vielen netten Menschen - Danke dafür an dieser Stelle, you know who you are...

Und dann war da plötzlich die Steiermark!

November 2023, Oliver und Claudia theatern mich spontan in einen Ausflug in die Südsteiermark, eine „Gravel Extravaganza“ stünde auf dem Programm. Ich bin nicht ganz fit und außerdem wäre es mein Geburtstagswochenende und ich hätte schon Pläne... Aber spontane Dinge sind oft die besten und im Nachhinein betrachtet war dieses Wochenende wohl der Startschuss für meine „Steiermark-Phase“. Nicht falsch verstehen: Ich bevorzuge kein Bundesland gegenüber einem anderen, hege keinen Gram gegen das eine oder das andere und habe (mit dem Rad und abseits) schon in jedem Winkel dieses Landes (und darüberhinaus) große und kleine Schätze gefunden. Sogar in jenen Ecken, von denen man üblicherweise nicht in den höchsten Tönen spricht. Das Rad und die Art und Weise und das Tempo, mit dem Rad zu reisen, machen es möglich. 

Steiermark also, und es ist irgendwie passiert. Zuvor war die Steiermark auf meiner Rad-Landkarte ein erstaunlich weißer Fleck - keine Ahnung warum, es hat sich wohl bis dahin noch nie so richtig ergeben. Und dann eben die Gravel Extravaganza im November 2023. In der Südsteiermark rund um Gamlitz und Leutschach war ich schon oft - mit der Familie, mit Freunden - in erster Linie zum Wandern, Essen und Wein Trinken. Ich liebe die fruchtigen und spritzigen Weine der sogenannten Steirischen Klassik. Die Wein-Wissenden werden jetzt mit dem Finger auf mich zeigen, ist doch die Steirische Klassik der Wein für die Masse - eher gefällig und leicht zugänglich, quasi der Prolet aus dem Stahltank im erlauchten Kreis der Lagenweine, die gemütlich und ohne jeglichen Stress in Holzfässern vor sich hin schlummern, um ihre komplizierten Aromanoten zu entwickeln. Aber reden wir nicht über den Wein - mittlerweile nehme ich ohnehin eher Traubensaft für die Kinder mit in den 6er-Kartons im Kofferraum.

Weinlandhof Gamlitz

In Gamlitz steht der Weinlandhof, ein großes Hotel, dem man sein feines Gespür für Radfahren, Geselligkeit und „the good life“ auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so ansieht. Man muss aber nur reingehen und mit Thomas und Chrissi plaudern und schon wird man in eine neue, schöne Welt hineingesogen. Die beiden waren und sind es dann auch, die das Spektrum der Besucher erweitern woll(t)en - idealerweise zuerst einmal an den ruhigeren Saisonrändern. Radfahren und Kulinarik ist eine Kombination, die immer geht und wer sich mit beidem auskennt, hat schon mal ein gutes Paket an der Hand. Die Gravel-Extravaganza (im Oktober/November) ist quasi der Newcomer, währenddessen der Gegenpart im Frühling - das sogenannte „Woamfoahn“ - schon auf eine kurze aber eindrucksvolle Tradition zurückblicken kann. Einmal ist man auf Schotter unterwegs, beim Woamfoahn auf der Straße mit Rennrädern - die Grundcharakteristik ist aber ähnlich: Gesamtpaket vom Weinlandhof, Wellness, kulinarische Köstlichkeiten (von Rosi), Buschenschankbesuche, geführte Touren (mit tollen und kundigen Guides), Rahmenprogramm und - sorry für meinen Bias ;) - die letzten Male gabs immer auch brandneue und edle BMC-Bikes zum Testen!

Ich könnte an dieser Stelle noch recht lange weiter schwärmen von der Südsteiermark, den Routen, den Ausblicken, dem Wein, der Gastfreundlichkeit... ich war sogar im Sommer mit meiner Familie im Weinlandhof auf Urlaub - ohne Rad :)

Uncharted Territory (for me)

Aber wie gesagt, die Gravel Extravaganza im November 2023 war irgendwie nur der Anfang einer längeren Steiermark-Geschichte. Irgendwie hat es mich dann noch ein paar Mal ins grünste Bundesland verschlagen.

Zu Allererst ist hier meine „Stammstrecke“ zu erwähnen - Wohnort Wien - Schwiegereltern Osttirol. Keine andere Strecke hab ich auf Komoot öfter geplant, ich habe mittlerweile eine eigene Collection nur mit Variationen dieser einen Relation - Schotter, Straße, lang, kurz, mit Umwegen, flotter, Tourist-Mode, you name it! Aber leider ergibt sich dann nur sehr selten eine tatsächliche Möglichkeit, die Strecke auch in Angriff zu nehmen, das Verhältnis „Reise mit dem Finger auf der Karte“ vs. „Wirklich in die Pedale treten“ steht irgendwo bei 100:1 ... Und auch leistungsmäßig is so eine Strecke von doch immerhin knapp 500 Kilometern vernünftig einzuordnen. Und da ich meine jeweils aktuelle Leistungsfähigkeit mittlerweile ganz gut einschätzen kann - man lernt halt Kinder, Krankheiten und so halbwegs zu quantifizieren -, habe ich mich im Frühjahr 2024 für eine gekürzte Variante Villach - Wr. Neustadt entschieden. (Den Radweg im Drautal kenne ich schon auswendig und auf der anderen Seite habe ich auch schon die meisten Reize des Wiener Beckens erschöpfend kennengelernt). 

Lange Rede kurzer Sinn: Aus dem schnellen Blick in die Karte ergibt sich schon, dass eine südliche Verbindung Osttirol-Wien einer Steiermark-Durchquerung gleichkommt. Und während die Gravel Extravaganza oder das Woamfoahn ja eher eine punktuelle oder regionale Angelegenheit sind (in deren Fall: Südsteiermark), bin ich ja ein Riesen-Fan von „Durchquerungen“, das inkludiert ja meistens ein richtige Kennenlernen einer Region, das Annehmen von Eindrücken, das Wahrnehmen von Veränderungen von Landstrichen, lokalen Kulturen, Geografien, Topologie und Menschen. Und da war die „Heimattour“ Richtung Wien eine steirische Offenbarung. Beginnend mit kleinen Nebenstraßen über die Pack, die mir Komoot kredenzt hat - anspruchsvoll steile aber verkehrsfreie und aussichtsreiche Wege zum Packer Stausee, um die Süd-Autobahn mäandrierend also genau diese Wege, die ich aus dem Auto immer sehnsuchtsvoll ins Auge gefasst habe. 

Dann das lautmalerische Örtchen Edelschrott schon am Rande der Pack mit einem weiten Blick Richtung Grazer Becken und danach eine lange und flowige Abfahrt Richtung Krottendorf (Gößnitzstraße!) um vom bergigen ins hügelige überzugehen. Wer mit den ganzen Ortsbezeichnungen wenig anfangen kann, schaut übrigens idealerweise bei meinem Komoot-Account vorbei, dort gibts sowieso alle meine Touren! Dann eine Übernachtung Nahe Hitzendorf (kennt man vom gleichnamigen 24h-Rennen), ein Schupfer über den Plabutschtunnel (unten rauscht man mit dem Auto durch, oben zwitschern die Vögel) und ein Pflicht-Stop für großartigen Kaffee und gute Laune bei Evas „Coffee Ride“ am Franziskanerplatz (Achtung: offiziell Radfahrverbot!).

Ein paar kurze Sätze hier zu Graz an sich: Ich war zu selten da (Schande über mich) und noch viel seltener mit dem Fahrrad (noch mehr Schande über mich) - ich kann daher nicht viel mehr sagen, als das immer schon viele Radlerinnen und Radler in der Stadt unterwegs waren und mit „Veloblitz“ wohl der Rad-Botendienst mit den meisten Race Across America-Teilnahmen (und Siegen) in Graz beheimatet ist. Was ich aber in kurzer Zeit gelernt habe: Man ist schnell aus der Stadt draußen, man kann Richtung Norden den Murradweg entlangfahren oder auf die Teichalm kraxeln, Richtung Süden flach wobei sich als Tagestour locker ein Besuch in Maribor ausgeht, nach Westen hin ist es hügelig, nach Osten hin auch. Eigentlich also supervariables und vielseitiges Terrain mit unzähligen Trainingsmöglichkeiten. In der Praxis werde ich in nächster Zeit versuchen, ein paar dieser Dinge auch zu erproben. Zurück aber zu meiner Tour, denn die hat auch auf den letzten Kilometern Steiermark einiges zu bieten - vor allem nämlich einiges an Höhenmetern. Über Laßnitzhöhe geht es noch gemütlich bis nach Gleisdorf, den industrialisierten Schlurf zwischen Weiz und Gleisdorf habe ich bewusst auslassen - mit der Gegend kann ich (noch) nicht so viel anfangen. Aber dann geht der Höhenmeterzähler in die Höhe... Von Gleisdorf bis zum Wechsel ist man in einem permanenten Auf und Ab unterwegs, kreuzt jedes einzelne Tal, fährt kurz den Hügel runter, gegenüber wieder hinauf. Wer die 24h-Radchallenge von Kaindorf kennt, weiß was gemeint ist. Stetige Höhenmeter, mal schmierig, sodass man sie gar nicht richtig merkt, oft aber auch gemein und steil, wenn auch nur recht kurz. Und dort, wo sich dann Steiermark, Burgenland und Niederösterreich zu mischen beginnen, gibt es auch noch einige Schmankerl, aber dazu ein andermal mehr!

Štajerska

Eine andere mir bis dahin unbekannte Steiermark habe ich dann auch noch im Rahmen eines kurzen Bikepacking-Trips nach Slowenien und Kroatien gefunden. Von Ilz aus bin ich an der Riegersburg vorbeigeschrammt und dann über Feldbach und Jennersdorf (schon Burgenland!) nach Ungarn, Slowenien und in einem weiten Bogen über Kroatien wieder zurück Richtung Österreich gefahren. Auch da gibts einige Geschichten für ein paar andere Blogposts, aber es geht ja um die Steiermark - also bei Mureck zurück über die slowenisch-österreichische Grenze und dann gerade Richtung Norden zurück zum Startpunkt nach Ilz. Auch dort eine „neue“ Steiermark, viel Gegend, eine völlig andere Charakteristik als in der „klassischen“ Südsteiermark rund um Gamlitz oder in der neueren, fancy Süd-Ost-Steiermark rund um Klöch. (Hier und da hört man, dass die Südsteiermark touristisch gesättigt ist und der Schwarm von Wochenendgrazern und Touristen jetzt tendenziell die Weinberge und Kellerstöckln der Südoststeiermark ansteuern). Ich bin dazwischen durchgefahren - keine gschmackigen Buschenschanken sondern eher „Zwischenland“. Aber dennoch eine spannende Erfahrung (im wahrsten Sinne des Wortes), das von mir so oft beschworene und heissgeliebte Erkunden von Regionen!

Into the Unknown

Ein Kapitel hätt ich noch...! Im April war ich ja beim Unknown Race am Start. Ihr wisst schon, die Geschichte wo man unsupported rund 1.000 Kilometer in vier Tagen absolvieren soll, wobei der erste Checkpoint erst eine Stunde vor Start bekanntgegeben wird und die Koordinaten des zweiten Checkpoints stehen am ersten, und so weiter... Also war alles recht „Unknown“, als einziges halbwegs gesichert war die Wetterprognose, nämlich mit einem tiefen Wintereinbruch. Der kam dann auch so, weshalb ich das Rennen noch am ersten Abend abgebrochen habe, mehr oder weniger gestrandet in einer eher räudigen Pension in Hieflau. Von Hieflau zum nächsten Zug bei Schnee und Null Grad war eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera (und dem Fahrplan der ÖBB) - die Wahl fiel auf die „nur“ 800 Höhenmeter von Hieflau nach Leoben. Die wunderbar symmetrische Pyramide am Höhenprofil hab ich geflissentlich ausgeblendet, irgendwie musste ich ja aus dem tiefsten Gesäuse wieder rauskommen. Den „Präbichl“, den Gipfel dieser Pyramide hasse ich seither - ob es zu einem späteren Zeitpunkt eine Versöhnung geben wird, ist noch offen. Aber auch hier - Achtung Business-Bullshitting: „jede Challenge ist auch eine Chance“ - war am Ende etwas Positives rauszuholen. Bei aller Grauslichkeit des Moments - man schaue sich auf Komoot die grauenhafte Straße von Eisenerz zum Präbichl hinauf an, plus Schneefall, plus Minusgrade, plus Gepäck am Rad - hatte es aber doch auch etwas Schönes. Die Kipper des Erzbergs mit ihren Riesenmulden sind mit mir simultan die Höhenmeter hinaufgekrochen, die Bergbau-Baracken strahlen einen spannenden Lost Places-Vibe aus, ich habe mich tatsächlich gefreut (und mache das immer!), auf Straßen unterwegs zu sein, wo ich vorher noch nie gefahren bin und rein psychohygienisch habe ich diesen kleinen Gipfelsieg auch gebraucht, um das DNF des Unknown Race zu verarbeiten.

Was kommt noch?

So genug geschwafelt, wo geht die Reise hin? Was ich eigentlich sagen möchte - auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: ich liebe es, neue Wege zu befahren. Meistens sind sie schön, manchmal weniger. Das Rad bietet ein einmaliges Tempo - langsam genug, um Eindrücke aufsammeln zu können und gleichzeitig schnell genug, um auch weiterzukommen. Durch Zufall haben mich meine Wege dieses Jahr eben öfters in die Steiermark geführt und ich habe das Gefühl, als ob ich dort noch einiges zu entdecken hätte. Das wird bei vielen anderen Orten und Bundesländern auch der Fall sein, aber jetzt eben mal Steiermark. Konkreter? Mit dem Weinlandhof in Gamlitz hab ich nicht nur eine tolle Location für die Events Woamfoahn und Gravel Extravaganza gefunden, ich möchte das Hotel auch als Basis für weitere Geschichten nutzen. Die „Weinland Radtour“ führt quasi am Weinlandhof vorbei (Namensähnlichkeiten in diesem Fall übrigens zufällig!), das ist die offizielle Steiermark Radroute, wenn man sich die Vielfältigkeit der südlicheren Steiermark aus dem Sattel aus anschauen möchte. Da schwebt mir ein 3-Tages-Bikepacking Trip vor im Frühjahr. Außerdem - nochmal vom Weinlandhof - ist es nur ein Katzensprung nach Slowenien. Slowenien ist nicht Steiermark und wird auch selbst noch Teil vieler künftiger Geschichten sein, aber hey - sLOVEnia. Das Land muss man ja quasi lieben!

Und auch sonst gibts noch ganz viele vermeintliche Kleinigkeiten, die ich mir auf eine lange Liste geschrieben habe: Gesäuse mit dem Gravel- oder Mountainbike, zum „Gaberl“, um dort Gabriel in einer Story zu markieren (Gaberl kommt nämlich von Gabriel), ich möchte einen Weg über den Speikkogel und die Koralpe finden, ich möchte die Südoststeiermark näher kennenlernen - dort gibts mit Gravel 33+ auch ein spannendes Event mit - für Gravel - langer Tradition und auch wenn wir letztes Jahr schon am Großen Jogl unterwegs waren, alles gesehen habe ich dort bei weitem nicht!

Und wer es bis hierhin zum Schluss geschafft hat (Danke fürs Lesen!), dem und der sei gesagt, dass es in Zukunft wieder mehr Geschriebenes auf 169k geben wird und genau genommen sind das ja 10 Blogposts in einem... Es gibt einfach so viel zu erzählen und berichten! 

Rennradfahren in Bad Waltersdorf

Die Geschichte beginnt genau genommen im Juli 2021. Da war ich bei der Ultra-Radchallenge in Kaindorf im Einsatz, zuerst im dreistündigen Rennen im Sattel und dann - nach rund 4 Stunden Schlaf - als Fotograf während des 24-Stunden-Rennens. Übrigens das bis dato einzige Mal, dass mir mein Whoop-Armband eine Recovery von atemberaubenden 1% ausgespuckt hat…

Dementsprechend hatte ich am Tag nach dem Rennen nur noch wenig Energie, um mir die kleinen Wege und Straßen zwischen Pöllauberg, Hartberg, Riegersburg und Bad Waltersdorf näher anzuschauen. Damit war dann auch schnell klar, dass ich zu einem anderen Zeitpunkt zurückkehren muss - idealerweise in einem etwas entspannteren Setting, zum Beispiel in der Kombination aus Radfahren und Therme! Aber bevor wir uns alledem im Detail widmen, muss ich noch etwas loswerden - keine Angst, ist eh auch Teil der Storyline :)

Nicht nur im Radsport, Radtourismus oder der Rad-Industrie sondern eigentlich überall sind Menschen am Werk. Und das was oft als eher verächtlich „Humankapital“ oder Ressource bezeichnet wird, ist eigentlich das Wichtigste, was eine Marke und ein Unternehmen haben kann. Und oft hängt es an einzelnen Personen, die mit großem Engagement und Antrieb Dinge bewegen oder erst zustande bringen. Und nachdem es derartige Geschichten nur selten an die Öffentlichkeit schaffen, möchte ich an dieser Stelle Anja erwähnen, die nicht nur maßgeblich für den reibungslosen Ablauf des 24h-Rennens in Kaindorf verantwortlich ist, sondern auch Tourismusverbände und Betriebe in der Region mit ihrem Enthusiasmus und der Leidenschaft fürs Radfahren angesteckt hat - Danke an dieser Stelle!

Anja!

Sonst wäre zwar die Oststeiermark nach wie vor so wunderschön wie sie es nunmal ist, aber eben vielleicht nicht so sehr bekannt fürs Rennradfahren. Denn um genau das zu forcieren, haben sich sowohl Tourismusverband als auch Betriebe vor Ort auf Radler*innen eingestellt - allen voran die Therme Bad Waltersdorf. Wer an dieser Stelle einwendet, „OK, Therme ist aber wohl eher zum herumliegen und sich verwöhnen lassen…!“, dem sei entgegnet, dass sich Erholung und sportliche Betätigung keineswegs im Wege stehen, sich vielmehr ergänzen und eine wohltuende Massage vermutlich noch um einiges wohltuender ist, wenn man zuvor ein paar Kilometer gestrampelt ist.

Oststeiermark

Die Region ist auf den ersten Blick vielleicht etwas schwierig zu fassen. Durch Zusammenlegungen von politischen Bezirken, Tourismusverbänden und Marken war es teilweise auch schwierig, den Überblick zu behalten. Aber auch geografisch ist es auf den ersten Blick nicht einfach - spielen sich doch auf recht kleinem Raum erstaunlich viele Übergänge von Landschaften, Regionen und Charakteristika ab. Das hügelige „Alpenvorland“ im Nordwesten Richtung Pöllauberg und weiter Richtung Rosseggers Waldheimat, die beginnenden Weinberge Richtung Burgenland, Landwirtschaft in den welligen Bereichen, eine Landschaft geprägt von (ehemaligen) Vulkanen Richtung Süden - auf einem sitzt nun die prominente Riegersburg.

Im Sattel sind diese Wechsel spannend und im Rennradtempo optimal erlebbar. Auf einer 50 Kilometer langen Schleife rund um Bad Waltersdorf lassen sich beispielsweise alle diese Landschaften in einer Tour vereinen. Eines ist jedoch allgegenwärtig - und ein kurzer Blick auf die Karte der Region schafft hier schnell Klarheit: HartBERG, MitterBERG, PöllauBERG, MasenBERG, StubenBERG, VockenBERG, BuchBERG, ReigersBERG… Ich denke, man weiß was gemeint ist. Aber keine Angst, man ist hier nicht automatisch in einer Höhenmeterorgie gefangen - durch gute Routenwahl kann man sehr gut steuern, was und wie man seine Runden ziehen möchte. Grundsätzlich sind in der gesamten Region auch die Landesstraßen gut mit dem Rennrad befahrbar - entweder direkt auf der Fahrbahn oder teilweise auch auf den begleitenden Radwegen. Vor dem Verkehr muss man hier keine Angst haben, hier sind einzig die großen Bundesstraßen (z.B. B54 Wechsel-Bundesstraße) zu meiden. Wer sich aber auf ein paar Höhenmeter mehr einlassen möchte (oder kann), der findet in unzähligen Nebenstraßen und Güterwegen wahre Erfüllung. Der Kurs des 24h-Rennens rund um Kaindorf ist dahingehend so etwas wie das Kondensat der Region. Wer hier einmal die 17 Kilometer abgespult hat, bekommt einen guten Eindruck über die Möglichkeiten der Region: ein kurzer Abschnitt auf der flachen Landesstraße, sanft-wellige Nebenstraßen zwischen Feldern, knackige und kurze Stiche in Waldstücken, gut Höhenmeter, perfekt abgelenkt durch eine wunderbare Landschaft. Willkommen in der Oststeiermark. Wer also etwas Kraft in den Beinen hat und sich etwas mehr Zeit nehmen möchte, dem sind jedenfalls und unbedingt die kleinen Güterwege und Nebenstraßen ans Herz gelegt!

Routen

Neben der gerade erwähnten Strecke der Ultraradchallenge habe ich noch drei weitere Routen befahren, die ich an dieser Stelle gerne teilen und kurz beschreiben möchte.

Pöllauberg

Von Hartberg aus geht es auf kleinen Wegen in stetigem Auf und Ab (gefühlt eher Auf… 😉 ) Richtung Pöllauberg, vorbei an St. Anna, Muggental und Oberneuberg. Schon von weitem sieht man, woran man sich annähert: die imposante Wallfahrtskirche Maria Pöllauberg. Ein kurzer Abstecher hinein nach Pöllauberg zahlt sich jedenfalls aus: egal wohin man sich dreht, entweder man schaut auf die Kirche oder ins Tal Richtung Südosten - beides sehenswert! Nach der flotten Abfahrt hinunter nach Pöllau dreht man im Ort am besten eine Runde um das Stift (da und dort auch als „Schloss“ bezeichnet) und holt sich Kaffee und/oder Eis als Wegzehrung für die weitere Runde. Nach ein paar Kilometern auf der Hauptstraße biegt man kurz vor Winzendorf vor dem Kreisverkehr rechts ab und befindet sich gleich wieder auf den genial einsamen Nebenstraßen und fährt zwischen Feldern, kleinen Höfen und unbehelligt von jeglichem Verkehr dahin. Bei Kaindorf fährt man zuerst am Start- und Zielgelände des 24h-Rennens vorbei und dann auch die ersten Kilometer der Strecke bis Ebersdorf. Während die Strecke des Rennens dort rechts in die Hügel abbiegt, führt diese Route weiter auf der Hauptstraße bis Sebersdorf und dann parallel zur Südautobahn wieder zurück nach Hartberg. 

Auf den Masenberg

Startpunkt ist das Thermenhotel Bad Waltersdorf. Von dort geht es zuerst auf ruhigen Straßen nach Hartberg, doch dort geht es dann gleich richtig los. Mit knapp 900 Höhenmetern auf rund 14 Kilometern Länge ist der Masenberg so etwas wie die größte Bergwertung der Region und der Anstieg sollte nicht unterschätzt werden - zum einen aufgrund der Länge, zum anderen aufgrund des Gradienten, der zwar nicht sonderlich steil ist, aber stetig „dahinschmiert“. Gleich aus Hartberg hinaus gilt es aber zuerst einmal den „Ring“ zu bewältigen, mit bis zu 17 Prozent Steigung gewinnt man direkt aus der Stadt hinaus gleich einmal ordentlich an Höhenmetern. Autos sucht man hier eher vergeblich, außer an schönen Tagen, wo sich hier einige Ausflügler tummeln. Es bleibt beschaulich, man radelt zwischen Weilern, Feldern und Wäldern hindurch, einige Male kann man linkerhand in der Ferne die imposante Kirche von Pöllauberg erkennen. Oben auf dem Masenberg gibt es Aussicht und Bewirtung und im Anschluss eine sehr flotte und flowige Abfahrt Richtung Pöllauberg. Dort kann man einen kleinen Abstecher zur Kirche machen (500 flache Meter hin und 500 Meter auf der gleichen Straße wieder retour - siehe vorherige Tour). Danach geht es wieder flott bergab mit wunderbar langgezogenen Kurven bis nach Pöllau. Auf der Hauptstraße zuerst mit etwas mehr Verkehr, danach mit etwas weniger bis Kaindorf, ein paar hundert Meter am Radweg neben(!) der Bundesstraße entlang und dann wieder auf schmalen Straßen nach Stubenberg. Wer bis dahin keine Pause eingelegt hat, wird spätestens mit dem Stubenberg-See eine Gelegenheit finden, die Beine kurz hochzulagern (oder eben ins kühle Nass des Sees zu befördern!). Entlang der Feistritz geht es auf der Hauptstraße bis nach Hainersdorf - hier lassen sich gut die oben bereits angesprochenen Radwege nützen, die oft parallel zu den Landes-/Bundesstraßen verlaufen. Über einen wunderschönen Nebenweg führt die Tour dann über Hohenbrugg zurück nach Bad Waltersdorf. Die letzten Höhenmeter zum Thermenhotel hinauf verlieren jedenfalls jeden Schrecken, wenn man an die regenerierende Sauna oder Massage denkt! ;)

Riegersburg-Runde

Vom Quellenhotel Bad Waltersdorf geht es auf der Hauptstraße zuerst nach Fürstenfeld - neben Hartberg dem zweiten regionalen Zentrum. Im Gegensatz zu den vorherigen Touren, wo die Anstiege noch länger waren, ändert sich hier die Charakteristik etwas. Die Anstieg werden kürzer und steiler - dafür sind die Höhendifferenzen, die es zu überwältigen gibt, insgesamt etwas geringer. Von Übersbach bis Hatzendorf überwindet man die erste Kuppe der Tour, danach nähert man sich auch schon dem wahren Highlight der Tour: der Riegersburg! Besiedelungen gab es dort angeblich schon vor über 6.000 Jahren, eine Burg wurde bereits im 12. Jahrhundert dokumentiert. Wer mit dem Rad nur auf der Durchreise ist, kann den imposanten Anblick genießen, wer mehr Zeit mitbringt, dem bieten sich Einkehren in den umliegenden Buschenschanken an, ein Besuch der Burg oder aber man nascht sich durch die Verkostungsräume des Schokoladenherstellers Zotter. Über zwei weitere kleine Anstiege geht es dann mit dem Rad zurück ins Ilztal, ab dort geht es flach dahin, kurz ins benachbarte Burgenland und abschließend über einen letzten kleinen Hügel zurück nach Bad Waltersdorf.

Die Fotos können leider Saharastaub-bedingt nicht die volle Schönheit der Region wiedergeben.

Stützpunkt Bad Waltersdorf

Viele Landschaftsübergänge und ehemalige Vulkane bedeuten geologische Verwerfungen, diese wiederum bringen oft Thermalwasser und Quellen mit sich - Willkommen also im Thermenland. Schon auf der Autobahn oder beim schnellen Blick durch den Tourismus-Prospekt fallen die vielen Thermen auf, die da und dort vermerkt und angeschrieben sind. Kinder- und Familienthermen, Tagesthermen, Hotels - das Angebot ist vielfältig und maßgeschneidert. Die Heilherme in Bad Waltersdorf mit Quellenhotel, hoteleigener und öffentlicher Therme ist dabei quasi die erste Adresse. Und das Quellenhotel Bad Waltersdorf ist es eben auch, das sich den Rennradsport und das Radfahren im Allgemeinen auf die Fahnen geschrieben hat. Abschließbarer Fahrradraum, Werkstatt, Reinigungsmöglichkeit und (Notfall-)Shuttle sind mittlerweile fast die Mindestausstattung für (Renn)Rad-Reisende und Einschlägige Hotels. Den Unterschied machen in meinen Augen die Angebote, die man eben nicht ohnehin überall im Internet findet und damit einen entsprechenden Mehrwert bieten: Routenempfehlungen, die tatsächliche Strecken sind und keine reinen Planspiele, Menschen, die auch abseits des Offensichtlichen ein paar Tipps geben können und echtes Engagement, wie es sich beispielsweise auch in den Rennradcamps im Quellenhotel Bad Waltersdorf manifestiert.

TSM statt FTP

Einem Körper, dem man beim Radfahren Leistung abverlangt, kann man auch etwas zurückgeben :) Belebendes Thermalwasser zum Beispiel, wohltuende Behandlungen und Massagen oder die Lektüre eines guten Buchs, während man in einer Liege am Außenteich entspannt. Klingt nach Werbeveranstaltung? Ist es auch! :) Wer rein auf der Suche nach mehr Leistung ist (Stichwort „FTP“), der wird sich wohl eher für ein sportliches Trainingslager entscheiden oder sich auf die Kilometerleistung konzentrieren. Wer jedoch ein ausgewogenes Paket sucht, vielleicht Partnerin oder Partner mitnehmen möchte und im gesamtkörperlichen Wohl seine Erfüllung sucht, der kann sich guten Gewissens für einen Aufenthalt in der Heiltherme entscheiden.

Und was bedeutet nun „TSM“? Das ist die „Traditionelle Steirische Medizin“ in Anlehnung an TCM. Und wer dahinter pseudowissenschaftlichen Firlefanz und Marketing-Gags vermutet, wird eines anderen überzeugt werden. Es gab in vergangenen Jahrhunderten und gibt noch immer viel regionales Wissen über Wohlbefinden, einen gesunden Lebensstil und das Lindern von kleinen Wehwehchen (die sogenannten “Kräuterhexen” zum Beispiel). Dieses Wissen aus der Region wurde unter dem Titel „TSM“ zusammengetragen und findet im Quellenhotel Eingang in die Behandlungen, Massagen und vor allem auch die kulinarische Menüplanung. Und spätestens da kann man glauben, was man möchte: Frühstück und Abendessen im Hotel suchen ihresgleichen und auch wenn es unter Umständen nicht die optimale Trainingsnahrung ist, schmeckt es hervorragend und ist gesund. Dafür ist auch entsprechend durch regionale und wertvolle Inhaltsstoffe und Zutaten gesorgt. Ich habe mir einige der Zulieferer des Hotels auf meine Radrouten gelegt und mich davon vergewissert, woher zum Beispiel das Brot beim Frühstücksbuffet stammt. Und da fügt sich dann viel Schönes zusammen, wenn man auf einer fordernden Radrunde am Betrieb vorbeischaut, der gerade das Brot bäckt, das man am nächsten Tag beim Frühstück essen wird!

Rennradcamps

Zum Abschluss noch einmal Radfahren! Von 5.-8. Mai 2022 findet bereits zum wiederholten Male das SPORTaktiv Rennradcamp statt und bietet die Möglichkeit, das eben genannte Verwöhnpaket der Heiltherme mit einem spannenden Rennradurlaub mit geführten Touren zu verbinden. Als Guides fungieren dabei Ultra-Radler Thomas Mauerhofer und die eingangs dieses Blogbeitrags erwähnte Anja Gleichweit - bessere Anleitung für die Region werden wenige bieten können! Und auch das letztes Jahr erstmalig durchgeführte Ladies-Only-Radcamp im Thermenhotel soll dieses Jahr eine neue Auflage erfahren. Alle Infos dazu gibts auf einen Blick auf der Homepage des Thermenhotels

Bikepacking mit Hindernissen

Zwischen der Abfahrt aus Wien an einem lauen Sommermorgen und zitternden Beinen im strömenden Regen am Bahnhof Steyr ist einiges passiert: 4 Tage, 622 Kilometer, knapp 7.600 Höhenmeter und ein Haufen toller Eindrücke und Erinnerungen. Vieles ist dabei gut gelaufen, manches wiederum nicht so ganz nach meinen Vorstellungen. Wie immer habe ich eine Unmenge an Dingen im Kopf, die ich gerne in diesen Beitrag packen würde, der Übersichtlichkeit halber gibt es aber diesmal mehrere Teile. Hier und jetzt geht es einmal um die Tour, ein weiterer Beitrag wird sich um ein paar Learnings und Gedanken drehen, die mir während des Fahrens durch den Kopf gegangen sind. Aufgrund vieler An- und Nachfragen ist außerdem ein Artikel zu den Ortlieb-Taschen in Arbeit und schließlich - denn auch das war ja einer der Zwecke, der diese Tour gegolten hat - möchte ich auch noch einige Worte über mein Setup für die Race Around Austria Challenge “unsupported” vorstellen. Pfuh, viel zu tun - am besten wir starten gleich!

Die Idee einer Österreich-Tour

Normalerweise findet Anfang Juli die Österreich-Rundfahrt statt. Eines der wenigen internationalen Radrennen Österreichs war glücklicherweise auch für mich immer wieder einmal eine Gelegenheit, Fotos zu machen und Rennluft bei den Profis zu schnuppern. Corona kam, die Österreich-Rundfahrt 2020 wurde abgesagt und neben einigen tollen Initiativen mit Zukunftsperspektive (“Österreich dreht am Rad”) war es auch mir irgendwie ein Bedürfnis, eine Art Runde durch Österreich zu machen.

Die Idee war natürlich schon vorher da und auch in meinem Komoot-Ordner sind zahlreiche Variationen von Touren abgespeichert und warten nur darauf, abgerufen und realisiert zu werden. Die Frage dabei ist immer, wie viel Zeit man hat, wie gut der Trainingszustand ist und wie weit man reisen möchte.

Dass das Fahrrad das großartigste Fortbewegungsmittel ist, muss ich an dieser Stelle ja nicht mehr erwähnen… Genau die richtige Geschwindigkeit - schnell genug, um doch vorwärts zu kommen und Kilometer machen zu können. Gleichzeitig aber auch langsam genug, um Gerüche wahrzunehmen, Wetterwechsel zu spüren, jederzeit kurz stehenbleiben, die Landschaft erleben und erfahren zu können. Dinge, die einem im Auto sowieso aber auch auf dem Motorrad großteils verwehrt bleiben.

Die Planung

Ich wollte radeln, möglichst lang und möglichst stetig. Ich wollte dabei Kilometer machen ohne mich hetzen zu müssen. Ich wollte mich um nichts kümmern müssen, als ums Treten in die Pedale. Ich wollte unterschiedliche Regionen durchqueren, denn so spürt man tatsächlich, dass man “weiterkommt”. Ich wollte am Weg Freunde und Bekannte besuchen.

Eigentlich wollte ich schon Anfang Juli auf meine Tour gehen, dafür war eine tolle Runde durch große Teile Österreichs auf dem Gravelbike vorgesehen. Aufgrund der (miserablen) Wettervorhersage habe ich mein Vorhaben zum damaligen Zeitpunkt verschoben (und im Nachhein war das gut so, da die Woche nur aus Gewittern und Unwettern bestanden hat). Als neuer Termin war Mitte Juli ins Auge gefassst, aufgrund des nahenden Race Around Austria habe ich außerdem auf das Rennrad umdisponiert. Zeit im Sattel ist einer der wesentlichen Faktoren, die ich für meine Vorbereitung für das RAA festgelegt hatte, warum also nicht bei einer Bikepacking-Runde Kilometer sammeln.

Die Planung der Runde hat nicht allzu lange gedauert. Vier Tage waren schnell als Zeitraum fixiert - was innerhalb dieser Zeit möglich ist, habe ich anfangs noch sehr optimistisch ausgelegt (200km+), dann etwas realistischer und schließlich an meine tatsächliche Leistungsfähigkeit angepasst. Als Tagesziele habe ich Orte gewählt, wo Freunde von mir wohnen. Wenn man alleine (oder in einer kleinen Gruppe) unterwegs ist, wird man schnell zum Einsiedler. Das ist positiv im Sinne der Konzentration auf einen selbst, ich finde aber, dass man auch sozial einen Bezug zu seiner Umgebung herstellen muss. Freunde zu besuchen ist daher ein angenehmer “Mitnahmeeffekt”. Dass man dadurch auch in den Genuss eines potentiellen Schlafplatzes, einer warmen Dusche und einer Mahlzeit kommt, ist natürlich ebenso positiv!

Mit Komoot reicht es tatsächlich, einige wenige Punkte auf der Karte anzuklicken. Die Verbindungsstücke, die Komoot automatisch erstellt, sind eine gute Auswahl. Ich kann an dieser Stelle vorwegnehmen, dass mich der Algorithmus lediglich über einige wenige nicht asphaltierte Abschnitte geschickt hatte (was in meinen Augen kein wirkliches Problem ist und sie waren vorab entsprechend gekennzeichnet). Und umgekehrt hat Komoot mich über touristische, sehenswerte, verkehrsarme und schöne Wege geleitet, die ich ohne das Programm wohl nicht gefunden hätte. Ein ganz wesentlicher Punkt in meinen Augen ist jedoch, dass man sich zu einem gewissen Grad dann doch entscheiden muss, ob man “schön” oder “schnell” fahren will. Nimmt man die schönen Ecken mit, die malerischen Wege und die tollen Aussichten, so bedeutet das fast immer, dass die Geschwindigkeit sinkt, man extra Meter abspult oder später an sein eigentliches Ziel kommt. Das soll kein Plädoyer für die schnelle Bundesstraße sein, es ist lediglich zu bedenken, wenn man an der Routenplanung sitzt und vorgegebene Zielorte erreichen möchte.

Das Equipment

Im Sinne einer Vorbereitung auf mein Race Around Austria habe ich viele jener Dinge eingepackt, die ich auch beim RAA nutzen möchte.

Rad

Meine BMC Roadmachine wird mich auch rund um Oberösterreich begleiten. Mit der eher komfortablen Auslegung des Rahmens und der damit verbundenen Gutmütigkeit ist ein derartiges Rad eigentlich eine optimale Wahl für solche Vorhaben. Am üblichen Setup habe ich eigentlich nichts verändert, ein Service bei PBike hat den Antriebsstrang noch einmal auf Vordermann gebracht. 25 Millimeter breite Reifen sind bei mir grundsätzlich immer die richtige Wahl, da ist der Mittelweg aus Komfort und Rollwiderstand am besten. Für längere Ausfahrten und Touren ist natürlich umso wichtiger, dass man gut auf dem Rad sitzt bzw. entsprechend darauf gefittet ist. Nach vielen Kilometern oder mehrtägigen Belastungen spürt man Schwachstellen umso mehr oder aber es entstehen welche, die man vorher noch nicht gekannt hat.

Taschen

Die Bikepacking-Serie von Ortlieb besteht grundsätzlich aus Sattel-, Rahmen- und Oberrohrtasche, außerdem noch einer Lenkerrolle, die wiederum noch mit einer Zusatztasche versehen werden kann. Mit der Rahmentasche habe ich schon bei meinen Festive 500 sehr gute Erfahrungen gemacht - vor allem hinsichtlich Qualität, Bedienung und Wasserfestigkeit -, daher waren die anderen Taschen dieser Serie für mich von Beginn an gesetzt. Zu den Taschen werde ich noch einen eigenen Artikel posten, vorab sei jedoch schon einmal festgehalten, dass die Ortlieb-Taschen auf ganzer Linie überzeugt haben.

Gewand

Bekleidung ist ein komplexes Thema und außerdem eine sehr individuelle Angelegenheit. Ich habe mich für den Trip für zwei RH77-Sets entschieden. Die Bibs haben in meinen Augen einen der besten Polster - nicht unwesentlich, wenn man vier Tage im Sattel sitzen möchte. Bei den Trikots hab ich außerdem das “AUT”-Trikot ausgewählt - passend für eine Fahrt durch Österreich. Als Backup außerdem eingepackt waren Ärmlinge, Handschuhe, Gilet und Regenjacke.

Für die Zeit abseits des Rads waren noch eine kurze Hose, zwei Funktionsshirts, ein Thermo-Gilet und eine kurze Schlafhose an Bord. Kein klassisches Kleidungsstück ist die Maske (bzw. der “Mund-Nasen-Schutz”) aber auch von denen hatte ich zwei mit dabei.

Elektronik

Für die Navigation habe ich auf einen Garmin 1030 Plus zurückgegriffen, den ich gerade zum Testen habe. Auch wenn ich traditionell mit manchen Funktionen von Garmin (oder im Fall des 1030 Plus mit dem schieren Überangebot an Funktionen!) so meine Schwierigkeiten habe, die Akkulaufzeit von 24 Stunden war ein Superargument für dieses Unterfangen. Und welchen besseren Test gibt es für so ein Gerät als eine mehrtägige Bikepacking-Tour?

Mit der Absicht, am Rande des Trips auch mein Lichtsetup für das Race Around Austria zu testen, hatte ich auch eine Lupine Neo am Lenker montiert, gepaart mit dem großen Lupine-Akku und einem kleinen Rücklicht an der Sattelstütze. Dass ich nicht dazugekommen bin, das Licht zu verwenden, bedeutet, dass ich das alles umsonst mitgeschleppt habe - und der Akku ist nicht gerade leicht :)

Verpflegung

Essen und Trinken ist für mich ein schwieriges Thema! Während ich so gut wie alles essen kann und auch gut vertrage, brauche ich recht große Abwechslung. Mir war nach dem ersten Riegel und dem ersten Gel schon klar, dass ich mich nicht ausschließlich davon ernähren werde können. Der Gedanke an klebrige, süße Riegel und die Konsistenz von Gels lässt mich erschaudern - auch wenn die Produkte als solches gut sind und zweifellos auch ihre Funktion hervorragend erfüllen. Die Menge an Riegel und Gels, die ich von Beginn an mithatte, hätte also bedeutend kleiner sein können - auch hier also mehr oder weniger unnötiger Ballast. Viel reizvoller waren da die diversen Stopps an Tankstellen oder Kaffeehäusern unterwegs, bei denen man (nicht nahrhaftere) aber auch für die Seele hilfreichere Verpflegung findet.

Sonstiges

Apropos Ballast: Ich wollte versuchen, mit Isomatte und Schlafsack draußen zu übernachten. Es war von Anfang an fraglich, ob ich das tatsächlich mache, ob ich mich überwinden kann und eine geeignete Stelle finde, um mich niederzulassen. Der Regen, Gewitter und überraschend niedrige Temperaturen haben dieses Unterfangen aber von Anfang an unterbunden - daran, draußen zu übernachten, konnte und wollte ich an keinem der Abende denken. Die Lenkertasche, gefüllt nur mit Isomatte und Schlafsack, war daher ein treuer aber völlig nutzloser und Luftwiderstand produzierender Begleiter auf dieser Tour.

Etwas Werkzeug (Multitool), zwei Schläuche und Patronen, eine Minipumpe, Ladekabel, Zahnbürste und ein kleines Schloss (um das Rad kurz absperren zu können) waren ebenso mit von der Partie.

Etappe 1

Patrizia gibt mir Begleitschutz bis an den Wiener Stadtrand, bis dorthin wo das Radwegnetz endet und man sich zwielichtige Ausfallstraßen mit morgengrantigen Lieferwagenfahrern teilen muss. Es dauert rund 15 Kilometer bis Stadt und Speckgürtel hinter einem liegen, dafür beginnt dort gleich die schöne Landschaft und umgeben von Feldern und Wäldern kann man eben Richtung Süden rollen. Nach 60 Kilometern ist Wiener Neustadt durchquert, ab jetzt geht es in die Bucklige Welt - diese steht synonym für tolle kleine Straßen, steile Anstiege, massig Höhenmeter und großartige Ausblicke! Autos (oder andere Radfahrer oder Menschen) sieht man hier keine mehr, man ist mit sich alleine und den immer wieder aufeinanderfolgenden Anstiegen und Abfahrten, Anstiegen und Abfahrten.

Wenn ich schon in der Gegend bin, möchte ich beim “Eis-Greissler” vorbeifahren. Einst wussten die dort nicht, was sie mit der Schulmilch während des Sommers tun sollten, heute ist es das beste Speiseeis, das in und rund um Wien erhältlich ist. Ich bin mit der romantischen Vorstellung dorthin gefahren, dass dort eine kleine Hütte steht, in der vielleicht auch noch jemand gerade mit der Hand mein gutes Eis herstellt… Tatsächlich handelt es sich hier bei Krumbach eher um einen groß angelegten Erlebnispark, der inmitten der Stille der Buckligen Welt fast etwas deplatziert wirkt. Meine geplante gemütliche Pause wird kurzfristig in einen kurzen Verpflegungsstopp umgewandelt, dann geht es weiter. Die Bucklige Welt ist hier mehr oder weniger zu Ende und damit auch ein erster Abschnitt meiner Reise - im Sinne des ersten Landschafts- und Regionswechsels.

Der Anstieg nach Mönichkirchen am Wechsel markiert den Eingang in die Voralpen. Bevor es die Autobahn gab, war diese Bundesstraße wohl eine Hauptverkehrsader, heute sind davon nur noch sehr breite Straßenquerschnitte und das eine oder andere Rasthaus übrig, das ob seiner Dimensionen eher fehl am Platz wirkt. Ein anderer Wechsel vollzieht sich jedoch gleichzeitig: War es bislang heiß und sonnig, zieht es hier zu, erste Regentropfen klatschen auf meinen Helm und meine Brille und der Wind frischt auf - Willkommen in der Oststeiermark.

Die Landschaft bleibt weiterhin herrlich und pittoresk, sie zu genießen fällt allerdings zunehmend schwer. Rund um Rohrbach an der Lafnitz wird der Regen stärker, ich verbringe eine halbe Stunde in einer geräumigen Busstation aus Holz und warte auf Besserung. In genau so einer Busstation - es ist ein Häuschen aus Holz - hätte ich mir vorstellen können, mit Isomatte und Schlafsack zu übernachten, so wie man es von Geschichten vom Transcontinental Race kennt.

Der Regen wäre nicht das Problem, dafür bin ich mit meiner Regenjacke gut ausgerüstet und Radgewand trocknet schnell. Was mir jedoch Sorgen bereitet ist der Donner, der regelmäßig über die Hügel hallt. Das Wetter fühlt sich hier sichtlich wohl und macht keine Anstalten weiterzuziehen. Ich nütze die erste Regenpause, um bis Vorau weiterzufahren, nur um dort im nächsten - noch heftigeren - Gewitter zu landen. Ich finde mich in der Garage eines Bauernhofs wieder, neben mir klappern die Geschirre der Kühe im Stall. Diesmal dauert es fast eine Stunde, bis auch nur ansatzweise an eine Weiterfahrt zu denken ist. Mein geplantes Tagesziel werde ich heute nicht mehr erreichen, gleichzeitig muss ich erkennen, dass auch meine vermeintlich konservative Tageskilometerplanung etwas zu optimistisch war.

Als es langsam zu dämmern beginnt, zücke ich mein Telefon und suche mir über booking.com eine Unterkunft in der Nähe. In sechs Kilometern Entfernung wartet nun ein Zimmer auf mich, die Fahrt dorthin durch strömenden Regen und mit nach wie vor einigen Höhenmetern ist eher spaßbefreit. Im Hotel angekommen heißt es, sofort aus den nassen Sachen zu schlüpfen, warm zu duschen und die Wunden zu lecken. Ärger wäre aber falsch am Platz, es gibt hier weder etwas zu gewinnen noch zu beweisen - die Gesundheit geht vor und umplanen ist kein Problem.

Etappe 2

Ich bin dort hängengeblieben, wo ich vor zwei Jahren mit der Österreich-Rundfahrt unterwegs war - im oststeirischen Joglland. Wunderschön bei Sonnenschein, rustikal und eher urig, Hügel und Berge soweit das Auge reicht. Der Ausblick ist aber auch am Morgen des zweiten Tages getrübt, bis nach meinem Frühstück regnet es weiter.

Die erste Regenpause wird sofort für die Weiterfahrt genützt und während ich die wolkenverhangenen Hänge des Tals bewundere, muss ich klar anerkennen, dass ich den Rest der geplanten ersten Etappe vermutlich niemals geschafft hätte. Es geht gleich zu Beginn über einen Sattel auf 1.150 Metern, der - wie die meisten hier in der Gegend - weder sonderlich bekannt noch außergewöhnlich spektakulär ist - aber in Summe jegliche Energie erfordert, die die Beine hergeben. Ich bin froh, dass ich diesen Anstieg halbwegs frisch in der Früh fahre und nicht durchnässt und müde am Abend des ersten Tags. Eine lange Abfahrt bringt mich schließlich hinunter zur Mur bei Pernegg, von dort ist es auf der alten Bundesstraße (dank Schnellstraße daneben ohne Verkehr!) nur ein Katzensprung bis Bruck an der Mur und damit der nächsten Zäsur auf meiner Tour.

Ab hier kenne ich den Weg von früheren Touren, es liegt ein halbwegs entspannter Tag vor mir, was die sportlichen Herausforderungen angeht. Die ursprünglich geplante Routenführung habe ich in der Früh schon adaptiert, damit ich die verlorenen Kilometer des ersten Tages wieder einholen kann. Über Leoben und vorbei am Voest-Stahlwerk in Donawitz geht es über Trofaiach ins Liesingtal. Autos und Transit sind hier auf der Autobahn unterwegs, als Radfahrer genießt man daher die alte (wenig befahrene) Bundesstraße oder die zahlreichen parallel verlaufenden Güterwege. Für die Ortschaften im Tal bedeutet die Schnellstraße aber auch, dass nicht mehr allzu viel los ist in den Zentren und Kaffeehäusern und ganz generell. So pedaliert man recht einsam durchs Tal, wechselt immer wieder Seiten mit der Eisenbahn, der Schnellstraße und dem Fluß. Einen kurzen Regenschauer nutze ich für eine Pause inklusive Pizza!

Wald am Schoberpass (der kein richtiger Pass ist), Gaishorn, Trieben und Rottenmann lässt man schnell zurück, nach Selzthal befindet man sich schließlich im größeren und etwas belebteren Ennstal. Dort wird man recht früh vom mächtigen Grimming begrüßt, einem Berg, der ob seiner Form und Größe deutlich heraussticht und wie ein Wächter über das Tal schaut. Am Horizont - also dort wo mich meine Route hinführt - kann man vor lauter Regen die Berge nicht mehr erkennen, bis zu meinen Freunden in Schladming möchte ich heute trotzdem noch fahren. Auch das letzte Mal, als ich mit dem Rad zu Besuch war, waren die letzten Kilometer eine Regenschlacht. Mit Regen aber immerhin ohne Gewitter schlängelt man sich durch das Ennstal - eine zugegebenermaßen nicht ganz einfache Aufgabe, ist doch der Radweg nicht durchgehend asphaltiert, die Bundesstraße stark befahren und teilweise mit Fahrverbot für Radfahrer beschildert und die zahlreichen Nebenwege bergen das Risiko, in kurzer Zeit viele zusätzliche Höhenmeter zu fahren.

Nach 200 Kilometern und gut acht Stunden im Sattel rolle ich auf den Hof meiner Freunde und bin auch an diesem Tag froh, gleich in eine heiße Dusche steigen zu können. Aber ich bin wieder im Plan und guter Dinge für das was noch kommt. Die Beine fühlen sich schwer aber erstaunlich gut an. Ich finde es faszinierend, wie schnell sich der Körper auf derartige Anforderungen und Belastungen einstellen kann. Mein Schnitt ist nicht berauschend bzw. fühlt sich das Ganze noch weit langsamer an, als es dann schwarz auf weiß auf Strava steht, aber es geht voran. Unterschätzt habe ich jedenfalls den Effekt, den das zusätzliche Gewicht der Taschen und des Gepäcks auf das Fahren haben. Auch wenn es “nur” 5-6 Kilogramm mehr sind - das Rad hatte bei der Abfahrt ohne Flaschen 13,7 Kilo -, die Anstiege sind ungemein schwerer zu fahren.

Etappe 3

Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass ich beim Augenöffnen das leise Plätschern von Regen höre - der erste Blick durch die aufgesetzte Brille ist da gar nicht mehr notwendig, um auch eine optische Bestätigung dafür zu bekommen. Der majestätische Dachstein, der eigentlich vor meinem Fenster zu sehen sein sollte, ist in Wolken gehüllt, die Straßen sind nass und Nachschub von oben kommt laufend. Die ersten Kilometer sind ein Albtraum - auf der Bundesstraße B320 bei starkem Regen und Morgenverkehr fällt es schwer, die Contenance zu behalten. Die Alternativen wären jedoch nur der nicht asphaltierte Radweg oder viele zusätzliche Höhenmeter über Filzmoos im Norden oder Forstau im Süden. Also Augen zu und durch…

Der Verkehr verlässt bei Eben im Pongau die Bundesstraße und verlagert sich dort auf die Tauernautobahn - dieser Moment des Glücks wird von einem Ende des Regens begleitet und als Draufgabe auch noch einem Regenbogen! Hinunter nach Bischofshofen rollt es großartig auf mittlerweile nur noch feuchter Straße, vorbei an der Festung Hohenwerfen und durch den immer etwas schaurig anmutenden Einschnitt beim Pass Lueg - hier stapeln sich Autobahn, Eisenbahn und Bundesstraße über dem Fluss und zwischen den rauen Berghängen und man fühlt sich sehr klein zwischen den schroffen Felswänden die an diesem Tag noch dazu tief wolkenverhangen sind. Gleich dahinter in Golling öffnet sich das Tal Richtung Salzburg, doch mein Plan führt mich weiter in die Berge. Nach einem kurzen Stopp bei einer weiteren Tankstelle geht es ins Lammertsal Richtung Abtenau.

Es soll dies so etwas wie die Königsetappe meiner Tour sein - nicht unbedingt kilometermäßig sondern eher aufgrund der landschaftlichen Abwechslung, der Durchquerung mehrerer Bundesländer und natürlich der Postalm. Hier war ich nun schon einige Male um Fotos zu machen - wunderbar schmiegen sich da die Serpentinen in die Landschaft. Doch mit dem Rad bin ich hier noch nicht drüber gefahren, Zeit also das nachzuholen! Es ist zwar die “falsche” Seite des Anstiegs aber die gut 750 Höhenmeter auf 11,5 Kilometern Länge stellen trotzdem eine gute Prüfung dar. Und die Ausblicke auf Lammertal und das Tennengebirge sind großartig, umso mehr als immer wieder Nebel und Wolken durchziehen und so der Landschaft noch einen mystischen Zusatzanstrich verpassen. Oben auf der Postalm werde ich unmittelbar hinter dem höchsten Punkt von Regen begrüßt - bei 12 Grad ist die Freude zu verweilen eher eingeschränkt, daher geht es direkt in die Abfahrt hinunter zum Wolfgangsee.

Dort geht es über großartige Güterwege Richtung Bad Ischl, immer wieder unterbrochen von kurzen Regenschauern. Zum Salzkammergut gehört der Regen ja aber irgendwie dazu, Tradition ist Tradition. Durch die Kaiserstadt Ischl, entlang der Traun und dann links ins Weissenbachtal führt meine Route, hinüber zum Attersee, der auch dieses Jahr (hoffentlich) wieder Bühne für den großartigen King of the Lake werden wird. Die letzten 30 Kilometer dieses Tages sollen mich nach Sankt Georgen führen, dem Start- und Zielort des Race Around Austria und für diesen letzten Abschnitt unterstützt mich Michi Nussbaumer, Organisator des RAA. Aber auch er kann nicht verhindern, dass wir wenige Kilometer vor dem Ziel noch von einem letzten heftigen Regenschauer eingeholt werden. Zumindest haben wir etwas zu Besprechen und Plaudern, während wir gemeinsam in der Busstation auf das Ende des Schauers warten. Im August werde ich auf diesen Metern hoffentlich das Race Around Austria hinter mir haben und die letzten Züge meines Rennens genießen können.

Etappe 4

Ich bin glücklich, auch an diesem Tag in einem weichen und warmen Bett aufzuwachen. Die Idee, draußen zu schlafen war ohnehin schon in weite Ferne gerückt - das hebe ich mir wohl für ein andermal auf. Und um gleich reinen Tisch zu machen, miste ich meine Taschen aus, räume alles aus, was ich für den letzten Tag nicht mehr brauche und deponiere meine abmontierten Taschen in Sankt Georgen. Übrig bleiben nur die Rahmen- und die Oberrohrtasche, also jene Teile, die ich voraussichtlich auch für mein Race Around Austria einsetzen werde.

Vorbei am Attersee geht es Richtung Regau und Laakirchen - eigentlich wäre für heute vorgesehen gewesen, bis nach Wien zu fahren, doch angesichts des Wetters wirken die vorgenommenen 260 Kilometer eher illusorisch. In meinem Kopf existiert bereits der Plan B, bis zum Sonntagberg zu fahren - einer weiteren Ikone der Österreich-Rundfahrt - und dort bei Amstetten in den Zug Richtung Wien zu steigen. Diese Aussicht entspannt mich und nimmt mir etwas Druck aus der Tagesplanung, sodass ich gerne auf einen spontanen Kaffee bei BORA-Fahrer Lukas Pöstlberger vorbeischauen kann, ohne dass mich das in meinem Plan zu weit zurückwirft. Es ist spannend, Einblick in die aktuelle Situation eines Profis zu bekommen, für den Corona und die damit verbundenen Konsequenzen einen ebenso harten Einschnitt darstellen. Es wird jedenfalls spannend, wenn in Kürze wieder die ersten Rennen gefahren werden.

Zurück im Sattel wird die Situation allerdings immer düsterer. Der Regen hat sich im oberösterreichischen Voralpengebiet festgesetzt und wird laut Wettervorhersage dort auch für den Rest des Tages bleiben. Ich fahre vorerst noch weiter, der Regen stört mich noch nicht so sehr. Die Temperaturen liegen bei rund 14 Grad und sind damit genau in einem Bereich, in dem ich in meiner Regenjacke wohltemperiert bin. Oft ist es ja so, dass man in einer guten Regenjacke zwar von außen trocken bleibt, aber von innen fast einen Hitzschlag bekommt.

Vorchdorf, Pettenbach, Wartberg an der Krems, Bad Hall und Sierning sind im Wesentlichen nur noch Ortstafeln, die in meinem Augenwinkel vorbeiziehen. Meine Kamera und mein Telefon habe ich mittlerweile in der wasserdichten Rahmentasche verstaut, um größeren Schaden zu vermeiden. In Gedanken schwanke ich minütlich zwischen “Bad Ass”-Weiterfahren und “Holt mich hier sofort raus”. Als kurz vor Steyr der Regen noch einmal zulegt, ist für mich der Entschluss gefallen - nämlich der, es hier und jetzt (nach gut 90 Kilometern Fahrt) gut sein zu lassen. Ich muss niemandem etwas beweisen und die vergangenen Tage hatten so viele schöne Momente parat, dass ich nicht auf Biegen und Brechen weiterfahren muss und dabei vielleicht auch noch eine Verkühlung mit nach Hause bringe.

Durchnässt und zitternd steige ich in Steyr in den Zug und in Sankt Valentin in die Westbahn Richtung Wien. Natürlich wäre es schöner gewesen, mit eigener Kraft die Runde zu beenden und mit dem Rad dorthin zurückzukehren, wo man vor einigen Tagen losgefahren ist aber nach Stunden des Regens bin ich auch froh, wieder nach Hause zu kommen.

Die Nachsorge

Es war anstrengend, zwischendurch auch mal etwas brenzlig, sehr nass, ich hatte Muskelschmerzen, teilweise hat der Allerwerteste protestiert und ich habe unnötig Equipment durch die Gegend geführt. Auf der anderen Seite möchte ich keine Minute missen - na gut, außer vielleicht die letzten Kilometer kurz vor Steyr im Schüttregen. Aber ich konnte am Weg so viele Eindrücke sammeln, ich war (im positiven Sinn) auf mich alleine gestellt, durfte Freunde besuchen und treffen und musste mich um nichts anderes kümmern, als in die Pedale zu treten. Ich hab vieles gelernt über Routenplanung, Equipment und Packlisten, über meinen Körper, meine Leistungsfähigkeit und meine Grenzen.

Und wie es nach Rennen, Events oder Projekten fast immer ist, liegt man am ersten Tag danach mit Muskelkater auf der Couch und fragt sich, warum man so einen Blödsinn macht. Nur um am nächsten Tag schon wieder den Routenplaner zu öffnen oder sich für das nächste Event anzumelden. Und so wird es auch mit mir und dem Bikepacking sein - ich spüre, dass dies erst der Anfang einer längeren Beziehung war…!

Wallfahrt nach Mariazell

Ich habe viele Wochen Urlaub meiner Kindheit auf einem Bauernhof kurz vor Mariazell verbracht. Ich habe dort im Stall gespielt, Tiere gefüttert, hab mit dem Hund des Hofs den Kopf in den Bach gesteckt auf der Suche nach Fischen, war dabei, wie ein Schwein geschlachtet wurde, war auf der nahegelegenen Alm auf der Hütte oder bei Festen, habe mich mit dem Nachbarsjungen angefreundet, frische Kuhmilch getrunken, hab im Auto meiner Eltern geweint, als wir am Kreuzberg nach Mariazell im Schnee stecken geblieben sind und war jedesmal glücklich über den Geruch von Lebkuchen, wenn man vor der Lebzelterei Pirker steht. Diese Liste könnte ich noch lange weiterführen, es dürfte daher verständlich sein, dass ein Besuch in Mariazell für mich immer etwas besonderes war und sein wird. Während andere wallfahren gehen und sich den Weg nach Mariazell (zum Beispiel auf der Via Sacra) pilgernd erarbeiten, habe ich nun bereits mehrmals meine Leidenschaft Radfahren benützt, um dorthin zu kommen.

Mariazell, 1982

Während meine bisherigen Besuche mit dem Rad immer eine Übernachtung oder einen Transfer zurück vorsahen, war dieses Mal die Hin- und Rückfahrt an einem Tag geplant. Auch im Hinblick auf mein Saison-Highlight - die Race Around Austria Challenge - brauche ich die Kilometer und Stunden im Sattel ohnehin. Und die geschätzte Distanz von rund 300 Kilometern entsprechen auch dem, was zwischen Sonnenauf- und untergang halbwegs gut unterzubringen ist.

Ich frage in der WhatsApp-Gruppe meines Vereins “PBIKE” nach potentiellen Mitfahrern und ein paar spontane Rückmeldungen deuten darauf hin, dass meine Idee und das Unterfangen wohl nicht so absurd sein dürfte… Die Route ist mithilfe von Komoot schnell gebastelt, orientiert sich bei der Hinfahrt an jener Strecke, die ich auch in meiner Kindheit im Auto meiner Eltern erlebt habe. Die Rückfahrt wiederum verläuft auf einigen Abschnitte des Sankt Pöltener Radmarathons und führt am nördlichen Rand des Wienerwalds zurück nach Wien.

Der Wettergott ist uns gnädig gesinnt, während der Pfingstsonntag noch stark verregnet war, begrüßt mich der Pfingstmontag mit blauem Himmel und frischen 11 Grad. Das Rad ist vorbereitet und meine Ortlieb Rahmentasche ist gut gefüllt mit Ersatzgewand, Lampen, Werkzeug und Verpflegung. Schon beim Packen am Vorabend scheint mir das eine oder andere Teil redundant oder zu viel zu sein, aber im Hinblick auf das Race Around Austria im August möchte ich ein paar Dinge ausprobieren. Wieviel passt wirklich in eine Rahmentasche? Was kann ich mitnehmen und was muss zuhause bleiben? Reicht das Setup auch für 24 Stunden?

Bei der Wiener Oper stößt Matthias zu mir, am Gürtel Sebastian und in Brunn am Gebirge noch Jojo. Damit ist das Quartett komplett und nach einem Kaffee an der Tankstelle geht es los Richtung Südwesten. Die ersten Kilometer sind bekanntes Terrain und kein Meter Straße kann hier noch überraschen. Sehr wohl überraschend ist jedoch der starke Wind, der uns recht ungeniert direkt ins Gesicht bläst. Solange dieser am Rückweg als Rückenwind dient, tolerieren wir das… Das Tempo ist anständig, alleine würde ich die ersten Hügel wohl etwas langsamer hinauffahren, doch die Gruppendynamik ist in solchen Situationen ein Hund. Vor allem auf langen Distanzen kann sich das schon mal auswirken - ob man möchte oder nicht.

Nach rund 60 Kilometern - auf “dem Hals” zwischen Pottenstein und Pernitz springt der Höhenmeterzähler über die 1.000 und es sollen noch einige folgen. Der blaue Himmel ist zunehmend grau geworden und dicke Wolken haben sich über unsere weitere Route gelegt. Dass wir den ganzen restlichen Tag keine Regentropfen spüren werden obwohl permanent schwarze Wolkenbänke im Blick waren, wird uns noch einige Male verwundern. Bis auf den Wind also ideale Bedingungen fürs Radfahren - Thermo-Bibs und mein mittlerweile liebgewonnenes Sportful Fiandre-Trikot, das wie gebaut ist für solche Rahmenbedingungen.

Von der Wirkungsstätte Ferdinand Raimunds - Gutenstein -, geht es die “Haselrast” hinauf. Dabei handelt es sich um ein Kleinod der Voralpen - geographisch sitzt man hier etwas zwischen den Stühlen: nicht mehr Wienerwald, etwas Voralpen, gerade noch Kalkalpen. Autoverkehr ist hier eine ausgesprochene Seltenheit, ehrlicherweise gibt es auch nicht allzu viele Destinationen, die man hier ansteuern könnte. Motorradfahrer sind hier schon häufiger, glücklicherweise ist das Wetter nicht (noch) besser - sonst würden sich hier scharenweise Biker Richtung Kalte Kuchl bewegen, einem bekannten Treffpunkt der Szene. Jojo absolviert an der Spitze unserer Vierergruppe ein etwas ambitioniertes Intervall und schon sind wir am Gasthaus Kalte Kuchl vorbeigerollt, welches sich an sich ideal für eine Pause angeboten hätte. (Wer dort stehenbleiben möchte: —> Buchteln mit Vanillesauce!!)

Nach dem Ochssattel geht es auf einer schnellen und flowigen Abfahrt hinunter nach Sankt Aegyd am Neuwalde, von dort - entweder auf der Bundesstraße oder dem parallel verlaufenden Radweg auf der alten Bahntrasse - weiter nach Kernhof, vorbei am - ob seiner Skurrilität weithin bekannten - Kameltheater (inkl. Pizzeria “Don Kamelo”) und zum Fuße des “Gscheid”. Das Gscheid markiert eine Art Landschaftswechsel, man bewegt sich am Göller entlang - einem Berg, der vor allem unter Wanderern und Skitourengehern viele Anhänger hat. Während die Straße auf den letzten Kilometern bereits merklich nach oben “geschmiert” hat, man also die Steigung zwar etwas spürt, tendenziell aber immer etwas zu schnell und über seine Verhältnisse fährt, stellt sich die Straße aufs Gscheid am Ende vor einem auf. Die Steigungsprozente gehen unvermittelt ins Zweistellige, 13 Prozent auf ein paar hundert Metern sind nach 115 Kilometern schon eine spürbare Herausforderung. Auf der anderen Seite des Gscheid fährt man hinunter nach Terz, überquert die Grenze zwischen Niederösterreich und der Steiermark und befindet sich quasi schon im Landeanflug auf Mariazell. Einzig der Kreuzberg, bestehend aus einigen Kehren und knapp 100 Höhenmetern ist noch zu überwinden und schon rollt man unter dem Schild “Willkommen in Mariazell” durch, das an diesem Tag dem Wertungsbogen einer großen Rundfahrt gleichkommt.

Mariazell selbst bedarf keiner Vorstellung, dafür ist der Wallfahrtsort zu bekannt - die Basilika in ihrem markanten Rot-Weiß mit den drei Türmen, der Lebkuchengeruch, die Rivalität um den ältesten Magenbitter zwischen den Häusern am Platz (Pirker und Arzberger), die Devotionalien-Stände auf dem Kirchenvorplatz und die Hotels und Kaffees, vor denen sich Ausflügler, Motorradfahrer und Pilger sammeln. Unsere Wahoos zeigen 140 Kilometer und 2.200 Höhenmeter, also rund die Hälfte dessen, was wir uns für diesen Tag vorgenommen haben. Kaffees, Säfte, Toasts und Kuchen wechseln von der Hand des Kellners in Windeseile auf unsere Tische und von dort weiter in unsere Mägen - die Ernährung ist einer der Schlüssel bei solchen Unterfangen und auch eine der größten Herausforderungen, wenn ich an mein Race Around Austria im Sommer denke.

Kein Mariazell-Besuch ohne Erlaufsee! Zum Zeitpunkt der Routenplanung habe ich einen kurzen Sprung in den Erlaufsee als Zwischenstopp eingeplant gehabt, die jetzigen Temparaturen machen darauf allerdings eher weniger Lust. Bleibt also die Ehrenrunde von Mariazell zum Erlaufsee, bevor wir uns Richtung Ötscher auf den zweiten Teil unserer Reise machen. Zwischen Bürger- und Gemeindealpe (diesen semantischen Kontrast hab ich schon immer gemocht) rollt man auf der Mariazeller Bundesstraße gen Norden, die nächsten Kilometer werden wir uns den Pfad mit der Mariazeller Bahn teilen. Diese Schmalspurbahn ist gleichzeitig eine Art Exit-Szenario, sollte man keine Lust mehr, einen Defekt oder Einbruch haben - auch auf Touren in weniger gut erschlossene Regionen ist es angenehm, einen Plan B zu haben. Den markanten Gipfel des Ötscher und damit die höchste Erhebung des Mostviertels bekommen wir nicht zu Gesicht, dunkle Wolken haben sich davor geschoben. Dennoch sind zahlreiche Wanderer unterwegs, die Ötschergräben sind ein beliebtes Wanderziel - auch wenn die selbst verliehene Bezeichnung “Grand Canyon Österreichs” vermutlich (und aus eigener Erfahrung) etwas zu hoch gegriffen ist.

Die wellige Strecke Josefsberg - Wienerbruck - Reith teilen wir uns mit zahllosen und sportlich bewegten Motorrädern, die wie wir in den Genuss einer gut ausgebauten und vor allem fein trassierten Straße kommen wollen. Die Kurvenradien verbunden mit leichten Überhöhungen in den Kurven oder zumindest den richtigen Neigungen machen mit dem Rad große Freude. Kurz vor Annaberg biegen wir zur Bergwertung des Tages ab - der Name könnte mit “Wastl am Wald” nicht schöner sein. Der Anstieg ist stetig und führt bis auf 1.110 Meter, eigentliches Highlight ist allerdings die Abfahrt nach Puchenstuben, die einen wunderbaren Flow erzeugt. Zurück auf der Bundesstraße befindet man sich im Pielachtal, auch wenn vorerst noch die Nebenflüsse Laubenbach und Nattersbach neben einem dahinplätschern. Leicht bergab geht es flott und mit dem zu Beginn erhofften Rückenwind hinaus aus den Voralpen. Ebenfalls “hinaus” will leider die Luft aus Jojos Schlauchreifen, der irgendwo bei Kilometer 190 dann seinen Dienst endgültig quittiert und das Quartett zu einem Trio macht. Nachdem der Tagesplan keine allzu großen Verzögerungen zulässt und der Abholdienst nach einem kurzen Telefonat schon auf dem Weg ist, lassen wir Jojo beruhigt zurück.

Nach Kirchberg an der Pielach sorgt Komoot indirekt für das erste Highlight. Von der Bundesstraße abgebogen geht es über Tradigist und Eschenau Richtung Traisen. Auch diese Verbindung bedient nur wenige Siedlungen und Ortschaften, dementsprechend können wir dort die Straße für uns genießen - ein langer und flacher Anstieg auf der einen Seite, eine flotte und kurvige Abfahrt auf der anderen. Im Traisental angekommen durchfahren wir auf der Bundesstraße Wilhelmsburg (oder wenn es nach dem Verkehr geht eher Williamsburg) und biegen dann doch lieber auf den Traisenradweg, der parallel dazu verläuft und um einiges entspannter er-radelt werden kann. 225 Kilometer stehen auf der Uhr, der Tag dauert schon recht lang aber es geht dahin. Sitzt man mehrere Stunden im Sattel, verliert man zunehmend das Gefühl für Zeit und Distanzen. Nicht, dass die Zeit schneller vergehen würde oder die Kilometer “von selbst” purzeln, vielmehr spult man das in einer Art Flow ab.

Achtet man nicht auf sich und seine Umgebung und gibt sich nur diesem Flow hin, vergisst man zwangsläufig irgendwann einmal zu essen und/oder zu trinken. Und ein halbvoller oder gar leerer Tank wiegt bei längeren Distanzen schwerer als auf der kurzen Feierabendrunde. Wenn ich den Tag in der Retrospektive betrachte, liegt das “Problem” eigentlich schon beim Wegfahren. Bis wir alle als Quartett vereint waren - und im engeren Sinne “startklar” - waren schon fast eine Stunde und 20 Kilometer vergangen. “Nur 20 Kilometer locker am Stadtrand” würde man sagen, aber natürlich isst und trinkt man auf diesen Kilometern des Einrollens nichts. Und dennoch kann das schon ein Beginn eines Defizits sein, das man über den ganzen Tag irgendwie nicht mehr losbekommen kann. Und Essenpausen in Restaurants oder bei Tankstellen bringen zwar Abwechslung in die Einheitskost aus Gels und Riegeln, der Schinken-Käse-Toast meldet sich allerdings spätestens 10 Minuten nachdem man wieder im Sattel sitzt wieder und protestiert dagegen, nicht ordentlich verdaut und zwischen Oberkörper und Oberschenkel eingeklemmt zu werden. Man sollte glauben, dass man solche Dinge mit der Zeit lernt, bei mir ist es jedoch irgendwie nicht der Fall. Für mein Race Around Austria muss ich mir daher einbläuen, laufend zu essen und zu trinken - abgesehen von einer etwas überlegteren Ernährungsstrategie. Und den Cappuccino werd ich wohl auch eher weglassen (oder auf Espresso umsteigen).

Südlich von Sankt Pölten ist man aus den Voralpen und den Bergen draussen - der Wind, den wir zu Beginn ins Gesicht geblasen bekamen, schiebt uns jetzt kräftig von hinten an. Mit müder und müder werdenden Beinen ist das nur gut und angenehm! Von Pyhra nach Böheimkirchen sind wir fast geflogen, die Jubelschreie waren aber nicht nur dem Rückenwind geschuldet sondern auch Komoot, dessen Algorithmus uns auf diesen Weg geführt hatte und den Beinen von Sebastian und Matthias, die wie Lokomotiven vorne weg marschierten.

Nach einer Eis-Pause in Böheimkirchen trat ein Phänomen auf, dass ich schon von anderen längeren Ausfahrten kannte und vor allem von meiner Fahrt nach Kärnten vor einigen Jahren. Fährt man nach der Arbeit noch eine Runde, dann sind 50 Kilometer viel, wenn man allerdings seit über 10 Stunden unterwegs ist und schon 250 Kilometer in den Beinen hat, dann sind 50 Kilometer eher “wir sind eh schon fast zuhause”. Und dieser Trugschluss ist gleichsam eine beliebte Falle, denkt man sich doch meistens, “ach, die 50 Kilometer fahren wir noch schnell fertig”. Dass dem nicht so ist, wenn man sich nicht um seine Tanks kümmert und trotzdem noch weiter isst und trinkt, dass lernt man auf die harte Tour. Bei meiner Fahrt nach Kärnten musste ich deshalb knapp 15 Kilometer vor meinem Ziel noch eine “richtige” Pause einlegen und mich um meine Ernährung kümmern. Am Rückweg aus Mariazell und einige wenige Kilometer von Wien entfernt, hatte ich glücklicherweise noch zwei Mitstreiter, die sich meiner annahmen. Die letzten 40 Kilometer hatten nur noch zwei kleine “Schupfer” aufzuwarten - einmal in Neulengbach, der andere bei Rekawinkel. Auch diese wenigen Höhenmeter waren für mich nur im Schneckentempo zu absolvieren, dazwischen konnte ich den Windschatten von Matthias und Sebastian genießen. Wäre ich alleine unterwegs gewesen, hätte ich hier wohl noch einmal eine längere Pause zum Auffüllen einlegen müssen - oder weniger Eis essen…

Pünktlich wie die Sonnenuhr und begleitet von einem wunderbaren Sonnenuntergang trennten sich unsere Wege an der Westeinfahrt von Wien nach 288 gemeinsamen Kilometern. Es ist entlang der Strecke nichts außergewöhnliches passiert - keine Regenbogen, keine Einhörner, keine Epiphanien (auch wenn man das bei Mariazell schon erwarten hätte können). Dennoch war es ein Tag, den man wohl als “episch” bezeichnen würde und es war ein Tag und ein Erlebnis, das man mit Freunden teilen konnte. Die gemeinsame Zeit auf der Straße, das Erleben des Wetters, der Umgebung, der Landschaft, der Temperatur, des Zustands der Mitfahrer, das Auf und Ab, die Gemeinschaft und das “Zusammen” sind wohl Dinge, die man nur auf diese einzige Art und Weise erfahren kann. Die Motorradfahrer sind zwar gemeinsam unterwegs, können aber nur punktuell miteinander kommunizieren und sind außerdem (viel) zu schnell unterwegs. Der Wanderer oder Pilger ist mir persönlich wiederum etwas zu langsam unterwegs, auch wenn er dabei vielleicht mehr Zeit hat, in sich zu gehen. Mit dem Auto fehlt der direkte Bezug zur Umgebung. Ohne das Auspowern und das Vorankommen durch den eigenen Körper fehlt eine wichtige Komponente, durch die man merkt, zu was der eigene Körper imstande ist. Gut, jetzt ist es doch noch etwas emotional geworden am Ende… Mariazell eben!

Route auf Komoot: https://www.komoot.de/tour/195544736

Radfahren im Murtal

Die Autotür öffnet sich und vom Kindersitz ist ein Aufschrei zu hören - ein Aufschrei der Begeisterung, befinden sich doch in Sichtweite immerhin Kühe und Traktoren. Um die Unterhaltung des Nachwuchses muss man sich also während der kommenden Tage keine Sorgen mehr machen … Doch es wäre natürlich unfair den Attraktionen und der Schönheit des Murtals gegenüber, die Sache darauf zu reduzieren. 

Fangen wir von vorne an. Das Murtal kennt man in der Regel vom Durchfahren - wer mit dem Auto von Wien Richtung Süden oder Südwesten fährt, hat neben Südautobahn und Neumarkter Sattel auch die Option, durch das Murtal zu fahren. Dementsprechend prominent liegt die B97 im Tal und führt - wie so viele Autobahnen, Schnellstraßen und Umfahrungen heutzutage - an den wesentlichen Dingen vorbei. Moderne Verkehrsachsen sind dem französischen Philosophen Marc Augé zufolge „Nicht-Orte“ - hinter Lärmschutzwänden und auf Umfahrungen nimmt man nur noch anhand der Schilder und Verkehrszeichen wahr, welche Attraktionen sich neben den Straßen verbergen und fährt - in der Regel - einfach daran vorbei. Bevor ich zu weit abschweife … Ich bin froh, dass ich von der B97 abgefahren bin und fühle mich in meiner Theorie bestätigt, dass man ab und zu einfach mal von der Autobahn abfahren sollte und mit aufmerksamen Sinnen und geöffneten Augen neue Gegenden kennenlernen soll. Bewegt man sich erstmal etwas weg von den Hauptachsen und hin zu den Rändern und versteckten Ecken, offenbaren sich die wahren Schätze.

Den Kreischberg kennt man vor allem vom Wintersport, im Speziellen vom Snowboard. Auch ohne Schnee zeugen die angelegten Rampen und Halfpipes am Berghang davon, dass man einer der ersten Orte war, der entsprechende Infrastrukturen errichtet hat. 2015 fanden hier die Snowboard-Weltmeisterschaften statt, der Weltcup gastiert nach wie vor alljährlich am Kreischberg. Abseits dessen bietet das Schigebiet moderate Pisten und ein auf Familien ausgerichtetes Programm. Und Familien stehen auch im Vordergrund, wenn es darum geht, entsprechende Angebote in den Sommermonaten zu bieten. Was liegt näher, als vorhandene Kapazitäten und Infrastrukturen, die von der Wintersaison fraglos ausreichend vorhanden sind, auch im Sommer sinnvoll zu nützen. Viel erfinden braucht man dazu eigentlich auch nicht - die Berge, Flüsse, Täler und Dörfer des Murtals bieten vielfältige Möglichkeiten, Wandern und Radfahren sind am naheliegendsten.

Club Hotel am Kreischberg

Das Club Hotel am Kreischberg wurde vor wenigen Jahren neu übernommen, das ehemalige Appartement-Hotel wird sukzessive in ein Komplettangebot umgewandelt. Das Areal umfasst mittlerweile fünf Häuser, die - bis auf eines - alle mit Korridoren miteinander verbunden sind. Die Tafel vor dem Hotel sagt „Vier Sterne“, das Niveau - egal ob Einrichtung, Ausstattung oder Service - wird dieser Ansage jedenfalls gerecht. Infrastrukturen sind durchwegs vorhanden: Wellness-Bereich mit Infrarot, Dampfbad und Sauna, Indoor-Spielplatz, „Wuzzler“, Massageraum, Fitnessraum, Werkstatt, Ski- und Radräume und vieles mehr. Und wenn es nach dem Hoteldirektor geht, kommt da in den nächsten Monaten noch einiges dazu.

Meine Anwesenheit am Kreischberg hat nämlich mehrere Gründe. Natürlich geht es darum, die Region Murtal und die Freizeitangebote vor allem am Rad kennenzulernen. Die Verantwortlichen des Club Hotels haben aber auch ein brennendes Interesse daran, ihr Radangebot noch besser auf die Zielgruppe auszurichten. Und nachdem ich nun doch schon einige Destinationen mit dem Rad besuchen durfte, besteht mein kleiner bescheidener Beitrag darin, meine Erfahrungen mit dem Club Hotel zu teilen, Wünsche zu formulieren, die ich als Radfahrer an ein Hotel habe und einige Dinge auch gleich in der Praxis auszuprobieren.

Konkret manifestiert sich das zum Beispiel in dem Projekt „Rad-Servicestation“, das in den kommenden Monaten umgesetzt werden soll. Radfahrer sind - wenig überraschend - eine wesentliche Zielgruppe im Sommertourismus. Wer hier als Hotel oder Anbieter auf die Bedürfnisse der Radfahrenden eingeht, erarbeitet sich auf diese Weise einen Vorsprung. Es geht hier aber nicht um eiskaltes und wirtschaftliches Kalkül sondern vielmehr um ein ehrliches Bestreben, Radfahrenden einen umfassenden und entspannten Urlaub bieten zu können. 

Die geplante Rad-Station soll eine Unterbringungsmöglichkeit für Räder umfassen, wobei auch auf etwaige Sonderwünsche (Einzelaufbewahrung) und besonders heikle Räder Rücksicht genommen werden kann. Ein Service-Point stellt sicher, dass kleinere Reparaturen schnell und vor Ort erledigt werden können, geläufige Ersatzteile wie Schläuche sind dort lagernd verfügbar, auch eine kurze Radpflege oder -reinigung soll möglich sein. Touren und Tracks kann man beim Hoteldirektor selbst erfragen, der mit dem Mountainbike schon so gut wie jeden Meter des Murtals unter die Reifen genommen hat. Und wer erschöpft von der Tour zurück kommt, soll auch gleich die Möglichkeit bekommen, sich selbst aufzutanken (im angeschlossenen Restaurant) oder gleich den Weg in den Wellness-Bereich anzutreten.

Wenn wir schon bei der Verpflegung sind - neben den Einrichtungen des Hotels selbst, bieten zahlreiche Restaurants in und um die Gemeinde Sankt Georgen am Kreischberg Gelegenheit zur Einkehr. Typisch steirisch ist man mit einem Backhendlsalat in „Ottl´s Wirtshaus“ bedient, das Kreischberg-Eck bietet Hausmannskost, wie man sie nach einem aktivitätsreichen Tag vertragen kann. Wer hingegen Gusto auf eine Forelle aus der benachbarten Mur hat, der findet im Restaurant Schafferwirt in Kaindorf seine Erfüllung.

Ausflüge & Aktivitäten

Bevor wir zum Radfahren und den möglichen Touren in der Umgebung des Kreischbergs kommen, kurz noch etwas zu Murau, der nächsten größeren Stadt, die rund sechs Kilometer entfernt Richtung Osten liegt. Auch hier stoßen wir auf das schon oben erwähnte Phänomen, dass man auf der Bundesstraße an der Stadt vorbeifährt und einem in der Regel das charmante Ortszentrum entgeht. Das Murtal ist - wenn man die letzten Jahrzehnte betrachtet - jedenfalls mit Fragen der Abwanderung, dem Älterwerden der Bevölkerung und der überschaubaren Anzahl an qualifizierten Arbeitsplätzen konfrontiert. Aufmerksame Beobachter wissen, wie sich das strukturell und irgendwann später auch optisch und stimmungsmäßig auswirken kann.

Die Brauerei Murauer scheint prominent im Stadtbild auf, wer gerne Bier trinkt, kann sich einer der zahlreichen bier-bezogenen Veranstaltungen hingeben. Die Altstadt ist pittoresk, die alte Bausubstanz ist durchwegs recht gut erhalten und lässt erahnen, wie es hier zu früheren Zeiten ausgesehen hat. Über Murau thront das Schloss Liechtenstein - wer sich für Geschichte interessiert, findet hier interessante Anekdoten und Intrigen und mit Anna Neumann eine äußerst spannende Persönlichkeit, die drei Ehemänner überlebte und so in den Besitz des Schlosses gelangte. Den Gegensatz zum Schlossberg stellt die Mur-Promenade dar, bei der sich die „Rückseite“ der Stadt erleben lässt und wo auch noch die Urgewalt jenes Flusses erkennbar ist, der Stadt und Tal ihren Namen gegeben hat.

Wer mit Familie unterwegs ist, kennt die permanente Suche nach Unterhaltungsmöglichkeiten für den Nachwuchs. Ist dieser aus dem Alter draußen, wo Traktoren und Weiderind noch für Begeisterungsstürme ausreichen, bietet das Murtal dennoch zahlreiche Optionen:

Holzmuseum St. Ruprecht

Das Murtal steht samt und sonders unter dem Motto „Holz“. Allseits ist die Auseinandersetzung mit dem Naturmaterial erkennbar - egal ob Brücken, Häuser oder Denkmäler. Optisch macht das einiges her und gelingt mit „Holz“ weitaus besser, als das bei anderen Regionen mit anderen Themen der Fall ist. Häuser scheinen in einer ähnlichen Fassadengestaltung auf, Holzbrücken über die Mur sind stolze Beweise handwerklicher Baukunst und das Holzmuseum in Sankt Ruprecht bietet einen Überblick über diese Gesamtheit an Maßnahmen und einen Einblick in die handwerklichen Geheimnisse, die das Murtal zur vermeintlichen Heimat des „Holzes“ gemacht haben. Am Weg zum Club Hotel am Kreischberg überquert man übrigens die derzeit größte freitragende Holzbrücke Europas.

Dampfzug Murtalbahn

Die Steiermärkischen Landesbahnen betreiben eine Schmalspurbahn durch das Murtal - von Tamsweg bis Unzmarkt. Diese ist im tagtäglichen Einsatz mit regulärem Wagenmaterial, wer für einen Ausflug mit dem Zug allerdings etwas Besonderes haben will, wählt den „Dampfbummelzug“.

Günstner Wasserfall

Der Günstner Wasserfall ist zwar schon „ein Tal weiter“, taugt aber trotzdem als gutes Ausflugsziel vom Kreischberg oder von Murau aus. Mit 65 Metern Fallhöhe ist es der höchste Wasserfall der Steiermark. Und wem das noch nicht beeindruckend genug ist: Es gibt unten beim Wasserfall einen Streichelzoo! ;) Und wenn wir schon dabei sind: Direkt beim Kreischberg bietet ein wunderschöner Golfplatz die Möglichkeit, ein paar Bälle zu schlagen (sind Golfspieler unter den 169k-Lesern??) - und auch hier: gleich hinter dem Golfplatz gibt es einen Streichelzoo. Urlaub gerettet!

Gäste Card

Wer sich übrigens Attraktion für Attraktion durch die Region arbeiten will, ist mit der Murtal Gäste-Card sehr gut bedient, erhält man damit doch Rabatte bei so gut wie allen Ausflugszielen und -einrichtungen der Region.

Auf dem Rad

Am Ende des Tages bin ich aber doch hauptsächlich zum Radfahren gekommen - um die Möglichkeiten der Region kennenzulernen, die ausgeschilderten Routen auszuprobieren, eventuell auch neue Routen zu finden. Die Frage vor dem Aufenthalt am Kreischberg war: „Welches Rad soll ich mitnehmen?“ Am liebsten hätte ich ja Mountainbike, Rennrad und Kinderanhänger mitgenommen, alleine der Platz im Auto ist limitiert. Ich habe daher das Mountainbike eingepackt, meine zuhause gebastelten Rennradrouten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und für den Familienausflug auf dem Murradweg lassen sich vor Ort hervorragend Räder ausborgen.

Murradweg

Der Murradweg ist allgegenwärtig, zieht er sich doch durch die gesamte Region, wirkt wie ein verbindendes Element. Die Mur entspringt in der Nähe von Tamsweg - also rund 40 Kilometer vor Murau - und fließt bis nach Slowenien. Die ganze Länge des Flusses ist mit dem Rad erfahrbar und offenbart eine Vielzahl an Landschaften und Regionen, die alle ihren eigenen Charakter mitbringen. Ideal wäre daher eigentlich, die gut 400 Kilometer des Murradwegs am Stück zu fahren, um das komplette Erlebnis der „Tour de Mur“ zu haben. Wer es lieber etappenweise angehen möchte - zum Beispiel mit der Familie -, der ist besser bedient, einen Ausgangspunkt entlang des Radwegs zu wählen und von diesem aus Teile des Murradwegs zu befahren.

Tour 1: Mur Radweg Murau

Vom Startpunkt am Kreischberg/Sankt Georgen am Kreischberg führt der Radweg vom Bahnhof weg durch den Ort Richtung Osten. Man durchfährt den Golfplatz auf Nebenstraßen, rechts und links wird abgeschlagen, gechipt und geputtet - vor tieffliegenden Golfbällen muss man sich dennoch nicht fürchten. Der Radweg führt weiter entlang der Bahnstrecke und ist auf der gesamten Länge asphaltiert. Man quert die Bahn einige Male, durchfährt Wiesen und kleinere Ansiedelungen und nähert sich langsam Murau. Zwischen den Bergen kommt das Schloss Liechtenstein in Murau in den Blick, man überquert noch ein letztes Mal die Mur und fährt - auf einer abgetrennten Fahrbahn - neben der Bundesstraße Richtung Ortszentrum. Die Einfahrt nach Murau muss man schließlich nicht lange suchen, der Radweg führt direkt ins Zentrum und kommt - für den Versorgungsnotfall - auch direkt am Murauer Brauhaus vorbei.

15,5 Kilometer, 150 Höhenmeter, GPX-File

Tour 2: Mur Radweg Stadl an der Mur

Start ist wiederum in Sankt Georgen am Kreischberg, diesmal geht es Richtung Westen - gegen den Strom quasi. Die ersten Kilometer des Radwegs sind noch asphaltiert und verlaufen flach neben der Mur. Ein kurzer Anstieg der Herzfrequenz stellt sich ein, wenn die Staustufe der Murkraftwerke überwunden werden will, hier sind auf kurzer Strecke einige steile Höhenmeter zu überwinden. Danach quert man die Murtalbahn und fährt ab diesem Zeitpunkt am Waldrand entlang. Hier wird der Radweg wellig, man fährt auf mehr oder weniger feinem Schotter, taucht mitunter für einige hundert Meter tief in den Wald ein. Ein gewisses Grundmaß an Fahrtechnik kann hier nicht schaden, je nachdem mit welchem Rad man unterwegs ist, kann der Schotter stellenweise schon etwas tückisch werden. 

Das Tal wird enger, die Berge am Horizont höher, die Ausblicke schöner und schöner. Man fährt gefühlt tiefer in die Landschaft hinein, entfernt sich von der Zivilisation, ist mehr alleine und bei sich selbst. Das ist definitiv die Genießerseite des Radwegs. Man passiert Sankt Ruprecht oder wechselt kurz auf die andere Seite der Mur, um das dort liegende Holzmuseum zu besuchen. Ziel der Runde ist Stadl an der Mur, von dort geht es wieder zurück zum Kreischberg. 

Normalerweise sind Routen zu bevorzugen, die nicht auf der gleichen Strecke wieder zurückführen, manchmal offenbaren sich beim Zurückfahren aber auch ganz andere Ein- und Ausblicke als bei der Hinfahrt. Wer fit genug ist oder etwas weiter fahren möchte, kann über Stadl an der Mur hinaus weiter Richtung Tamsweg fahren, dort warten noch einige Kilometer Radweg darauf, erfahren zu werden - diese allerdings nochmal etwas anspruchsvoller.

21,1 Kilometer, 250 Höhenmeter, GPX-File

Tour 3: Hauserersee

Direkt am Fuße des Kreischbergs startet die Tour zum Hauserersee, eine der offiziellen Radrouten der Region. Entlang des Lorenzer Bachs fährt man die ersten Kilometer auf Asphalt leicht ansteigend durch lichten Wald, dort wo dieser dichter wird endet auch der feste Straßenbelag und das Mountainbike beginnt, Sinn zu machen. Der Weg wird steiler und steiler, der Radcomputer zeigt zwischenzeitlich >20% an, die kleinsten Gänge werden bemüht. Wie auch bei anderen Routen offenbart sich hier ein Spezifikum, das erst auf den zweiten Blick seine volle Tragweite zeigt: man sieht oft recht weit nach vorne, wohin der Weg führt und wie steil dieser ansteigt. Wer beispielsweise müde Beine hat oder mit der Steigung nicht allzu glücklich ist, kann etwas zermürbt werden, wenn sichtbar ist, was einem die nächsten hunderten Meter bevorsteht. 

Die Route steigt weiter an und wird etwas wilder, bis bei einem Schranken plötzlich die offizielle Radroute endet - leider vor dem namensgebenden Hauserersee. An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich das Netz der offiziellen Radstrecken auch im Murtal erst im Aufbau befindet, einige der bestehenden Routen oft eher wie ein Feigenblatt wirken. Auch hier geht es um Haftungs- und Eigentumsfragen der entsprechenden Grundstücke und Forststraßen - der Tourismusverband ist sich der Thematik bewusst, Besserung laut aller Beteiligten in Aussicht.

14,5 Kilometer, 560 Höhenmeter, GPX-File

Tour 4: Allgau

Der Murradweg bzw. das Holzmuseum in St. Ruprecht bildet den Startpunkt für den Stich hinauf nach Allgau. Vorab ist die Grundsatzentscheidung zu treffen, Straße hinauf und Waldweg hinunter oder umgekehrt? Ich habe mir das im Vorfeld nicht gut genug angeschaut und bin die Asphaltstraße hinaufgefahren. Die Steigung auf den rund fünf Kilometern Anstieg ist knackig, unter 10 Steigungsprozent ist man selten unterwegs. Die Landschaft ist lieblich, Kühe rechts und links der Straße sind stetige Begleiter - Autos oder dergleichen sucht man hier vergeblich. Die Route endet auf einer Anhöhe, im Hintergrund tun sich die Gipfel der rund 1.300 Meter hohen Bergkette auf, die das Murtal vom nächsten trennen. 

Leider gibt es keine Passage, die eine Überquerung mit dem Rad ermöglicht und aus der kleinen Runde eine größere Rundfahrt machen würde. Während die Straße sich in Kurven und Serpentinen am Hang nach oben gearbeitet hat, geht es auf dem Schotterweg nahezu in Falllinie nach unten. Man fährt ohne Aussicht in der Senke des Taleinschnitts, das Tempo ist hoch - der Untergrund legt den Einsatz eines vollgefederten Rads nahe, wenn man es hier laufen lassen will. Bergauf stelle ich es mir hier um einiges schwieriger vor. Nach einer kurzen aber sehr kurzweiligen Abfahrt landet man wieder entlang der Bundesstraße und damit auch gleichzeitig wieder auf dem Murradweg.

7,8 Kilometer, 310 Höhenmeter, GPX-File

Tour 5: Stolzalpe

Nicht unbedingt ein Mountainbike benötigt man für die Runde zur Stolzalpe. Von Murau geht es zuerst neben der B96 entlang des Rantenbachs Richtung Norden, bald zweigt der Begleitweg neben der Straße ab und verläuft in einen gesonderten Radweg, der sich durch den nahen Wald windet. Rund 10 Kilometer spult man auf diese Weise ab, bis man bei Rottenmann rechts abbiegt und die ersten Schilder Richtung Sölkpass deuten. Bevor jedoch Zweifel an dem Vorhaben aufkommen können - der Sölkpass ist wohl ein eigenes Kaliber -, biegt man gleich noch einmal rechts ab und findet sich auf einer einsamen schmalen Straße nach Rinegg.

Der asphaltierte Weg steigt stetig an, man durchfährt wunderschöne Nadelwälder, passiert einzelne Häuser, erreicht schließlich ein Hochplateau. Man befindet sich auf rund 1.100 bis 1.200 Metern Seehöhe, es warten noch drei kleine aber knackige Anstiege, bevor man sich mit einem atemberaubenden Panorama wieder Murau annähert. Man erreicht die Stolzalpe, einen mittlerweile mit Murau zusammengelegten Ortsteil, der vor allem durch seine Heilstätte hoch am Berg Bekanntheit erlangt hat. Und an genau dieser Stelle offenbart sich auch die beste Aussicht - Richtung Nordwesten durch das Tal des Rantenbachs und in das Murtal bis zum Kreischberg, hier zahlt es sich aus, eine kurze Pause einzulegen. Hinunter geht es auf der Straße vom Krankenhaus direkt nach Murau, von wo aus man mit dem Rad oder dem Zug den weiteren Heimweg antreten kann. Die Strecke ist zwar durchgehend asphaltiert, wie so oft deutet aber spätestens das Schild „Ende der Ausbaustrecke“ darauf hin, dass man mit breiteren Reifen eventuell besser bedient ist.

24,6 Kilometer, 560 Höhenmeter, GPX-File

Rennradtouren

Ich habe auf meinem Computer noch einige Touren für mein Rennrad vorbereitet gehabt. Mit der Turracher Höhe, dem Sölkpass und der Nockalmstraße sind in unmittelbarer Nähe des Murtals einige große Namen vertreten. Diese in Angriff zu nehmen, bedarf vorab einiger Planung, geht es doch in recht hohe Gefilde. Inwiefern sich mit diesen Tourenzielen noch gute Runden (im Sinne von „nicht auf der gleichen Strecke zurückfahren“) umsetzen lassen, weiß ich nicht genau. Die Möglichkeiten, wieder in die richtigen Täler zurückzukommen, sind begrenzt - im Zweifelsfall würde ich hier die gleiche Strecke wieder zurückfahren. 

Ein anderes anfängliches Bedenken lässt sich hingegen recht einfach zerstreuen. Die teilweise doch recht stark befahrenen Bundesstraßen lassen sich insofern ganz gut vermeiden, als viele davon begleitende Radweg aufweisen, die man ohne weiteres auch mit dem Rennrad benützen kann.

Disclaimer

Der Aufenthalt im Club Hotel am Kreischberg fand auf Einladung des Hotels statt.

Alpen Tour 2019 - Martin Rauscher

Vor wenigen Wochen habe ich hier die Alpen Tour vorgestellt, ein anspruchsvolles Mountainbike-Etappenrennen in und um Schladming. Ich habe zwar in der Zwischenzeit mein Mountainbike bekommen und bin - neben dem Rennrad - auch fleissig mit den dicken Stollenreifen unterwegs, aber ein derartiges Unterfangen wie die Alpen Tour traue ich mir noch nicht zu. Wie schon angekündigt, springt der junge und talentierte Martin Rauscher ein und wirft sich für 169k in die vier schwierigen Etappen.

Um Martin besser kennenzulernen, gleichzeitig aber auch die Motive, Herausforderungen für ein Etappenrennen und die Vorbereitung auf ebendieses zu erläutern, habe ich Martin vorab ein paar Fragen gestellt:

Foto: Alpen Tour

Foto: Alpen Tour

Stell dich bitte kurz vor, was waren deine bisherigen Erfolge auf dem Rad?

Begonnen hat alles 2015 im Maturajahr an der HTL, anstatt zu lernen hab ich das Mountainbiken für mich entdeckt. Die Matura hab ich trotzdem geschafft und seitdem nehme ich auch regelmäßig an Mountainbike-Rennen teil. 2017 hab ich mir dann auch erstmalig eine Sportklasse-Lizenz gelöst und wurde Vize-Staatsmeister im XCO. Seitdem konnte ich mehrere Stockerlplätze bei österreichischen MTB-Marathons einfahren - zuletzt den zweiten Gesamtrang beim “Bike the Bugles” in Krumbach.

Wo siehst du deine Stärken auf dem Rad? Welcher Fahrertyp bist du und welche Wettbewerbe liegen dir?

Meine Stärken liegen ganz klar bei den kurzen Anstiegen und ich kann recht schnell starten, also nicht so wirklich die Anforderungen, die ein Etappenrennen mit sich bringt. Bedingt durch mein Gewicht und meine Größe bin ich auch froh, wenn die Anstiege nicht allzu steil sind.

Bist du schon einmal ein Etappenrennen vom Format der Alpen Tour gefahren? Wo siehst du die Herausforderungen eines derartigen Formats?

Ich bin noch kein Etappenrennen gefahren und auch erst selten längere Rennen. Meistens starte ich bei Marathons mit 30-45 km und 1000-1600 hm. Deshalb sehe ich die Alpentour mit Ihren langen Etappen als großartige Herausforderung.

Wie hast du dich auf das Rennen vorbereitet? Hast du irgendetwas speziell trainiert?

Da mein Hauptaugenmerkt nicht auf der Alpentour sondern auf der Centurion MTB Challenge und der Top Six liegt, hab ich mein Training nicht extra an die Alpen Tour angepasst. Da ich aber das Wochenende vor der Alpen Tour rennfrei habe, werde ich mich durch Tapering entsprechend auf die Alpen Tour vorbereiten.

Was bedeutet es für dich, vier Tage am Stück Rennen zu fahren - wie regenerierst du am besten?

An sich wäre eine Etappe aufgrund ihrer Länge schon etwas besonderes für mich. Doch gerade das Rennfahren an vier aufeinanderfolgenden Tagen macht den Reiz der Alpen Tour für mich aus.

Um möglichst schnell und gut zu regenerieren, werde ich auf ausreichend Schlaf und die großzügige Zufuhr von Kohlenhydraten und Eiweiß achten.

Was nimmst du dir vor für das Rennen - was sind deine Ziele?

In erster Linie durchfahren und verletzungsfrei bleiben. Natürlich wäre der ein oder andere Punkt auch ganz nett. Jedoch mach ich mir da bei der üblicherweise sehr starken Besetzung der Alpen Tour keine allzu große Hoffnung.

Du kennst die Gegend rund um Schladming recht gut. Was sagst du zur Strecke insgesamt?

Das stimmt, ich habe schon etliche Wochen in Schladming und vor allem in der Ramsau verbracht, jedoch fast immer im Winter. Jedoch kenne ich die meisten Streckenteile auch im Sommer. Landschaftlich ist die Alpen Tour ein absoluter Traum. Auch dass der Start immer in Schladming stattfindet und man sich dadurch einiges an Zeit und Stress erspart ist etwas Besonderes an der Alpen Tour.

Wo liegen für dich die Schlüsselstellen des Kurses?

Vor etwa fünf Jahren - also noch in der Zeit, in der ich recht wenig auf dem Rad unterwegs war - bin ich einmal rauf zu den Giglachseen gefahren. Der steile Anstieg, der erst ab der Ursprungalm beginnt, ist mir bis jetzt in Erinnerung geblieben. Ich denke dieser Anstieg wird in Verbindung mit der Belastung des Vortages verdammt hart werden.

Welches Rad fährst du bei der Alpentour und warum?

Ich werde wie bei nahezu allen Rennen der Saison auf mein Cube AMS 100 SLT Fully setzten. Ich besitze zwar auch ein ca. 1 kg leichteres Hardtail jedoch spielt dieser Gewichtsunterschied bei meinem Gewicht von 77 kg keine so große Rolle. Gerade bei einem Etappenrennen ist es wichtig, die Ermüdung möglichst hinauszuzögern - da ist das Fully eine deutliche Erleichterung. Durch das Fox Factory Fahrwerk, das über ein sehr gutes Remote Lockout System verfügt, verschenkt man an den Anstiegen auch keine unnötige Kraft.

Was bedeutet es für dich, mit den Profis des MTB-Sports Seite an Seite an der Startlinie zu stehen?

Das ist immer wieder etwas Besonderes. Man merkt doch recht schnell, wie groß der Unterschied von einem flotten Amateur zu den richtigen Profis ist. Auch wenn man die Profis auf den Etappen nach kurzer Zeit aus den Augen verliert, so kann man doch das Flair eines solchen Rennens aufsaugen.

Danke Martin und Viel Erfolg und Spaß beim Rennen!

“Falscher” Untersatz, aber dieses Foto von Martin hab ich noch auf meinem Computer gefunden - denkwürdige Sonnenaufgangsfahrt aufs Hocheck!

Martin wird während der Alpen Tour auf den Social Media Kanälen von 169k seine Erfahrungen aus dem Rennen teilen, danach gibt es hier einen Blogpost über die Erlebnisse zu lesen.

Dachsteinrunde

Mit 160 Kilometern und knapp 2.000 Höhenmetern ist eine Dachsteinumrundung mit dem Rennrad - rein nominell - jetzt nicht das Härteste und Außergewöhnlichste, was es gibt. Dennoch ist die Umrundung eines der bedeutendsten österreichischen Gebirgsstöcke etwas Besonderes. Vor allem bei Mountainbikern ist die ein- bis dreitägige Umrundung beliebt - auf Wegen, die teilweise auch bei der legendären Salzkammergut-Trophy unter die Stollenreifen genommen werden. Und auch Wanderer treiben sich - absolut zu recht - sehr gerne in der Dachsteinregion umher, findet man doch Wanderwege en masse und Ausblicke zum Niederknien wohin man auch schaut!

Object of Desire - Der Dachstein

Für mich besteht der Reiz dieser Runde vor allem im Erleben und Erfahren von derart unterschiedlichen Landschaften, Eindrücken und Aussichten. Man durchmisst drei unterschiedliche Bundesländer (und bemerkt das irgendwie auch!), durchquert unterschiedliche Vegetationen, überwindet Pässe, erforscht entlegene Gegenden und - zumindest für mich etwas Besonderes - man "schafft etwas". Am Ende der Runde wieder am Startpunkt anzukommen ist ein befriedigendes Gefühl wenn man daran denkt, was man zwischen Start- und Endpunkt alles erlebt hat.

Neben meinen Erfahrungen, gespickt mit zahlreichen Fotos, möchte ich euch eine kurze Streckenbeschreibung zusammenstellen, aber lest selbst (und dann FAHRT selbst!)...

Richtungsweisend...

Ich bin alle Streckenabschnitte dieser Runde auch schon in die andere Richtung abgefahren - nicht im Rahmen einer einzigen Dachsteinumrundung sondern als Teil anderer Touren. Außerdem hab ich einige - mehr oder weniger versteckte - Winkel der Region kennenlernen dürfen, die ich euch gerne vorstellen möchte. Die Dachsteinrunde kann man im Endeffekt sehr individuell gestalten - mit Abkürzungen, Umleitungen, Erweiterungen, Extraportionen und Highlights.

Schladming - Stein an der Enns

Das an sich schöne Ennstal hat ein großes Problem - und das nennt sich "B320". Man hört es, wenn man am Abend am Berghang am Balkon sitzt - man sieht es die Landschaft durchschneiden - man riecht es manchmal auch. Als Radfahrer sieht man sich spätestens mit der Bundesstraße B320 konfrontiert, wenn man im Talboden des Ennstals halbwegs flott vorankommen möchte. Ich war mit dem Rad jetzt schon oft im Ennstal unterwegs. Es gibt kleine Wirtschaftswege mit teilweise ungewissem Ende, es gibt den an sich gut ausgebauten Ennstalradweg R7, der allerdings immer wieder auch Wald-, Erd- und Schotterpassagen bereithält, es gibt stellenweise eine "alte Bundesstraße" und eben die B320. Bei jedem meiner Versuche hab ich mich bisher allerdings mindestens einmal verfahren (trotz Strava und Routenplanung), bin im Wald gelandet, musste Umwege fahren, stellenweise umkehren oder bin auf der unseligen B320 im doch recht schonungslosen (Schwer-)Verkehr gelandet. So habe ich auch dieses Mal einige Kilometer auf der B320 zurückgelegt - irgendwann werd ich ihn finden - DEN Weg durchs Ennstal. Die Variante über Stein bedeutet für die Dachsteinrunde übrigens einen kleinen Umweg und eine zusätzliche Steigung - die Direttissima würde über Gröbming führen - richtig geraten: auf und neben der B320.

Das Ennstal Richtung Haus im Ennstal - rechts der Talboden, links würde es über Birnberg Richtung Ramsau gehen

Stein an der Enns - St. Martin am Grimming

In Stein an der Enns angekommen - hier gehts rechts Richtung Sölkpass hinauf, der allerdings im Winter zumeist unpassierbar ist - biegen wir nach links ab, haben fürs Erste mal genug vom Ennstal. Wir vorher schon gesagt, um die B320 zu vermeiden, nehmen wir einen kleinen Umweg in Kauf - der zahlt sich aber jedenfalls aus! Von Stein aus klettern wir hinauf auf den Mitterberg - kein Verkehr, kleine Straßen und ein großartiger Ausblick auf die umliegenden Berge!

Kurzer aber knackiger Anstieg nach Ratting

Blick Richtung Süden, irgendwo da hinten ist der Sölkpass

15 Minuten vorher noch auf der B320, jetzt plötzlich alleine (aber noch immer im Ennstal)

Von Ratting gehts fließend bergab Richtung Tipschern, dem östlichsten Punkt der Runde und gleichzeitig unsere letzte Station im Ennstal. Die Route dreht Richtung Norden, das Panorama bestimmen der prägnante Grimming im Osten sowie der Stoderzinken im Westen. Auf Zweiteren gibts eine recht brutale Stichstraße hinauf, die lassen wir aber mal links liegen - wir haben ja noch einen weiten Weg vor uns!

Grimming voraus

Pass Stein

Von Tipschern im Ennstal nach Bad Mitterndorf im steirischen Salzkammergut führt die Landesstraße L729 - auch bekannt als Pass-Stein-Straße. Im Jahr 2003 hat ein Felssturz große Teile der Straße zerstört, die Sperre, die danach verhängt wurde besteht bis heute - und das nicht nur für KFZ sondern auch für Wanderer und eben auch Radfahrer. Die Steinschlaggefahr ist nach wie vor gegeben und auch sichtbar, die letzten 10 instandhaltungsfreien Jahre haben auch dazu beigetragen, dass die ehemalige Landesstraße nur noch in Teilen vorhanden ist. Dennoch lassen sich Radler und Wanderer nicht von den flächendeckenden Verbotstafeln und Schranken abhalten. Der landschaftliche Reiz und die Schönheit, der idyllische Salzastausee, das Fjord-artige, die Verlassenheit und das Abenteuerliche überwiegen bei weitem!

Geschwindigkeitsrekorde werden mit dem Rad dort keine gebrochen, materialschonendes Dahinrollen auf Schotter, Stein und Holz mischt sich mit Staunen und zahlreichen Fotostopps!

Steiler Stich von Tipschern hinauf Richtung Pass Stein

Die Straße wird schlechter, einmal noch der Blick auf den Grimming

Kurz vor dem Schranken samt Fahr- und Gehverbot der letzte Blick Richtung Süden, bevor es in die Schluchten des Pass Stein geht

Zwei unbeleuchtete aber kurze Tunnel werden durchfahren - Untergrund ungewiss

Das Foto kann die Dimensionen und vor allem die Stimmung nicht wiedergeben...

Als ob Schotter und Stein noch nicht genug werden, kommen auch noch Holzarbeiten dazu...

Das andere Ende des Pass Stein - die Schlucht übergibt einen an das steirische Salzkammergut

Blick zurück auf den Grimming - diesmal schon von der anderen Seite

Bad Mitterndorf - Bad Aussee

Auch hier gibts eine Bundesstraße - die B145 -, die aufgrund des Verkehrsaufkommens eher zu meiden ist. In diesem Fall ist das allerdings vollkommen unkompliziert, führt doch gleich daneben schön wellig eine parallele Straße dahin. Zeit, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen, man merkt, dass man in einer anderen Region gelandet ist.

Von Kainisch moderat hinauf Richtung Gschlössl

Zwischen Kainisch und Bad Aussee bietet sich als Alternative zur B145 die Strecke über die "Alte Salzstraße" bei Gschlössl an. Nach einem kurzen Anstieg nach Kainisch rollt man hinunter Richtung Aussee und kann dabei im Norden das tolle Bergpanorama rund um den Grundlsee und den Altauseer See genießen.

Blick Richtung Norden - rechts der Grundlsee, links der Altausseer See mit Loser

Bad Aussee bietet sich wiederum für eine kleine Stärkungspause an :)

Koppenpass

Wer "Koppenpass" liest und dabei ein mulmiges Gefühl oder gar leichte Angstzustände bekommt, ist die Strecke vermutlich schon einmal in die Gegenrichtung gefahren. Von Obertraun Richtung Aussee ist der Koppenpass ein kurzer aber berüchtigter Anstieg mit einer maximalen Steigung von 23 Prozent auf einer Länge von rund 600 Metern. In die andere Richtung schaut das Ganze um einiges gemütlicher aus. Nach der Ausfahrt aus Bad Aussee baut sich vor einem zwar eine gemein ausschauende Rampe auf, die allerdings relativ schnell und schmerzlos überwunden wird. Nach diesen wenigen Höhenmetern rollt man - wiederum durch eine neue Landschaft! - durch den Wald Richtung Hallstätter See. Der Verkehr in diesem Abschnitt ist minimal, man ist alleine mit sich und der tollen Landschaft!

Direkt nach dem Ortsschild von Bad Aussee geht´s gleich kurz zur Sache!

Koppenpass auf 690m Seehöhe

Wer sich herausfordern möchte, fährt den Koppenpass von Obertraun hinauf!

Den Koppenpass bergab heißt es "Lenker und Bremsgriffe festhalten" ehe man unten durch Obertraun rollt. Materialseilbahnen und Bergwerke zeugen von der Bedeutung dieser Region, am Ufer des Hallstätter Sees angekommen rollt man schon auf das nächste Highlight zu!

Hallstatt

Am Radweg neben der Bundesstraße rollt man gemütlich am Hallstätter See entlang bis ins Zentrum von Hallstatt. Während Autos mittels Tunnel-Umfahrung aus der Stadt verbannt wurden, fährt man mit dem Rad gemütlich durchs Ortszentrum. Wobei "fahren" relativ ist...

Bekanntermaßen wurde ja irgendwo in China eine relativ originalgetreue Kopie Hallstatts hingeklotzt, beim Durchfahren der Stadt könnte man allerdings auch meinen, sich im Fernen Osten aufzuhalten - angesichts asiatischer Touristenmassen. Wer in Eile ist oder schwache Nerven hat, sollte vielleicht einen anderen Weg durch Hallstatt suchen, ansonsten rollt man mit einem Lächeln und manchmal einem leichten Kopfschütteln durch die Heerscharen an Selfie-Sticks.

Hallstatt - Gosau

Nach der Durchfahrt von Hallstatt gehts noch ein paar Kilometer am Hallstätter See entlang Richtung Gosauzwang - ein Blick zurück auf den Hallstätter See ermöglicht noch einmal ein ruhiges Durchatmen. Danach biegt die Straße links hinauf Richtung Gosau. Von der Dachsteinrunde ist jetzt die Hälfte geschafft, die nächsten Kilometer führen durchwegs bergauf.

Der Blick zurück über den Hallstätter See - von dort hinten links sind wir gekommen

Die Straße nach Gosau windet sich als Klamm mit sehr moderater Steigung hinauf. Der Verkehr ist überschaubar, die Umgebung etwas erdrückend und einengend. Dafür öffnet sich nach einigen Kilometern wieder die Landschaft und man befindet sich in Gosau quasi auf der Rückseite des Dachsteins, der sich auch prominent vor einem ausbreitet. Ein kurzer Foto- und Verpflegungsstop ist hier durchaus angebracht.

Gosau - die "Rückseite" des Dachsteins

In Gosau bietet sich die Möglichkeit, einen kleinen Stich zu den Gosau-Seen zu fahren. Bei mir ist sich das bisher leider nicht ausgegangen, steht aber aufgrund der Schönheit der Landschaft weit oben auf meiner To-Do-Liste.

Pass Gschütt

Wie schon bei der Ausfahrt aus Aussee stellt sich auch nach der Ortstafel von Gosau unmittelbar die Straße auf - diesmal zum Pass Gschütt. Das Schild sagt 13 Prozent auf 2,5 Kilometern, Strava bestätigt das im Groben. Die Straße ist drei Spuren breit, dadurch entsteht der Eindruck zu Stehen während man im ersten Gang den Berg raufwackelt. Dafür ist es aber nach diesen 2,5 Kilometern auch schon wieder vorbei und ab dort geht´s nur noch flach und bergab dahin bis Abtenau - und das Ganze mit dem Bergpanorama des Salzburger Landes. Mit dem Pass Gschütt auf 969m Seehöhe hat man nämlich die Grenze von Oberösterreich nach Salzburg überquert. Landesschild benötigt man dafür keines, eine Grußbotschaft für Marcel Hirscher muss reichen...

Direkt nach der Ausfahrt aus Gosau geht´s weiter mit dem Höhenmetersammeln!

Dreispurig mit 13% Steigung - fühlt sich endgültig an wie Stehen

Passhöhe auf 969 Metern, Danke Marcel!

Pass Gschütt, flott bergab, die Salzburger Berge voraus

Pass Gschütt, flott bergab, die Salzburger Berge voraus

Die Abfahrt vom Pass Gschütt mündet in einen kurzen Anstieg hinauf Richtung Abtenau, unsere Route dreht Richtung Süden. Das Pass Gschütt von Abtenau Richtung Gosau ist dem Streckenprofil entsprechend flacher aber bedeutend länger - je nachdem welche Chrakteristik man bevorzugt... Für unsere Route gibts an dieser Stelle eine mögliche kurze Abkürzung - mit der kleinen Straße "Leitenhaus" entlang der Lammer kann man sich den Ansteig Richtung Abtenau ersparen.

Abtenau - Eben im Pongau

Vor Abtenau biegt die Strecke ab Richtung Süden durch das Lammertal. Damit man nicht vergisst, was man hier eigentlich macht, baut sich am Horizont wieder der Dachstein vor uns auf - diesmal mit seiner eher zerklüfteten und teilweise dramatischen Westseite. Durch das Lammertal vorbei an Annaberg und Lungötz führt uns die Straße durch den Tennengau. Die Straße ist stellenweise nicht allzu gut beschaffen, außerdem ist teilweise der Verkehr recht dicht. Industriebetriebe und die Holzindustrie induzieren zusätzlichen LKW-Verkehr. Die Straße verläuft realtiv unscheinbar und - im Vergleich zum davor Gesehenen - eher unspektakulär durch Wälder, Schluchten und kleine Ortschaften. Außerdem gewinnt man immer noch an Höhe und erreicht in St. Martin am Tennengebirge den höchsten Punkt der Runde. Noch immer unterhalb der 1.000-Meter-Marke, wobei man den höchsten Punkt wahrscheinlich woanders auf der Runde vermutet hätte.

Großartiges Dachstein-Panorama bei der Fahrt Richtung Lammertal (Abtenau im Rücken)

Zwischen Annaberg, Lungötz und St. Martin am Tennengebirge

Die luxuriöse Tankstelle in St. Martin am Tennengebirge bietet außerdem noch ein Möglichkeit für eine letzte Versorgung und Rast - die Tankstellen sind in dieser Gegend mitunter eher rar und "Nah & Frisch"-Filialen pflegen hier noch traditionelle Mittagspausen - also verpflegen, wann immer es möglich ist!

Über einen kurzen Anstieg kommt man am Ende des Lammertals nach Eben im Pongau. Hier kann man sich grundlegend entscheiden, ob man über Filzmoos und Ramsau zurück nach Schladming möchte, oder eher den Talboden bzw. das Ennstal bevorzugt. Ab hier gibt es einige Varianten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden - die Filzmoos-Ramsau-Variante ist eine der anspruchsvolleren.

Durch Eben geht´s über die Bundesstraße durch den Ort oder über meine präferierte Variante entlang der Eisenbahn und auf dem Radweg neben der Bundesstraße.

Rechts hinter der Bahn befindet sich das Ortszentrum von Eben im Pongau - gerade voraus in der Ferne die Tauern mit Obertauern

Eben - Schladming

Von hier geht´s "nur" noch zurück nach Schladming. Wie schon gesagt, es gibt zahlriche Möglichkeiten, nach Schladming zurück zu kommen. Von Eben nach Radstadt ist die "Alte Römerstraße" zu empfehlen, damit erspart man sich einerseits den Verkehr auf der Bundesstraße, andererseits bekommt man dafür einen großartigen Ausblick.

Die "Alte Römerstraße" von Eben nach Radstadt: links im Hintergrund der Dachstein, links im Tal führt die B320 zurück nach Schladming, rechts daneben im Tal der R7-Ennstalradweg, über den "Hügel" in der Mitte führt die Straße nach Forstau, rechts geht´s Richtung Obertauern hinauf.

Im Fall dieser konkreten Runde habe ich den - meistens vorhandenen! - Westwind ausgenützt, und mich auf der an sich ungeliebten Bundesstraße 320 mit 45 km/h nach Hause tragen lassen. Der Radweg R7 ist in diesem Bereich nicht wirklich für Rennräder geeignet und führt teilweise durch tatsächliche Waldstücke auf gänzlich unbefestigten Wegen. Die Straße über Forstau ist auf diesem Abschnitt ein Zuckerl, das man mitnehmen kann aber nicht muss. Man vermeidet die Bundesstraße, bezahlt dies jedoch mit durchschnittlich 8% Steigung auf 3,4 Kilometern. Your choice.

Der schwierige Anstieg von Radstadt nach Forstau - wie immer den Dachstein im Blick

Spätestens in Gleiming bzw. Pichl kommen alle Wege ohnehin wieder zusammen. Von dort bietet sich der Radweg für die restlichen Kilometer an. Ruhig fährt man im Talboden dahin, die wenigen nicht befestigten Passagen tun dem Rennrad in keiner Weise weh.

Der Ennsradweg R7 bei Pichl

Auch der Ennsradweg R7 - fester Schotter, der auch geeignet ist für Rennräder

Wieder in Schladming angekommen, kann man seinen Erfolg genießen und sich daran machen, die gewonnenen Eindrücke zu verarbeiten - und es waren viele tolle Eindrücke!

Und wer so wie ich gerne dem Schladminger Trubel entgeht und lieber am Berg in Rohrmoos wohnt, darf auch noch einige Höhenmeter mehr abspulen - aber was tut man nicht alles für eine tolle Aussicht...!

Hier die Strava-Route, hier das Relive-Video!

Kreis geschlossen, zurück am Startpunkt, Beine hochlagern!

Race against the Sun

Jahresrückblicke everywhere...

Ich bin gerade dabei, einige Punkte für meinen persönlichen (Rad-)Jahresrückblick zusammenzuschreiben. Gegen Jahresende schaut man ja immer wieder einmal gerne auf das vergangene Jahr zurück und lässt Revue passieren, was alles passiert ist, wie Dinge abgelaufen sind, was man im nächsten Jahr anders machen könnte.

Wie gesagt, der Rückblick auf mein Radjahr 2016 folgt noch - dann, wenns etwas ruhiger wird, der Weihnachtsstress vorbei ist und man bis Silvester einmal schön durchschnaufen kann. Aber von einem Highlight möchte ich euch vorab schon erzählen, meinem persönlichen "Race against the Sun" diesen Sommer. Zum Einen hat es sich einen eigenen Post verdient, zum Anderen haben mich direkt danach einige von euch gebeten, etwas detaillierter über dieses Abenteuer zu berichten.

Wie ihr ja bereits wisst, bin ich auf der Suche nach Projekten und Abenteuern, bei denen neben dem Sportlichen auch etwas Entdeckung, Abenteuer und - völlig unesoterisch gemeint - Selbsterkenntnis enthalten sind. Früher oder später landet man damit zwangsläufig bei Langstrecken-Projekten. Diese vereinen das oben Gesagte: man ist oft auf weitgehend unbekannten Wegen unterwegs, das Ziel ist weit entfernt, man lässt die gewohnte Gegend und Landschaft hinter sich, man versucht etwas, das man zuvor noch nie getan hat, lotet dabei auch seine Grenzen aus.

Das Projekt

Letztes Jahr bin ich in zwei Tagen zu Freunden nach Schladming gefahren. Am ersten Tag von Baden nach Mariazell, über die Kalte Kuchl und das Gscheid über gute 120 Kilometer. Das Gepäck bestehend aus einer Zahnbürste und einer Regenjacke (abgesehen von den Standards Geldbörse, Schlauch, Werkzeug, usw.). Am zweiten Tag über 175 Kilometer von Mariazell nach Schladming - wunderschön durchs Gesäuse und das Ennstal. Auch drei Stunden im mehr oder weniger starken Regen haben damals nicht an den epischen Grundpfeilern dieser Unternehmung rütteln können... Diese 175 Kilometer waren bis zum Sommer 2016 auch die längste Distanz, die ich bis zu diesem Zeitpunkt unter die Räder genommen hatte.

Im Winter dann neue Inspirationen (Race around Austria, Transcontinental Race), neue Destinationen (Kärnten) und neues Material (Canyon, Apidura-Taschen). Das Ganze dann noch garniert mit einem knackigen Motto ("Race against the Sun" - das haben schon meine drei Lieblings-Verrückten von Top Gear so gemacht) und fertig war das neue Projekt!

Die Route

Baden - Ferlach! Je nach Route zwischen 300 und 350 Kilometern, je nach Eskalationsstufe viele bis ganz ganz viele Höhenmeter, knappe 14,5 Stunden Zeit zwischen Sonnenauf- und -untergang. Ich könnte ja Stunden mit dem Routenplanungstool von Strava verbringen, Wegpunkte setzen, Straßen anklicken und dabei zusehen, wie die Kilometerzahl wächst... Richtung Kärnten bieten sich einige mögliche Routen an, die meisten Teilabschnitte ergeben sich allerdings relativ schnell quasi von selbst. Baden - Wr. Neustadt ist klar. Über den Semmering auch, der Wechsel wäre ein zu großer Umweg. Mürztal weiter bis Bruck an der Mur, dann die Entscheidung, die schnell gefällt ist: Neumarkter Sattel - zu viel Verkehr auf der Bundesstraße, daher wirds das Murtal runter nach Graz. Dann eine pittoreske Route durchs steirische Hügelland Richtung Deutschlandsberg. Die Soboth wäre reizvoll aber liegt mir zu weit im Süden, bleibt noch die Weinebene (dass diese nicht "eben" ist, dazu kommen wir noch!). Wolfsberg, Griffen, Völkermarkt ist dann halbwegs die Direttissima - ich gehe davon aus, dass ich zu diesem Zeitpunkt keine große Lust auf Umwege und landschaftliche Schönheiten haben werde. Die Strava-Route ist schnell angelegt, eine Marschtabelle im Excel ebenso - rund zwanzig Wegpunkte in vernünftigen Abständen, ausdrucken und aufs Oberrohr kleben.

Die Ausrüstung

Mein Canyon Ultimate CF SLX muss als Allzweckwaffe auch für derartige Einsätze herhalten, die Sitzposition ist - auch dank Bikefittings - derart gut, dass mir 14 Stunden im Sattel keine große Angst einjagen. Meine Rapha/Apidura-Satteltasche stopfe ich mit etwas Ersatzgewand, Lichtern, Riegeln & Gels voll. Allzu viel möchte ich nicht mitnehmen, mein eigentliches Gepäck wurde freundlicherweise schon einige Tage davor zum Zielort überstellt.

Lichttechnisch setze ich auf mein Lupine Rotlicht und meine Lupine Neo, die haben mich bis dato nie im Stich gelassen und sollten für die wenige Fahrzeit im Dunkeln auf jeden Fall ausreichen. Tunnels sind keine geplant auf meiner Strecke - diese hab ich bei derartigen Unternehmungen schon oft übersehen und bin plötzlich ohne Licht in der finsteren Röhre gestanden.

Etwas mehr Kopfzerbrechen hat mir die Stromversorgung bereitet. Nicht die Di2 - obwohl ich diese sicherheitshalber auch noch einmal aufgeladen habe vor der Abfahrt. Vielmehr der doch recht üppige Stromverbrauch des Garmin Edge 1000, wenn man ihn - so wie ich - immer in der Kartenansicht benützt und gleichzeitig noch allerlei Sensoren gekoppelt sind. In der Satteltasche mit dabei ist daher auch ein kleine Powerbank und ein langes USB-Kabel.

Ernährungstechnisch gehe ich keine Experimente ein: Powerbars (Sweet & Salty, damit der Magen nicht in der gleichen Sekunde verklebt), Peeroton Gels mit Cola-Geschmack (darauf ist mein Körper in Notfällen mittlerweile programmiert) und Honigwaffeln (bei einer Paris-Roubaix-Labe zum ersten Mal gegessen und seitdem Fixstarter).

Los Gehts!

Start um 5:30 in Baden während die Sonne sich als leichtes Schimmern am östlichen Horizont abzuzeichnen beginnt. Die ersten Kilometer sind schnell geschafft, hier bin ich auf bekannten Straßen unterwegs. Bad Vöslau, Kottingbrunn, Wöllersdorf. Eine Baustelle mit Belagsarbeiten bei Steinabrückl lässt mich kurz nervös werden, gibt es doch zwischen und neben den Maschinen kein Durchkommen und ich bin schon nach 20 Kilometern hinter meiner Marschtabelle zurück - aber keine Panik, über einen kleinen Feldweg komme ich zurück auf meine Route. Bad Fischau bis Neunkirchen, entlang der Fischauer Vorberge und der Hohen Wand - gleichzeitig geht die Sonne auf und mit ihr steigt die Stimmung. Die Autos werden etwas mehr, Zeit, in die Arbeit zu fahren - nicht für mich heute! Neunkirchen - Gloggnitz im Morgenverkehr, aber immer noch so wenige Autos auf der Straße, dass ich nicht aus meiner morgendlichen Trance gerissen werde.

Rauf auf den Semmering über die alte Bundesstraße! An einigen Stellen merkt man noch die frühere Bedeutung dieser Straße - bevor es die Semmering-Schnellstraße gab. Völlig überdimensionierte Straßenquerschnitte, Raststationen, die schon vor Jahren zugesperrt haben, LKW-Parkplätze ohne jegliche Nutzung - all das zeigt, wie es hier vor vielen Jahren zugegangen ist. Ich kann mich noch erinnern, dass wir in meiner Kundheit auf der Bundesstraße in Urlaub gefahren sind. Unter der Brücke von Schottwien hindurch, hier überschneiden sich neu und alt - die an sich sehr schöne und malerische Gegend wird von der Autobahn zerschnitten und auch ein gewisses Grunddröhnen ist zu vernehmen. Das Nachdenken über die Vergangenheit lässt mich die zehn-prozentige Steigung vergessen, in der ich gerade stecke. Die Straße nach Maria Schutz hinauf und weiter Richtung Semmering hat es in ein paar Kurven in sich, insgesamt ist die Steigung aber sehr moderat und man kann gemütlich hinaufstrampeln. Vorbei am Klosterwirt in Maria Schutz (beste Krapfen!!!), unter der S6 hindurch und rauf durch die letzte Kehre nach Semmering City. Wer einige der schönsten Straßen Niederösterreichs erleben möchte, der biege hier rechts ab Richtung Adlitzgräben und Breitenstein.

Drei Stunden im Sattel - 70 Kilometer geschafft. Die nächsten 15 Kilometer gehts bergab Richtung Mürzzuschlag, vorbei an Skigebieten & Industriestätten, zwischen Eisenbahn & Schnellstraße. In Mürzzuschlag verlasse ich gleichsam bekanntes Territorium, ab jetzt ist alles neu (naja, vieles zumnidest). An das Mürztal hab ich schlechte Erinnerungen. Ich wollte einmal von Hohentauern (bei Trieben) mit dem Rad nach Hause fahren, bin aber im Mürztal an Verkehr, Eintönigkeit und damals auch Wetter verzweifelt und bei Kindberg ins Auto gestiegen. Diesmal jedoch - in die andere Richtung und bei besserem Wetter - ist alles kein Problem. Zwar mit etwas mehr Verkehr aber trotzdem entspannt geht es Richtung Kapfenberg. Bei einer Tankstelle lege ich eine erste längere Rast ein, Garmin anstecken, Donut aus dem Tankstellenshop verschlingen, Wasser nachfüllen. War ich bis jetzt noch etwas verloren in der morgendlichen Schlaftrunkenheit und außerdem bisher auf bekannten Wegen unterwegs, so wird mir im Gespräch mit dem Tankstellenbesitzer zum ersten Mal klar, was da noch auf mich zukommt. Er wünscht mir "Alles Gute!"

Die Durchfahrten von Kapfenberg und Bruck an der Mur sollte man - als grundsätzlich lebensbejahender Mensch und im Interesse seiner eigenen Gesundheit - möglichst rasch hinter sich bringen! In Bruck an der Mur stehen fünf Stunden und 124 Kilometer auf dem Tacho - Zeit für eine Grundsatzentscheidung. Zug oder Weiterfahren - Bruck an der Mur hab ich mir als Exit-Point zurechtgelegt, hier gibt es Zugverbindungen in alle Richtungen für den Fall der Fälle. Der Körper sagt "Alles in Ordnung", einzig das Wetter rund um Deutschlandsberg schaut nicht so prickelnd aus, aber mal weiter nach Plan!

Bruck an der Mur - Graz kenne ich eigentlich nur vom Zugfahren. Ich fahre gerne Zug und bin ein geduldiger Beim-Fenster-Raus-Schauer. In letzter Zeit ertappe ich mich oft dabei, mir vorzustellen, auf den Wegen vor dem Zugfenster mit dem Rad zu fahren - potentielle Radrouten überall! Heute ist es also soweit. Den Radweg auf der Strecke erspare ich mir, versuche mein Glück auf der Bundesstraße und werde positiv überrascht - feinster Asphalt und kein einziges Auto! Vorbei an alten Tunnelgalerien, Staustufen in der Mur und duch alte Industriestädte (Pernegg, Mixnitz, Frohnleiten, Peggau, Gratkorn).

Bevor es jedoch nach Graz hineingeht, biege ich nach Westen ab - von hier an bin ich wirklich in unbekannten Gegenden unterwegs. Ich entferne mich von den vielbefahrenen Straßen, die Landschaft wird hügeliger, lieblicher - 6,5 Stunden Fahrzeit, 165 Kilometer. Es geht auf kleinen Straßen in Orte mit klingenden Namen wie Sankt Oswald ob Plankenwarth, Sankt Bartholomä, Hitzendorf, Mooskirchen, Zirknitz und Lemsitz. Nach einer Fahrzeit von acht Stunden durchbreche ich kurz vor Stainz die 200-Kilometer-Marke. Mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht mache ich kurz Rast, muss aber im gleichen Augenblick erkennen, dass rund um mich herum schwarze Wolken aufgezogen sind. In meiner Fahrtrichtung erkenne ich starken Regen und Blitze - nicht unbedingt das ideale Wetter, bevor es in die Berge geht. Ich schlucke hinunter (Essen wie auch Bedenken) und trete weiter in die Pedale - es regnet! Ich fahre am Rand einer heftigen Gewitterfront entlang, zwischen Stainz und Deutschlandsberg bekomme ich einiges an Regen ab aber die eigentliche Front dürfte genau in diesem Moment an mir vorbeiziehen - könnte sich mit Glück ausgehen.

8,5 Stunden, 217 Kilometer - Zeit für ein großes "Obi-Leitung", eine Melange und ein großes Stück Apfelstrudel im Zentrum von Deutschlandsberg. Vor mir türmt sich die wolkenverhangene Koralpe auf, gleich wird sich zeigen, ob es gescheit war, sich nach 200 Kilometern Strecke einen Ansteig mit 1200 Höhenmetern auf die Route zu legen. Raus aus der Stadt, einbiegen in die Bergstraße - "STOP! Bauarbeiten auf der Weinebene - kein Durchkommen - Umleitung über eine Straße 30 Kilometer weiter südlich". Scherz, oder? Ich befrage Anrainer, halte Autos auf, die aus der Richtung kommen, aber keiner kann mir mit Sicherheit sagen, ob ich mit dem Rad über die Weinebene komme - kurzer emotionaler Ausnahmezustand! Ich fahre einfach drauf los. Was jetzt kommt sind 20 Kilometer Anstieg mit 1200 Höhenmetern bei einer durchschnittlichen Steigung von 6%. Mühsam und langsam plage ich mich über die ersten steilen Abschnitte hoch Richtung Wolken - keine Menschen, keine Autos - zumindest regnet es nicht mehr. Die Zeit vergeht langsam, die Kilometer ziehen sich in die Länge. Im Wiegetritt beginnt meine vollgepackte Satteltasche hin- und herzuschwingen - einer der wenigen konstruktionsbedingten Nachteile dieser Taschen. Ich passiere drei Baustellen-Schilder - alle sagen mir in unterschiedlicher Dringlichkeit, dass ich auf dieser Straße nicht durchkommen werde! 17 Kilometer in den Anstieg hinein höre ich in der Ferne die ersten Geräusche von Baumaschinen, jetzt wirds also ernst. 1,5 Kilometer bis zur höchsten Stelle (gleichzeitig die Landesgrenze zwischen der Steiermark und Kärnten) und ich stehe vor verdutzten Arbeitern und Baumaschinen, auf der Straße vor mir dampft der Asphalt, der gerade aufgetragen wurde. Die Bauarbeiter erklären mir, dass ich zwar auf dem bereits harten Asphalt fahren könnte, aber aufgrund der Hitze innerhalb von wenigen Metern meine Schläuche platzen würden. In diesem Moment nicht zu Späßen bereit, frage ich nach irgendeiner Möglichkeit nach oben zu kommen. Ich darf mein Rad neben der Fahrbahn nach oben schieben, dort ginge es dann wieder - gesagt, getan, eh schon egal! Alles besser als wieder zurück zu müssen. Einen guten Kilometer Wanderung und viel Nervenkitzel später, bin ich am höchsten Punkt meiner Reise angekommen - auf 1.666 Meter. War der Aufsteig eine einzige Qual, warten jetzt auf mich 20 Kilometer feinste Abfahrt - ohne Autos, die Straße ist ja eigentlich gesperrt. Halleluja - off we go!

Wolfsberg, Tankstelle, Rast, 260 Kilometer, 12 Stunden im Sattel. Sonne und Wärme sind irgendwo in der Steiermark zurückgeblieben, irgendwie sieht es schon nach spätem Nachmittag und Dämmerung aus, also spute ich mich besser. Es geht flott dahin, einige Kilometer Richtung Süden, dann folgt auf meiner Marschtabelle ein rotes Feld. So habe ich mir die "Bergwertungen" gekennzeichnet. Lust hab ich da keine mehr drauf, aber da muss ich jetzt wohl durch. Der Griffener Berg hat 6% Steigung auf knapp vier Kilomtern Länge, was an sich keine allzu große Herausforderung darstellt, aber ich werde langsam aber doch müde. Also nochmal runter aufs kleine Blatt und geduldig raufkurbeln. Gottseidank ist hier wiederum fast gar kein Verkehr, alles findet auf der benachbarten Südautobahn statt, die ich einige Male kreuze.

Entlang der Autobahn Richtung Völkermarkt, eine Strecke für Zeitfahrer - kilometerlang geradeaus und ein minimales Gefälle. Auch ich versuche hier Tempo zu machen, es wird eher knapp mit dem Tageslicht - und es ist ja auch ein Rennen gegen die Sonne. Kilometer 300 in Völkermarkt - fühlt sich irgendwie unwirklich an. Eigentlich bin ich schon seit ein paar Stunden in einem trance-ähnlichen Zustand, mechanisches Treten - ob es anstrengend ist oder nicht, merkt man nicht mehr so unmittelbar.

Ich erreiche Straßen, auf denen ich mit dem Rad schon einmal unterwegs war. St. Kanzian am Klopeinersee, Stein im Jauntal, Gallizien... Im Glauben, gleich da zu sein gebe ich noch einmal Gas. Das "gleich da" sind zwar noch knapp 30 Kilometer, aber über diese Tatsache sehe ich gekommt hinweg - und bezahle prompt dafür. Entlang der Drau treffe ich auf den Mann mit dem Hammer - genauer gesagt: mehrere Männer mit vielen, sehr großen Hämmern! Nichts geht mehr, 20 km/h im Wiegetritt und dann kurz Rollen, wo ist das Ziel?! Schweren Herzens und mittlerweile in der Dämmerung bleibe ich zehn Kilometer vor dem Ziel noch einmal stehen, um kurz zu rasten und die Tanks noch einmal aufzufüllen! Da war ich doch etwas zu optimistisch...

15 Stunden im Sattel, Durchfahrt Ortseingang Ferlach, eine Last fällt ab. Nach 339 Kilometern steige ich von meinem Rad, die Sonne ist schon längst untergegangen, das Rennen gegen die Sonne hab ich verloren.

I lost, but I won

Ich hab es also nicht geschafft, vor Sonnenuntergang in Ferlach anzukommen. Aber ich habe es geschafft, meine Grenzen etwas auszuloten, mich zu überwinden, etwas Neues auszuprobieren und eine Strecke mit dem Rad zurückzulegen, die ich mir vor wenigen Jahren nie vorstellen hätte können.

War das wirklich notwendig? Nein, natürlich nicht! Werde ich das wiederholen? Ja, natürlich! Ich habe schon nach wenigen Tagen begonnen, neue Pläne zu schmieden. Und ich bin am nächsten Tag noch nach Lienz weitergefahren (ich musst zu einer Geburtstagsfeier dorthin...).

Würde ich etwas anders machen?

Leistungstechnisch hat alles gepasst - ich habe meine Durchgangszeiten mit einem Schnitt von 25 km/h kalkuliert und diesen letztendlich auch durchgezogen. Es war an keiner Stelle übermäßig anstrengend, sodass ich meinen Schnitt nicht hätte durchhalten können (die Weinebene mal ausgenommen). Routentechnisch habe ich einiges gelernt - je mehr man sich im Vorfeld mit der Route befasst, umso besser. Bundesstraßen sind nicht Bundesstraßen, umgekehrt gibt es auch Landesstraßen, die verkehrstechnisch der Horror sein können. Die Ernährung werde ich beim nächsten Mal noch konsequenter planen und durchziehen - so ein Hungerast kurz vor dem Ziel ist jedenfalls vermeidbar.

Auf der - wiederum nicht esoterisch gemeinten - psychologischen Ebene, war es jedenfalls eine unglaublich intensive Erfahrung, die ich jeder und jedem nur ans Herz legen kann. Es geht nicht darum, sich zu quälen, sondern sich ein Stück weit zu "erfahren", auf den eigenen Körper zu hören und diesen kennenzulernen.

Ich habe innerhalb von einem Tag unzählige Regionen unseres Landes durchmessen - jede auf ihre Weise einzigartig, habe Menschen und Tiere gesehen, unterschiedliche Wetterlagen durchlebt, so viele Dinge gerochen und gespürt.

Es ist unglaublich, wieviele Eindrücke zwischen Sonnenauf- und -untergang passen, was man an einem Tag alles erleben kann - dem "longest day"!

Hier könnt ihr euch die Aktivität auf Strava ansehen.