King of the Lake 2020

Dass ich hier am Attersee um 15:26 auf der Startrampe stehe - übrigens fast auf die Minute die gleiche Startzeit wie beim Race Around Austria ein Monat früher - ist im Jahr 2020 nichts Selbstverständliches. Und dass die Atterbiker unter der Leitung von OK-Chef Erwin Mayer alles erdenklich Mögliche in die Wege geleitet haben, um den großartigen King of the Lake nicht zum Corona-Opfer werden zu lassen, ist ihnen sehr, sehr hoch anzurechnen. Angesichts steigender Infektionszahlen und strengerer Maßnahmen war es doch eine Zitterpartie für den Veranstalter, der neben Festzelt, großen Siegerehrungen und Ziellabe auch Dinge wie die große Videowall im Zielbereich zum Opfer gefallen sind.

Dabei kommt dem King of the Lake sein ureigenstes Konzept zugute, das ihn auch weltweit so einmalig macht - das Einzelzeitfahren, mit Betonung auf ein coronafreundliches “Einzel”! Alleine schon die Abstandsregeln beim Überholen und das strikte Windschattenverbot implizieren einen infektionsmindernden Mindestabstand zwischen den Teilnehmenden.

Außer der gestaffelten Abholung der Startunterlagen, den strengen Zutrittskontrollen zum Startbereich und dem fehlenden Sich-gegenseitig-vor-dem-Start-wahnsinnig-machen ist alles beim Alten. Der See ist noch immer wunderschön, das Wetter - jetzt schon ein fast bedrohliche Strähne lang - schön, die Straße um den See für den Verkehr gesperrt. Und auch der Reiz der 47,2 Kilometer langen Strecke, den eigenen FTP-Wert auf seinen Realitätsgehalt zu überprüfen ist noch immer da. Fast 1.400 Starterinnen und Starter sind auf der Nennliste angeführt, erstmals dabei ist zum zehnjährigen Jubiläum des “KOTL” eine Kategorie für 10er-Staffeln.

Reduziert aufs Maximum

Es ist der KOTL an sich schon eine reduzierte Sache - im Sinne des einsamen Kampfes, der klaren Aufgabenstellung und der Tatsache, dass es nicht wirklich Ausreden und Ausflüchte gibt. Unter dem Corona-Regime ist das Konzept noch einmal gestraffter. Man geht zum Start, kämpft sich um den See, schnappt nach der Ziellinie kurz nach Atem und fährt wieder vom Start-/Zielbereich weg. Das mag einsam und unromantisch klingen, ist es aber in keinster Weise, vielmehr spiegelt es ganz gut den Kampf gegen sich selbst wider, den man beim KOTL zu führen hat.

Man trifft sich danach ohnehin mit seinen Freunden, Kollegen oder Partnern, spricht über das Geschehene, vergleicht die Leistungen und denkt darüber nach, was man vielleicht noch anders hätte machen können. Gut, im Festzelt ginge das in größerer Runde, zwangloser und feucht-fröhlicher. Aber aus meiner Sicht ist es absolut verkraftbar, in diesem Jahr auf das Zelt zu verzichten, wenn das heißen würde, dass es den KOTL sonst gar nicht geben würde.

Das Rennen

Die bekanntermaßen flachere und einfachere erste Hälfte der Strecke lädt zum Über-Pacen ein. Man fühlt sich noch frisch, der Wind unterstützt zumeist etwas und man fühlt sich an, als würde man die Welt niederreißen. Nach 20 Kilometern ist man am Südende des Sees angelangt und die kleinen Hügel beginnen, zuerst harmlos und zum Drüberrollen, dann mit der Umfahrung Unterach der erste “richtige” Anstieg. Spätestens hier bekommt man dann zum ersten Mal eine Indikation, wie der Körper an diesem Tag wirklich tickt. Und es befällt einen die erste Ahnung, dass die restlichen 20 Kilometer wohl nicht die angenehmsten des Tages werden dürften. Direkt am Ufer fährt man den See entlang, der Wind kommt nun von schräg vorne - die Straße ändert ständig die Richtung, der Wind ebenso.

In Parschallen wartet die aus meiner Sicht schwerste Prüfung des gesamten Kurses, die zuerst noch schmierend ansteigende Straße endet in einem kurzen Stich hinauf in den Ort. Für mich ist das jedes Jahr der größte Rhythmusbrecher und so etwas wie der Anfang vom Ende. Zell, Nussdorf, Altenberg, Attersee und Unterbuchberg vollstrecken dann eigentlich nur noch, was zuvor schon begonnen hat. Es sind keine langen Anstiege sondern vielmehr kleinste und kleine Rampen, schmierende Abschnitte, die hier sukzessive und nachhaltig alles aus den Beinen ziehen, was da eventuell noch vorhanden wäre.

Und während ich auf den ersten 30 Kilometern des Rennens gefühlt noch ganz gut dabei war, sinken meine Wattzahlen und meine Durchschnittsgeschwindigkeit mit beeindruckender Konsequenz und Schnelligkeit nach unten. Das langsame Sterben manifestiert sich auch an den immer zahlreicheren Fahrerinnen und Fahrern, die an mir vorbeirauschen - wer hier noch fest aufs Pedal drückt, hat entweder sehr gut trainiert oder sich das Ganze auch um einiges besser eingeteilt. Oder beides.

In Buchberg wartet noch der berüchtigte Stich mit 13%, der zwar nominell abschreckt, wenn man aber mit einem gewissen Tempo dorthinkommt, kann man sich mit einigen festen Tritten recht souverän über den Hügel retten. Danach ist man gefühlt schon fast im Ziel, muss nur noch beim Hotel Attersee bei der Einfahrt nach Seewalchen Fassung bewahren und danach ins Ziel hinunterrollen. Die gut verteilt stehenden Zuschauer*innen sorgen dafür, dass man auf den letzten Metern noch einmal in den Oberschenkeln nach ein paar Watt sucht und dann ist es auch schon wieder vorbei.

Wunden lecken?

1:17:39 sind 40 Sekunden langsamer als meine Zeit von 2019. Letztes Jahr hatte ich weniger Jahreskilometer in den Beinen, war generell etwas schlechter drauf und hatte auch mehr Probleme mit der Position am Zeitfahrer. Insofern bin ich mit meiner 2020er-Zeit nur bedingt zufrieden oder hätte mir eigentlich eine Verbesserung erwartet. Ausreden hätte ich genug bzw. hab ich mir die schon haufenweise während der letzten Kilometer des Rennens zurechtgelegt: Zu viele Ausdauer-Kilometer fürs Race Around Austria trainiert, stressige zwei Wochen vor dem Rennen gehabt, zu wenig gegessen vor dem Start und natürlich immer der Wind (diesmal nicht - wie gewohnt - recht gerade aus dem Norden sondern seltsam schräg und etwas drehend).

Aber eigentlich brauche ich gar keine Ausrede. Ich bin sehr froh, dass der King of the Lake 2020 überhaupt stattgefunden hat und schätze das Engagement und das Durchhaltevermögen des Veranstalters sehr, sehr hoch! Ob es für mich am Ende der 455. Platz ist oder der 369. oder der 214. ist nebensächlich. Ich möchte - wie immer - mit mir selbst zufrieden sein und wenn man weiß, was man (theoretisch) noch besser machen könnte, kann man auch leichter damit umgehen. Ob man die Lust und Energie hat, diese theoretischen Potentiale auch zu heben, ist Geschmackssache.

Diejenigen, die sich mit solchen profanen Fragen nicht auseinandersetzen (müssen), waren auch dieses Jahr wieder schnell und sehr schnell unterwegs. Kurz vor Renn-Ende sah es schon danach aus, als würden alle Kings und Queens des Vorjahres ihre Kronen behalten dürfen, bis ganz am Ende dann mit Tobias Häckl ein neues Gesicht ganz oben stehen durfte.

2021?

Wie es mit Corona weitergeht, wissen wir alle noch nicht. Dass ich bei einem King of the Lake 2021 wieder am Start stehen möchte, weiß ich jedoch mit absoluter Sicherheit! Und jetzt wo die Race Around Austria Challenge von meiner Bucket List gestrichen ist, entsteht plötzlich Raum für etwas Neues - vielleicht ein paar mehr Stunden auf dem Zeitfahrer und etwas zielgerichtetes Training auf die Stundenbelastung? Wer weiß… ;)

Disclaimer

Die Teilnahme erfolgte auf Einladung des Veranstalters.

Fotos: Eigene und Sportograf

Die Fotos, die ich vor und nach meinem Rennen gemacht habe, sind auf der Facebook-Seite von 169k in einem Album gesammelt!

Race Around Austria - Challenge "Unsupported"

(Autor: Race Around Austria)

Oftmalig wurde der Wunsch vieler Athleten an uns herangetragen, das Race Around Austria auch “unsupported”, also ohne Betreuer und Begleitfahrzeug zu absolvieren. Schon alleine aufgrund von Sicherheitsbedenken haben wir bisher immer davon Abstand genommen, ein Rennen mit einer Länge zwischen 560 und 2.200 Kilometer ohne Betreuer auszutragen. Richtig ernsthaft befasst haben wir uns mit diesem Thema dann zu Jahresbeginn 2019, zumal die Rennen in Europa vermehrt auch eine derartige Kategorie anbieten. In Italien ist dies schon länger der Fall, auch die Tortour in der Schweiz ermöglicht eine unbegleitete Teilnahme an der Challenge seit geraumer Zeit.

Für uns als Veranstalter war klar, dass wir eine solche Kategorie nur dann andenken, wenn wir Sicherheitsbedenken auf ein absolutes Minimum reduzieren können. Dazu zählt einerseits die Ausrüstung, andererseits aber auch ein sinnvoller Modus und eine 100%ige Sicherheit hinsichtlich technischer Voraussetzungen. Wir führten einerseits zu diesem Thema Gespräche mit unserem GPS-Partner Perfect Tracking und überlegten uns gemeinsam mit dem Amt der OÖ Landesregierung, ob eine Durchführung rechtlich möglich und genehmigungsfähig ist, denn das RAA ist ein Rennen und daher auch mit zahlreichen Auflagen genehmigungspflichtig. Gleichzeitig klärten wir mit der Landespolizeidirektion ab, welche Ausrüstung am Rad erforderlich sein muss und holten hier eine Stellungnahme ein. Vor allem die Nachtfahrt in entlegenem Gebiet ohne notwendige Infrastruktur und Versorgungsmöglichkeit zwischen 19:00 Uhr und 07:00 Uhr stellt nicht nur Organisation, sondern auch Teilnehmer vor eine Herausforderung. Natürlich benötigt es dazu auch ein Sicherheitskonzept: Was tun, wenn es einen Tag lang stark regnet und die Temperaturen stark fallen? Auch hier ist man als Veranstalter gefordert, egal ob ein Teilnehmer mit oder ohne Begleitfahrzeug unterwegs ist.

Zur „Pro“-Entscheidung haben uns mehrere Aspekte bewogen:

• GPS-Tracker für 30h am Rad: Von unserem GPS-Dienstleister gibt es ausfallsichere, autarke und gleichzeitig leichte GPS-Geräte, die am Rad fixiert werden können und mit akzeptablem Gewicht (ähnlich eines Mobiltelefons) idente Sendeleistungen und Sendeintervalle wie unsere herkömmlichen Tracker besitzen. Im Falle eines wirklichen Ausfalls können wir auf Standortapps zurückgreifen. Das Mitführen eines Smartphones mit Powerbanks ist unbedingt erforderlich.

• Ein praktikabler Startmodus: Die Challenge Unsupported wird vor der eigentlichen RAA Challenge, und zwar um 15:00 Uhr gestartet. Sollte es also zu Notfällen auf der Strecke kommen, kann man damit rechnen, dass auch in entlegenen Gebieten jemand vor Ort ist und ein gewisser „Betrieb“ herrscht.

• Nicht zuletzt sind mittlerweile die Licht- und Navigationsgeräte technisch weit ausgereift.

• Ein Depot bei Halbzeit des Rennens: Schon bei der Planung wurde uns klar, dass das Credo „Eine Tankstelle hat in Österreich zwischen 06:00 Uhr und 22:00 Uhr offen“ nicht unbedingt Gültigkeit hat. Viele Tankstellen wurden auf Automatentankstellen umgestellt, die meisten schließen an unserer Strecke bereits um 19:00 Uhr. Spätestens nach unserer Testfahrt sind wir uns sicher, dass die Möglichkeit, bei Start und Ziel eine Kiste befüllen zu können, die dann bei der Firma Hrinkow Bikes in Steyr hinterlegt werden kann, eine wichtige – auch sicherheitstechnische – Komponente mitten in der Nacht ist, vor allem dann, wenn das Wetter nicht mitspielt. Das Depot ist auch für die Rennleitung wichtig: Während beim Rennen mit Begleitfahrzeug die Crew jederzeit entscheiden kann, ob der Teilnehmer die Fahrt fortsetzen kann, ist dies beim Unsupported-Rennen nicht der Fall. Alleine deshalb ist zumindest ein Checkpoint gerade zu dieser Uhrzeit notwendig.

Nicht zuletzt wollten wir die Challenge Unsupported auch testen, deshalb haben wir vergangenes Wochenende (12/13. Oktober) unseren Moderator Oliver auf die Strecke geschickt. Begleitet wurde er von einem Media Car, das aber nicht in die Fahrt eingriff und keine Betreuungsaufgaben übernahm.

Trotz Oktober hatten wir für die Testfahrt unnatürlich schönes und trockenes Wetter. Klar ist, dass ein Unsupported-Rennen gerade bei Regen extrem werden kann. Die Temperaturen waren auch in der zweiten Nachthälfte noch erträglich und nur knapp unter dem zweistelligen Bereich. Kein Regen, kein Nebel, im Gegenteil: Am Morgen wehte kräftiger Südföhn, der vor allem vom Hengstpass bis Kirchdorf unser Versuchskaninchen ordentlich beschleunigte. Das waren zugegebenen Normbedingungen, mit denen man beim Rennen selbst nicht unbedingt rechnen kann.

Trotzdem konnten wir für unsere ersten Unsupported-Teilnehmer einiges mitnehmen:

Bekleidung

Das Depot in Steyr eignet sich für das Hinterlegen von Bekleidung (mit Ausnahme bei Regenwetter) kaum, höchstens als Backup. Generell muss die Bekleidung für das Rennen wohl sehr kurzfristig gewählt werden, nachdem man aber im August wohl damit rechnen kann, dass man sich um 20:30 Uhr für die Nacht, und um 08:00 für den Tag an- und umziehen muss, ist alles an Bekleidung am Rad mitzuführen. Zuviel Risiko würden wir nicht eingehen, aber ob Regen oder nicht, darauf kann man sich mit einer guten Vorschau sicher einstellen.

Verpflegung

Wie oben schon erwähnt ist die Servicedichte auf der Strecke sehr eingeschränkt, auch am Tag. Hier heißt es vorausplanen und ein gutes Konzept zurechtlegen. Gesehen haben wir, dass jeder Supermarktbesuch wirklich viel Zeit kostet. Hier kommt wieder unser Depot ins Spiel, das so ausgelegt wurde, dass man sich mitten in der Nacht, genau bei Halbzeit die Taschen wieder gut füllen kann und mit der entsprechenden Ernährung möglicherweise sogar bis zu 200km weit kommt. Schwierig könnte allerdings auch die Suche nach Trinkwasser werden. Die Brunnendichte ist keine hohe, die meisten Ortsbrunnen sind mit „Kein Trinkwasser“ versehen. Ein Tipp sind mitunter Friedhöfe, hier gibt es oft eine Füllmöglichkeit. Auch hier heißt es: Gut planen, denn oftmalig kommt man gar nicht in Ortszentren, sondern fährt auf Umfahrungen, abseits von Geschäften.

Taschen

Sehr bewährt hat sich die große Satteltasche und die Tasche am Oberrohr.

Beleuchtung und Strom

Vorgeschrieben sind zwei Garnituren Licht. Je heller desto besser, vor allem beim Rücklicht. Mit der Strecke am Computer gab es kaum Navigationsprobleme, wenn man sich die Strecke zudem gut einprägt, erwischt man auch intuitiv schnell die richtige Abzweigung. Ohne ordentliche Powerbank geht sich die Navigation am Computer allerdings nicht aus. Auf das Routebook als Backup wurde kaum zurückgegriffen, viel mehr wurde es dafür genutzt, sich hinsichtlich Kilometer zu orientieren. Eventuell schadet hier eine eigene Marschtabelle am Oberrohr nicht.

Sichtbarkeit

Auch hier gibt es die klassischen RAA-Regeln und zusätzlich notwendige Ausrüstung (permanente Warnweste, auch am Tag). Mit unserem Media-Car haben wir aber gesehen, dass man gerade auf den Beinen, an den Rohren und am Helm (!) nie genug gute Reflektoren haben kann. Kein Autofahrer rechnet um 03:00 Uhr mit einem Radfahrer, zusätzliche Leuchtaufkleber schaden daher nie. Bei Warnwesten ist darauf zu achten, dass diese mit zahlreichen Reflektoren versehen ist. Ein gelber Anstrich alleine ist in der Nacht nicht sichtbar, hier zählt alleine die Reflektorfläche. Nachträglich würden wir sicher auf einen Warngurt zurückgreifen, der z.B. auf Amazon gut erhältlich ist, weniger Wind-Angriffsfläche hat und besser reflektiert als der bekannte Warnlatz, den man auf den Bildern sieht. Zudem ist er stufenlos einstellbar und je nach Bekleidung (Hitze mit 30°C oder mit einer Jacke) gut zu tragen.

Okt. 12 2019 DSCF6057.jpg

Dass das neue Format eine durchaus interessante Kategorie werden wird, davon sind wir nach unserer Testfahrt jedenfalls überzeugt. Nicht als Konkurrenz zur klassischen Challenge, vielmehr als Ergänzung und Möglichkeit, mit weniger technischem Aufwand beim Race Around Austria dabei zu sein. Mit einem klaren Fokus auf den Finishergedanken. Wir freuen uns auf 2020!

Daten und Fakten

CHALLENGE UNSUPPORTED
Modus: Einzelstart ohne Windschatten, ohne aktive Hilfe von außen, 1 Depot bei KM 330
Start: Mittwoch, 12. August 2020 (voraussichtlich 15:00-16:00 Uhr) im Minutentakt
Ort: St. Georgen im Attergau
Länge: 563km
Karenzzeit: 29 Stunden (1 Stunde mehr als bei der klassischen Challenge)
Erforderlicher Schnitt: 19,41 km/h
Kontingent: Max. 50 Solostarter
Anmeldestart: 15. Februar 2020, 09:00 Uhr

Infos: www.racearoundaustria.at

Race Around Austria 2019

Es war die 11. Ausgabe des Race Around Austria und meine dritte. Nachdem ich 2017 und 2018 - mit meinen Kameras ausgestattet – durch die Lande gerast bin, mit der Livetracking-Seite auf dem Telefon geöffnet, immer Ausschau haltend nach den Fahrerinnen und Fahrern, idealerweise auch noch an einer fototechnisch günstigen Stelle, hätte 2019 mein erstes Mal im Sattel werden sollen. Schon bei meinem Erstkontakt mit dem RAA bin ich dem Reiz des „Weitradlfoarns“ (wie Christoph Strasser es so schön nennt) erlegen und wollte seitdem immer selber in die Pedale treten. Die Strapazen, Anstrengungen und Entbehrungen, die man auch als Fotograf beim RAA mitbekommt und an vielen Gesichtern leicht ablesen kann vermengen sich zu einem Amalgam, das wohl nur leibhaftig „erfahren“ werden kann, so wie auch der Jubel und die Freudenmomente jener, die mitten durch das Attergauer Marktfest nach langer Fahrt wieder zurück zur Start- und Zielbühne rollen. Die Leistungen der Finisher*innen kann man bewundern, man kann sich mit ihnen freuen – was es aber wirklich bedeutet, nach 560, 1.500 oder gar 2.200 Kilometern wieder am Startort anzukommen, bleibt nur jenen vorbehalten, die sich tatsächlich auf die Reise machen.

Genau das wollte ich machen, erfahren und spüren. Allerdings war meine Vorbereitung, die ich in klassischer 169k-Manier etwas zu sehr auf die leichte Schulter genommen hatte, von Beginn an zu wenig ambitioniert, meine Konsequenz nicht ausgeprägt genug, die zeitlichen Ressourcen nicht ausreichend. Beim Super Giro Dolomiti im Juni dann der Weckruf, dass mit der bisherigen „Vorbereitung“ wohl kein Rennen zu gewinnen sein wird – der Rücken tat nach wenigen Stunden weh, die Beine waren schwer. Ohne Gram musste ich anerkennen, dass im Vorfeld für eine Herausforderung wie die Race Around Austria Challenge mehr Anstrengung und Training stehen muss, als ich mir bis dahin vorgestellt hatte. Zusätzlich fiel mir noch ein Satz aus Christoph Strassers Buch ein, der sinngemäß aussagt, dass viele Leute ihre (vermeintliche) mentale Stärke als Ausrede verwenden, um über körperliche Defizite (zu wenig Training, zu wenig KM, …) hinwegzutäuschen. Ein Umstand, mit dem man sich im Endeffekt keinen Gefallen tut. Während der Österreich Rundfahrt im Juli konnte ich Christoph noch einmal persönlich zu diesem Satz befragen und sein kurzes Nicken hat bei mir innerlich einen kleinen Schalter umgelegt, mit dem ich meine Pläne für die Challenge 2019 mehr oder weniger ad acta gelegt habe. Diese kleine „Bestätigung“ von außen habe ich offenbar gebraucht, um Sicherheit über meine bereits länger gewälzten Gedanken zu gewinnen. (Nicht falsch verstehen! Christoph hat mir das RAA nicht ausgeredet und ich habe auch keinen externen „Schuldigen“ gesucht oder gebraucht, aber mit jemandem darüber zu reden, war jedenfalls sehr hilfreich.) Und so packe ich Anfang August meine Koffer und Taschen und fahre statt auf Trainingsrunden lieber noch mit der Familie auf Urlaub, statt Ausdauernahrung ist Reiseproviant im Gepäck, die Tasche mit den Rad-Ersatzteilen weicht dem Fotorucksack – und das ist gut so. Es ist die Rolle, die ich bereits seit zwei Jahren kenne, in der ich mich wohlfühle und die mir beim Race Around Austria bis jetzt schon immer tolle Momente gebracht hat - #wecreateemotion eben.

12. August und die ersten Starterinnen und Starter rollen von der Rampe im Zentrum von Sankt Georgen. An den Eckdaten des Rennens hat sich nichts Grundlegendes geändert: Die Race Around Austria Challenge führt über eine Distanz von 560 Kilometern einmal rund um Oberösterreich und stellt so etwas wie den Einstieg ins Ultracycling dar, benötigt man für diese Strecke doch ungefähr 24 Stunden. Die beiden größeren Runden spannen hingegen den Bogen weiter – auf 2.200 Kilometern umrundet man Österreich in seiner vollen Pracht, auf der etwas kürzeren 1.500 Kilometer-Runde „erspart“ man sich den (angeblich etwas bergigen) Westteil der Strecke über Gerlos, Kühtai, Silvretta, Hochtannberg und Fernpass. An den Startzeiten und –blöcken hat das OK-Team des Rennens etwas geschraubt, sodass alle Teilnehmer möglichst rund um das Marktfest in Sankt Georgen von Samstag auf Sonntag ankommen. Es ist dieses Marktfest, das neben einigen anderen Aspekten, die Einzigartigkeit dieses Rennens ausmacht und stellvertretend für die tolle Stimmung steht, die den Fahrerinnen und Fahrer dabei hilft, die scheinbar unglaubliche Zahl an Kilometern abzuspulen. Während beim größten und wichtigsten Ultracycling-Rennen der Welt, dem Race Across America – außer den eigenen Betreuern und ein paar wahrlich eingefleischten Fans so gut wie niemand bei Start und Ziel vorzufinden ist, tragen die ganze Gemeinde Sankt Georgen, das Umland, das Bundesland und auch einige Stationen entlang der weiten Strecke rund um Österreich das Rennen voll und ganz mit, unterstützen die Organisation und helfen auf diese Weise mit, das Rennen für alle Beteiligten zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen. Man merkt meine Liebe zu diesem Rennen, und dabei bin ich es noch nicht einmal gefahren… ;)

An dieser Stelle möchte ich auch schon aufhören zu schwadronieren und lieber die Bilder der diesjährigen Austragung des Race Around Austria sprechen lassen!

Am Start

Unterwegs auf der Strecke

Im Ziel

Race Around Austria 2018

Zehn Mal Race Around Austria - die Geschichte des Rennens war in Sankt Georgen allgegenwärtig. Auf dem riesigen Screen im Startbereich waren die Meilensteine der bisherigen Historie zu sehen - die Erstbefahrung von Manfred Guthardt, die Jungfernfahrt des Rennens in der heutigen Form von Christoph Strasser vor zehn Jahren und die Sieger*innen der letzten Austragungen. Das Geburtstagsgeschenk machte man sich schließlich selbst - Österreichische Meisterschaften auf der Langstrecke und damit Meistertrikots, auf die viele der Teilnehmer hofften.

Die Veranstaltung selbst ist mittlerweile großartig eingespielt. Die Impressionen und Eindrücke, die ich beim RAA 2017 sammeln konnte, haben sich dieses Jahr bestätigt bzw. noch einmal verstärkt. Eine professionelle Organisation, die auch gleichzeitig eine der nettesten und sympathischsten im Veranstaltungskalender ist, entspannte und geerdete Teilnehmer, eine Gemeinde, die das RAA mit Haut und Haar mitträgt und damit insgesamt eine positive Stimmung, die sich auf alle Beteiligten überträgt - egal ob man die 2.200 Kilometer lange Extrem-Strecke fährt, entlang der Strecke fotografiert oder als Zuschauer das Spektakel genießt.

Ich habe mein RAA 2018 anders organisiert als im Vorjahr. War ich 2017 noch alleine mit dem Auto unterwegs - immer "auf der Jagd" nach Fahrern, um diese an möglichst spektakulären Orten abzulichten - war das Motto für dieses Jahr "Weniger ist Mehr". Weniger Kilometer im Auto, weniger Stress, weniger unterschiedliche Locations - mehr Überblick, mehr Kontrolle, mehr produktive Zeit. Die daraus entstandenen Fotos und Geschichten können daher immer nur Momentaufnahmen sein, Kurzberichte vom Start, von unterwegs und aus dem Ziel, fragmentarisch, punktuell aufgenommen aber dennoch (hoffentlich) einen recht umfassenden Eindruck des Race Around Austria vermittelnd.

Die Extrem-Strecke

Die Extrem-Strecke verläuft über eine Distanz von rund 2.200 Kilometern entlang der Grenzen Österreichs, dabei werden ganz nebenbei auch noch rund 30.000 Höhenmeter abgespult. Keine einfache Herausforderung - dementsprechend sind hier die Könner des Ultracycling-Fachs versammelt und all jene, die schon eine erkleckliche Anzahl an Kilometern in ihrem Radler-Leben gesammelt haben, um diese Herausforderung absolvieren zu können. Das Jahr 2018 war klimatisch und wettertechnisch deutlich besser als das Vorjahr - 2017 war das Rennen noch von Hitze, Unwettern, Hagel, Sturm, Regen und Schnee geprägt. Entsprechend schneller waren die Teilnehmer diesmal unterwegs, die erbrachten Leistungen damit allerdings um keine Deut geringer!

Anna Bachmann

Als Rookie am Start sprintete Anna geradezu vom Start weg auf die lange Strecke. Die erste Nacht wurde noch bei starkem Regen absolviert, das tat dem spannende Zweikampf mit Isabel Pulver allerdings keinen Abbruch. Wenn man das Tracking am Computer oder auf dem Smartphone verfolgte, so lagen die zwei Punkte der Fahrerinnen fast immer neben- oder sogar übereinander. Am Ende konnte sich Anna aber doch deutlich durchsetzen und rollte mit neuem Streckenrekord bei den Damen ins Ziel zurück in Sankt Georgen.

Markus Hager

Markus konnte im Vorjahr das Rennen für sich entscheiden und war dementsprechend mit der Startnummer "1" am Start in Sankt Georgen. Ich hatte das Glück, Markus im Sommer besser kennenzulernen und fieberte daher mit ihm mit, als er die Startrampe herunterrollte und auch jedes Mal, wenn ich ihm und seinem Team auf der Strecke begegnete. Seinen Vorjahressieg konnte er 2018 trotz besserer Fahrzeit nicht verteidigen. Der Zeitgewinn ist übrigens auch zu einem guten Teil auf den Umstand zurückzuführen, dass Markus (nach bereits atemberaubenden 40 Minuten im Vorjahr) dieses Mal "0" (in Worten: "NULL") Minuten geschlafen hat - in mehr als drei Tagen!  

Patric Grüner

Patric begleitete der Nimbus des ewigen Zweiten beim Race Around Austria, finishte er doch 2014, 2015 und 2016 jeweils "nur" auf dem zweithöchsten Treppchen. Auch bei der Ausgabe 2018 sah es längere Zeit nach einem guten aber eben nicht ersten Platz aus, sogar eine Beendigung des Rennens stand im Raum. Dann sah Patric den bis dahin Führenden - Rainer Steinberger - am Straßenrand stehen und aufgeben, sagte sich "Gegen den Markus Hager verliere ich nicht noch einmal" und riskierte. In einem Höllentempo durchquerte er sein Heimatland Tirol und machte sich als Führender auf in Richtung Ziel. Der Fluch des Zweiten war also gebrochen, Patric überglücklicher Sieger des Race Around Austria 2018. 2019 steht beim ihm das Race Across America am Programm - mit einem RAA-Titel in der Tasche macht die Vorbreitung darauf sicher noch mehr Spaß!

Philipp Reiterits

Immer wieder denke ich gerne an das Kennenlernen mit Philipp zurück, als Jan und ich im Mai 2016 am Glockner auf einen Radler mit RAA-Kapperl gestoßen sind. Seitdem durfte ich letztes Jahr seine Premiere auf der 1.500er-Strecke bewundern, ihn besser kennenlernen und auch seine Vorbereitungen auf den diesjährigen Start auf der Extrem-Strecke mitverfolgen. Philipp hat das Rennen stark gestartet, musste in Vorarlberg jedoch aufgrund eines sogenannten "Shermers Neck" absteigen. Dabei ermüdet die Nackenmuskulatur dermaßen, dass man den Kopf nicht mehr hochhalten kann. Philipp hat allerdings bereits nach wenigen Tagen seinen Start beim RAA 2019 angekündigt - ich freue mich schon jetzt, ihn wieder auf der Startrampe und auf der Strecke zu treffen.

4er-Teams

Die Viererteams waren 2018 zahlreich vertreten, war dies doch eine der Kategorien, in denen ein Meistertrikot zu gewinnen war. Glamour erhielt die Startbühne durch den Start des "Hill Racing Teams", sportlich konkurrierte dieses das ganze Rennen über mit dem Team "CLR Sauwald Cofain 699" - letzteres konnte am Ende den Bewerb für sich entscheiden.

Die Challenge

Die 560 Kilometer rund um Oberösterreich gelten als "Einstiegsdroge" in den Ultra-Radsport und bieten eine gute Gelegenheit, das Ganze einmal auszuprobieren. Dementsprechend ist viel los auf der "kurzen" Strecke und es tummeln sich zahlreiche - auch bekannte - Gesichter auf der Startrampe. Zu allem Überfluss dürfte ich Michi Nussbaumer - dem Veranstalter des RAA höchstpersönlich - meine Teilnahme im nächsten Jahr zugesagt haben - so sehr lässt man sich von der tollen Stimmung am Start mitreissen.

Christoph Strasser

Über "Straps" braucht man nicht mehr allzu viele Worte verlieren - er ist der Großmeister des "Weitradlfoarns" (wie es einer seiner Hashtags ausdrückt). Mit nach eigenen Angaben noch etwas müden Beinen ist er von seinem fünften Race Across America-Sieg nach Oberösterreich gekommen, um das Staatsmeistertrikot auf der Langdistanz zu gewinnen. Fragen nach Sieg und auch Streckenrekord spielte Christoph zu Beginn noch herunter - tatsächlich kann auf der kurzen Strecke der Challenge schon ein falsches Abbiegen oder ein technischer Defekt über den Sieg entscheiden. Am Ende war es dann der erwartete Sieg auf der Challenge mit einer fabelhaften neuen Rekordzeit, die wohl in den nächsten Jahren keiner knacken wird können. Und jedes Mal, wenn ich Christoph treffe, bin ich wieder positiv überrascht, wie normal, geerdet und sympathisch er ist - trotz oder gerade wegen seiner Erfolge. In Kürze wird es übrigens auf 169k mehr von Christoph und seiner gerade erschienenen Biographie "Der Weg ist weiter als das Ziel" zu lesen geben.

Barbara Mayer

Im Palmarés von Babsi leuchtet 2018 alles bronze, silber und golden - egal ob Staatsmeisterschaften Straße, Zeitfahren, Mountainbike, Salzkammergut-Trophy... Alles was Barbara angeht, endet erfolgreich - und die WM im September kommt ja erst noch. In fabelhafter Rekordzeit umrundete sie Oberösterreich und sicherte sich damit das Staatsmeistertrikot. Und dabei war immer ein Lächeln auf ihren Lippen zu sehen - so vermittelt man Freude am Sport und an der Leistung! Meine tiefe Verneigung!

geradeaus.at

Tina und Andy bloggen gemeinsam als geradeaus.at über ihre Erlebnisse, denen sie mit der RAA-Challenge im Jahr 2018 ein großes Kapitel hinzugefügt haben. Das ganze Jahr über konnte man auf ihrem Blog alles über Training, Equipment, Vorfreude aber auch die Schattenseiten der Rennvorbereitung lesen. Am Tag X lieferten die beiden dann eine großartige Leistung ab und bewiesen am meisten sich selbst, was alles möglich ist. Ein erster emotionaler Rückblick ist auf der Seite geradeaus.at nachzulesen.

Team Chase

2017 waren sie noch als Team Chase gemeinsam am Challenge-Start, für 2018 hatte man sich ein Rennen Mann gegen Mann - Felix gegen Berni - zurechtgelegt. Die Vorbereitung verlief jedoch nicht ganz so (gleichmäßig) wie geplant, dementsprechend wurde es nicht das Rennen gegeneinander sondern "nur" gegen die Zeit und die anderen Teilnehmer. Felix konnte sich - mit einer Zielankunft an seinem Geburtstag - zudem den großartigen vierten Platz sichern. 

Die 1500er

Die mittlere Runde führt über 1.500 Kilometer entlang der Grenzen des Landes, spart aber den Westteil Österreichs aus. Logistisch und vom Timing her war das Fotografieren der 1.500er eine Herausforderung, vor die Linse bekam ich großteils nur das Führungsduo Franz Scharler und Christian Gammer. Letzterer konnte das Rennen für sich entscheiden und wurde in Sankt Georgen als Sieger gefeiert.

Lesachtal

Großglockner

Exkurs: Rennradfahren rund um Sankt Georgen

Wer so wie ich etwas früher Richtung Attersee reist, kommt außerdem noch in den Genuss großartiger Rennradstrecken. Entlang der wunderschönen Seeufer (Atter-, Mond-, Wolfgang- und Fuschlsee) ist der Verkehr zugegebenermaßen ein kleiner bis mittelgroßer Spaßhemmer, wer sich aber "eine Reihe nach hinten" begibt, kommt in den Genuss menschen- und autoleerer Güterwege, pittoresker Landschaften und herausfordernder Höhenmeter. Als Abschluss hier ein paar Bilder zur Inspiration - Oberösterreich, Attergau, Race Around Austria, wir sehen uns spätestens im August 2019!

Race Around Austria 2018 - II

Es geht weiter mit der Vorberichterstattung zum extremen Rennen rund um Österreich bzw. entlang der österreichischen Grenzen. Waren beim ersten Posting die Mannen vom Team Chase im Schweinwerferkegel, so geht es in diesem Beitrag um die Ursprünge des "RAA", die Organisation und einen Teil der Strecke. Da aber ohne Fahrer*innen bekanntlich gar nichts geht und das beste Rennen erst durch seine Teilnehmer*innen zu wahrem Leben erwacht, kommen natürlich auch diesmal die Menschen nicht zu kurz. Aber der Reihe nach...

Zeitmaschine - 1988 

Foto: Race Around Austria

Genau vor 30 Jahren wurde dieses Bild aufgenommen. Es zeigt Manfred Guthardt am höchsten Punkt der Strecke - dem Hochtor am Großglockner. Er war zu diesem Zeitpunkt dabei, sein Projekt "Rund um Österreich" zu realisieren. Er nahm sich dabei neun Tage Zeit, teilte die Strecke in entsprechende Etappen und nahm sich damals noch etwas mehr Zeit für die Nachtruhe. Dafür fuhr er penibel jede Grenzstraße Österreichs ab - während das heutige Race Around Austria "nur" mehr die grenznahen Straßen befährt und auf Sackgassen und Umwege weitgehend verzichtet. Nach etwas mehr als 2.600 Kilometern war Guthardts Projekt vollendet, der Grundstein für das Race Around Austria gelegt.

2008 wurde die Idee wieder aufgenommen, Christoph Strasser begab sich auf die Spuren des Jahres 1988 und umrundete Österreich in knapp 100 Stunden. 2018 - zehn Jahre später - steht nun die zehnte Ausgabe des RAA auf dem Programm, in voller Blüte und mit den Strecken, wie wir sie seit einigen Jahren kennen und lieben. Und bei Manfred Guthardt schließt sich dabei wieder der Kreis. Wenn einer die Idee für ein derartiges Projekt hat und sich dafür dermaßen akribisch an die Routenplanung macht, dann ist er prädestiniert dafür, Streckenchef des Race Around Austria zu sein! Wer also im August in Sankt Georgen am Attergau auf Manfred trifft, sollte sich jedenfalls einige seiner Geschichten anhören und staunen.

Mühlviertel

Standortwechsel nach Schöneben im Mühlviertel. Der Tag beginnt auf 920 Metern Höhe - wenige Meter weiter die tschechische Grenze, über uns der Aussichtsturm mit Blick auf den Moldaustausee und angenehme Temperaturen. Das Hotel Innsholz steht für Urlaub, Ausflug, Radfahren und allerlei Annehmlichkeiten im wunderschönen Böhmerwald. Die Leidenschaft fürs Weit-Radeln wird hier gelebt - Inhaber Peter Gruber ist der einzige Radler, der bis dato alle unterschiedlichen Strecken des Race Around Austria bestritten hat. Dass er dabei fast durchwegs auf dem Stockerl gestanden ist, sollte man ihm sehr hoch anrechnen und ihn dementsprechend nicht unterschätzen, wenn er in Radmontur neben einem steht. Als Sponsor des Race Around Austria trägt er außerdem auch abseits seiner sportlichen Leistungen zum Gelingen des Rennens bei. 

Schöneben klingt schön und eben - schön ist es, wunderschön sogar. Der Eiserne Vorhang war hier jahrzehntelang quasi vor der Haustür, von der einstigen Randlage in Österreich ist man aber geografisch ins Zentrum Europas gerückt. Erhalten blieb aber eine gewisse Unschuld und eine wild-romantische Landschaft. Gemeinsam mit den angrenzenden Alm- und Wiesengebieten Tschechiens, dem hügeligen Mühlviertel, pittoresken Stauseen und kleinen Ortschaften fällt es schwer, sich hier nicht wohl zu fühlen. "Eben" ist es allerdings nicht in Schöneben, bzw. braucht es einiges an Energie und Leidensfähigkeit, zum Hotel Innsholz zu kommen. Knapp 400 Höhenmeter auf gut drei Kilometern muss man von Ulrichsberg aus hinter sich bringen, bevor man sich wohlverdient auf die Hotelterrasse fallen lassen kann. 

Stiche wie diese waren es, die Manfred Guthardt auf seiner RAA-Erstbefahrung durchwegs mitgenommen hat - anstrengend aber der Mission geschuldet, die grenzen des Landes auszuloten. Heute fährt das RAA "unten" in Ulrichsberg durch - auch wenn derartige Prüfungen nicht mehr am Programm des Rennens stehen, stellt das Mühlviertel doch die erste große Prüfung des Rennens dar. Auf der langen Strecke des RAA werden hier die ersten paar tausend Höhenmeter gesammelt. Michael Nußbaumer - Organisator des Race Around Austria - erzählt oft und gerne von Teilnehmern, die sich im Glauben in Sicherheit wiegen, dass die ersten Anstiege beim Großglockner kommen. 

RAA-Weekend

Bleibt noch der Grund warum sich hier im Innsholz in Schöneben ein paar verrückte Radler*innen treffen - es ist quasi ein Feriencamp für RAA-Teilnehmer und Freunde, das hier stattfindet und die Besetzung lässt wenig zu wünschen übrig.

Darunter Markus Hager aus Bayern, der im Jahr 2017 bei seiner dritten Teilnahme den Sieg auf der Extrem-Strecke einfahren konnte. In spannenden Erzählungen und einem Vortrag am Abend teilt er gerne seine Erfahrungen, Erkenntnisse und Tipps mit Interessierten und Aspiranten. Lernen kann man dabei einiges, sich abschauen auch ein paar Dinge. Ob man allerdings auch alles so machen kann und will ist die andere Sache. Hager fuhr bei seinem Sieg rund 90 Stunden rund um Österreich, dabei legte er ganze drei Schlafpausen ein - diese dauerten jeweils unfassbare zehn Minuten. Während sich also meinereiner in der Früh noch einmal umdreht und wartet, bis das Telefon oder der Wecker erneut zu klingeln beginnt, hat sich Markus Hager in dieser Zeitspanne dermaßen erholt, dass er wieder fit genug ist, ein paar hundert Kilometer weiter zu radeln. 

Bewundernswerter ist aus meiner Sicht aber noch die Herangehensweise von Markus. Training erfolgt bei ihm regelmäßig aber verhältnismäßig unstrukturiert - ohne Trainingsplan, ohne Wattmessung, dafür mit Freude an der Bewegung und Spaß an der Sache. Das soll natürlich kein Freibrief sein, nur so vor sich hin zu fahren oder zu leben, aber zumindest für mich persönlich ist es irgendwie beruhigend, zu wissen, dass es auch ohne überbordendes "Zerdenken" und mit Spaß an der Sache geht.

2018 ist Markus wieder am Start, bereit für die Titelverteidigung des Race Around Austria. Hier bekommt er dieses Jahr allerdings Konkurrenz von Philipp Reiterits. Jan und ich waren im Mai 2017 auf dem Weg zum Hochtor, als wir auf den leeren Straßen auf einen anderen Radler trafen, der sich knapp vor uns die Straße hocharbeitete. Das Race Around Austria-Cap unter seinem Helm interpretierten wir als Einladung, über Radfahren, das RAA und unser aller Projekte zu plaudern. Wir machten ein paar Fotos als Erinnerung und wenig später trennten uns unsere Wege wieder. Jan und ich fuhren wieder zurück, Philipp setzt seine RAA-Streckenerkundung fort. Ich traf Philipp am Start des RAA im August wieder, auf der Startbühne, bereit seinen Traum umzusetzen. Philipp fuhr 2017 die 1.500 Kilometer lange Strecke, lernte dabei "Ultracycling" aus der ersten Reihe kennen - Hagel und Unwetter inklusive. 2018 geht er auf die 2.200 Kilometer lange Reise des RAA Extrem, gut vorbereitet und überlegt.

Tina und Andy sind den meisten am besten bekannt als "geradeaus.at" - dort betreiben sie einen Radblog und bieten Einblicke in ihre Touren, ihr Leben auf und neben dem Rad und garnieren das ganze mit großartigen Fotos. Die beiden haben sich Anfang des Jahres dafür entschieden, als Paar die RAA Challenge zu bestreiten - gut 560 Kilometer rund um Oberösterreich. Die Challenge stellt im Allgemeinen die Einstiegsdroge ins RAA-Universum dar - legal und in der Regel auch nicht ungesund. Auf ihrem Blog kann man alles über die intensiven Vorbereitungen für ein derartiges Vorhaben erfahren, eine Vorstellung vom notwendigen Trainingspensum bekommen, aber auch viele organisatorische Fragen (und die Antworten darauf) finden. 

169k beim Race Around Austria

Mich fasziniert seit jeher die Bewältigung längerer Strecken mit dem Rad. Letztes Jahr hatte ich die Möglichkeit, als fliegender Reporter mit Kamera und Laptop durchs Feld zu pflügen, die Protagonisten kennenzulernen und die Stimmung in mich aufzusaugen. Und ich für meinen Teil kann jedenfalls behaupten, mit dem RAA-Virus infiziert zu sein. Sobald ich im Raum mit Teilnehmer*innen bin, bekomme ich Lust darauf, mich anzumelden. Auch wenn ich Geschichten über Schlafentzug, lange Nachtschichten oder Schlechtwetter höre, mindert das nicht meine Motivation, in der Sekunde aufs Rad zu steigen. 

Nächstes Jahr werd ich dem Ruf wohl folgen. Dieses Jahr greife ich aber zuvor nochmal zur Kamera. Im August, im wunderschönen Attergau - mit hunderten anderen, deren Adrenalin und Enthusiasmus wieder auf mich überschwappen und ich werde wieder mit jedem und jeder einzelnen mitfiebern, als wenn es mein eigenes Rennen wäre! Ich freu mich schon!

Race Around Austria 2018 - I

Das Race Around Austria geht 2018 in sein zehntes Jahr, wiederum stehen Mitte August zwei Strecken zur Auswahl. Die „Extrem“-Route, die - nomen est omen - auf einer Strecke von gut 2.200 Kilometern einmal rund um Österreich führt, immer die Grenze entlang. Als „Einstiegsdroge“ in den Ultra-Radsport bietet sich außerdem wieder die RAA-Challenge an: einmal rund um Oberösterreich, auch hier sind stolze 560 Kilometer zu bewältigen.

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