Christi Himmelfahrtskommando

Ich stehe auf der Liste für ein Unsupported Ultra-Event im Juli. Dass man bei so einer Veranstaltung weit fahren muss und mehrere Tage in Folge, war mir immer klar und eine gewisse Grundfitness sollte ich haben. Gleichzeitig bin ich mit einer recht großen Portion Optimismus ausgestattet und gehe eher unehrgeizig an Dinge heran und beim Radfahren habe ich mir in den letzten Jahren angewöhnt, das Erlebnis in den Mittelpunkt zu stellen und Leistung und Geschwindigkeit ein Stück weit bewusst in den Hintergrund zu drängen. Dazu hat vielleicht auch mein Familienleben beigetragen – mit zwei Kindern ist die Einteilung der Zeit ohnehin schon eine Challenge, sich dann auch noch in der verbleibenden Zeit selbst zu stressen, ist in meinen Augen nicht erstrebenswert.

Auf jeden Fall habe ich die letzten Wochen und Monate immer gerne mit der Routenplanung und Equipmentsuche für das Event im Juli verbracht und auf ein zielgerichtetes Training dabei aber eher verzichtet. Bis zu dem Zeitpunkt als ich mir vor ein paar Wochen eine Art Marschtabelle zusammengebastelt habe und dort plötzlich stand, dass ich zum Erreichen der Karenzzeit mindestens 238km und knapp 3.700 Höhenmeter fahren müsste – und das zehn Tage in Folge! Die Wochenenden im Mai und Juni mit Fenstertagen und Feiertagen und die steigenden Temperaturen legten eine kleine Testfahrt nahe, um Mensch und Material an diesen Anforderungen zu messen – und so wurde aus Christi Himmelfahrt kurzerhand das „Christi Himmelfahrtskommando“!

Tourenplanung

Als Startpunkt war schnell Lienz in Osttirol festgelegt, wenn die Familie dort gleichzeitig Urlaub machen kann, ist mein schlechtes Gewissen etwas kleiner, drei Tage nur mit Radeln zu verbringen. Zuerst war eine Tour nach Slowenien zu meinen Sehnsuchtsbergen Vrsic und Mangart und ein Besuch beim Giro d´Italia geplant. Mit einer miserablen Wettervorhersage wurde es im zweiten Versuch eine Tour zu einer anderen Giro-Etappe, diesmal rund um Belluno mit einer Befahrung eines anderen Sehnsuchtsbergs, des Monte Grappa. Aber auch da zogen tags darauf dicke Regenwolken über die Vorhersagekarte und so wurde abermals umgeplant – auf eine Runde durch Österreich und Südtirol. Glücklicherweise gibt es ja einen Haufen Möglichkeiten.

Equipment

Bei der Ausrüstung wollte ich jenes Equipment mitnehmen und testen, das auch für Juli vorgesehen war: die BMC Roadmachine, die dank Gravellenker mit Flare, Aufliegern und gemütlicher Sitzposition nur mehr bedingt etwas mit einem sportlichen Rennrad zu tun hat. Mein Gepäcksystem von Tailfin, das Schlaf-Equipment mit Biwaksack, Matte und Schlafsack und ein paar andere Dinge noch zusätzlich – aber dazu wird es noch eine gesonderte Geschichte geben…

Christi Himmelfahrtskommando

Etappe 1: auf den Spuren des Race Around Austria

Lienz, 6:30 morgens. Dicke Nebelwolken hängen im Tal und die Bergspitzen haben sich versteckt. Während man bei einem solchen Anblick normalerweise die Decke noch einmal über die Nasenspitze zieht und sich gemütlich umdreht, habe ich eine Mission zu erfüllen und einen Zeitplan. Außerdem habe ich mich gefühlte hundert Mal vergewissert, dass es nicht regnen wird und über den niedrig hängenden Wolken auch der eine oder andere Sonnenstrahl auf mich warten sollte. Regenjacke an, Schuhe an, Flaschen füllen und los. Ich mag das Losfahren am Morgen, wenn Körper und Geist eigentlich noch im Bett sind und man wie automatisiert vor sich hin tritt. Tempo soll in den nächsten Tagen sowieso nicht die maßgebliche Größe sein, es geht ums Weiterkommen, um stetiges In-Bewegung-Bleiben, daher brauche ich mich nicht zu stressen.

Aus Lienz geht’s über den Iselsberg, mit einem an sich wunderbaren Ausblick auf die Lienzer Dolomiten (die allerdings hier gerade im Nebel versinken), aber mit einer grauslichen Steigung und langen und breiten Geraden, die das Fortkommen noch langsamer erscheinen lassen. Glücklicherweise ist der Verkehr an einem Feiertag um 7:00 früh vernachlässigbar – hier habe ich aber auch schon bei 30 Grad in der Sonne und mit massivem Urlaubsverkehr mit jedem Meter Steigung gekämpft. Es nieselt kurz aus dem Nebel aber man merkt, dass es Ende Mai glücklicherweise schon eine gewisse Grundtemperatur hat. Hinunter nach Winklern, hinein ins Mölltal, ab Richtung Großglockner. Die Anfahrt zum Glockner erarbeitet man sich nach und nach, man gewinnt langsam an Höhe, sieht die Berge am Talschluss immer weiter wachsen – Mörtschach, Großkirchheim, Rojach. Ab Pockhorn beginnt die eigentliche Kletterei und hinter der ersten Kurve erblickt man die ikonische Kirche von Heiligenblut, hinter der man die Spitze des Großglockners erkennen kann, sofern sich nicht – wie so oft – in einem Wölkchen versteckt ist.

Die Strecke und auch die Herausforderungen bis zum Hochtor auf knapp über 2.500 Metern sind bekannt – knackiger Anstieg direkt aus Heiligenblut hinaus, kurze Ruhepause vor der Mautstation, gleich danach herausfordernde Rampen bis zum Kasereck, kurze Zwischenabfahrt bis zum Kreisverkehr (wo man zur Franz-Josefs-Höhe abbiegen kann), danach böse Steigungsprozente eigentlich durchgehend bis zum Hochtor. Ich habe mir am Vortag der Tour bei PBike noch ein 36er-Ritzel montieren lassen – ein Glücksgriff, wie ich bereits auf den ersten Metern erkennen darf. Denn zusätzlich zu meinem – durchaus noch optimierbaren – Körpergewicht schleppe ich knappe 6 Kilo an Equipment mit mir auf den Berg. Auch wenn ich im Vorfeld versucht habe, Dinge zu optimieren, den einen oder anderen Spontankauf getätigt habe und auch immer wieder Dinge wieder ausgepackt habe – auch die kleinen Dinge summieren sich zu einem signifikanten Gesamtgewicht, mit dem man dann Meter für Meter hadert.

Es geht dafür erstaunlich gut bergauf - die großartige Glockner-Landschaft, die im Sonnenschein schon den Atem raubt, offenbart bei wechselnden Bedingungen, Nebel und Wolken erst ihre spannenden Seiten. Das durfte ich auch schon bei diversen Race Around Austrias als Fotograf am Glockner miterleben. Am Hochtor ein schnelles Foto vom „Pass-Schild“ gemacht, im Hintergrund nur Nebel und Wolken, dann hinein in den eiskalten Tunnel und hinunter zum Mankei-Wirt, dort (vermutlich) ins Radar gefahren (mea maxima culpa!), und hinauf zum Fuschertörl. Bis zum Hochtor war ich quasi alleine am Glockner, hier ist plötzlich Völkerwanderung und auch ganze Heerscharen und Gruppen von Radlerinnen und Radlern bevölkern plötzlich die Straßen. Der Exkurs zur Edelweißspitze über den vermutlich höchstgelegenen Secteur Pavé der Welt gestaltet sich dementsprechend kurz – Fotos machen, Jacke anziehen und los! Die Abfahrt ist natürlich ein Traum - man kann es laufen lassen, muss aber nicht, kann die Ausblicke genießen, muss seine Bremsen managen (vor allem wenn man so viel Gewicht mit sich herumschleppt) und absolviert in 10 Minuten den gleichen Höhenunterschied, für den man auf der anderen Seite bergauf gut 2 Stunden gebraucht hat. Ferleiten, Fusch, Bruck – kommt und geht alles sehr schnell und hinterlässt – bei mir zumindest – wie immer keinen bleibenden Eindruck.

In Bruck an der Glocknerstraße geht es nach links und für die nächsten Kilometer ist die Salzach mein Begleiter. Und diese Kilometer haben etwas versöhnendes, hatte ich doch bis dato immer ein bisschen ein Problem mit der Gegend. Zu oft bin ich hier schon mit dem Auto durchgefahren, vor allem im Sommer (wiederum auch für das Race Around Austria um zu fotografieren) und immer war es eine Qual auf der Bundesstraße zwischen „zu viel los“, wahnsinnigen Urlaubsautofahrern und Staus rund um Zell am See. Und aus dem Auto nimmt man zwar eine gewisse Schönheit der Natur rechts und links an den Berghängen wahr, aber das wars dann auch schon. Auf dem Rad und vor allem auf dem wunderbar ruhigen Radweg, der größtenteils weit abseits der berüchtigten Bundesstraße verläuft, wird man aber eben versöhnt, bekommt neue Perspektiven präsentiert, ist in eine passenden Geschwindigkeit unterwegs, um die Landschaft, die Orte und die Menschen zu sehen und zu „erfahren“. Apropos Race Around Austria: Erst hier, Stunden nach meinem Start dämmert mir, dass ich – tatsächlich ungeplanterweise – auf der Route des langen Race Around Austria unterwegs bin und noch länger sein werde. Diese befährt natürlich andere Straßen und direktere Wege, aber die Grundrichtung ist die gleiche und auch die Berge und Pässe sind es.

Ab Mittersill (Tankstelle für Verpflegung!) verlässt mich die Lieblichkeit, das Tal wird enger, schroffer, wilder und irgendwann vor Krimml auch steiler. Links lässt sich der Großvenediger mit seinem Massiv erahnen – da wartet dieses Jahr noch ein anderes Projekt auf mich! In Wald im Pinzgau könnte man den „Shortcut“ Richtung Gerlos nehmen, ich entscheide mich für die Auffahrt über Krimml, vorbei an den berühmten Wasserfällen. Der Anstieg ist länger und anstrengender als gedacht, auch wenn man den bereits absolvierten Glockner aus den Beinen „rausrechnet“. Vorbei an Stausee, Gerlos und Gmünd geht es Richtung Zillertal, über eine tolle Flow-Abfahrt geht es hinunter nach Zell am Ziller und es tut sich nicht nur landschaftlich sondern auch abschnittstechnisch ein neues Kapitel auf. Das tolle an langen Ausfahrten von A nach B sind ja die Bereiche und Abschnitte, die man zurücklegt und durchwandert, die unterschiedlichen Charakteristika, die sich am Weg auftun, die Wechsel und Übergänge, die man hautnah erlebt.

Auch das Zillertal ist so ein Kandidat – kennt man vermutlich von der (teils fürchterlichen) Bundesstraße im Urlaubsverkehr, bietet rechts und links davon allerdings wunderbare Ein- und Ausblicke, ruhige Wiesen, sanfte Wellen und versteckte Kleinode. Die schönste Variante soll dem Vernehmen nach ja die Zillertaler Höhenstraße sein, aber dafür fehlen mir Zeit und Kraft – ein andermal dann! Bei Fügen habe ich die 200 Kilometer geknackt, das war das Tagesziel, alles was weiter geht, spare ich mir an den nächsten Tagen. Die Beine können und wollen noch weiter, also hole ich mir in Jenbach eine Pizza, esse eine Hälfte davon gleich, die andere ein paar Kilometer weiter am Innufer in Schwaz. Und dank Koffein und guter Lampe am Rad geht es noch bis knapp 22:00 weiter, entlang des Inns und daneben auf Begleitwegen der Inntal-Eisenbahnstrecke bis es an die Suche eines geeigneten Schlafplatzes geht. Für mich war (und ist) das immer eine der größten Herausforderungen – draußen schlafen, biwakieren, sich aussetzen (der Natur und anderen potentiellen „Gefahren“). In der Kantine des Fußballplatzes in Baumkirchen gehen gerade die Lichter aus, ich interpretiere das als Angebot, um die Ecke am Rand des Spielfeldes – geschützt durch ein großzügiges Vordach – mein Lager aufzuschlagen. Ende Mai können die Nächste noch kalt sein, am Ende wird es drei Grad haben, als ich um 5:00 aus dem Schlafsack krieche. Aber dazwischen liegen ein paar Stunden guten Schlafs – warm dank Daunenjacke und trotz Bahnstrecke in 100 Metern Entfernung.

Etappe 2: Tschüss RAA – Hallo Ötztaler!

5:30 im Tiroler Inntal, die Sonne wärmt meinen Rücken, die Tankstellencafes öffnen erst um 6:00. Durch Hall in Tirol geht es Richtung Innsbruck, dort ist das Kaffee- und Croissant-Angebot größer. Sowohl Podio, der neue Radstore in innsbruck als auch der Cycling Hub des KTM Tirol Cycling Teams sind noch geschlossen, diesen Besuch muss ich also auf ein andermal verschieben. Sonne und Temperaturen versprechen einen schöne Tag, bei der Ausfahrt aus Innsbruck am (gut ausgebauten) Innradweg dröhnt noch ein startendes Verkehrsflugzeug über meinen Kopf, ich unterquere die Inntalautobahn und habe innerhalb von wenigen Metern wieder meine Ruhe.

Von Völs geht es über Schleichwege Richtung Kematen, die Beine bewegen sich gut, der Körper hat die Anstrengungen des Vortags erstaunlich gut weggesteckt. Ich schreibe mit Lukas Pöstlberger, der heute mit Anton Palzer die Strecke des Ötztaler Radmarathons fahren wird, wir werden uns im Laufe des Tages wohl irgendwo über den Weg laufen. In Kematen steigt die Straße an Richtung Sellrain, ich bin meine letzten Meter auf der Strecke des langen Race Around Austria und gleichzeitig auf jeder des Ötztalers – wenn auch in falscher Richtung (wobei der Ötzi in den 90er ein paar Mal auch in die andere Richtung gefahren wurde). Der Weg aufs Kühtai ist für mich Neuland – wie alles andere auch ab hier. Für mich ist dieser Umstand aufregend und erfreulich zugleich, habe ich doch in den letzten Jahren ein Faible für mir noch unbekannte Straßen und „neue Kilometer“ entwickelt. Bis Gries im Sellrain plätschert alles so vor sich hin und ich finde mich schon im Glauben, dass man aufs Kühtai mehr oder weniger locker raufkurbeln kann. Ab Gries im Sellrain werde ich aber eines besseren belehrt, die Steigung nimmt zu, die Temperaturen auch und das Gewicht meines Rads inklusive Gepäck ist noch nicht weniger geworden. Die beiden Bora-Profis donnern an mir vorbei, mir gibt das einen Motivationsschub – zumindest für ein paar hundert Meter! Flaschen auffüllen in Sankt Sigmund und hinein in die letzten Kilometer, die berühmten Tunnelgallerien erscheinen, die sich allerdings länger hinziehen als gedacht, über einige Weideroste und die letzten Meter hinauf bis zum Übergang am Kühtai. Was im Winter sicher schön aussieht, bietet – wie so viele Wintersportorte – im Sommer ein trauriges Bild, auch wenn die umliegenden Berge und Gipfel beeindrucken. Fotos vor dem Pass-Schild, Jacke an und ab in die Abfahrt – das Prozedere kennen wir ja schon.

Eine tolle und schnelle Abfahrt später finde ich mich am Kreisverkehr in Ötz wieder und donnern Auto- und LKW-Kolonnen an mir vorbei, wie es im Juli oder August nicht schlimmer sein könnte (ist es aber wahrscheinlich trotzdem…). Ich fasse den Entschluss, mich über den Radweg Richtung Sölden zu arbeiten – immerhin sind es rund 30 Kilometer und gut 600 Höhenmeter und die möchte ich nicht im Verkehr und im Schneckentempo mit Gepäck absolvieren. Nachteil dieser Entscheidung ist, dass der Radweg nicht der schnellen Linie folgt, sondern mehr oder weniger erratisch rechts, links, rauf, runter geht – landschaftlich zwar schön aber ich habe das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen. Die Zeit rennt und gleichzeitig scheine ich nur Meter für Meter voranzukommen und Sölden und mein heutiges Tagesziel im Passeiertal scheint immer weiter in die Ferne zu rücken. Doch ein Blick auf die Uhr zeigt, dass es eigentlich erst 13:30 ist, ich bin nur schon seit acht Stunden unterwegs, langsam schlägt also doch die Müdigkeit durch.

Pausen und deren Management sind ein riesiges Thema bei Ultra-Events. Wie viele macht man, wann macht man sie am besten, was kann man alles auf dem Rad erledigen statt im Stehen? Ich bin was das betrifft jedenfalls gnadenlos untalentiert und unkoordiniert: ich mache Pause aus Müdigkeit und setze mich in eine Busstation, fahre weiter nur um einen Kilometer weiter ein Kaffeehaus zu finden, das ich für eine Stärkung nütze. Wieder im Sattel komme ich drauf, dass ich eigentlich aufs Klo muss, bleibe also wieder stehen, obwohl ich das in einem Aufwasch mit dem Kaffee erledigen hätte können. Und so geht es dahin und die Pausenzeit wird mehr und mehr und umso weniger Zeit verbringt man rollend und Kilometer machend.

War der Anblick des Winterorts Kühtai im Sommer schon bescheiden, möchte ich über Sölden hier lieber keine Worte verlieren. Die Verschandelung und Verhüttelung der Landschaft kann nicht der Gipfel der Errungenschaften der Zivilisation sein (was allerdings ein paar Kilometer in Hochgurgl ohnehin noch einmal getoppt werden wird), und etwas unterirdisch zu bauen statt an der Oberfläche Dinge zuzubetonieren, ist auch sicher keine Lösung. Also schnell durchfahren durch Sölden, hinein in den Anstieg aufs Timmelsjoch. Beim Ötztaler ist das Timmelsjoch der Henker und die letzte Prüfung für all jene, die das Ziel erreichen wollen, bei mir ist es die ultimative Prüfung bevor ich mein Tagwerk vollbracht habe (aber genauso ein Henker). Sobald man Sölden verlässt, sieht man links über sich die Straße aufs Timmelsjoch – dort muss man hin und die Straße liegt gefühlt ein paar Kilometer höher als man jetzt ist, das muss man im Kopf erstmal verdauen. Langsam kämpfe ich mich Meter für Meter nach oben – Lukas Pöstlberger und Anton Palzer kommen mir zu zweiten Mal an diesem Tag entgegen. Es ist kein sinnvoller Vergleich aber sie fahren den Ötztaler in jener Zeit, die ich für 1,5 Pässe der Strecke gebraucht habe (und viele, viele Pausen…!). In meiner Agonie bin ich noch dazu umringt von Horden an Motorradfahrern. Ich bin normalerweise ein sehr geduldiger Mensch, lasse mich von Autos und Motorrädern weder einschüchtern, noch ärgern, noch stressen. Aber an diesem Tage ist es die schiere Masse an Bikes, die lautstark an mir vorbeibeschleunigen, die mich grantig werden lassen. Ich bin wütend - auf die Veschandelung der Natur, den Lärm und die ganze Welt. Bringt nichts, ich kann die Wut auch nicht in Vortrieb umsetzen oder so. Und ich erinnere mich an den (meiner Meinung nach) Skandal des Timmelsjoch-Straßenbetreibers letztes Jahr, wo darum gebeten wurde, dass Radfahrer dem Timmelsjoch fernbleiben sollten, damit (Maut bezahlende?) Motorräder und Autos beim Überholen der Radfahrenden nicht gefährdet werden. So viele Facepalm- und Mittelfinger-Emojis kann meine Tastatur gar nicht haben, wie ich hier schreiben möchte…

Erstaunlicherweise ist ab der Mautstation absolute Ruhe und Stille eingekehrt, die Straße macht einen Schwenk weg aus dem Ötztal, es folgt die bekannte kurze Zwischenabfahrt und dann ein einsamer Kampf gegen die letzten Höhenmeter. Die Straße geht gerade aus, man sieht in der Ferne und recht weit oben eine kleine Hütte, die den Übergang markiert, außer zwei weiteren Radlern und einer Handvoll Autos ist man hier plötzlich alleine. Ich fühle in mich hinein, meine Beine sind müde, mein Kopf nach einem langen, heißen, mühsamen Tag auch. Auf dem Wahoo werden die Meter bis zur Passhöhe langsam weniger, das kann man auch noch irgendwie runterbiegen. Und sobald man nicht mehr allzu viel darüber nachdenkt, vergehen die Meter wieder und Kehre für Kehre mäandert man sich nach oben. Und dann steht man plötzlich vor dem Pass-Schild - kein Willkommens-Komitee, keine Blaskapelle, keine Fans, aber eine tiefe und manifeste Befriedigung, dass man etwas geschafft hat. Extrovertierte können hier von mir aus einen Jauchzer loslassen und auf ein Echo hoffen, ich begnüge mich in solchen Situationen damit, zufrieden in mich hinein zu lächeln!

Das Lächeln kommt aber ohnehin spätestens auf den ersten Metern der Abfahrt! Hintunter von Passo del Rombo (wir sind ab hier in Italien) geht es über zahlreiche Kehren hinunter Richtung Passeiertal. Die Abfahrt ist großartig, schnell, Kehren, Geraden, enge Kurven, langgezogene Kurven, Tunnels und immer wieder großartige Ausblicke in die umliegenden Berge. Der Blick zurück Richtung Passhöhe lässt erahnen, welche Qual dieser Anblick bei den Teilnehmer*innen des Ötztalers hervorrufen muss – auch hier sieht man bereits von weit unten den ganze Weg, der noch vor einem liegt. Aber das ist mir heute egal. In Moos im Passeier zücke ich mein Telefon, erkenne, dass die Nachttemperaturen heute wohl wieder Richtung „sehr kalt“ gehen werden und checke mir via booking.com ein Zimmer in der nächsten Ortschaft St. Leonhard in Passeier. Bis dorthin geht es nur noch bergab, ich kann also zufrieden den Tag ausklingen lassen. Radgewand im Waschbecken waschen, mich selbst duschen und herrichten, Flaschen richtig auswaschen, Powerbank und Geräte aufladen. Gute Nacht!

Etappe 3: Radwege, Radwege, Radwege

Nimmt man meine ursprünglich geplante Route her, hätte mich diese über den Jaufenpass nach Sterzing geführt und dann in Südtirol noch über Würzjoch und Furkelpass. Als ich aber in der Früh in meinem Bett aufwache, kann ich mir zwar vorstellen, mich aufs Rad zu setzen, für 4.600 Höhenmeter reicht meine Vorstellungskraft allerdings nicht aus. Ich disponiere um und suche mir eine flachere Route zurück nach Lienz, die Minimalvariante für diesen Tag hat auf 200 Kilometern dann allerdings eh noch immer knapp 2.000 Höhenmeter.

Die nette Dame an der Rezeption möchte mir etwas von meinem Nächtigungspreis zurückgeben, weil ich vor dem Frühstück abreise, kann das aber nicht, weil ja über booking.com gebucht… Stattdessen bereitet sie mir ein Lunchpaket vor, ich könne doch nicht ohne Essen weiterfahren. Mit einem kleinen Abstecher zur örtlichen Bäckerei und die Seitentaschen vollgefüllt mit Marmeladecroissants geht es die ersten gut 20 Kilometer bergab Richtung Meran. Ich drehe eine kleine Runde durch die Stadt, Meran ist ein Traum und die wenigen Mal, die ich hier war, fand ich es immer wunderschön! Nochmal rund 30 Kilometer entlang des wunderbar ausgebauten Etsch-Radwegs und man gelangt nach Bozen – eher die Industrie- bzw. Provinzhauptstadt und nicht mit riesigem Charme ausgestattet. Umso mehr Charme haben die vereinzelten und gruppenweise entgegenkommenden italienischen Radlerinnen und Radler, die merklich anders unterwegs sind als Kolleginnen und Kollege hierzulande.

Aus Bozen hinaus wird es dann plötzlich wieder laut und etwas stressig. Ich bin im Eisack-Tal gelandet, einem engen Einschnitt, in dem sich Bundesstraße, Eisenbahnlinie und Brenner-Autobahn ein intensives Match um den wenig vorhandenen Platz liefern. Dass ein Radweg hier in der Hackordnung noch eine Stufe darunter rangiert, ist klar… Richtiges Kopfzerbrechen bereitet allerdings der massive Gegenwind, der im Tal pfeift und der wohl bis Brixen – immerhin rund 50 Kilometer – nicht allzu schwächer oder besser werden wird. Es geht also zäh dahin, es ist laut, eng, der Radweg geht wiederum bergauf und bergab. Die entgegenkommenden Radlerinnen und Radler scheinen gar nicht zu bemerken, welch Privileg in Form von Rückenwind ihnen gerade zuteil wird. In Klausen besorge ich mir etwas zu trinken, dazu muss man extra in die Stadt reinfahren – erstaunlicherweise tendieren die Radwege hier, einen an der Stadt vorbei- und nicht durchzuführen. Aus touristischer Sicht kann ich das nur schwer nachvollziehen. Kurz vor Brixen darf ich einen Gastauftritt im Livestream des Race Around Niederösterreich absolvieren, ich werden von meinem 600 Kilometer-Trip zugeschaltet, während die Teilnehmer*innen des RAN gerade ihren eigenen 600 Kilometer-Trip absolvieren – wenn auch unter etwas anderen Vorzeichen.

Brixen hat eine nette Altstadt, lädt aber nicht unbedingt zum Verweilen ein, über die Bundesstraße kämpft man sich Richtung Pustertal bevor man ab Mühlbach wieder in Ruhe auf dem Radweg fahren kann. Die Pustertal-Bundesstraße ist die Hauptverbindung Sterzing – Bruneck – Innichen – Osttirol und zieht damit entsprechend viel Verkehr an – fahren auf der Bundesstraße sollte man daher eher meiden oder aber zumindest von der Tageszeit abhängig machen! Umso schöner und ruhiger wird es dafür auf dem Radweg – auf einsamen Wegen über Wiesen und Felder geht es an Niedervintl und Ehrenburg vorbei, man durchfährt Sankt Lorenzen und gelangt schließlich nach Bruneck. Hier geht es noch einmal bergauf und bergab und bergauf und bergab und nochmal bergauf. Hier hat man allerdings gar nicht die Wahl ob Radweg oder Bundesstraße, auf letzterer ist nämlich in vielen Bereichen (aufgrund von Tunnels) das Radfahren verboten. Bei Olang schlägt der Radweg dann außerdem noch einmal eine Schleife gen Berg ein, man hat ein wunderbares Panorama der beginnende Dolomiten, aber die extra-Höhenmeter brauche ich an diesem Tag nicht unbedingt. Den Stausee Olang kann man am schönsten auf rund 2 Kilometern Schotter umfahren, das bringt zumindest Abwehcslung in den Tag, der an dieser Stelle schon recht lange dauert. Und während der Gegenwind des Eisacktals schon fast vergessen war, frischt neuer Wind von vorne auf und wird mich bis zum Ziel in Lienz auf stürmische Art und Weise begleiten. Für Beruhigung sorgt hingegen, dass ich die Strecke ab hier schon oft gefahren bin und gut kenne - Toblach, Innichen, österreichische Grenze, gut ausgebauter und abschüssiger Drauradweg!

Die letzten Kilometer geben mir die Möglichkeit wieder auf meinen Körper zu achten. Viel „hineinhören“ muss ich nicht mehr, schreit es doch seit einigen Stunden eh von selbst. Die Hände schmerzen, obwohl ich sehr dankbar bin, mit dem Gravellenker und vor allem den Aufliegern zusätzliche Griffpositionen zu haben. Hintern und Nacken haben auch schon bessere Zeiten erlebt und freuen sich schon aufs Absteigen. Eine WhatsApp-Nachricht von meinem Ziel in Lienz stellt mir Palatschinken mit Marmelade (in beliebiger Anzahl) in Aussicht und während ich mich in diesem Gedanken verliere, knalle ich mit dem Hinterrad gegen die Metallkante einer Brückenauffahrt und in der Sekunden merke ich, dass der Reifen die Luft verloren hat. Und so stehe ich zwei Kilometer vom Ziel entfernt mit einem platten Hinterrad da – müde, hungrig und dann doch etwas verzweifelt… Ich schieße eine Patrone in den Tubeless-Reifen, um zu sehen, ob auf schnellem Wege etwas zu holen ist, fahre ein paar Meter und rolle bald wieder auf der Felge. Auf Reifen wechseln und Tubeless-Milch-Kleckerei habe ich jetzt keine Lust mehr. Abholen lasse ich mich auch nicht – ich wollte und will jedenfalls mit Muskelkraft wieder zum Ausgangspunt meiner Tour – da hätte ich ja auch vor vielen Kilometern schon in den Zug steigen können, der mich auch nach Lienz gebracht hätte. Also schiebe ich die letzten Meter, habe dabei noch einmal die Möglichkeit, ein paar Gedanken zu sortieren und stehe dann schließlich nach 607 Kilometern und 9.230 Höhenmetern wieder vor dem Haus meiner Schwiegereltern. Mission accomplished- alles tut weh!

Epilog

Man sagt, dass sich der Körper am dritten Tag an die Belastung gewöhnt. Das mag zum Teil stimmen, obgleich der Körper ohnehin ein Wunderwerk ist, so schnell und effektiv wie dieser Belastungen wegstecken und sich auf Situationen einstellen kann. Dennoch hat sich mein Körper nach drei Tagen im Sattel nicht so angefühlt, wie ich mir das vorstelle. Und ich habe auch ein weiteres „Referenzgefühl“ von meiner Race Around Austria Challenge 2020, wo ich mich noch ganz gut erinnern kann, was mir nach 26 Stunden im Sattel (am Stück) wie und wo weh getan hat.

Ich LIEBE die Art und Weise, wie man mit dem Rad unterwegs ist, in der richtigen Geschwindigkeit vorankommt, um Meter zu machen, gleichzeitig aber genug von der Welt rundherum mitzubekommen. Ich LIEBE die Art und Weise, wie man Strecken zurücklegen kann, wenn man den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als Radzufahren, rechts und links zu treten. Ich LIEBE außerdem das tiefe Zufriedenheitsgefühl, das man verspürt, wenn man eine derartige Herausforderung geschafft hat – wobei das nicht 600 Kilometer sein müssen, das geht auch mit weitaus kleineren oder anderen Dingen!

Dennoch ist bei mir schon während des dritten Tages der Gedanke gereift, dass ich das nicht an zehn Tagen hintereinander schaffe. Wobei, schaffen würde ich es schon, aber ich will es nicht. Es würden nämlich genau diese Aspekte darunter leiden, weshalb ich solche Trips mache: stehenbleiben, fotografieren, mit Menschen reden, Dinge anschauen, Routen erforschen, die schöne Straße nehmen statt der schnellen und meinen Körper nicht zu zerstören. Wobei letzteres würde mit mehr Training und den entsprechenden Kilometern im Sattel ziemlich sicher besser und einfacher werden, aber da sind wir dann wieder bei einem anderen Punkt. Da gibt es dann wieder meine Familie und zu viele andere Dinge, die ich sehen und machen möchte (mit dem Rad und ohne), als dass ich jeden Tag trainiere. Das mögen manche als inkonsequent bezeichnen, ich nenne das mein Leben und ich möchte es genießen!

Ich werde daher im Juli alle Freunde und Bekannte anfeuern, die sich in Schönbrunn an die Startlinie des Three Peaks Bike Race stellen, danach werde ich allerdings wieder nach Hause fahren, und dann auf Urlaub mit meiner Familie und dann radeln gehen – zum Beispiel wieder auf so eine Drei-Tages-Tour durch eine Ecke des Landes, die ich vorher noch nie gesehen habe!


Die drei Etappen gesammelt in einer Collection auf Komoot:

Bikepacking mit Hindernissen

Zwischen der Abfahrt aus Wien an einem lauen Sommermorgen und zitternden Beinen im strömenden Regen am Bahnhof Steyr ist einiges passiert: 4 Tage, 622 Kilometer, knapp 7.600 Höhenmeter und ein Haufen toller Eindrücke und Erinnerungen. Vieles ist dabei gut gelaufen, manches wiederum nicht so ganz nach meinen Vorstellungen. Wie immer habe ich eine Unmenge an Dingen im Kopf, die ich gerne in diesen Beitrag packen würde, der Übersichtlichkeit halber gibt es aber diesmal mehrere Teile. Hier und jetzt geht es einmal um die Tour, ein weiterer Beitrag wird sich um ein paar Learnings und Gedanken drehen, die mir während des Fahrens durch den Kopf gegangen sind. Aufgrund vieler An- und Nachfragen ist außerdem ein Artikel zu den Ortlieb-Taschen in Arbeit und schließlich - denn auch das war ja einer der Zwecke, der diese Tour gegolten hat - möchte ich auch noch einige Worte über mein Setup für die Race Around Austria Challenge “unsupported” vorstellen. Pfuh, viel zu tun - am besten wir starten gleich!

Die Idee einer Österreich-Tour

Normalerweise findet Anfang Juli die Österreich-Rundfahrt statt. Eines der wenigen internationalen Radrennen Österreichs war glücklicherweise auch für mich immer wieder einmal eine Gelegenheit, Fotos zu machen und Rennluft bei den Profis zu schnuppern. Corona kam, die Österreich-Rundfahrt 2020 wurde abgesagt und neben einigen tollen Initiativen mit Zukunftsperspektive (“Österreich dreht am Rad”) war es auch mir irgendwie ein Bedürfnis, eine Art Runde durch Österreich zu machen.

Die Idee war natürlich schon vorher da und auch in meinem Komoot-Ordner sind zahlreiche Variationen von Touren abgespeichert und warten nur darauf, abgerufen und realisiert zu werden. Die Frage dabei ist immer, wie viel Zeit man hat, wie gut der Trainingszustand ist und wie weit man reisen möchte.

Dass das Fahrrad das großartigste Fortbewegungsmittel ist, muss ich an dieser Stelle ja nicht mehr erwähnen… Genau die richtige Geschwindigkeit - schnell genug, um doch vorwärts zu kommen und Kilometer machen zu können. Gleichzeitig aber auch langsam genug, um Gerüche wahrzunehmen, Wetterwechsel zu spüren, jederzeit kurz stehenbleiben, die Landschaft erleben und erfahren zu können. Dinge, die einem im Auto sowieso aber auch auf dem Motorrad großteils verwehrt bleiben.

Die Planung

Ich wollte radeln, möglichst lang und möglichst stetig. Ich wollte dabei Kilometer machen ohne mich hetzen zu müssen. Ich wollte mich um nichts kümmern müssen, als ums Treten in die Pedale. Ich wollte unterschiedliche Regionen durchqueren, denn so spürt man tatsächlich, dass man “weiterkommt”. Ich wollte am Weg Freunde und Bekannte besuchen.

Eigentlich wollte ich schon Anfang Juli auf meine Tour gehen, dafür war eine tolle Runde durch große Teile Österreichs auf dem Gravelbike vorgesehen. Aufgrund der (miserablen) Wettervorhersage habe ich mein Vorhaben zum damaligen Zeitpunkt verschoben (und im Nachhein war das gut so, da die Woche nur aus Gewittern und Unwettern bestanden hat). Als neuer Termin war Mitte Juli ins Auge gefassst, aufgrund des nahenden Race Around Austria habe ich außerdem auf das Rennrad umdisponiert. Zeit im Sattel ist einer der wesentlichen Faktoren, die ich für meine Vorbereitung für das RAA festgelegt hatte, warum also nicht bei einer Bikepacking-Runde Kilometer sammeln.

Die Planung der Runde hat nicht allzu lange gedauert. Vier Tage waren schnell als Zeitraum fixiert - was innerhalb dieser Zeit möglich ist, habe ich anfangs noch sehr optimistisch ausgelegt (200km+), dann etwas realistischer und schließlich an meine tatsächliche Leistungsfähigkeit angepasst. Als Tagesziele habe ich Orte gewählt, wo Freunde von mir wohnen. Wenn man alleine (oder in einer kleinen Gruppe) unterwegs ist, wird man schnell zum Einsiedler. Das ist positiv im Sinne der Konzentration auf einen selbst, ich finde aber, dass man auch sozial einen Bezug zu seiner Umgebung herstellen muss. Freunde zu besuchen ist daher ein angenehmer “Mitnahmeeffekt”. Dass man dadurch auch in den Genuss eines potentiellen Schlafplatzes, einer warmen Dusche und einer Mahlzeit kommt, ist natürlich ebenso positiv!

Mit Komoot reicht es tatsächlich, einige wenige Punkte auf der Karte anzuklicken. Die Verbindungsstücke, die Komoot automatisch erstellt, sind eine gute Auswahl. Ich kann an dieser Stelle vorwegnehmen, dass mich der Algorithmus lediglich über einige wenige nicht asphaltierte Abschnitte geschickt hatte (was in meinen Augen kein wirkliches Problem ist und sie waren vorab entsprechend gekennzeichnet). Und umgekehrt hat Komoot mich über touristische, sehenswerte, verkehrsarme und schöne Wege geleitet, die ich ohne das Programm wohl nicht gefunden hätte. Ein ganz wesentlicher Punkt in meinen Augen ist jedoch, dass man sich zu einem gewissen Grad dann doch entscheiden muss, ob man “schön” oder “schnell” fahren will. Nimmt man die schönen Ecken mit, die malerischen Wege und die tollen Aussichten, so bedeutet das fast immer, dass die Geschwindigkeit sinkt, man extra Meter abspult oder später an sein eigentliches Ziel kommt. Das soll kein Plädoyer für die schnelle Bundesstraße sein, es ist lediglich zu bedenken, wenn man an der Routenplanung sitzt und vorgegebene Zielorte erreichen möchte.

Das Equipment

Im Sinne einer Vorbereitung auf mein Race Around Austria habe ich viele jener Dinge eingepackt, die ich auch beim RAA nutzen möchte.

Rad

Meine BMC Roadmachine wird mich auch rund um Oberösterreich begleiten. Mit der eher komfortablen Auslegung des Rahmens und der damit verbundenen Gutmütigkeit ist ein derartiges Rad eigentlich eine optimale Wahl für solche Vorhaben. Am üblichen Setup habe ich eigentlich nichts verändert, ein Service bei PBike hat den Antriebsstrang noch einmal auf Vordermann gebracht. 25 Millimeter breite Reifen sind bei mir grundsätzlich immer die richtige Wahl, da ist der Mittelweg aus Komfort und Rollwiderstand am besten. Für längere Ausfahrten und Touren ist natürlich umso wichtiger, dass man gut auf dem Rad sitzt bzw. entsprechend darauf gefittet ist. Nach vielen Kilometern oder mehrtägigen Belastungen spürt man Schwachstellen umso mehr oder aber es entstehen welche, die man vorher noch nicht gekannt hat.

Taschen

Die Bikepacking-Serie von Ortlieb besteht grundsätzlich aus Sattel-, Rahmen- und Oberrohrtasche, außerdem noch einer Lenkerrolle, die wiederum noch mit einer Zusatztasche versehen werden kann. Mit der Rahmentasche habe ich schon bei meinen Festive 500 sehr gute Erfahrungen gemacht - vor allem hinsichtlich Qualität, Bedienung und Wasserfestigkeit -, daher waren die anderen Taschen dieser Serie für mich von Beginn an gesetzt. Zu den Taschen werde ich noch einen eigenen Artikel posten, vorab sei jedoch schon einmal festgehalten, dass die Ortlieb-Taschen auf ganzer Linie überzeugt haben.

Gewand

Bekleidung ist ein komplexes Thema und außerdem eine sehr individuelle Angelegenheit. Ich habe mich für den Trip für zwei RH77-Sets entschieden. Die Bibs haben in meinen Augen einen der besten Polster - nicht unwesentlich, wenn man vier Tage im Sattel sitzen möchte. Bei den Trikots hab ich außerdem das “AUT”-Trikot ausgewählt - passend für eine Fahrt durch Österreich. Als Backup außerdem eingepackt waren Ärmlinge, Handschuhe, Gilet und Regenjacke.

Für die Zeit abseits des Rads waren noch eine kurze Hose, zwei Funktionsshirts, ein Thermo-Gilet und eine kurze Schlafhose an Bord. Kein klassisches Kleidungsstück ist die Maske (bzw. der “Mund-Nasen-Schutz”) aber auch von denen hatte ich zwei mit dabei.

Elektronik

Für die Navigation habe ich auf einen Garmin 1030 Plus zurückgegriffen, den ich gerade zum Testen habe. Auch wenn ich traditionell mit manchen Funktionen von Garmin (oder im Fall des 1030 Plus mit dem schieren Überangebot an Funktionen!) so meine Schwierigkeiten habe, die Akkulaufzeit von 24 Stunden war ein Superargument für dieses Unterfangen. Und welchen besseren Test gibt es für so ein Gerät als eine mehrtägige Bikepacking-Tour?

Mit der Absicht, am Rande des Trips auch mein Lichtsetup für das Race Around Austria zu testen, hatte ich auch eine Lupine Neo am Lenker montiert, gepaart mit dem großen Lupine-Akku und einem kleinen Rücklicht an der Sattelstütze. Dass ich nicht dazugekommen bin, das Licht zu verwenden, bedeutet, dass ich das alles umsonst mitgeschleppt habe - und der Akku ist nicht gerade leicht :)

Verpflegung

Essen und Trinken ist für mich ein schwieriges Thema! Während ich so gut wie alles essen kann und auch gut vertrage, brauche ich recht große Abwechslung. Mir war nach dem ersten Riegel und dem ersten Gel schon klar, dass ich mich nicht ausschließlich davon ernähren werde können. Der Gedanke an klebrige, süße Riegel und die Konsistenz von Gels lässt mich erschaudern - auch wenn die Produkte als solches gut sind und zweifellos auch ihre Funktion hervorragend erfüllen. Die Menge an Riegel und Gels, die ich von Beginn an mithatte, hätte also bedeutend kleiner sein können - auch hier also mehr oder weniger unnötiger Ballast. Viel reizvoller waren da die diversen Stopps an Tankstellen oder Kaffeehäusern unterwegs, bei denen man (nicht nahrhaftere) aber auch für die Seele hilfreichere Verpflegung findet.

Sonstiges

Apropos Ballast: Ich wollte versuchen, mit Isomatte und Schlafsack draußen zu übernachten. Es war von Anfang an fraglich, ob ich das tatsächlich mache, ob ich mich überwinden kann und eine geeignete Stelle finde, um mich niederzulassen. Der Regen, Gewitter und überraschend niedrige Temperaturen haben dieses Unterfangen aber von Anfang an unterbunden - daran, draußen zu übernachten, konnte und wollte ich an keinem der Abende denken. Die Lenkertasche, gefüllt nur mit Isomatte und Schlafsack, war daher ein treuer aber völlig nutzloser und Luftwiderstand produzierender Begleiter auf dieser Tour.

Etwas Werkzeug (Multitool), zwei Schläuche und Patronen, eine Minipumpe, Ladekabel, Zahnbürste und ein kleines Schloss (um das Rad kurz absperren zu können) waren ebenso mit von der Partie.

Etappe 1

Patrizia gibt mir Begleitschutz bis an den Wiener Stadtrand, bis dorthin wo das Radwegnetz endet und man sich zwielichtige Ausfallstraßen mit morgengrantigen Lieferwagenfahrern teilen muss. Es dauert rund 15 Kilometer bis Stadt und Speckgürtel hinter einem liegen, dafür beginnt dort gleich die schöne Landschaft und umgeben von Feldern und Wäldern kann man eben Richtung Süden rollen. Nach 60 Kilometern ist Wiener Neustadt durchquert, ab jetzt geht es in die Bucklige Welt - diese steht synonym für tolle kleine Straßen, steile Anstiege, massig Höhenmeter und großartige Ausblicke! Autos (oder andere Radfahrer oder Menschen) sieht man hier keine mehr, man ist mit sich alleine und den immer wieder aufeinanderfolgenden Anstiegen und Abfahrten, Anstiegen und Abfahrten.

Wenn ich schon in der Gegend bin, möchte ich beim “Eis-Greissler” vorbeifahren. Einst wussten die dort nicht, was sie mit der Schulmilch während des Sommers tun sollten, heute ist es das beste Speiseeis, das in und rund um Wien erhältlich ist. Ich bin mit der romantischen Vorstellung dorthin gefahren, dass dort eine kleine Hütte steht, in der vielleicht auch noch jemand gerade mit der Hand mein gutes Eis herstellt… Tatsächlich handelt es sich hier bei Krumbach eher um einen groß angelegten Erlebnispark, der inmitten der Stille der Buckligen Welt fast etwas deplatziert wirkt. Meine geplante gemütliche Pause wird kurzfristig in einen kurzen Verpflegungsstopp umgewandelt, dann geht es weiter. Die Bucklige Welt ist hier mehr oder weniger zu Ende und damit auch ein erster Abschnitt meiner Reise - im Sinne des ersten Landschafts- und Regionswechsels.

Der Anstieg nach Mönichkirchen am Wechsel markiert den Eingang in die Voralpen. Bevor es die Autobahn gab, war diese Bundesstraße wohl eine Hauptverkehrsader, heute sind davon nur noch sehr breite Straßenquerschnitte und das eine oder andere Rasthaus übrig, das ob seiner Dimensionen eher fehl am Platz wirkt. Ein anderer Wechsel vollzieht sich jedoch gleichzeitig: War es bislang heiß und sonnig, zieht es hier zu, erste Regentropfen klatschen auf meinen Helm und meine Brille und der Wind frischt auf - Willkommen in der Oststeiermark.

Die Landschaft bleibt weiterhin herrlich und pittoresk, sie zu genießen fällt allerdings zunehmend schwer. Rund um Rohrbach an der Lafnitz wird der Regen stärker, ich verbringe eine halbe Stunde in einer geräumigen Busstation aus Holz und warte auf Besserung. In genau so einer Busstation - es ist ein Häuschen aus Holz - hätte ich mir vorstellen können, mit Isomatte und Schlafsack zu übernachten, so wie man es von Geschichten vom Transcontinental Race kennt.

Der Regen wäre nicht das Problem, dafür bin ich mit meiner Regenjacke gut ausgerüstet und Radgewand trocknet schnell. Was mir jedoch Sorgen bereitet ist der Donner, der regelmäßig über die Hügel hallt. Das Wetter fühlt sich hier sichtlich wohl und macht keine Anstalten weiterzuziehen. Ich nütze die erste Regenpause, um bis Vorau weiterzufahren, nur um dort im nächsten - noch heftigeren - Gewitter zu landen. Ich finde mich in der Garage eines Bauernhofs wieder, neben mir klappern die Geschirre der Kühe im Stall. Diesmal dauert es fast eine Stunde, bis auch nur ansatzweise an eine Weiterfahrt zu denken ist. Mein geplantes Tagesziel werde ich heute nicht mehr erreichen, gleichzeitig muss ich erkennen, dass auch meine vermeintlich konservative Tageskilometerplanung etwas zu optimistisch war.

Als es langsam zu dämmern beginnt, zücke ich mein Telefon und suche mir über booking.com eine Unterkunft in der Nähe. In sechs Kilometern Entfernung wartet nun ein Zimmer auf mich, die Fahrt dorthin durch strömenden Regen und mit nach wie vor einigen Höhenmetern ist eher spaßbefreit. Im Hotel angekommen heißt es, sofort aus den nassen Sachen zu schlüpfen, warm zu duschen und die Wunden zu lecken. Ärger wäre aber falsch am Platz, es gibt hier weder etwas zu gewinnen noch zu beweisen - die Gesundheit geht vor und umplanen ist kein Problem.

Etappe 2

Ich bin dort hängengeblieben, wo ich vor zwei Jahren mit der Österreich-Rundfahrt unterwegs war - im oststeirischen Joglland. Wunderschön bei Sonnenschein, rustikal und eher urig, Hügel und Berge soweit das Auge reicht. Der Ausblick ist aber auch am Morgen des zweiten Tages getrübt, bis nach meinem Frühstück regnet es weiter.

Die erste Regenpause wird sofort für die Weiterfahrt genützt und während ich die wolkenverhangenen Hänge des Tals bewundere, muss ich klar anerkennen, dass ich den Rest der geplanten ersten Etappe vermutlich niemals geschafft hätte. Es geht gleich zu Beginn über einen Sattel auf 1.150 Metern, der - wie die meisten hier in der Gegend - weder sonderlich bekannt noch außergewöhnlich spektakulär ist - aber in Summe jegliche Energie erfordert, die die Beine hergeben. Ich bin froh, dass ich diesen Anstieg halbwegs frisch in der Früh fahre und nicht durchnässt und müde am Abend des ersten Tags. Eine lange Abfahrt bringt mich schließlich hinunter zur Mur bei Pernegg, von dort ist es auf der alten Bundesstraße (dank Schnellstraße daneben ohne Verkehr!) nur ein Katzensprung bis Bruck an der Mur und damit der nächsten Zäsur auf meiner Tour.

Ab hier kenne ich den Weg von früheren Touren, es liegt ein halbwegs entspannter Tag vor mir, was die sportlichen Herausforderungen angeht. Die ursprünglich geplante Routenführung habe ich in der Früh schon adaptiert, damit ich die verlorenen Kilometer des ersten Tages wieder einholen kann. Über Leoben und vorbei am Voest-Stahlwerk in Donawitz geht es über Trofaiach ins Liesingtal. Autos und Transit sind hier auf der Autobahn unterwegs, als Radfahrer genießt man daher die alte (wenig befahrene) Bundesstraße oder die zahlreichen parallel verlaufenden Güterwege. Für die Ortschaften im Tal bedeutet die Schnellstraße aber auch, dass nicht mehr allzu viel los ist in den Zentren und Kaffeehäusern und ganz generell. So pedaliert man recht einsam durchs Tal, wechselt immer wieder Seiten mit der Eisenbahn, der Schnellstraße und dem Fluß. Einen kurzen Regenschauer nutze ich für eine Pause inklusive Pizza!

Wald am Schoberpass (der kein richtiger Pass ist), Gaishorn, Trieben und Rottenmann lässt man schnell zurück, nach Selzthal befindet man sich schließlich im größeren und etwas belebteren Ennstal. Dort wird man recht früh vom mächtigen Grimming begrüßt, einem Berg, der ob seiner Form und Größe deutlich heraussticht und wie ein Wächter über das Tal schaut. Am Horizont - also dort wo mich meine Route hinführt - kann man vor lauter Regen die Berge nicht mehr erkennen, bis zu meinen Freunden in Schladming möchte ich heute trotzdem noch fahren. Auch das letzte Mal, als ich mit dem Rad zu Besuch war, waren die letzten Kilometer eine Regenschlacht. Mit Regen aber immerhin ohne Gewitter schlängelt man sich durch das Ennstal - eine zugegebenermaßen nicht ganz einfache Aufgabe, ist doch der Radweg nicht durchgehend asphaltiert, die Bundesstraße stark befahren und teilweise mit Fahrverbot für Radfahrer beschildert und die zahlreichen Nebenwege bergen das Risiko, in kurzer Zeit viele zusätzliche Höhenmeter zu fahren.

Nach 200 Kilometern und gut acht Stunden im Sattel rolle ich auf den Hof meiner Freunde und bin auch an diesem Tag froh, gleich in eine heiße Dusche steigen zu können. Aber ich bin wieder im Plan und guter Dinge für das was noch kommt. Die Beine fühlen sich schwer aber erstaunlich gut an. Ich finde es faszinierend, wie schnell sich der Körper auf derartige Anforderungen und Belastungen einstellen kann. Mein Schnitt ist nicht berauschend bzw. fühlt sich das Ganze noch weit langsamer an, als es dann schwarz auf weiß auf Strava steht, aber es geht voran. Unterschätzt habe ich jedenfalls den Effekt, den das zusätzliche Gewicht der Taschen und des Gepäcks auf das Fahren haben. Auch wenn es “nur” 5-6 Kilogramm mehr sind - das Rad hatte bei der Abfahrt ohne Flaschen 13,7 Kilo -, die Anstiege sind ungemein schwerer zu fahren.

Etappe 3

Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, dass ich beim Augenöffnen das leise Plätschern von Regen höre - der erste Blick durch die aufgesetzte Brille ist da gar nicht mehr notwendig, um auch eine optische Bestätigung dafür zu bekommen. Der majestätische Dachstein, der eigentlich vor meinem Fenster zu sehen sein sollte, ist in Wolken gehüllt, die Straßen sind nass und Nachschub von oben kommt laufend. Die ersten Kilometer sind ein Albtraum - auf der Bundesstraße B320 bei starkem Regen und Morgenverkehr fällt es schwer, die Contenance zu behalten. Die Alternativen wären jedoch nur der nicht asphaltierte Radweg oder viele zusätzliche Höhenmeter über Filzmoos im Norden oder Forstau im Süden. Also Augen zu und durch…

Der Verkehr verlässt bei Eben im Pongau die Bundesstraße und verlagert sich dort auf die Tauernautobahn - dieser Moment des Glücks wird von einem Ende des Regens begleitet und als Draufgabe auch noch einem Regenbogen! Hinunter nach Bischofshofen rollt es großartig auf mittlerweile nur noch feuchter Straße, vorbei an der Festung Hohenwerfen und durch den immer etwas schaurig anmutenden Einschnitt beim Pass Lueg - hier stapeln sich Autobahn, Eisenbahn und Bundesstraße über dem Fluss und zwischen den rauen Berghängen und man fühlt sich sehr klein zwischen den schroffen Felswänden die an diesem Tag noch dazu tief wolkenverhangen sind. Gleich dahinter in Golling öffnet sich das Tal Richtung Salzburg, doch mein Plan führt mich weiter in die Berge. Nach einem kurzen Stopp bei einer weiteren Tankstelle geht es ins Lammertsal Richtung Abtenau.

Es soll dies so etwas wie die Königsetappe meiner Tour sein - nicht unbedingt kilometermäßig sondern eher aufgrund der landschaftlichen Abwechslung, der Durchquerung mehrerer Bundesländer und natürlich der Postalm. Hier war ich nun schon einige Male um Fotos zu machen - wunderbar schmiegen sich da die Serpentinen in die Landschaft. Doch mit dem Rad bin ich hier noch nicht drüber gefahren, Zeit also das nachzuholen! Es ist zwar die “falsche” Seite des Anstiegs aber die gut 750 Höhenmeter auf 11,5 Kilometern Länge stellen trotzdem eine gute Prüfung dar. Und die Ausblicke auf Lammertal und das Tennengebirge sind großartig, umso mehr als immer wieder Nebel und Wolken durchziehen und so der Landschaft noch einen mystischen Zusatzanstrich verpassen. Oben auf der Postalm werde ich unmittelbar hinter dem höchsten Punkt von Regen begrüßt - bei 12 Grad ist die Freude zu verweilen eher eingeschränkt, daher geht es direkt in die Abfahrt hinunter zum Wolfgangsee.

Dort geht es über großartige Güterwege Richtung Bad Ischl, immer wieder unterbrochen von kurzen Regenschauern. Zum Salzkammergut gehört der Regen ja aber irgendwie dazu, Tradition ist Tradition. Durch die Kaiserstadt Ischl, entlang der Traun und dann links ins Weissenbachtal führt meine Route, hinüber zum Attersee, der auch dieses Jahr (hoffentlich) wieder Bühne für den großartigen King of the Lake werden wird. Die letzten 30 Kilometer dieses Tages sollen mich nach Sankt Georgen führen, dem Start- und Zielort des Race Around Austria und für diesen letzten Abschnitt unterstützt mich Michi Nussbaumer, Organisator des RAA. Aber auch er kann nicht verhindern, dass wir wenige Kilometer vor dem Ziel noch von einem letzten heftigen Regenschauer eingeholt werden. Zumindest haben wir etwas zu Besprechen und Plaudern, während wir gemeinsam in der Busstation auf das Ende des Schauers warten. Im August werde ich auf diesen Metern hoffentlich das Race Around Austria hinter mir haben und die letzten Züge meines Rennens genießen können.

Etappe 4

Ich bin glücklich, auch an diesem Tag in einem weichen und warmen Bett aufzuwachen. Die Idee, draußen zu schlafen war ohnehin schon in weite Ferne gerückt - das hebe ich mir wohl für ein andermal auf. Und um gleich reinen Tisch zu machen, miste ich meine Taschen aus, räume alles aus, was ich für den letzten Tag nicht mehr brauche und deponiere meine abmontierten Taschen in Sankt Georgen. Übrig bleiben nur die Rahmen- und die Oberrohrtasche, also jene Teile, die ich voraussichtlich auch für mein Race Around Austria einsetzen werde.

Vorbei am Attersee geht es Richtung Regau und Laakirchen - eigentlich wäre für heute vorgesehen gewesen, bis nach Wien zu fahren, doch angesichts des Wetters wirken die vorgenommenen 260 Kilometer eher illusorisch. In meinem Kopf existiert bereits der Plan B, bis zum Sonntagberg zu fahren - einer weiteren Ikone der Österreich-Rundfahrt - und dort bei Amstetten in den Zug Richtung Wien zu steigen. Diese Aussicht entspannt mich und nimmt mir etwas Druck aus der Tagesplanung, sodass ich gerne auf einen spontanen Kaffee bei BORA-Fahrer Lukas Pöstlberger vorbeischauen kann, ohne dass mich das in meinem Plan zu weit zurückwirft. Es ist spannend, Einblick in die aktuelle Situation eines Profis zu bekommen, für den Corona und die damit verbundenen Konsequenzen einen ebenso harten Einschnitt darstellen. Es wird jedenfalls spannend, wenn in Kürze wieder die ersten Rennen gefahren werden.

Zurück im Sattel wird die Situation allerdings immer düsterer. Der Regen hat sich im oberösterreichischen Voralpengebiet festgesetzt und wird laut Wettervorhersage dort auch für den Rest des Tages bleiben. Ich fahre vorerst noch weiter, der Regen stört mich noch nicht so sehr. Die Temperaturen liegen bei rund 14 Grad und sind damit genau in einem Bereich, in dem ich in meiner Regenjacke wohltemperiert bin. Oft ist es ja so, dass man in einer guten Regenjacke zwar von außen trocken bleibt, aber von innen fast einen Hitzschlag bekommt.

Vorchdorf, Pettenbach, Wartberg an der Krems, Bad Hall und Sierning sind im Wesentlichen nur noch Ortstafeln, die in meinem Augenwinkel vorbeiziehen. Meine Kamera und mein Telefon habe ich mittlerweile in der wasserdichten Rahmentasche verstaut, um größeren Schaden zu vermeiden. In Gedanken schwanke ich minütlich zwischen “Bad Ass”-Weiterfahren und “Holt mich hier sofort raus”. Als kurz vor Steyr der Regen noch einmal zulegt, ist für mich der Entschluss gefallen - nämlich der, es hier und jetzt (nach gut 90 Kilometern Fahrt) gut sein zu lassen. Ich muss niemandem etwas beweisen und die vergangenen Tage hatten so viele schöne Momente parat, dass ich nicht auf Biegen und Brechen weiterfahren muss und dabei vielleicht auch noch eine Verkühlung mit nach Hause bringe.

Durchnässt und zitternd steige ich in Steyr in den Zug und in Sankt Valentin in die Westbahn Richtung Wien. Natürlich wäre es schöner gewesen, mit eigener Kraft die Runde zu beenden und mit dem Rad dorthin zurückzukehren, wo man vor einigen Tagen losgefahren ist aber nach Stunden des Regens bin ich auch froh, wieder nach Hause zu kommen.

Die Nachsorge

Es war anstrengend, zwischendurch auch mal etwas brenzlig, sehr nass, ich hatte Muskelschmerzen, teilweise hat der Allerwerteste protestiert und ich habe unnötig Equipment durch die Gegend geführt. Auf der anderen Seite möchte ich keine Minute missen - na gut, außer vielleicht die letzten Kilometer kurz vor Steyr im Schüttregen. Aber ich konnte am Weg so viele Eindrücke sammeln, ich war (im positiven Sinn) auf mich alleine gestellt, durfte Freunde besuchen und treffen und musste mich um nichts anderes kümmern, als in die Pedale zu treten. Ich hab vieles gelernt über Routenplanung, Equipment und Packlisten, über meinen Körper, meine Leistungsfähigkeit und meine Grenzen.

Und wie es nach Rennen, Events oder Projekten fast immer ist, liegt man am ersten Tag danach mit Muskelkater auf der Couch und fragt sich, warum man so einen Blödsinn macht. Nur um am nächsten Tag schon wieder den Routenplaner zu öffnen oder sich für das nächste Event anzumelden. Und so wird es auch mit mir und dem Bikepacking sein - ich spüre, dass dies erst der Anfang einer längeren Beziehung war…!

Tour de Franz

Im Schlepptau von René Haselbacher und seiner Marke RH77 finde ich mich plötzlich in Villach wieder. Die Tour de Franz steht auf dem Programm - eine Institution, die 2019 bereits in ihre 13. Auflage geht. Dass ich davon bis dato nicht allzu viel mitbekommen habe, liegt vielleicht daran, dass ich derartige Veranstaltungen sonst eher aus dem Fernsehen (um 19:57 auf ORF 2?) kenne. Wobei es dem Event allerdings sehr unrecht tun würde, das Ganze als „Seitenblicke“-Veranstaltung abzutun. Unglücklicherweise sind ja fast alle Initiativen, die sich mit dem Beiwort „Charity“ schmücken, schnell einmal in eine Ecke gestellt, stigmatisiert und teilweise nicht mehr ernstgenommen. Doch stellen wir das einmal richtig! (Außerdem geht es ja auch ums Radeln!)

7. August, 9:00, Atrio Villach. In der Lobby des Einkaufszentrums im Süden Villachs versammeln sich über 100 Radlerinnen und Radler. Auf den Stangen, die für das Abstellen der Räder vorbereitet sind, hängen S-Works, neben feinen Simplons, BMCs und ein paar spannenden Exoten. Dieser Rad-Showroom gepaart mit den rasierten und durchwegs sehr fit aussehenden Waden, die mich umgeben, lassen erste Befürchtungen an der Aufgabe hochkommen, die da heute vor uns steht. Irgendwo hat es geheißen „100 Kilometer und 1.000 Höhenmeter nehmen wir heute unter die Räder“. Lässt man die Blicke von den Waden etwas weiter nach oben schweifen, erspäht man das einheitliche Trikot von RH77, das jedes Jahr für die Tour de Franz neu designt und aufgelegt wird und im Startpaket enthalten ist.

150 Euro sind für die Teilnahme an der Ausfahrt zu berappen, klingt auf den ersten Blick nach viel, ist es auch. Angesichts des Trikot-Sets, der Verpflegung, den Goodie-Bags (Mehrzahl!) und dem illustren Mitfahrendenkreis relativiert sich der Betrag wieder etwas. Die meisten legen außerdem ohnehin noch etwas drauf - Stichwort Charity! Der Grund, warum sich - neben der gemeinsamen Liebe zum Radfahren - die Menschen hier versammeln, ist, gemeinsam zu helfen. Ski-Legende Franz Klammer höchstpersönlich ist Schirmherr der Veranstaltung und wählt gemeinsam mit den Organisatoren der Ausfahrt jedes Jahr Projekte aus, für die das gesammelte Geld gespendet wird. Zumeist sind das Familien bzw. Kinder aus Kärnten, die aufgrund persönlicher Umstände, Krankheiten oder Schicksalsschlägen, den einen oder anderen Euro im Haushaltsbudget ganz gut brauchen können.

So entdeckt man im Atrio in Villach - an der Startlinie quasi - einige bekannte Gesichter oder hört die eine oder andere prägnante Stimme aus dem Menschenbündel heraus. Franz Klammer begrüßt „seine“ Gäste, Armin Assinger erklärt mit Mikrofon in der Hand den Ablauf des Tages, Otto Retzer (Schauspieler und Regisseur) „führt Schmäh“, so wie man es von ihm erwarten würde. Außerdem gut vertreten die Welt des Wintersports - Matthias Mayer, Felix Gottwald, Peter Rungaldier, darüberhinaus noch Firmenverteter der Sponsoren (aus Rad- und sonstiger Welt) und - damit im Notfall auch jemand Windschatten geben kann – die beiden Rad-Profis Marco Haller und Gregor Mühlberger. Kurzweil und interessante Gespräche sind da garantiert.

Dass es auch um den gesellschaftlichen Teil gehen soll, merkt man am anfangs angeschlagenen Tempo. Hinaus aus Villach Richtung Arnoldstein geht es mit einem gemütlichen 21er-Schnitt, in einer Gruppe von über 100 Leuten muss hier nur noch sporadisch mitgetreten werden. Aber keine Sorge, am Ende war es ein 25er-Schnitt und auf den Schlussanstieg kommen wir ohnehin noch zu Sprechen. Aus Villach hinaus rollt also die große Gruppe erstmal gemütlich entlang der Gail durch Oberschütt, einen Schleichweg entlang der Autobahn Richtung Arnoldstein, am Rande der Karawanken durch Fürnitz und Finkenstein nach Faak am See. Nach einer Umrundnung des Faaker Sees finden wir uns auf der Strecke der Rad-WM 1987 wieder – wenn auch nur auf Teilen und gegen die damals gefahrene Richtung. Damals gewann Stephen Roche im strömenden Regen den Titel auf dieser knapp zwölf Kilometer langen Schleife zwischen Faaker See und Maria Gail.

Wir gehen es gemütlicher an als Roche und seine damaligen Konkurrenten Sean Kelly, Didi Thurau oder Jeannie Longo, die das Damenrennen für sich entscheiden konnte. Knapp 50 Kilometer sind abgespult, Zeit für eine Labe. Das Tempo ist in der Zwischenzeit flotter geworden, durch das Plaudern auf dem Rad wird das Fahren extrem kurzweilig, die Kilometer verfliegen, die Anstrengung tritt in den Hintergrund. So stellt man sich eine Gruppenausfahrt vor, ein Social Ride im eigentlichen Sinne. Nach ausgedehnter Pause mit Speis und Trank geht es zurück in den Sattel, wieder hinaus aus dem Großraum Villach – leider kann ich meine Kamera nicht schnell genug zücken, um eines der Highlights des (meines) Tages, nämlich das Ortsschild von „Tschinowitsch-Turdanitsch“ zu fotografieren.

Wieder auf der WM-Strecke von 1987 geht es über Kleinsattel Richtung Osten bevor die Gruppe nach Nord-Osten schwenkt und über die („stillgelegte“) Drauschleife, vorbei an der eindrucksvollen Burg Landskron und dem Ufer des Ossiachers Sees Richtung Drautal fährt. Das Best-Of der Region rund um Villach ist damit vollständig abgegrast, viel mehr kann man dort in einer einzelnen Runde nicht unterbringen. Als Abschluss hat man sich für dieses Jahr etwas Besonderes ausgedacht: Das Ende der Ausfahrt ist eine Bergankunft am Geburtsort Franz Klammers, in Mooswald. Dass bis dorthin noch 600 Höhenmeter auf knapp sechs Kilometer zurückzulegen sind, haben alle Teilnehmer*innen im Hinterkopf, seit der erste Pedaltritt diese Ausfahrt gestartet hat… Doch der Eindruck vom Morgen dieses Tages hat nicht getäuscht, die Mitfahrer*innen sind tatsächlich fit und so wälzt sich ein auseinandergezogenes, buntes Fahrerfeld über 17% steile Rampen hinauf, durch enge Kehren, über saftige Wiesen und hinauf zum Zielbogen vor Franz Klammers Geburtshaus, wo neben der rettenden Schlusslabe auch eine Blasmusikkapelle die Teilnehmer*innen in Empfang nimmt.

Am Ende des (sportlichen) Tages zeigt der Wahoo 118 Kilometer und 1.355 Höhenmeter an – ein solide Tour, die dank der großen Gruppe weitaus weniger anstrengend war, als wenn man diese Runde alleine in Angriff nehmen würde. Der Schnitt von 24 km/h belegt, dass viel geplaudert und getratscht wurde – übers Radfahren, Essen & Trinken, Kärnten, noch mehr Radfahren, den Profi-Zirkus, Sportlerkarrieren, Räder, Komponenten und Gott und die Welt. Das Ende des karitativen Teils des Tages konnte ich aus Termingründen leider nicht mehr miterleben und lässt mir daher kein abschließendes Urteil über die anfangs erwähnte Charity-Welt zu. Fakt ist jedoch, dass im Zuge dieser entspannten und unterhaltsamen Ausfahrt knapp 40.000 Euro an Spendengeldern traditionell auf einen überdimensional großen Papierscheck geschrieben wurden! Ich denke, es gibt jedenfalls unerfreulichere Wege, Spenden zu sammeln als während einer Radausfahrt! In diesem Sinne, bis zum nächsten Jahr.

Fotos (sofern nicht selbstgemacht): Tour de Franz / Markus Vollmeier
Strava

Fotos // Österreich Rundfahrt 2019

Eine Woche Österreich Rundfahrt, sieben Etappen, spannende Rennen, viele unterschiedliche Fahrer, die sich die Wertungstrikots überstreifen konnten. Hier der Versuch eines etwas anderen Blickwinkels auf die Ereignisse - so wie ich das ja immer versuche, unsortiert, ohne Reihenfolge und Wertung. Dieses Mal testweise mit der “kleinen” Fuji-Kamera fotografiert…

Alpen Tour Schladming 2019

Wer in den letzten Wochen meinen Instagram-Account verfolgt hat, konnte unter anderem bemerken, dass sich das Mountainbike langsam aber sehr nachhaltig wieder einen Platz in meinem Herzen erkämpft hat. Unsere gemeinsame Geschichte hat viele Gesichter: In meiner Jugend war das Mountainbike im Süden Wiens mein erster Kontakt mit dem sportlich(er)en Radfahren, außerdem war es nach einer längeren Schaffenspause mein Wiedereinstieg vor nunmehr sieben Jahren - noch bevor ich meinen ersten Pedaltritt mit einem Rennrad unternommen habe. Der Crosser hat in vielen Situationen - vor allem im Wienerwald - ein Mountainbike gut ersetzt, weshalb mein altes 26-Zoll Canyon im Keller der Schwiegereltern in Lienz ein Schattendasein fristen musste. Und Stichwort Lienz - bzw. auch ein Besuch in Schladming: dort hab ich erkennen müssen, dass das was ich im Wienerwald praktiziert habe, nichts mit „richtigem“ Mountainbikes zu tun hat. Ich Schladming bin ich ob der steilen Forststraßen verzweifelt, die gemeinhin leichteste MTB-Tour rund um Lienz brachte mich hingegen knapp ans Limit. Aber Dinge fliegen einem nunmal nicht zu und eine kleine Portion Ehrgeiz habe ich dann doch in mir. Und das Naturerlebnis beim Mountainbiken, die Möglichkeiten der Routenwahl, die Herausforderungen der hohen Berge und Alpen und das Techniktraining sind Aspekte, die sich in meinem Gehirn festgebrannt haben, sich über die letzten Monate sukzessive wieder in den Vordergrund gearbeitet haben und mich das Internet sowohl nach neuen MTB-Modellen als auch nach entsprechenden Veranstaltungen und Rennen durchforsten haben lassen.

Zum Thema Rad muss ich mich einstweilen noch kurz gedulden. Das bei den BMC/PBIKE-Testtagen ausprobierte BMC Fourstroke wurde prompt bestellt, aufgrund großer Begehrlichkeiten und dementsprechender Lieferengpässe findet es aber erst dieser Tage den Weg zu mir. Dazu wird es noch viel an Material und Berichten geben, sobald ich das Ding unter meinem Hintern habe - versprochen! Bei den Veranstaltungen gestaltet sich dies einfacher - ein Blick auf die einschlägigen Radsportseiten offenbart einen bunten und großen Strauß an Möglichkeiten - von kurzen Hobbyrennen über Marathon-Serien bis hin zur Königsklasse der Mountainbike-Etappenrennen. Prominentester österreichischer Vertreter dieser Kategorie ist die Alpen-Tour in und rund um Schladming, die als viertägiges Etappenrennen nun bereits in die 21. Austragung geht. Also Kontakt mit dem Veranstalter aufnehmen, Möglichkeiten abklären, Anforderungen an sich selbst kurz überfliegen… Nun schrecke ich grundsätzlich nicht vor Herausforderungen zurück, aber ich bin auch Realist. Und mit einem derzeit noch nicht allzu berauschenden Trainingszustand und dem noch nicht wiedererweckten Mountainbike-Fahrkönnen möchte ich nicht sehenden Auges in mein Verderben laufen. Glücklicherweise gibt es da aber Leute, die weitaus fitter und auch um ein Vielfaches talentierter am Rad sind - beispielsweise den großartigen Martin Rauscher, seines Zeichen Vize-Staatsmeister im Cross Country 2017. Er wird demnach von 6.-9. Juni an der diesjährigen Alpen-Tour teilnehmen und hier auf 169k darüber berichten, er wird - im Gegensatz zu mir - noch den Atem und die Energie haben, seine Erlebnisse von der Veranstaltung in Worte zu fassen!

Eine genaue Vorstellung von Martin, seinen Plänen und seiner Herangehensweise für das Rennen wird es in den nächsten Tagen geben, an dieser Stelle möchte ich aber zuerst das Rennen vorstellen, das in seiner Konzeption in Österreich recht einzigartig ist.

Alpen-Tour als Etappenrennen

Egal ob auf dem Rennrad oder dem Mountainbike - Etappenrennen stellen so etwas wie den Gipfel möglicher Veranstaltungsformate dar. In keinem anderen Modus fühlt man sich mehr wie ein Pro, ist mehr im Alltag eines Rennfahrers verhaftet. Einfach aufs Radeln konzentrieren, jeden Tag aufs Neue. Während viele Veranstaltungen größere Distanzen zurücklegen und dabei Transfers von Gepäck, Material und Betreuern notwendig werden, setzt die Alpen-Tour auf einen zentralen Ausgangsort - Schladming. Während der Ort sich selbst eher als Metropole des Skisports bezeichnet, muss sich die Region am Fuße des Dachsteins natürlich auch im Sommer nicht verstecken - im Gegenteil. Mit meiner nicht sehr ausgeprägten Ski-Affinität und meiner absolut stark ausgeprägten Aversion gegen Apres Ski und Ähnliches habe ich Schladming im Winter bis jetzt eher gemieden. Mit dem Rennrad hab ich daher eher im Frühling und Sommer die Ecken rund um Schladming, Radstadt, Bad Mitterndorf und Gröbming unsicher gemacht, dabei zahllose wunderschöne Kilo- und vor allem auch Höhenmeter abgespult und das Bergpanorama in mich aufgesaugt. Dass die Berge rundherum eine großartige Einladung zum Mountainbikes darstellen, war mir dabei immer klar - alleine die Umsetzung dieser Ideen wurde bis dato auf die lange Bank geschoben.

Zurück zur Alpen-Tour! Schladming dient an vier Tagen als Start und Ziel für unterschiedlich schwere Etappen. Die Möglichkeiten rund um die Stadt sind dabei mannigfaltig. Planai, Hochwurzen, Haus im Ennstal - all jene Namen, die man aus dem Skisport kennt, eigenen sich natürlich hervorragend als Mountainbike-Strecken. Auf der anderen Seite des Tals - unter dem Dachstein - prangt Ramsau. Auch hier ist man nicht nur im Winter Mekka für Langlaufsportler aus aller Welt sondern eben im Sommer auch perfekt geeignete Spielwiese für Mountainbiker. Dass an derartig sportaffinen Orten entsprechende Infrastrukturen (sowohl für Sport als auch für Nächtigung) vorhanden sind, spielt Veranstaltungen wie der Alpen-Tour natürlich zusätzlich in die Hände.

Herausforderungen

Ein Blick auf die Etappen der Alpen-Tour deutet darauf hin, dass man tendenziell eher in halbwegs guter Form sein sollte, um die Herausforderungen des Events bewältigen zu können. Etappen mit einer Länge von 70 Kilometern bei gleichzeitig 3.100 Höhenmetern verlangen den Fahrer*innen schon einiges ab. Dabei geht es nicht - wie bei anderen Veranstaltungen - hauptsächlich auf gemütlichen Forststraßen zur Sache sondern auch in anspruchsvollerem Gelände. Außerdem - und das spricht grundsätzlich für Formate wie dieses (anderes Beispiel ist hier die Transalp) - muss man sich nicht über die leider mittlerweile allgegenwärtigen Einschränkungen bei der Wegewahl kümmern. So führen Teile der Etappen über Streckenabschnitte, die ansonsten im Privatbesitz sind und nur für derartige Veranstaltungen geöffnet werden, ansonsten also legal nicht zu befahren wären.

Etappe 1

Es startet gleich mit einem Kracher! Von Schladming geht es über den „Lodenwalker“ - eine der schönsten Ecken zwischen Schladming und Ramsau - Richtung Langlaufzentrum hinauf. Diese ersten Höhenmeter dienen allerdings nur zum Aufwärmen, geht es doch gleich danach hinauf Richtung Dachstein. Der Berg als solches ist natürlich nicht im klassischen Sinne befahrbar, aber hinauf bis zur Station der Gletscherbergbahn kommt man, in diesem Fall der Türlwandhütte. Ich erinnere mich noch heute mit gemischten Gefühlen an den Anstieg mit dem Rennrad über die asphaltierte Straße hinauf zum Fuße des Dachsteins, zweistellige Prozente sind hier die Regel, nicht die Ausnahme. Mit dem Mountainbike ist man natürlich auf alternativen Pfaden unterwegs, einfacher wird es dadurch aber nicht unbedingt. Bei der Türlwandhütte angekommen bleibt keine Zeit für die Schönheiten des Dachsteinmassivs, wer dennoch einen kurzen Blick nach oben riskiert, wird mit einem imposanten Anblick belohnt - schließlich braucht ja jeder Anstieg seinen Gipfelsieg und irgendeine Art von Belohnung!

Über den Rittisberg geht es wieder hinunter nach Ramsau zum Langlaufzentrum, dann nach Pichl ins Ennstal bevor man über einen letzten Anstieg wieder das Zentrum von Schladming erreicht. Start und Ziel ist standesgemäß auch dort, wo im Winter zehntausende Fans den Skiläufern beim berühmten Nachtslalom zujubeln. Ganz so viele Fans werden es bei der Alpen-Tour wohl nicht sein, aber das Wissen, die erste der vier Etappen erfolgreich beendet zu haben, wird auch mit weniger Fans entsprechend wertgeschätzt werden.

Am Abend heißt es - wir befinden uns ja immerhin in einem Etappenrennen - ausruhen, regenerieren und Speicher wieder auffüllen. Die allabendliche Zusammenkunft im Zelt des Veranstalters bietet die Möglichkeit, dies in schöner Gesellschaft zu tun - Erlebnisberichte vom gerade zu Ende gehenden Tag mischen sich dort mit Ausblicken auf den nächsten.

Etappe 2

Und auch der zweite Tag hat es in sich - wer am ersten schon zu sehr an den Reserven geknabbert hat, wird dies spätestens an diesem Tag spüren. Vom Start - wiederum im Zieleinlauf des Slaloms am Fuße der Planai - geht es direkt auf die Hochwurzen, mehr als 1.000 Höhenmeter am Stück müssen dabei bewältigt werden. Bleibt die Hoffnung, dass das Frühstück nährstoffreich und kräftigend war… Nach einer kurzen Abfahrt zum Parkplatz der Talstation der Hochwurzen-Lifte geht es hinein Richtung Ursprungalm. Die Forststraße zieht sich zuerst sanft ansteigend Richtung Wald, wird dann steiler und steiler bis man bei der Ursprungalm ankommt. Wer an dieser Stelle glaubt, es sei vollbracht, der irrt leider. Ich erinnere mich an meine Ausfahrt zurück, bei der ich auf den letzten Metern vor der Ursprungalm kurz geglaubt habe, der Anstieg sei damit erledigt. Ich musste damals feststellen, dass es dort erst richtig los geht, mit Steigungsprozenten, die ich vorher noch nicht allzu oft live gesehen hatte. OK, ich war damals nicht wirklich in Form, es lag Schnee und war kalt, aber das kurze Stück nach der Urpsrungalm ist mir in Erinnerung geblieben und eines Tages werde ich dorthin zurückkehren, und dann…!

Dabei ist das, was danach kommt, eines der Highlights der Gegend und des Rennens. Die Giglachseen bilden den höchsten Punkt dieser Etappe auf einer Seehöhe knapp über 2.000 Metern. Danach geht es flott durch ein sehr spezielles Gebiet von Wiesen und Almen, die ansonsten nicht so mir nichts dir nichts befahren werden können. Wegen derartigen Möglichkeiten lohnt es sich, bei solchen Veranstaltungen dabei zu sein. Hinunter und vorbei geht es am Gasthaus Landalm in Untertal - der Apfelstrudel dort ist sehr empfehlenswert, allerdings sollte man an dieser Stelle nicht deshalb stehenbleiben, ist die Etappe doch gleich zu Ende!

61 Kilometer mit 2.800 Höhenmetern werden am Abend nach dieser Etappe auf dem Tacho stehen und die Schenkel werden sich wohl dementsprechend anfühlen. Aber mittlerweile wird man sich etwas an die tägliche Routine, den Ablauf und die Belastung gewöhnt haben und es sind ja auch schon wieder 50 Prozent des Etappenrennens geschafft.

Etappe 3

Der dritte Abschnitt ist geringfügig entspannter, bietet dieser doch auf den ersten 25 Kilometern „nur“ ein stetiges Auf und Ab aber keine längeren und kräftezehrenden Anstiege. Erst bei Kilometer 25 startet die Kletterei aufs Neue, der Hauser Kaibling will erklommen werden - die „King und Queen of the Mountain“-Wertung befindet sich auf 1.840 Metern Seehöhe, auch hier sind am Weg dorthin gut 1.000 Meter Höhendifferenz am Stück zu überwinden.

Etappe 4

Die Aufgabe am vierten Tag klingt überschaubar: hinauf auf die Planai. Als Abschluss des Vier-Tage-Rennens steht traditionellerweise ein Einzelzeitfahren auf den Schladminger Hausberg auf dem Programm. Auf 14 Kilometern Länge sind rund 1.300 Höhenmeter zu bewältigen (die Steigungsprozente sind daher verhältnismäßig moderat), gestartet wird einzeln. Ganz ohne Konkurrenten, Gruppen oder irgendeine Ablenkung kann man hier am letzten Tag noch einmal tief in sich selbst blicken und mit sich selbst ausmachen, wie die letzten Tage und Kilometer zu bewerten und einzuordnen sind. Wer Ambitionen hat, kann hier versuchen, noch ein paar Plätze im Gesamtklassement gutzumachen - Genießer können auf den letzten Metern die Veranstaltung Revue passieren lassen und den Blick ab und zu auch über das tolle steirische Bergpanorama schweifen lassen.

Starterfeld

Mit 198 Kilometer und 9.400 Höhenmeter in vier Tagen klingt es jetzt nicht gerade so, als benötige man noch zusätzliches „Salz in der Suppe“… Ein Blick auf das Starterfeld offenbart jedoch noch einen zusätzlichen Reiz, der der Alpen-Tour innewohnt. Vom Hobby-Rennfahrer bis zum Elitefahrer und nationalen (oder internationalen) Champion ist hier alles am Start. Daniel Gaismayr, Alban Lakata, Barbara Mayer - die Namen lesen sich wie das Who is Who des Mountainbikesports. Mit diesen Namen kann man sich bei der Alpen-Tour direkt messen - egal ob direkt auf der Strecke oder nach der Etappe auf den Ergebnislisten. Aus meiner Sicht sind derartige Zusammentreffen zwischen Profis und „Normalos“ ja immer von besonderem Reiz. Was man daraus macht, hängt natürlich immer von einem selbst ab, aber zu sehen, welche Leistungen Profis erbringen und diese mit den eigenen in Relation zu setzen, ist immer eine spannende Angelegenheit. Ganz abgesehen davon, wie oft hat man denn die Möglichkeit, mit den österreichischen Profis am Abend zu plaudern und sich auszutauschen?

Sieger 2018 Markus Kaufmann (Foto: Alpen Tour)

Alleine oder im Zweierteam

Elitefahrerinnen müssen alleine starten, Amateur*innen und Hobbyfahrerinnenn steht hingegen frei, alleine oder im Zweierteam zu starten. Dabei wird - wie beim Cape Epic oder der Crocodile Trophy - gemeinsam gefahren, man sitzt quasi zu zweit in diesem Boot, macht alles gemeinsam - im Guten wie im Schlechten.

Infos

Wer also eine Challenge sucht, anspruchsvolle MTB-Strecken unter die Stollenreifen nehmen will und sich knapp eine Woche in der wunderbaren Bergwelt der Steiermark rund um den Dachstein gönnen möchte, dem sei die Alpen-Tour ans Herz gelegt. Nähere Infos zu Rennen, Anmeldung und dem Drumherum gibt es hier: https://alpen-tour.at

Für 169k wird wie schon erwähnt Martin Rauscher an den Start gehen. Er ist öfter in der Gegend rund um den Dachstein und kennt die meisten Ecken - dementsprechend bin ich auf seine Meinung zu den einzelnen Etappen und natürlich sein Abschneiden im Juni gespannt. Seine Vorstellung gibt es hier in wenigen Tagen zu lesen, die Berichterstattung vom Rennen natürlich währenddessen und in längerer Form kurz danach!

Vor dem Start (Foto: Sportograf)

Race Around Austria 2018

Zehn Mal Race Around Austria - die Geschichte des Rennens war in Sankt Georgen allgegenwärtig. Auf dem riesigen Screen im Startbereich waren die Meilensteine der bisherigen Historie zu sehen - die Erstbefahrung von Manfred Guthardt, die Jungfernfahrt des Rennens in der heutigen Form von Christoph Strasser vor zehn Jahren und die Sieger*innen der letzten Austragungen. Das Geburtstagsgeschenk machte man sich schließlich selbst - Österreichische Meisterschaften auf der Langstrecke und damit Meistertrikots, auf die viele der Teilnehmer hofften.

Die Veranstaltung selbst ist mittlerweile großartig eingespielt. Die Impressionen und Eindrücke, die ich beim RAA 2017 sammeln konnte, haben sich dieses Jahr bestätigt bzw. noch einmal verstärkt. Eine professionelle Organisation, die auch gleichzeitig eine der nettesten und sympathischsten im Veranstaltungskalender ist, entspannte und geerdete Teilnehmer, eine Gemeinde, die das RAA mit Haut und Haar mitträgt und damit insgesamt eine positive Stimmung, die sich auf alle Beteiligten überträgt - egal ob man die 2.200 Kilometer lange Extrem-Strecke fährt, entlang der Strecke fotografiert oder als Zuschauer das Spektakel genießt.

Ich habe mein RAA 2018 anders organisiert als im Vorjahr. War ich 2017 noch alleine mit dem Auto unterwegs - immer "auf der Jagd" nach Fahrern, um diese an möglichst spektakulären Orten abzulichten - war das Motto für dieses Jahr "Weniger ist Mehr". Weniger Kilometer im Auto, weniger Stress, weniger unterschiedliche Locations - mehr Überblick, mehr Kontrolle, mehr produktive Zeit. Die daraus entstandenen Fotos und Geschichten können daher immer nur Momentaufnahmen sein, Kurzberichte vom Start, von unterwegs und aus dem Ziel, fragmentarisch, punktuell aufgenommen aber dennoch (hoffentlich) einen recht umfassenden Eindruck des Race Around Austria vermittelnd.

Die Extrem-Strecke

Die Extrem-Strecke verläuft über eine Distanz von rund 2.200 Kilometern entlang der Grenzen Österreichs, dabei werden ganz nebenbei auch noch rund 30.000 Höhenmeter abgespult. Keine einfache Herausforderung - dementsprechend sind hier die Könner des Ultracycling-Fachs versammelt und all jene, die schon eine erkleckliche Anzahl an Kilometern in ihrem Radler-Leben gesammelt haben, um diese Herausforderung absolvieren zu können. Das Jahr 2018 war klimatisch und wettertechnisch deutlich besser als das Vorjahr - 2017 war das Rennen noch von Hitze, Unwettern, Hagel, Sturm, Regen und Schnee geprägt. Entsprechend schneller waren die Teilnehmer diesmal unterwegs, die erbrachten Leistungen damit allerdings um keine Deut geringer!

Anna Bachmann

Als Rookie am Start sprintete Anna geradezu vom Start weg auf die lange Strecke. Die erste Nacht wurde noch bei starkem Regen absolviert, das tat dem spannende Zweikampf mit Isabel Pulver allerdings keinen Abbruch. Wenn man das Tracking am Computer oder auf dem Smartphone verfolgte, so lagen die zwei Punkte der Fahrerinnen fast immer neben- oder sogar übereinander. Am Ende konnte sich Anna aber doch deutlich durchsetzen und rollte mit neuem Streckenrekord bei den Damen ins Ziel zurück in Sankt Georgen.

Markus Hager

Markus konnte im Vorjahr das Rennen für sich entscheiden und war dementsprechend mit der Startnummer "1" am Start in Sankt Georgen. Ich hatte das Glück, Markus im Sommer besser kennenzulernen und fieberte daher mit ihm mit, als er die Startrampe herunterrollte und auch jedes Mal, wenn ich ihm und seinem Team auf der Strecke begegnete. Seinen Vorjahressieg konnte er 2018 trotz besserer Fahrzeit nicht verteidigen. Der Zeitgewinn ist übrigens auch zu einem guten Teil auf den Umstand zurückzuführen, dass Markus (nach bereits atemberaubenden 40 Minuten im Vorjahr) dieses Mal "0" (in Worten: "NULL") Minuten geschlafen hat - in mehr als drei Tagen!  

Patric Grüner

Patric begleitete der Nimbus des ewigen Zweiten beim Race Around Austria, finishte er doch 2014, 2015 und 2016 jeweils "nur" auf dem zweithöchsten Treppchen. Auch bei der Ausgabe 2018 sah es längere Zeit nach einem guten aber eben nicht ersten Platz aus, sogar eine Beendigung des Rennens stand im Raum. Dann sah Patric den bis dahin Führenden - Rainer Steinberger - am Straßenrand stehen und aufgeben, sagte sich "Gegen den Markus Hager verliere ich nicht noch einmal" und riskierte. In einem Höllentempo durchquerte er sein Heimatland Tirol und machte sich als Führender auf in Richtung Ziel. Der Fluch des Zweiten war also gebrochen, Patric überglücklicher Sieger des Race Around Austria 2018. 2019 steht beim ihm das Race Across America am Programm - mit einem RAA-Titel in der Tasche macht die Vorbreitung darauf sicher noch mehr Spaß!

Philipp Reiterits

Immer wieder denke ich gerne an das Kennenlernen mit Philipp zurück, als Jan und ich im Mai 2016 am Glockner auf einen Radler mit RAA-Kapperl gestoßen sind. Seitdem durfte ich letztes Jahr seine Premiere auf der 1.500er-Strecke bewundern, ihn besser kennenlernen und auch seine Vorbereitungen auf den diesjährigen Start auf der Extrem-Strecke mitverfolgen. Philipp hat das Rennen stark gestartet, musste in Vorarlberg jedoch aufgrund eines sogenannten "Shermers Neck" absteigen. Dabei ermüdet die Nackenmuskulatur dermaßen, dass man den Kopf nicht mehr hochhalten kann. Philipp hat allerdings bereits nach wenigen Tagen seinen Start beim RAA 2019 angekündigt - ich freue mich schon jetzt, ihn wieder auf der Startrampe und auf der Strecke zu treffen.

4er-Teams

Die Viererteams waren 2018 zahlreich vertreten, war dies doch eine der Kategorien, in denen ein Meistertrikot zu gewinnen war. Glamour erhielt die Startbühne durch den Start des "Hill Racing Teams", sportlich konkurrierte dieses das ganze Rennen über mit dem Team "CLR Sauwald Cofain 699" - letzteres konnte am Ende den Bewerb für sich entscheiden.

Die Challenge

Die 560 Kilometer rund um Oberösterreich gelten als "Einstiegsdroge" in den Ultra-Radsport und bieten eine gute Gelegenheit, das Ganze einmal auszuprobieren. Dementsprechend ist viel los auf der "kurzen" Strecke und es tummeln sich zahlreiche - auch bekannte - Gesichter auf der Startrampe. Zu allem Überfluss dürfte ich Michi Nussbaumer - dem Veranstalter des RAA höchstpersönlich - meine Teilnahme im nächsten Jahr zugesagt haben - so sehr lässt man sich von der tollen Stimmung am Start mitreissen.

Christoph Strasser

Über "Straps" braucht man nicht mehr allzu viele Worte verlieren - er ist der Großmeister des "Weitradlfoarns" (wie es einer seiner Hashtags ausdrückt). Mit nach eigenen Angaben noch etwas müden Beinen ist er von seinem fünften Race Across America-Sieg nach Oberösterreich gekommen, um das Staatsmeistertrikot auf der Langdistanz zu gewinnen. Fragen nach Sieg und auch Streckenrekord spielte Christoph zu Beginn noch herunter - tatsächlich kann auf der kurzen Strecke der Challenge schon ein falsches Abbiegen oder ein technischer Defekt über den Sieg entscheiden. Am Ende war es dann der erwartete Sieg auf der Challenge mit einer fabelhaften neuen Rekordzeit, die wohl in den nächsten Jahren keiner knacken wird können. Und jedes Mal, wenn ich Christoph treffe, bin ich wieder positiv überrascht, wie normal, geerdet und sympathisch er ist - trotz oder gerade wegen seiner Erfolge. In Kürze wird es übrigens auf 169k mehr von Christoph und seiner gerade erschienenen Biographie "Der Weg ist weiter als das Ziel" zu lesen geben.

Barbara Mayer

Im Palmarés von Babsi leuchtet 2018 alles bronze, silber und golden - egal ob Staatsmeisterschaften Straße, Zeitfahren, Mountainbike, Salzkammergut-Trophy... Alles was Barbara angeht, endet erfolgreich - und die WM im September kommt ja erst noch. In fabelhafter Rekordzeit umrundete sie Oberösterreich und sicherte sich damit das Staatsmeistertrikot. Und dabei war immer ein Lächeln auf ihren Lippen zu sehen - so vermittelt man Freude am Sport und an der Leistung! Meine tiefe Verneigung!

geradeaus.at

Tina und Andy bloggen gemeinsam als geradeaus.at über ihre Erlebnisse, denen sie mit der RAA-Challenge im Jahr 2018 ein großes Kapitel hinzugefügt haben. Das ganze Jahr über konnte man auf ihrem Blog alles über Training, Equipment, Vorfreude aber auch die Schattenseiten der Rennvorbereitung lesen. Am Tag X lieferten die beiden dann eine großartige Leistung ab und bewiesen am meisten sich selbst, was alles möglich ist. Ein erster emotionaler Rückblick ist auf der Seite geradeaus.at nachzulesen.

Team Chase

2017 waren sie noch als Team Chase gemeinsam am Challenge-Start, für 2018 hatte man sich ein Rennen Mann gegen Mann - Felix gegen Berni - zurechtgelegt. Die Vorbereitung verlief jedoch nicht ganz so (gleichmäßig) wie geplant, dementsprechend wurde es nicht das Rennen gegeneinander sondern "nur" gegen die Zeit und die anderen Teilnehmer. Felix konnte sich - mit einer Zielankunft an seinem Geburtstag - zudem den großartigen vierten Platz sichern. 

Die 1500er

Die mittlere Runde führt über 1.500 Kilometer entlang der Grenzen des Landes, spart aber den Westteil Österreichs aus. Logistisch und vom Timing her war das Fotografieren der 1.500er eine Herausforderung, vor die Linse bekam ich großteils nur das Führungsduo Franz Scharler und Christian Gammer. Letzterer konnte das Rennen für sich entscheiden und wurde in Sankt Georgen als Sieger gefeiert.

Lesachtal

Großglockner

Exkurs: Rennradfahren rund um Sankt Georgen

Wer so wie ich etwas früher Richtung Attersee reist, kommt außerdem noch in den Genuss großartiger Rennradstrecken. Entlang der wunderschönen Seeufer (Atter-, Mond-, Wolfgang- und Fuschlsee) ist der Verkehr zugegebenermaßen ein kleiner bis mittelgroßer Spaßhemmer, wer sich aber "eine Reihe nach hinten" begibt, kommt in den Genuss menschen- und autoleerer Güterwege, pittoresker Landschaften und herausfordernder Höhenmeter. Als Abschluss hier ein paar Bilder zur Inspiration - Oberösterreich, Attergau, Race Around Austria, wir sehen uns spätestens im August 2019!

Race Around Austria 2018 - II

Es geht weiter mit der Vorberichterstattung zum extremen Rennen rund um Österreich bzw. entlang der österreichischen Grenzen. Waren beim ersten Posting die Mannen vom Team Chase im Schweinwerferkegel, so geht es in diesem Beitrag um die Ursprünge des "RAA", die Organisation und einen Teil der Strecke. Da aber ohne Fahrer*innen bekanntlich gar nichts geht und das beste Rennen erst durch seine Teilnehmer*innen zu wahrem Leben erwacht, kommen natürlich auch diesmal die Menschen nicht zu kurz. Aber der Reihe nach...

Zeitmaschine - 1988 

Foto: Race Around Austria

Genau vor 30 Jahren wurde dieses Bild aufgenommen. Es zeigt Manfred Guthardt am höchsten Punkt der Strecke - dem Hochtor am Großglockner. Er war zu diesem Zeitpunkt dabei, sein Projekt "Rund um Österreich" zu realisieren. Er nahm sich dabei neun Tage Zeit, teilte die Strecke in entsprechende Etappen und nahm sich damals noch etwas mehr Zeit für die Nachtruhe. Dafür fuhr er penibel jede Grenzstraße Österreichs ab - während das heutige Race Around Austria "nur" mehr die grenznahen Straßen befährt und auf Sackgassen und Umwege weitgehend verzichtet. Nach etwas mehr als 2.600 Kilometern war Guthardts Projekt vollendet, der Grundstein für das Race Around Austria gelegt.

2008 wurde die Idee wieder aufgenommen, Christoph Strasser begab sich auf die Spuren des Jahres 1988 und umrundete Österreich in knapp 100 Stunden. 2018 - zehn Jahre später - steht nun die zehnte Ausgabe des RAA auf dem Programm, in voller Blüte und mit den Strecken, wie wir sie seit einigen Jahren kennen und lieben. Und bei Manfred Guthardt schließt sich dabei wieder der Kreis. Wenn einer die Idee für ein derartiges Projekt hat und sich dafür dermaßen akribisch an die Routenplanung macht, dann ist er prädestiniert dafür, Streckenchef des Race Around Austria zu sein! Wer also im August in Sankt Georgen am Attergau auf Manfred trifft, sollte sich jedenfalls einige seiner Geschichten anhören und staunen.

Mühlviertel

Standortwechsel nach Schöneben im Mühlviertel. Der Tag beginnt auf 920 Metern Höhe - wenige Meter weiter die tschechische Grenze, über uns der Aussichtsturm mit Blick auf den Moldaustausee und angenehme Temperaturen. Das Hotel Innsholz steht für Urlaub, Ausflug, Radfahren und allerlei Annehmlichkeiten im wunderschönen Böhmerwald. Die Leidenschaft fürs Weit-Radeln wird hier gelebt - Inhaber Peter Gruber ist der einzige Radler, der bis dato alle unterschiedlichen Strecken des Race Around Austria bestritten hat. Dass er dabei fast durchwegs auf dem Stockerl gestanden ist, sollte man ihm sehr hoch anrechnen und ihn dementsprechend nicht unterschätzen, wenn er in Radmontur neben einem steht. Als Sponsor des Race Around Austria trägt er außerdem auch abseits seiner sportlichen Leistungen zum Gelingen des Rennens bei. 

Schöneben klingt schön und eben - schön ist es, wunderschön sogar. Der Eiserne Vorhang war hier jahrzehntelang quasi vor der Haustür, von der einstigen Randlage in Österreich ist man aber geografisch ins Zentrum Europas gerückt. Erhalten blieb aber eine gewisse Unschuld und eine wild-romantische Landschaft. Gemeinsam mit den angrenzenden Alm- und Wiesengebieten Tschechiens, dem hügeligen Mühlviertel, pittoresken Stauseen und kleinen Ortschaften fällt es schwer, sich hier nicht wohl zu fühlen. "Eben" ist es allerdings nicht in Schöneben, bzw. braucht es einiges an Energie und Leidensfähigkeit, zum Hotel Innsholz zu kommen. Knapp 400 Höhenmeter auf gut drei Kilometern muss man von Ulrichsberg aus hinter sich bringen, bevor man sich wohlverdient auf die Hotelterrasse fallen lassen kann. 

Stiche wie diese waren es, die Manfred Guthardt auf seiner RAA-Erstbefahrung durchwegs mitgenommen hat - anstrengend aber der Mission geschuldet, die grenzen des Landes auszuloten. Heute fährt das RAA "unten" in Ulrichsberg durch - auch wenn derartige Prüfungen nicht mehr am Programm des Rennens stehen, stellt das Mühlviertel doch die erste große Prüfung des Rennens dar. Auf der langen Strecke des RAA werden hier die ersten paar tausend Höhenmeter gesammelt. Michael Nußbaumer - Organisator des Race Around Austria - erzählt oft und gerne von Teilnehmern, die sich im Glauben in Sicherheit wiegen, dass die ersten Anstiege beim Großglockner kommen. 

RAA-Weekend

Bleibt noch der Grund warum sich hier im Innsholz in Schöneben ein paar verrückte Radler*innen treffen - es ist quasi ein Feriencamp für RAA-Teilnehmer und Freunde, das hier stattfindet und die Besetzung lässt wenig zu wünschen übrig.

Darunter Markus Hager aus Bayern, der im Jahr 2017 bei seiner dritten Teilnahme den Sieg auf der Extrem-Strecke einfahren konnte. In spannenden Erzählungen und einem Vortrag am Abend teilt er gerne seine Erfahrungen, Erkenntnisse und Tipps mit Interessierten und Aspiranten. Lernen kann man dabei einiges, sich abschauen auch ein paar Dinge. Ob man allerdings auch alles so machen kann und will ist die andere Sache. Hager fuhr bei seinem Sieg rund 90 Stunden rund um Österreich, dabei legte er ganze drei Schlafpausen ein - diese dauerten jeweils unfassbare zehn Minuten. Während sich also meinereiner in der Früh noch einmal umdreht und wartet, bis das Telefon oder der Wecker erneut zu klingeln beginnt, hat sich Markus Hager in dieser Zeitspanne dermaßen erholt, dass er wieder fit genug ist, ein paar hundert Kilometer weiter zu radeln. 

Bewundernswerter ist aus meiner Sicht aber noch die Herangehensweise von Markus. Training erfolgt bei ihm regelmäßig aber verhältnismäßig unstrukturiert - ohne Trainingsplan, ohne Wattmessung, dafür mit Freude an der Bewegung und Spaß an der Sache. Das soll natürlich kein Freibrief sein, nur so vor sich hin zu fahren oder zu leben, aber zumindest für mich persönlich ist es irgendwie beruhigend, zu wissen, dass es auch ohne überbordendes "Zerdenken" und mit Spaß an der Sache geht.

2018 ist Markus wieder am Start, bereit für die Titelverteidigung des Race Around Austria. Hier bekommt er dieses Jahr allerdings Konkurrenz von Philipp Reiterits. Jan und ich waren im Mai 2017 auf dem Weg zum Hochtor, als wir auf den leeren Straßen auf einen anderen Radler trafen, der sich knapp vor uns die Straße hocharbeitete. Das Race Around Austria-Cap unter seinem Helm interpretierten wir als Einladung, über Radfahren, das RAA und unser aller Projekte zu plaudern. Wir machten ein paar Fotos als Erinnerung und wenig später trennten uns unsere Wege wieder. Jan und ich fuhren wieder zurück, Philipp setzt seine RAA-Streckenerkundung fort. Ich traf Philipp am Start des RAA im August wieder, auf der Startbühne, bereit seinen Traum umzusetzen. Philipp fuhr 2017 die 1.500 Kilometer lange Strecke, lernte dabei "Ultracycling" aus der ersten Reihe kennen - Hagel und Unwetter inklusive. 2018 geht er auf die 2.200 Kilometer lange Reise des RAA Extrem, gut vorbereitet und überlegt.

Tina und Andy sind den meisten am besten bekannt als "geradeaus.at" - dort betreiben sie einen Radblog und bieten Einblicke in ihre Touren, ihr Leben auf und neben dem Rad und garnieren das ganze mit großartigen Fotos. Die beiden haben sich Anfang des Jahres dafür entschieden, als Paar die RAA Challenge zu bestreiten - gut 560 Kilometer rund um Oberösterreich. Die Challenge stellt im Allgemeinen die Einstiegsdroge ins RAA-Universum dar - legal und in der Regel auch nicht ungesund. Auf ihrem Blog kann man alles über die intensiven Vorbereitungen für ein derartiges Vorhaben erfahren, eine Vorstellung vom notwendigen Trainingspensum bekommen, aber auch viele organisatorische Fragen (und die Antworten darauf) finden. 

169k beim Race Around Austria

Mich fasziniert seit jeher die Bewältigung längerer Strecken mit dem Rad. Letztes Jahr hatte ich die Möglichkeit, als fliegender Reporter mit Kamera und Laptop durchs Feld zu pflügen, die Protagonisten kennenzulernen und die Stimmung in mich aufzusaugen. Und ich für meinen Teil kann jedenfalls behaupten, mit dem RAA-Virus infiziert zu sein. Sobald ich im Raum mit Teilnehmer*innen bin, bekomme ich Lust darauf, mich anzumelden. Auch wenn ich Geschichten über Schlafentzug, lange Nachtschichten oder Schlechtwetter höre, mindert das nicht meine Motivation, in der Sekunde aufs Rad zu steigen. 

Nächstes Jahr werd ich dem Ruf wohl folgen. Dieses Jahr greife ich aber zuvor nochmal zur Kamera. Im August, im wunderschönen Attergau - mit hunderten anderen, deren Adrenalin und Enthusiasmus wieder auf mich überschwappen und ich werde wieder mit jedem und jeder einzelnen mitfiebern, als wenn es mein eigenes Rennen wäre! Ich freu mich schon!

Race Around Austria 2018 - I

Das Race Around Austria geht 2018 in sein zehntes Jahr, wiederum stehen Mitte August zwei Strecken zur Auswahl. Die „Extrem“-Route, die - nomen est omen - auf einer Strecke von gut 2.200 Kilometern einmal rund um Österreich führt, immer die Grenze entlang. Als „Einstiegsdroge“ in den Ultra-Radsport bietet sich außerdem wieder die RAA-Challenge an: einmal rund um Oberösterreich, auch hier sind stolze 560 Kilometer zu bewältigen.

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Was bringt 2018?

Oft passieren also die besten Dinge, wenn man sie nicht plant... In diesem Sinne möchte ich gar nicht weiter fabulieren, was 2018 sein könnte oder würde oder sollte. Starten wir einfach drauf los - ich freu mich.

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