Race Around Niederösterreich 2019

Weitra, 19 Uhr, die Frisur hält schon lange nicht mehr. Der Regen hat gerade etwas nachgelassen, seit mehreren Stunden streifen wir bereits durch die Stadt, im Hintergrund dumpf hörbar eine Lautsprecherstimme, die nach und nach Rennfahrer auf die Strecke schickt. Warum Weitra, wer sind „wir“ und welches Rennen ist hier im Gang?

Ich kenne Philipp Reiterits jetzt schon mehrere Jahre - wir lernten uns vor dem Race Around Austria 2017 zufällig auf der Großglockner Hochalpenstraße kennen, ich fotografierte ihn beim RAA 2017, im Jahr darauf wiederholte sich das Ganze. Ich verfolgte mit Interesse, dass er sich für die Premiere des Race Around Niederösterreich anmeldete, als er dafür noch einen zusätzlichen Betreuer suchte, schlug ich zu. Die Entscheidung war spontan getroffen - oft sind das ja sowieso die besten, der Termin in meinem Kalender blockiert und die Motivation da! Auch im Hinblick auf meine eigene Teilnahme an der diesjährigen Race Around Austria Challenge war der Gedanke naheliegend, mir das Ganze auch aus Sicht eines Betreuers vorab anschauen zu können - jeder Aspekt, der mir hilft, ein derartiges Rennen zu verstehen und zu durchschauen, ist mir recht und hilfreich.

Wer weder Race Around Austria Challenge noch Race Around Niederösterreich kennt… Die Rennen ähneln sich (und dann doch wieder nicht - aber dazu später mehr). Beim Race Around Niederösterreich geht es laut Veranstalter über eine Distanz von 600 Kilometern mehr oder weniger die Grenzen von Niederösterreich entlang, dabei werden ganz nebenbei noch rund 6.000 Höhenmeter unter die Räder genommen. Start und Ziel ist in der Braustadt Weitra, eine willkommene Abwechslung - für die Radler*innen, die sonst vielleicht nicht in dieses Eck Österreichs kommen, aber auch für die Stadt und die Region, die aufgrund der jahrzehntelangen geografischen Randlage ruhig etwas mehr ins Zentrum der Ereignisse gerückt werden darf.

#ran

Es ist die Premiere des Race Around Niederösterreich, man hat sich einige Dinge beim Race Around Austria abgeschaut. Positiverweise - warum sollte man funktionierende Systeme nicht teilweise übernehmen. Womit die Veranstalter allerdings nicht gerechnet haben, ist, wieviele Enthusiasten sich an diesem Tag in Weitra versammelt haben. Es sind insgesamt fast 100 aktive Sportler*innen involviert, weit über den Erwartungen für ein Eventformat, bei dem manche nach wie vor nur den Kopf schütteln, ob der Anforderungen und Eckdaten. Neben Solostartern machen sich auch Zweier- und Dreierteams bereit, letztere sollen vor allem die Eintrittsschwelle senken und derartige Bewerbe leichter für eine größere Masse zugänglich machen.

Jetzt stehen wir also zu viert hinter dem Rathaus von Weitra und warten darauf, in der Startreihenfolge vorzurücken. Im Begleiterauto von Startnummer 53 sitzen Michael und Silvia. Michael ist - so wie ich - Neuling in einem Betreuerteam bei einem derartigen Rennen, Silvia - Philipps Mutter - hat hingegen schon mehrfache Race Around Austria-Navigationserfahrung. Allzu viel haben wir uns im Vorfeld eigentlich nicht ausgemacht, jede*r ist für alles zuständig, jede*r schaut auf alles, im Notfall macht jede*r alles. Möglichst unbelastet von diesen scheinbar nebensächlichen Fragen streunt Philipp vor dem Betreuerauto rund um sein Rad, streckt sich, dehnt sich, schaut zum Himmel - wohin die Wolken sich gerade bewegen, geht auf die Toilette, schaut sich seine Konkurrenten an, geht noch eine Runde um das Auto. Er wird gleich auf die Bühne und Startrampe des Rennens gerufen werden, einen ersten Tritt in die Pedale tun und die darauffolgenden rund 24 Stunden nicht mehr damit aufhören. Und plötzlich öffnet sich die Wolkendecke, die Sonne blendet uns in den Augen und eine wunderschöne Abendstimmung läutet ein einmaliges Erlebnis für uns alle ein.

Und schon ist Philipp im Sattel seines Cervelo, fährt durch das Tor des Stadtplatzes Weitra und weiter auf die hügeligen Landstraßen des Waldviertels. Ich springe nach ein paar Fotos vom Start in die offene Tür des Betreuerautos und wir reihen uns hinter Philipp ein. Es ist kurz nach 20:00, in der Sprache des Race Around Niederösterreich bedeutet das „Nacht“ - das wiederum heißt, dass bis zum Beginn des nächsten Tages um 6:30 das Betreuerauto hinter dem Fahrer zu bleiben hat bzw. umgekehrt der Radler sich immer im Lichtkegel des Betreuerautos befinden muss. Das heißt, möglichst nicht stehenzubleiben, denn eine Pause des Autos bedeutet auch eine für den Fahrer. Außerdem - und das ist schon die erste Erkenntnis für uns Neulinge im Betreuerauto - ist es keineswegs ganz trivial, knapp hinter einem Radfahrer herzufahren. Nicht zu viel Abstand aber auch nicht den Radler mit dem Auto überfahren, Tempowechsel antizipieren, aufmerksam bleiben.

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Die Strecke des Rennens ist grob in vier Teile gegliedert. Die Nacht verbringen wir im hügelig-kurvigen Waldviertel entlang der tschechischen Grenze, ab Retz wird es hingegen flach und gerade. Über kleinere Landes- und Bundesstraßen kämpft sich Philipp durch den Regen - die romantische Abendstimmung beim Start ist relativ schnell wieder dem Tiefdruckgebiet gewichen, dass uns auch zuvor schon den ganzen Tag begleitet hat. Im Auto ist die Stimmung gut, auf den ersten Kilometern versucht jeder für sich in seine Rolle hineinzufinden. Ohne so etwas zuvor schon gemacht zu haben, bin ich auf der Suche nach Anhaltspunkten, Aufgaben, einer Mission - fotografiert hab ich am Start, jetzt im Dunklen hinter dem Fahrer sind die Möglichkeiten endenwollend. Michael sitzt am Lenkrad, Silvia navigiert - ich fühle mich kurzzeitig etwas nutzlos auf der Rückbank. Ich erinnere mich an die Bücher von Christoph Strasser und David Misch, in denen auch die Betreuerteams und deren Aufgaben immer wieder Thema sind - auch dass der Radler serviciert werden muss, die Crew an Dinge denken sollte, um die sich der Fahrer nicht kümmern müssen soll. Meine Mission soll ab diesem Zeitpunkt lauten, mich um Philipps Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zu kümmern. Es ist kalt und regnerisch - kein Wetter, bei dem man bereitwillig und viel trinken möchte. Dementsprechend muss Philipp nicht nur daran erinnert werden, stündlich eine Portion Ensure zu sich nehmen sondern auch, regelmäßig zu trinken. Nach vorne funken, Flaschen vorbereiten und aus dem Auto reichen - schon hat mein Betreuerleben wieder einen Sinn.

Laa an der Thaya, Poysdorf und Hohenau an der March bieten wenig landschaftliche Abwechslung, zwischen Mitternacht und 3:00 früh stehen diese Faktoren aber nicht unbedingt im Vordergrund. Kurz vor Hohenau fahren wir durch Hausbrunn, wo wir auf die eingefleischte Fanbasis von Philipp stoßen. Er kommt aus Hausbrunn und die Tatsache, dass das Rennen vor seiner Haustüre vorbeifährt, war mit ein Grund für seine Teilnahme. Während sich Philipp einen Motivationsschub von seiner Frau abholt, nützt das Betreuerteam die wenigen Minuten für eine Fahrerwechsel, ein kurzes Radservice, neue Flaschen und eine Portion „Ensure“.

Ensure“ ist ein wichtiges Stichwort, steht dieser Name doch für eine der möglichen Verpflegungsstrategien bei derartigen Herausforderungen. Eigentlich ein Flüssignahrungsmittel für Patienten nach Kiefer- und Zahnbehandlungen, schwören viele Ausdauersportler auf die einfach Verabreichung, Verdauung und Handhabung der kleinen Plastikflaschen. Einzig die bescheidene Auswahl zwischen nur zwei Geschmacksrichtungen und die mehr oder weniger Einseitigkeit der Nahrung kann man als Nachteil ins Feld führen. Auf der anderen Seite ist das “Verspeisen” von einem Gel pro Stunde nicht weniger einseitig und für die Verdauung eine ebenso große Herausforderung. Hier wird man vermutlich immer darauf hinweisen müssen, dass Ernährung bei so einem Event immer schwierig und jedenfalls immer eine individuelle Angelegenheit sein wird, die man idealerweise mehrmals ausprobiert und über einen längeren Zeitraum für sich entwickelt.

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Der Regen hat aufgehört, es ist das, was man im Allgemeinen als „stille Nacht“ bezeichnet. Es ist finster, ruhig und die Menschen, die in den unbeleuchteten Häusern entlang der Straße schlafen, merken nichts von dem, was vor ihrer Haustüre vorgeht. Bei Hohenau ist das Rennen knapp 200 Kilometer alt, mehr als viele von uns in ihrem Leben als längste Ausfahrt vorweisen können. Immer wenn man im Betreuerauto von Müdigkeit übermannt wird, blickt man kurz durch die Windschutzscheibe und sieht vor sich Philipp, wie er ruhig aber ohne Unterlass in die Pedale tritt. Die Konsequenz und Beständigkeit, mit der er nach und nach die Kilometer abspult, ist beeindruckend und dieses Gefühl wird sich im Laufe des Rennens noch verstärken.

Von Hohenau geht es Richtung Süden, wobei sich auch entlang dieser Bundesstraße die landschaftlichen Reize eher in Grenzen halten. Sierndorf, Dürnkrut, Mannersdorf an der March und Marchegg vermögen nicht, die Monotonie der Nacht zu durchbrechen - einzig die bevorstehende Donauüberquerung bei Bad Deutsch-Altenburg und die langsam beginnende Morgendämmerung versprechen Abwechslung. Für Bruck an der Leitha wird uns per WhatsApp von der Rennleitung eine kurze Kontrolle des Rads und des Betreuerautos angekündigt. Nachdem alle Teams von dieser kurzen Anhaltung betroffen sind, hat keiner davon einen Nachteil zu befürchten und Sicherheitsaspekte stehen hier jedenfalls im Vordergrund. Eine richtige Kennzeichnung der Teilnehmer*innen ist sowohl für die Sicherheit der beteiligten Personen wichtig als auch für die Genehmigungsfähigkeit (und damit den Fortbestand) von Veranstaltungen wie dem Race Around Niederösterreich.

Ich bin in und rund um Baden aufgewachsen und habe dort auch einige Kilometer am Rennrad abgespult. Gemieden habe ich dabei möglichst immer die Bundesstraße 60, die von Götzendorf über Weigelsdorf und Pottendorf Richtung Wiener Neustadt führt. Meistens dicht bevölkert von PKW- und LKW-Lenkern, die eine bedrohlich niedrige Toleranzschwelle gegenüber Radfahrenden aufweisen, hat man in der Regel versucht, auf niederrangige Landstraßen oder andere Route auszuweichen. Während der Morgenstunden dieses Samstags ist dieses Thema glücklicherweise weniger dramatisch, die Kilometer bis nach Wiener Neustadt verlaufen ruhig und auch wenn sich statt Sonne wiederum Wolken breit machen, der neue Tag bringt auch neue Energien bei Fahrer und Crew. Durch Wiener Neustadt plagen wir uns an mehreren (roten!) Ampeln vorbei auf die längste Gerade des Race Around Niederösterreich (und vielleicht sogar Österreichs?) - die Neunkirchner Allee. Gut neun Kilometer gerade wie ein Strich liegt die B17 vor uns, Motivation bieten jedoch gelbe Blinklichter, die einige hundert Meter vor uns aufblitzen und nicht weniger als ein bevorstehendes Überholmanöver und damit einen gewonnen Platz im Rennen bedeuten.

Was wir im Betreuuerauto fast übersehen haben - es ist nach 6:30, gemäß Regelbuch ist also die Nacht vorüber und wir müssen nicht mehr wie ein Schatten hinter dem Fahrer unterwegs sein. Sogenanntes „Leapfrogging“ ist ab jetzt angesagt, also Vorfahren und auf den Fahrer warten, anfeuern, gegebenenfalls verpflegen - und weiter vorfahren. Wir nützen diese Möglichkeit auf dem Weg Richtung Semmering, der nächsten Timestation und Labe, außerdem so etwas wie der Wendepunkt des Rennens. Es schüttet mittlerweile - dass am Tag nach dem Rennen im Süden Niederösterreichs leichter Schneefall herrschen wird, hilft Philipp und uns in diesem Moment auch nicht weiter. Der Anstieg auf den Semmering ist nominell nicht der schwierigste, einzig auf einer Länge von knapp einem Kilometer liegt die Steigung bei rund 10%. Während sich Philipp Meter für Meter zur Timestation vor dem Hotel Panhans bei KM 376 vorarbeitet, stoppen wir kurz in Maria Schutz - ein (oder zwei) Krapfen vom Klosterwirt gehen immer! ;)

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Ab dem Semmering geht es in die niederösterreichischen Voralpen - Adlitzgräben (mit der berüchtigten „Kalten Rinne“), Reichenau, Höllental, Kalte Kuchl, Sankt Aegyd. Motorradfahrer, die ansonsten das Leben eines Radenthusiasten in dieser Region nicht unbedingt einfacher machen, bleiben bei diesen Wetterverhältnissen aus - der Regen hat zwar wieder einmal aufgehört aber „freundlich“ geht anders und die nassen Straßen sorgen dafür, dass es in diesem Fall eben „von unten“ nass bleibt.

Philipp ist nach wie vor gut drauf, spult seine Kilometer ab, tritt seine Watt. Silvia hat noch keine Minute geschlafen, kontrolliert gewissenhaft das Routebook und wacht über jede mögliche Streckenabweichung, Michael sitzt seit dem Semmering wieder hinter dem Lenkrad. Bei einer kurzen Pause (Richtig: Ensure und neue Trinkflasche) plaudere ich mit Philipp über seinen Zustand und die bevorstehende Strecke. Er ist vorab fast die komplette Strecke in irgendeiner Form abgefahren, die Prüfung namens „Gscheid“, die nun vor uns liegt, sagt ihm allerdings zu meiner Überraschung nichts. Mir schwant Böses, bin ich doch schon einmal gröber an diesem Anstieg gescheitert (mit weit weniger Kilometern in den Beinen als Philipp jetzt). Die Sorge ist allerdings unbegründet, auch diese Prüfung wird scheinbar problemlos abgespult. Mir fällt anscheinend innerlich ein Stein von Herzen, sodass mir - zurück im Auto - innerhalb von wenigen Sekunden und nach ca. 36 Stunden Wachsein die Äuglein zufallen. Mein Schlaf wird jäh von den Worten unterbrochen: „Trinkflasche, Ensure und frische Handschuhe!“ Ich greife zur Seite, springe aus dem Auto, erledige den Job, steige zurück ins Auto und bin in der Sekunde wieder eingeschlafen - ein gewisser Automatismus schein eingekehrt zu sein.

Ich wache bei einer Tankstelle in Ybbs wieder auf, muss mich kurz orientieren, Philipp fährt nach wie vor wie eine Maschine durchs Land. Das Auto wird getankt, Verpflegung für die Crew gekauft, die Strecke gecheckt - Philipp hat uns in der Zwischenzeit überholt und die Tatsache, dass wir (bei „normalem Autofahr-Tempo) mehrere Kilometer brauchen, um ihn wieder einzuholen, unterstreicht einmal mehr seine Leistungsfähigkeit (und natürlich auch die jeder/s anderen Sportler*in in diesem Rennen).

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Nach meiner Stunde Schlaf sind wir in Ybbs wieder an der Donau angekommen, haben mehrere Regionen Niederösterreichs durchquert, unterschiedliche Landschaften gesehen und kommen nun in noch eine neue Ecke. Alleine die Tatsache, welche Vielfalt sich in 600 Kilometern Strecke verpacken lässt, birgt einen Großteil der Magie solcher Veranstaltungen. Gut, etwas ähnliches ist grundsätzlich auch schon bei 150 oder 200 Kilometer-Runden möglich aber auf einer derartigen Länge, bei der zum Beispiel vier unterschiedliche Viertel eines ganzen Bundeslands durchmessen werden können, gehen sich schon einige Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse aus. Der Abschnitt von Ybbs Richtung Norden (und damit zurück Richtung Weitra im Waldviertel) ist zusätzlich reizvoll, weil es einen normalerweise nicht so schnell in diese Gegend verschlägt - keine größeren Städte, keine Verkehrsachsen, viel Landschaft, viel zu Entdecken.

Das Yspertal beginnt lieblich, die letzten 80 Kilometer bis zum Ende der Runde scheinen machbar und keine großen Fragezeichen aufzugeben. Philipp wirkt zuversichtlich, freut sich über das trockene Wetter und den damit versöhnlichen scheinenden Endspurt. Worte, die nicht ohne Folgen bleiben - das beginnende Waldviertel begrüßt uns mit kurzen aber unerbittlichen Anstiegen, nach jedem Hügel folgt zwar eine Abfahrt, die allerdings nur darauf wartet, durch den nächsten Anstieg abgelöst zu werden. Die Wege sind schmal, die Kurven eng - bei uns fährt die Sorge mit, was nach dem nächsten Hügel auf uns warten mag. Zu allem Überfluss und wie als Strafe für Philipps Zuversicht, öffnen sich auch wieder die Schleusen des Himmels und es schüttet die letzten 2,5 Stunden des Rennens wie aus Kübeln.

Man merkt Philipp die Anstrengung an, man könnte auch vermuten, „es freut ihn nicht mehr wirklich“… Seine Beine sind seit gut 22 Stunden in Bewegung, die verbleibenden 30-40 Kilometer klingen nach „schnell mal zu Ende fahren“, bedeuten aber im Grunde gleich viel, wie eine flotte Greifenstein-Runde. Und wieder versuche ich, mich an die Lektüre meiner Strasser-Bücher und die darin enthaltenen Pflichten der Begleit-Crew zu erinnern. Die für das Rennen eingerichtete WhatsApp-Gruppe mit Philipps Familie und Freunden versorgt uns mit Motivationsbotschaften aber es ist augenscheinlich, dass drastischere Maßnahmen notwendig sind. Stichwort „Christoph Strasser“: Der erfolgreichste (und gleichzeitig sympathischste) Ultra-Radler der Gegenwart ist nicht nur eines meiner Vorbilder sondern auch ein sehr großes für Philipp. Nach einer kurzen Nachricht vibriert mein Handy und eine Audiobotschaft von Christoph trudelt via WhatsApp ein. Fenster auf, Handy raus und auf Play drücken - Philipps Augen weiten sich, eine derartige Reaktion hätten wir mit unseren Anfeuerungen nie erreichen können. Für die letzten 10-15 Kilometer ist offenbar wieder etwas Energie gefunden. Philipp weist uns an, vorzufahren - er meint, damit wir ihn an der Ziellinie erwarten können, ich glaube eher, er möchte die letzten Kilometer alleine „genießen“. Das Schloss Weitra erscheint am Horizont, die letzten Meter rollt man bergab darauf zu.

Die Ziellinie zwischen Kreisverkehr und Raiffeisen Bank weist wenige prunkvolle Elemente auf, aber wie auch die Leistung auf der Strecke zu einem Großteil im Kopf passiert, ist auch die Ziellinie in erster Linie eine symbolische. Runter vom Rad, abklatschen, Decke über den durchnässten Fahrer, Tee. Wir wissen nicht, wie lange wir im Endeffekt gebraucht haben oder welche Platzierung Philipp erzielt hat. Es ist aber auch egal - bei Philipp und auch den anderen Fahrern, die sich im Zielbereich aufhalten, ist erkennbar, dass hier mehr passiert ist, als das profane Überfahren einer aufgemalten Ziellinie.

Meine Geschichte/Philipps Geschichte

Eine kurze Beichte: Nachdem ich nun diese Zeilen (wie immer recht planlos und ungeordnet) niedergeschrieben habe, überkommt mich das Gefühl, dass ich hier „meine“ Geschichte erzählt habe, obwohl ich eigentlich über Philipps Rennen schreiben wollte. Das stimmt zu einem gewissen Grad, als dies die einzige Perspektive ist, die ich zweifellos und wahrheitsgetreu wiedergeben kann. Was in einem Menschen vorgeht - sowohl physisch als auch psychisch, der eine derartige Distanz in einem runterkurbelt, kann ich beim besten Willen nicht wiedergeben. Es war für mich absolut beeindruckend, Philipp beim Erbringen seiner Leistung zuzuschauen, ihm zu helfen und ihn - im Rahmen meiner sehr begrenzten Möglichkeiten - zu unterstützen. Die Tatsache, dass ich zwischendurch einmal völlig weggeknickt bin und einfach nicht wach bleiben konnte und Philipp in dieser Zeit munter und fleissig weitergetreten hat, weckt in mir tiefe Gefühle des Respekts.

Es tut mir leid, aber ich bin nicht qualifiziert, hier Philipps Geschichte zu erzählen - dazu muss sich wohl jede*r selbst in den Sattel setzen und sich in ein derartiges Unterfangen begeben. Ich für meinen Teil, der ich ja laut Homepage des Race Around Austria für die Challenge im August angemeldet bin, „freue“ mich schon darauf, diese Erfahrung selbst sammeln zu können. Lernen konnte ich beim RAN einiges - vom Organisatorischen über Ernährungsfragen bis hin zu ganz elementaren Erkenntnissen wie zum Beispiel, dass 24 Stunden wirklich, wirklich lang sein können.

Veranstaltung

Das Race Around Austria (mit der Challenge rund um Oberösterreich) hat nun über mehrere Jahre vorgemacht, wie das Format erfolgreich umgesetzt werden kann. Georg und Christian haben mit dem Race Around Niederösterreich dieses Konzept mehr als erfolgreich auf ein weiteres Bundesland übertragen, einiges Neues hinzugefügt und ein absolut überzeugendes Gesamtpaket geschnürt, das bereits im ersten Jahr der Austragung eine große Meute an Radler*innen angezogen hat. Der Erfolg der Veranstaltung spricht auch für den Erfolg des Formas im Allgemeinen, den Hunger der Radfahrenden nach spannenden, herausfordernden und vielleicht auch etwas abenteuerlichen Formaten. Bei allen Marathons und Rennen, die es übers Jahr verteilt gibt, verstehe und teile ich auch den Wunsch, etwas „Anderes“ zu machen, weit statt schnell zu fahren, die Grenzen des Landes und des eigenen Körpers und Geists auszuloten.

Das Race Around Niederösterreich ist also gekommen, um zu bleiben und das ist gut so. Wer möchte als nächstes Bundesland einsteigen? ;)

Race Around Austria 2018

Zehn Mal Race Around Austria - die Geschichte des Rennens war in Sankt Georgen allgegenwärtig. Auf dem riesigen Screen im Startbereich waren die Meilensteine der bisherigen Historie zu sehen - die Erstbefahrung von Manfred Guthardt, die Jungfernfahrt des Rennens in der heutigen Form von Christoph Strasser vor zehn Jahren und die Sieger*innen der letzten Austragungen. Das Geburtstagsgeschenk machte man sich schließlich selbst - Österreichische Meisterschaften auf der Langstrecke und damit Meistertrikots, auf die viele der Teilnehmer hofften.

Die Veranstaltung selbst ist mittlerweile großartig eingespielt. Die Impressionen und Eindrücke, die ich beim RAA 2017 sammeln konnte, haben sich dieses Jahr bestätigt bzw. noch einmal verstärkt. Eine professionelle Organisation, die auch gleichzeitig eine der nettesten und sympathischsten im Veranstaltungskalender ist, entspannte und geerdete Teilnehmer, eine Gemeinde, die das RAA mit Haut und Haar mitträgt und damit insgesamt eine positive Stimmung, die sich auf alle Beteiligten überträgt - egal ob man die 2.200 Kilometer lange Extrem-Strecke fährt, entlang der Strecke fotografiert oder als Zuschauer das Spektakel genießt.

Ich habe mein RAA 2018 anders organisiert als im Vorjahr. War ich 2017 noch alleine mit dem Auto unterwegs - immer "auf der Jagd" nach Fahrern, um diese an möglichst spektakulären Orten abzulichten - war das Motto für dieses Jahr "Weniger ist Mehr". Weniger Kilometer im Auto, weniger Stress, weniger unterschiedliche Locations - mehr Überblick, mehr Kontrolle, mehr produktive Zeit. Die daraus entstandenen Fotos und Geschichten können daher immer nur Momentaufnahmen sein, Kurzberichte vom Start, von unterwegs und aus dem Ziel, fragmentarisch, punktuell aufgenommen aber dennoch (hoffentlich) einen recht umfassenden Eindruck des Race Around Austria vermittelnd.

Die Extrem-Strecke

Die Extrem-Strecke verläuft über eine Distanz von rund 2.200 Kilometern entlang der Grenzen Österreichs, dabei werden ganz nebenbei auch noch rund 30.000 Höhenmeter abgespult. Keine einfache Herausforderung - dementsprechend sind hier die Könner des Ultracycling-Fachs versammelt und all jene, die schon eine erkleckliche Anzahl an Kilometern in ihrem Radler-Leben gesammelt haben, um diese Herausforderung absolvieren zu können. Das Jahr 2018 war klimatisch und wettertechnisch deutlich besser als das Vorjahr - 2017 war das Rennen noch von Hitze, Unwettern, Hagel, Sturm, Regen und Schnee geprägt. Entsprechend schneller waren die Teilnehmer diesmal unterwegs, die erbrachten Leistungen damit allerdings um keine Deut geringer!

Anna Bachmann

Als Rookie am Start sprintete Anna geradezu vom Start weg auf die lange Strecke. Die erste Nacht wurde noch bei starkem Regen absolviert, das tat dem spannende Zweikampf mit Isabel Pulver allerdings keinen Abbruch. Wenn man das Tracking am Computer oder auf dem Smartphone verfolgte, so lagen die zwei Punkte der Fahrerinnen fast immer neben- oder sogar übereinander. Am Ende konnte sich Anna aber doch deutlich durchsetzen und rollte mit neuem Streckenrekord bei den Damen ins Ziel zurück in Sankt Georgen.

Markus Hager

Markus konnte im Vorjahr das Rennen für sich entscheiden und war dementsprechend mit der Startnummer "1" am Start in Sankt Georgen. Ich hatte das Glück, Markus im Sommer besser kennenzulernen und fieberte daher mit ihm mit, als er die Startrampe herunterrollte und auch jedes Mal, wenn ich ihm und seinem Team auf der Strecke begegnete. Seinen Vorjahressieg konnte er 2018 trotz besserer Fahrzeit nicht verteidigen. Der Zeitgewinn ist übrigens auch zu einem guten Teil auf den Umstand zurückzuführen, dass Markus (nach bereits atemberaubenden 40 Minuten im Vorjahr) dieses Mal "0" (in Worten: "NULL") Minuten geschlafen hat - in mehr als drei Tagen!  

Patric Grüner

Patric begleitete der Nimbus des ewigen Zweiten beim Race Around Austria, finishte er doch 2014, 2015 und 2016 jeweils "nur" auf dem zweithöchsten Treppchen. Auch bei der Ausgabe 2018 sah es längere Zeit nach einem guten aber eben nicht ersten Platz aus, sogar eine Beendigung des Rennens stand im Raum. Dann sah Patric den bis dahin Führenden - Rainer Steinberger - am Straßenrand stehen und aufgeben, sagte sich "Gegen den Markus Hager verliere ich nicht noch einmal" und riskierte. In einem Höllentempo durchquerte er sein Heimatland Tirol und machte sich als Führender auf in Richtung Ziel. Der Fluch des Zweiten war also gebrochen, Patric überglücklicher Sieger des Race Around Austria 2018. 2019 steht beim ihm das Race Across America am Programm - mit einem RAA-Titel in der Tasche macht die Vorbreitung darauf sicher noch mehr Spaß!

Philipp Reiterits

Immer wieder denke ich gerne an das Kennenlernen mit Philipp zurück, als Jan und ich im Mai 2016 am Glockner auf einen Radler mit RAA-Kapperl gestoßen sind. Seitdem durfte ich letztes Jahr seine Premiere auf der 1.500er-Strecke bewundern, ihn besser kennenlernen und auch seine Vorbereitungen auf den diesjährigen Start auf der Extrem-Strecke mitverfolgen. Philipp hat das Rennen stark gestartet, musste in Vorarlberg jedoch aufgrund eines sogenannten "Shermers Neck" absteigen. Dabei ermüdet die Nackenmuskulatur dermaßen, dass man den Kopf nicht mehr hochhalten kann. Philipp hat allerdings bereits nach wenigen Tagen seinen Start beim RAA 2019 angekündigt - ich freue mich schon jetzt, ihn wieder auf der Startrampe und auf der Strecke zu treffen.

4er-Teams

Die Viererteams waren 2018 zahlreich vertreten, war dies doch eine der Kategorien, in denen ein Meistertrikot zu gewinnen war. Glamour erhielt die Startbühne durch den Start des "Hill Racing Teams", sportlich konkurrierte dieses das ganze Rennen über mit dem Team "CLR Sauwald Cofain 699" - letzteres konnte am Ende den Bewerb für sich entscheiden.

Die Challenge

Die 560 Kilometer rund um Oberösterreich gelten als "Einstiegsdroge" in den Ultra-Radsport und bieten eine gute Gelegenheit, das Ganze einmal auszuprobieren. Dementsprechend ist viel los auf der "kurzen" Strecke und es tummeln sich zahlreiche - auch bekannte - Gesichter auf der Startrampe. Zu allem Überfluss dürfte ich Michi Nussbaumer - dem Veranstalter des RAA höchstpersönlich - meine Teilnahme im nächsten Jahr zugesagt haben - so sehr lässt man sich von der tollen Stimmung am Start mitreissen.

Christoph Strasser

Über "Straps" braucht man nicht mehr allzu viele Worte verlieren - er ist der Großmeister des "Weitradlfoarns" (wie es einer seiner Hashtags ausdrückt). Mit nach eigenen Angaben noch etwas müden Beinen ist er von seinem fünften Race Across America-Sieg nach Oberösterreich gekommen, um das Staatsmeistertrikot auf der Langdistanz zu gewinnen. Fragen nach Sieg und auch Streckenrekord spielte Christoph zu Beginn noch herunter - tatsächlich kann auf der kurzen Strecke der Challenge schon ein falsches Abbiegen oder ein technischer Defekt über den Sieg entscheiden. Am Ende war es dann der erwartete Sieg auf der Challenge mit einer fabelhaften neuen Rekordzeit, die wohl in den nächsten Jahren keiner knacken wird können. Und jedes Mal, wenn ich Christoph treffe, bin ich wieder positiv überrascht, wie normal, geerdet und sympathisch er ist - trotz oder gerade wegen seiner Erfolge. In Kürze wird es übrigens auf 169k mehr von Christoph und seiner gerade erschienenen Biographie "Der Weg ist weiter als das Ziel" zu lesen geben.

Barbara Mayer

Im Palmarés von Babsi leuchtet 2018 alles bronze, silber und golden - egal ob Staatsmeisterschaften Straße, Zeitfahren, Mountainbike, Salzkammergut-Trophy... Alles was Barbara angeht, endet erfolgreich - und die WM im September kommt ja erst noch. In fabelhafter Rekordzeit umrundete sie Oberösterreich und sicherte sich damit das Staatsmeistertrikot. Und dabei war immer ein Lächeln auf ihren Lippen zu sehen - so vermittelt man Freude am Sport und an der Leistung! Meine tiefe Verneigung!

geradeaus.at

Tina und Andy bloggen gemeinsam als geradeaus.at über ihre Erlebnisse, denen sie mit der RAA-Challenge im Jahr 2018 ein großes Kapitel hinzugefügt haben. Das ganze Jahr über konnte man auf ihrem Blog alles über Training, Equipment, Vorfreude aber auch die Schattenseiten der Rennvorbereitung lesen. Am Tag X lieferten die beiden dann eine großartige Leistung ab und bewiesen am meisten sich selbst, was alles möglich ist. Ein erster emotionaler Rückblick ist auf der Seite geradeaus.at nachzulesen.

Team Chase

2017 waren sie noch als Team Chase gemeinsam am Challenge-Start, für 2018 hatte man sich ein Rennen Mann gegen Mann - Felix gegen Berni - zurechtgelegt. Die Vorbereitung verlief jedoch nicht ganz so (gleichmäßig) wie geplant, dementsprechend wurde es nicht das Rennen gegeneinander sondern "nur" gegen die Zeit und die anderen Teilnehmer. Felix konnte sich - mit einer Zielankunft an seinem Geburtstag - zudem den großartigen vierten Platz sichern. 

Die 1500er

Die mittlere Runde führt über 1.500 Kilometer entlang der Grenzen des Landes, spart aber den Westteil Österreichs aus. Logistisch und vom Timing her war das Fotografieren der 1.500er eine Herausforderung, vor die Linse bekam ich großteils nur das Führungsduo Franz Scharler und Christian Gammer. Letzterer konnte das Rennen für sich entscheiden und wurde in Sankt Georgen als Sieger gefeiert.

Lesachtal

Großglockner

Exkurs: Rennradfahren rund um Sankt Georgen

Wer so wie ich etwas früher Richtung Attersee reist, kommt außerdem noch in den Genuss großartiger Rennradstrecken. Entlang der wunderschönen Seeufer (Atter-, Mond-, Wolfgang- und Fuschlsee) ist der Verkehr zugegebenermaßen ein kleiner bis mittelgroßer Spaßhemmer, wer sich aber "eine Reihe nach hinten" begibt, kommt in den Genuss menschen- und autoleerer Güterwege, pittoresker Landschaften und herausfordernder Höhenmeter. Als Abschluss hier ein paar Bilder zur Inspiration - Oberösterreich, Attergau, Race Around Austria, wir sehen uns spätestens im August 2019!

Race Around Austria 2018 - II

Es geht weiter mit der Vorberichterstattung zum extremen Rennen rund um Österreich bzw. entlang der österreichischen Grenzen. Waren beim ersten Posting die Mannen vom Team Chase im Schweinwerferkegel, so geht es in diesem Beitrag um die Ursprünge des "RAA", die Organisation und einen Teil der Strecke. Da aber ohne Fahrer*innen bekanntlich gar nichts geht und das beste Rennen erst durch seine Teilnehmer*innen zu wahrem Leben erwacht, kommen natürlich auch diesmal die Menschen nicht zu kurz. Aber der Reihe nach...

Zeitmaschine - 1988 

Foto: Race Around Austria

Genau vor 30 Jahren wurde dieses Bild aufgenommen. Es zeigt Manfred Guthardt am höchsten Punkt der Strecke - dem Hochtor am Großglockner. Er war zu diesem Zeitpunkt dabei, sein Projekt "Rund um Österreich" zu realisieren. Er nahm sich dabei neun Tage Zeit, teilte die Strecke in entsprechende Etappen und nahm sich damals noch etwas mehr Zeit für die Nachtruhe. Dafür fuhr er penibel jede Grenzstraße Österreichs ab - während das heutige Race Around Austria "nur" mehr die grenznahen Straßen befährt und auf Sackgassen und Umwege weitgehend verzichtet. Nach etwas mehr als 2.600 Kilometern war Guthardts Projekt vollendet, der Grundstein für das Race Around Austria gelegt.

2008 wurde die Idee wieder aufgenommen, Christoph Strasser begab sich auf die Spuren des Jahres 1988 und umrundete Österreich in knapp 100 Stunden. 2018 - zehn Jahre später - steht nun die zehnte Ausgabe des RAA auf dem Programm, in voller Blüte und mit den Strecken, wie wir sie seit einigen Jahren kennen und lieben. Und bei Manfred Guthardt schließt sich dabei wieder der Kreis. Wenn einer die Idee für ein derartiges Projekt hat und sich dafür dermaßen akribisch an die Routenplanung macht, dann ist er prädestiniert dafür, Streckenchef des Race Around Austria zu sein! Wer also im August in Sankt Georgen am Attergau auf Manfred trifft, sollte sich jedenfalls einige seiner Geschichten anhören und staunen.

Mühlviertel

Standortwechsel nach Schöneben im Mühlviertel. Der Tag beginnt auf 920 Metern Höhe - wenige Meter weiter die tschechische Grenze, über uns der Aussichtsturm mit Blick auf den Moldaustausee und angenehme Temperaturen. Das Hotel Innsholz steht für Urlaub, Ausflug, Radfahren und allerlei Annehmlichkeiten im wunderschönen Böhmerwald. Die Leidenschaft fürs Weit-Radeln wird hier gelebt - Inhaber Peter Gruber ist der einzige Radler, der bis dato alle unterschiedlichen Strecken des Race Around Austria bestritten hat. Dass er dabei fast durchwegs auf dem Stockerl gestanden ist, sollte man ihm sehr hoch anrechnen und ihn dementsprechend nicht unterschätzen, wenn er in Radmontur neben einem steht. Als Sponsor des Race Around Austria trägt er außerdem auch abseits seiner sportlichen Leistungen zum Gelingen des Rennens bei. 

Schöneben klingt schön und eben - schön ist es, wunderschön sogar. Der Eiserne Vorhang war hier jahrzehntelang quasi vor der Haustür, von der einstigen Randlage in Österreich ist man aber geografisch ins Zentrum Europas gerückt. Erhalten blieb aber eine gewisse Unschuld und eine wild-romantische Landschaft. Gemeinsam mit den angrenzenden Alm- und Wiesengebieten Tschechiens, dem hügeligen Mühlviertel, pittoresken Stauseen und kleinen Ortschaften fällt es schwer, sich hier nicht wohl zu fühlen. "Eben" ist es allerdings nicht in Schöneben, bzw. braucht es einiges an Energie und Leidensfähigkeit, zum Hotel Innsholz zu kommen. Knapp 400 Höhenmeter auf gut drei Kilometern muss man von Ulrichsberg aus hinter sich bringen, bevor man sich wohlverdient auf die Hotelterrasse fallen lassen kann. 

Stiche wie diese waren es, die Manfred Guthardt auf seiner RAA-Erstbefahrung durchwegs mitgenommen hat - anstrengend aber der Mission geschuldet, die grenzen des Landes auszuloten. Heute fährt das RAA "unten" in Ulrichsberg durch - auch wenn derartige Prüfungen nicht mehr am Programm des Rennens stehen, stellt das Mühlviertel doch die erste große Prüfung des Rennens dar. Auf der langen Strecke des RAA werden hier die ersten paar tausend Höhenmeter gesammelt. Michael Nußbaumer - Organisator des Race Around Austria - erzählt oft und gerne von Teilnehmern, die sich im Glauben in Sicherheit wiegen, dass die ersten Anstiege beim Großglockner kommen. 

RAA-Weekend

Bleibt noch der Grund warum sich hier im Innsholz in Schöneben ein paar verrückte Radler*innen treffen - es ist quasi ein Feriencamp für RAA-Teilnehmer und Freunde, das hier stattfindet und die Besetzung lässt wenig zu wünschen übrig.

Darunter Markus Hager aus Bayern, der im Jahr 2017 bei seiner dritten Teilnahme den Sieg auf der Extrem-Strecke einfahren konnte. In spannenden Erzählungen und einem Vortrag am Abend teilt er gerne seine Erfahrungen, Erkenntnisse und Tipps mit Interessierten und Aspiranten. Lernen kann man dabei einiges, sich abschauen auch ein paar Dinge. Ob man allerdings auch alles so machen kann und will ist die andere Sache. Hager fuhr bei seinem Sieg rund 90 Stunden rund um Österreich, dabei legte er ganze drei Schlafpausen ein - diese dauerten jeweils unfassbare zehn Minuten. Während sich also meinereiner in der Früh noch einmal umdreht und wartet, bis das Telefon oder der Wecker erneut zu klingeln beginnt, hat sich Markus Hager in dieser Zeitspanne dermaßen erholt, dass er wieder fit genug ist, ein paar hundert Kilometer weiter zu radeln. 

Bewundernswerter ist aus meiner Sicht aber noch die Herangehensweise von Markus. Training erfolgt bei ihm regelmäßig aber verhältnismäßig unstrukturiert - ohne Trainingsplan, ohne Wattmessung, dafür mit Freude an der Bewegung und Spaß an der Sache. Das soll natürlich kein Freibrief sein, nur so vor sich hin zu fahren oder zu leben, aber zumindest für mich persönlich ist es irgendwie beruhigend, zu wissen, dass es auch ohne überbordendes "Zerdenken" und mit Spaß an der Sache geht.

2018 ist Markus wieder am Start, bereit für die Titelverteidigung des Race Around Austria. Hier bekommt er dieses Jahr allerdings Konkurrenz von Philipp Reiterits. Jan und ich waren im Mai 2017 auf dem Weg zum Hochtor, als wir auf den leeren Straßen auf einen anderen Radler trafen, der sich knapp vor uns die Straße hocharbeitete. Das Race Around Austria-Cap unter seinem Helm interpretierten wir als Einladung, über Radfahren, das RAA und unser aller Projekte zu plaudern. Wir machten ein paar Fotos als Erinnerung und wenig später trennten uns unsere Wege wieder. Jan und ich fuhren wieder zurück, Philipp setzt seine RAA-Streckenerkundung fort. Ich traf Philipp am Start des RAA im August wieder, auf der Startbühne, bereit seinen Traum umzusetzen. Philipp fuhr 2017 die 1.500 Kilometer lange Strecke, lernte dabei "Ultracycling" aus der ersten Reihe kennen - Hagel und Unwetter inklusive. 2018 geht er auf die 2.200 Kilometer lange Reise des RAA Extrem, gut vorbereitet und überlegt.

Tina und Andy sind den meisten am besten bekannt als "geradeaus.at" - dort betreiben sie einen Radblog und bieten Einblicke in ihre Touren, ihr Leben auf und neben dem Rad und garnieren das ganze mit großartigen Fotos. Die beiden haben sich Anfang des Jahres dafür entschieden, als Paar die RAA Challenge zu bestreiten - gut 560 Kilometer rund um Oberösterreich. Die Challenge stellt im Allgemeinen die Einstiegsdroge ins RAA-Universum dar - legal und in der Regel auch nicht ungesund. Auf ihrem Blog kann man alles über die intensiven Vorbereitungen für ein derartiges Vorhaben erfahren, eine Vorstellung vom notwendigen Trainingspensum bekommen, aber auch viele organisatorische Fragen (und die Antworten darauf) finden. 

169k beim Race Around Austria

Mich fasziniert seit jeher die Bewältigung längerer Strecken mit dem Rad. Letztes Jahr hatte ich die Möglichkeit, als fliegender Reporter mit Kamera und Laptop durchs Feld zu pflügen, die Protagonisten kennenzulernen und die Stimmung in mich aufzusaugen. Und ich für meinen Teil kann jedenfalls behaupten, mit dem RAA-Virus infiziert zu sein. Sobald ich im Raum mit Teilnehmer*innen bin, bekomme ich Lust darauf, mich anzumelden. Auch wenn ich Geschichten über Schlafentzug, lange Nachtschichten oder Schlechtwetter höre, mindert das nicht meine Motivation, in der Sekunde aufs Rad zu steigen. 

Nächstes Jahr werd ich dem Ruf wohl folgen. Dieses Jahr greife ich aber zuvor nochmal zur Kamera. Im August, im wunderschönen Attergau - mit hunderten anderen, deren Adrenalin und Enthusiasmus wieder auf mich überschwappen und ich werde wieder mit jedem und jeder einzelnen mitfiebern, als wenn es mein eigenes Rennen wäre! Ich freu mich schon!