King of the Lake 2021

Der 11. King of the Lake am 18. September 2021 war mein 5. Ich habe die Anfänge nicht miterlebt, wo der Verein Atterbiker zum ersten Mal eine Handvoll Fahrerinnen und Fahrer rund um den See geschickt hat, aber ich durfte die Entwicklung der letzten Jahre hautnah mitverfolgen. Und jedes Jahr wieder muss man fast zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass der “KOTL” eine der tollsten Veranstaltungen ist, die es wohl im Bereich des Radsports gibt. Die Pluspunkte klingen vielleicht schon etwas abgedroschen, aber man kann nicht anders als sie immer wieder aufzuzählen: eine wunderschöne Runde um den Attersee, vollständig gesperrte und abgesicherte Straßen, eine tolle Rennabwicklung, man trifft alte Bekannte, viele neue Gesichter und den einen oder anderen Pro, kann sich auf den gut 47 Kilometern ehrlich messen - ohne Hilfestellung und Geheimniskrämere, egal ob mit dem Zeitfahrer oder “normal” mit dem Rennrad. Und es bleibt ein Rätsel, wie Erwin Mayer, der Obmann der Atterbiker, das jedes Jahr mit dem Wetter hinkriegt. Auch wenn es davor und danach Regen, Sturm und Herbst geben sollte, am Renntag selbst war dem KOTL bis dato immer hervorragendes Wetter beschert - vermutlich ist es das Glück der Tüchtigen rund um den Attersee.

Das Ganze ist zur gleichen Zeit allerdings auch ein Fluch. Erstens für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die auf eine gute Platzierung spekulieren und dafür auch viel trainieren und investieren. Denn jedes Jahr wird das Starterfeld stärker und stärker, die Bekanntheit des KOTL zieht weitere Kreise und lockt die besten Fahrerinnen und Fahrer an den Attersee. Gewann Marcus Baranski im Jahr 2018 noch mit einer Zeit von 1:00:02, waren im Jahr darauf schon fünf Fahrer unter der magischen Stundenmarke. Der Sieger 2021 brauchte für die Runde um den See dann überhaupt nur noch 57:48, eine Wahnsinns-Leistung! Bei den Damen ist die Gewinnerinnenzeit übrigens weitaus „stabiler“, diese lag die letzten Jahre stets rund um großartige 1:05 und 1:06, mit einem Streckenrekord im Jahr 2021 durch Gabriela Erharter (1:04:55).

Meine persönliche KOTL-Bilanz liest sich natürlich nicht so beeindruckend… 1:22:06 im Jahr 2017 auf einem geborgten (und viel zu kleinen) Zeitfahrrad, auf dem ich beim Rennen zum zweiten Mal draufgesessen bin. 1:21:35 im Jahr 2018 auf dem Rennrad – das sagt wohl alles über mein Zeitfahrdebut im Jahr davor aus… 2019 und 2020 dann auf meinem eigenen Zeitfahrrad, das aber ehrlicherweise den Rest des Jahres ein Schattendasein fristen muss (1:16:57 bzw. 1:17:39). Und genau da müsste man ansetzen, wenn man beim KOTL nicht nur die großartige Landschaft und Atmosphäre genießen, sondern auch „was reißen“ will! Speziell mit einem Zeitfahrrad muss man sich intensiver beschäftigen, sich fitten lassen, seinen Körper trainieren und an die Position gewöhnen, den ungewohnten Druck auf die Oberschenkeln kennenlernen (zumindest ist das bei mir so), die Nackenmuskulatur stärken und natürlich auch auf die Stunde hintrainieren und sich quälen lernen. Ich war immer schon eher für „weit und langsam“ als für „kurz und schnell“. Und ich möchte an dieser Stelle ehrlich sein: Die Aussicht auf einen KOTL 2021, für den ich wiederum 1. nicht im Ansatz trainiert habe und 2. meine Position auf dem TT-Bike wieder nicht halten kann, hat mir etwas Kopfzerbrechen bereitet. Schließlich will ja auch keiner zum dritten Mal den gleichen Blogpost lesen, in dem ich mich über mein eigenes Unvermögen beschwere… Doch auch dafür hat der KOTL eine schnelle und einfache Antwort: die Teambewerbe! Im Vierer- (und seit 2020 auch im Zehner-)Team schaut die Runde um den Attersee nämlich bedeutend anders aus. Spoiler: Es wird nicht einfacher, aber anders.

Foto: Tana Hell

In meinem Verein, dem „PBIKE.AT Racing Team“ (in meinem Fall mit Betonung auf „nicht-racing“!) bin ich mit der Idee eines Viererteams natürlich schnell auf offene Ohren gestoßen. Am Ende waren es sogar zwei Mixed-Vierer-Teams, die wir im Anmeldedschungel des KOTL auf die Startliste bringen konnten. Wobei, das klingt jetzt etwas unfair dem KOTL gegenüber, eigentlich ist es ja eine gute Geschichte: Nachdem in den letzten Jahren die Startplätze für das Rennen innerhalb weniger Minuten ausverkauft waren, stellten die Atterbiker den Modus um. Ähnlich wie beim Ötztaler kauft man sich nun für ein paar Euro in eine Verlosung ein, die dabei eingenommenen Gelder gehen übrigens als Spende an das Rote Kreuz! Unter all diesen Voranmeldungen werden dann die tatsächlichen Startplätze verlost. Im Sinne der Fairness und Durchmischung war dieser Schritt in meinen Augen ein sehr guter und vernünftiger. Zum einen hat man nun eine Chance, auch wenn man am Tag X zur Uhrzeit X gerade nicht vor dem Computer sitzt. Zum anderen hatte ich 2021 tatsächlich auch den Eindruck, als wäre das Fahrer*innenfeld etwas durchmischter – offenbar sinkt die grundsätzliche Hemmschwelle beim KOTL mitzufahren, nun da der zeitliche Stress der Anmeldung wegfällt. Vielleicht weil es dadurch nicht schon von Beginn an total kompetitiv und vermeintlich mit großem Druck zur Sache geht. Und so gut auch ein konstantes und gutes Starterfeld für ein Event ist, es muss doch auch immer die Möglichkeit geben, das Interessierte dazustoßen können und die Kunde vom tollen KOTL dann auch wiederum hinaus in die Welt tragen.

Viererteam bedeutet dann allerdings auch eine Verantwortung gegenüber den Mitfahrenden, man kann sich auf der zweiten Streckenhälfte nicht mehr in Selbstmitleid baden sondern muss weitertreten. Wenn nicht für einen selbst, dann für das Team. Ich, der ich große Teile meiner Radsport“karriere“ alleine bestreite, muss mich darauf immer erst wieder einstellen. Und das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern eher damit, ob man gewöhnt ist, häufig mit anderen zu fahren oder nicht (glaube ich zumindest…). Ein Viererteam sollte dann aber trotz allem nicht völlig unvorbereitet an den Start des KOTL (oder eines anderen Mannschaftszeitfahrens) gehen. Ich habe mir dazu noch schnell ein paar Tipps von Tristan Hoffmann geholt, der immerhin schon in einem Conti-Team um den See gezischt ist. Seine Tipps waren knapp aber hilfreich:

  1. Möglichst einheitliches Leistungsniveau innerhalb der Mannschaft

  2. Klare Kommunikationsregeln beim Fahren und Durchwechseln (Handzeichen oder Schreien)

  3. Gleichmäßiges Tempo und Vermeidung von plötzlichen Tempoverschärfungen (vor allem dann, wenn der gerade ausgeschwenkte Fahrer noch nicht wieder hinten eingeordnet ist)

  4. Wenn eine*r schwächer wird, soll er oder sie trotzdem noch den Kreisel mitfahren aber nur kurze Ablösungen vorne fahren – das ist noch immer weniger fordernd als hinten ein Loch zuzufahren, das zwangsläufig entsteht, wenn sich der Fahrer davor wieder einreiht

Um das alles im Team auszuprobieren, um zu sehen, wie die anderen ticken und auch ein gemeinsames Tempo herauszufinden, sind wir im Vorfeld des Rennens immerhin einmal gemeinsam ausgezogen. Hat man größere Ambitionen, sollte bzw. muss man hier natürlich mehr investieren, ausprobieren und üben. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn in einem Team mittendrinnen die Zuordnung nicht mehr passt und man wertvolle Meter und Sekunden (oder gar Minuten) verschwendet, sich neu zu sortieren oder Dinge auszudiskutieren.

Renntag am Attersee! So sehr ich gerade noch von Einzelgängertum und Individualismus geschwafelt habe, so muss ich doch zugeben, dass das gemeinsame Hinfiebern, das Besprechen vor dem Rennen, die gemeinsame Vorbereitung, riesigen Spaß machen. Und für mich verändert das auch den Charakter der gesamten Veranstaltung und so sehr unterscheidet sich diese Erfahrung von den Vorjahren. Auch dort habe ich einen Haufen Leute getroffen, war mit Nora und Aurel vorab eine kurze Runde rollen und Kaffee trinken, hab mir die anderen Starter angeschaut und etwas fotografiert. Aber in der Gruppe ist das einfach etwas ganz anderes, etwas Besseres. Es entfällt dieses Wissen, dass man gleich mutterseelenalleine und auf sich gestellt um diesen See herumfahren wird bzw. muss.

Und so stehen wir zu viert auf der Startrampe, die Reihenfolge in der wir fahren werden ist festgelegt – böse Zungen werden danach behaupten, sie hätten die vier Daltons auf der Strecke gesehen, sauber sortiert von groß nach klein… Das Wetter ist schön, allerdings ist der Wind diesmal neu – kommt dieser doch schon auf der ersten Hälfte von vorne. Normalerweise rechnet man am späteren Nachmittag erst auf der Rückfahrt einen leichten Gegenwind von links vorne ein. Aber in der Gruppe verliert dies gleich einmal seinen Schrecken. Es geht flott am Ufer entlang Richtung Weyregg, Steinbach und Weißenbach. Wir werden überholt, überholen und matchen uns mit zwei anderen Viererteams. Diese bestehen mittlerweile nur noch aus drei Mitstreitern, in uns keimt der Gedanke, dass unsere Auf- und Einteilung und unsere Gruppendynamik gar nicht so schlecht funktioniert! Was ich in den letzten Jahre beobachtet habe, kann ich nun am eigenen Leib erleben: Stoßen mehrere Viererteams aufeinander, kann es schon einmal etwas enger und unübersichtlich werden. Vor allem auch im Hinblick auf das Verbot des Windschattenfahrens ärgert mich etwas, dass überholende Teams gleich vor uns wieder nach rechts scheren und uns quasi in ihren Windschatten zwingen. Dann überholt man sie gleich wieder zurück (sind ja nur noch zu dritt), und dann das ganze wieder von vorne. Darauf muss man sich einstellen und das muss man einkalkulieren.

Nach Unterach hinauf wartet die Quasi-Bergwertung des King of the Lake. Im Vorfeld habe ich versucht, den beiden PBIKE-Teams ein paar Streckentipps mit auf den Weg zu geben. Der Anstieg bei Unterach, den bei mir verhassten Hügel bei Parschallen, die Wellen durch Nussdorf und der kurze Stich bei Buchberg. Überall hab ich von den fürchterlichen Anstrengungen erzählt, die dort auf einen warten, wenn man am letzten Loch daherkommt und keine Kraft mehr in den Beinen hat. Und in den letzten Jahren, wo ich dort alleine unterwegs war (und jeweils schon mit recht leeren Beinen!), waren diese Hügel tatsächlich große Prüfungen für mich, sodass die Anstiege zu gefühlt kilometerlangen Herausforderungen angewachsen sind. In einem Viererteam gestaltet sich das jedoch anders, wie ich herausfinden muss. Als wir nämlich auf eine dieser vermeintlichen Prüfungen nach der anderen zurollen, merke ich zwar eine gewisse Anstrengung und Verschärfung, die Meter fliegen im Team allerdings nur so dahin. Man konzentriert sich darauf, das Hinterrad des Vordermannes oder der Vorderfrau zu halten, optimiert seinen Windschatten je nach Wind und schmökert durch die Leistungsfelder auf dem Wahoo. Und plötzlich ist der Anstieg auch schon wieder vorbei – schon während der Fahrt denke ich mir, dass ich meinen Kolleg*innen gegenüber vielleicht etwas zu sehr dramatisiert habe. Aber alleine fühlt sich das tatsächlich anders an – das zu meiner Verteidigung! Auch die Phase, wo bei mir der KOTL immer etwas lang geworden ist – irgendwo zwischen KM 30 und 40 – bleibt diesmal aus. Das 10 KM-Schild am Rand der Strecke, noch 5 KM, mein Hotel bei KM 2, der letzte kleine Schupfer und dann nur noch hinunter, im rechten Winkel über die Agerbrücke und ins Ziel. So kurzweilig war der KOTL für mich noch nie!

Am Ende landen wir bei 1:12:13, als Team sind wir sehr zufrieden. In der Mixed-Wertung werden wir am Ende den 14. Platz belegen. Das flottere Team PBIKE.AT 1 wird auf Platz 8 landen – Kudos an dieser Stelle! Die Zeiten des Viererteams mit meinen vorherigen Einzelzeiten zu vergleichen, macht nicht wirklich Sinn. Vielmehr bin ich zufrieden mit der Leistung und mit der Dynamik, wie wir das gemeinsam als Vierer-Team geschafft haben. Alles hat so funktioniert, wie wir uns das im Vorfeld ausgemalt und ausgemacht hatten. Auch das Ziel, zu viert und gleichzeitig ins Ziel zu kommen, ist erfolgreich abgehakt. Zur Einordnung: Bei Viererteams zählt die Zeit des oder der Dritten, das heißt eine Person darf man unterwegs „verlieren“. Bei Mixed-Teams muss allerdings die Dame eine dieser ersten drei sein.

Mit ein paar Tagen Abstand bleibt die Erkenntnis, dass der King of the Lake jedenfalls eine großartige Veranstaltung ist, und jede und jeder einmal ausprobieren sollte, so schnell wie möglich um den Attersee herumzufahren. (Moment – das war vorher auch schon klar…). Für mich tatsächlich neu war die Team-Erfahrung, das gemeinsame Erlebnis und Bewältigen dieser Challenge. Ob es im Team besser oder schlechter, einfacher oder schwerer ist, als alleine, das möchte ich gar nicht versuchen zu beurteilen. Es ist einfach anders. Alleine ist die Herausforderung jedenfalls eine größere und die 47 Kilometer lange Strecke fühlt sich alleine viel, viel länger an als im Team. Das Durchhalten, das Durchbeißen und der Kopf spielen bei einem Solo-Start jedenfalls eine größere Rolle. Gleichzeitig ist aber auch das Achievement ein größeres, wenn man sich alleine um den See gekämpft hat. Im Team steht das gemeinsame im Vordergrund, da kann man sehr viel Energie und Freude daraus ziehen.

Aber was rede ich, am besten man probiert beides einmal aus…! Gleich nächstes Jahr zum Beispiel…

(Fotos von mir hat der Sportograf gemacht)

Fotos - King of the Lake 2020

Vor und nach meiner eigenen Fahrt habe ich mich vor dem Hotel mit der Kamera auf die Lauer gelegt, die Ergebnisse gibt es hier - zum Anschauen, Durchblättern, Runterladen und privaten Teilen.

Für kommerzielle Zwecke bitte um entsprechende Rückfrage!

King of the Lake 2020

Dass ich hier am Attersee um 15:26 auf der Startrampe stehe - übrigens fast auf die Minute die gleiche Startzeit wie beim Race Around Austria ein Monat früher - ist im Jahr 2020 nichts Selbstverständliches. Und dass die Atterbiker unter der Leitung von OK-Chef Erwin Mayer alles erdenklich Mögliche in die Wege geleitet haben, um den großartigen King of the Lake nicht zum Corona-Opfer werden zu lassen, ist ihnen sehr, sehr hoch anzurechnen. Angesichts steigender Infektionszahlen und strengerer Maßnahmen war es doch eine Zitterpartie für den Veranstalter, der neben Festzelt, großen Siegerehrungen und Ziellabe auch Dinge wie die große Videowall im Zielbereich zum Opfer gefallen sind.

Dabei kommt dem King of the Lake sein ureigenstes Konzept zugute, das ihn auch weltweit so einmalig macht - das Einzelzeitfahren, mit Betonung auf ein coronafreundliches “Einzel”! Alleine schon die Abstandsregeln beim Überholen und das strikte Windschattenverbot implizieren einen infektionsmindernden Mindestabstand zwischen den Teilnehmenden.

Außer der gestaffelten Abholung der Startunterlagen, den strengen Zutrittskontrollen zum Startbereich und dem fehlenden Sich-gegenseitig-vor-dem-Start-wahnsinnig-machen ist alles beim Alten. Der See ist noch immer wunderschön, das Wetter - jetzt schon ein fast bedrohliche Strähne lang - schön, die Straße um den See für den Verkehr gesperrt. Und auch der Reiz der 47,2 Kilometer langen Strecke, den eigenen FTP-Wert auf seinen Realitätsgehalt zu überprüfen ist noch immer da. Fast 1.400 Starterinnen und Starter sind auf der Nennliste angeführt, erstmals dabei ist zum zehnjährigen Jubiläum des “KOTL” eine Kategorie für 10er-Staffeln.

Reduziert aufs Maximum

Es ist der KOTL an sich schon eine reduzierte Sache - im Sinne des einsamen Kampfes, der klaren Aufgabenstellung und der Tatsache, dass es nicht wirklich Ausreden und Ausflüchte gibt. Unter dem Corona-Regime ist das Konzept noch einmal gestraffter. Man geht zum Start, kämpft sich um den See, schnappt nach der Ziellinie kurz nach Atem und fährt wieder vom Start-/Zielbereich weg. Das mag einsam und unromantisch klingen, ist es aber in keinster Weise, vielmehr spiegelt es ganz gut den Kampf gegen sich selbst wider, den man beim KOTL zu führen hat.

Man trifft sich danach ohnehin mit seinen Freunden, Kollegen oder Partnern, spricht über das Geschehene, vergleicht die Leistungen und denkt darüber nach, was man vielleicht noch anders hätte machen können. Gut, im Festzelt ginge das in größerer Runde, zwangloser und feucht-fröhlicher. Aber aus meiner Sicht ist es absolut verkraftbar, in diesem Jahr auf das Zelt zu verzichten, wenn das heißen würde, dass es den KOTL sonst gar nicht geben würde.

Das Rennen

Die bekanntermaßen flachere und einfachere erste Hälfte der Strecke lädt zum Über-Pacen ein. Man fühlt sich noch frisch, der Wind unterstützt zumeist etwas und man fühlt sich an, als würde man die Welt niederreißen. Nach 20 Kilometern ist man am Südende des Sees angelangt und die kleinen Hügel beginnen, zuerst harmlos und zum Drüberrollen, dann mit der Umfahrung Unterach der erste “richtige” Anstieg. Spätestens hier bekommt man dann zum ersten Mal eine Indikation, wie der Körper an diesem Tag wirklich tickt. Und es befällt einen die erste Ahnung, dass die restlichen 20 Kilometer wohl nicht die angenehmsten des Tages werden dürften. Direkt am Ufer fährt man den See entlang, der Wind kommt nun von schräg vorne - die Straße ändert ständig die Richtung, der Wind ebenso.

In Parschallen wartet die aus meiner Sicht schwerste Prüfung des gesamten Kurses, die zuerst noch schmierend ansteigende Straße endet in einem kurzen Stich hinauf in den Ort. Für mich ist das jedes Jahr der größte Rhythmusbrecher und so etwas wie der Anfang vom Ende. Zell, Nussdorf, Altenberg, Attersee und Unterbuchberg vollstrecken dann eigentlich nur noch, was zuvor schon begonnen hat. Es sind keine langen Anstiege sondern vielmehr kleinste und kleine Rampen, schmierende Abschnitte, die hier sukzessive und nachhaltig alles aus den Beinen ziehen, was da eventuell noch vorhanden wäre.

Und während ich auf den ersten 30 Kilometern des Rennens gefühlt noch ganz gut dabei war, sinken meine Wattzahlen und meine Durchschnittsgeschwindigkeit mit beeindruckender Konsequenz und Schnelligkeit nach unten. Das langsame Sterben manifestiert sich auch an den immer zahlreicheren Fahrerinnen und Fahrern, die an mir vorbeirauschen - wer hier noch fest aufs Pedal drückt, hat entweder sehr gut trainiert oder sich das Ganze auch um einiges besser eingeteilt. Oder beides.

In Buchberg wartet noch der berüchtigte Stich mit 13%, der zwar nominell abschreckt, wenn man aber mit einem gewissen Tempo dorthinkommt, kann man sich mit einigen festen Tritten recht souverän über den Hügel retten. Danach ist man gefühlt schon fast im Ziel, muss nur noch beim Hotel Attersee bei der Einfahrt nach Seewalchen Fassung bewahren und danach ins Ziel hinunterrollen. Die gut verteilt stehenden Zuschauer*innen sorgen dafür, dass man auf den letzten Metern noch einmal in den Oberschenkeln nach ein paar Watt sucht und dann ist es auch schon wieder vorbei.

Wunden lecken?

1:17:39 sind 40 Sekunden langsamer als meine Zeit von 2019. Letztes Jahr hatte ich weniger Jahreskilometer in den Beinen, war generell etwas schlechter drauf und hatte auch mehr Probleme mit der Position am Zeitfahrer. Insofern bin ich mit meiner 2020er-Zeit nur bedingt zufrieden oder hätte mir eigentlich eine Verbesserung erwartet. Ausreden hätte ich genug bzw. hab ich mir die schon haufenweise während der letzten Kilometer des Rennens zurechtgelegt: Zu viele Ausdauer-Kilometer fürs Race Around Austria trainiert, stressige zwei Wochen vor dem Rennen gehabt, zu wenig gegessen vor dem Start und natürlich immer der Wind (diesmal nicht - wie gewohnt - recht gerade aus dem Norden sondern seltsam schräg und etwas drehend).

Aber eigentlich brauche ich gar keine Ausrede. Ich bin sehr froh, dass der King of the Lake 2020 überhaupt stattgefunden hat und schätze das Engagement und das Durchhaltevermögen des Veranstalters sehr, sehr hoch! Ob es für mich am Ende der 455. Platz ist oder der 369. oder der 214. ist nebensächlich. Ich möchte - wie immer - mit mir selbst zufrieden sein und wenn man weiß, was man (theoretisch) noch besser machen könnte, kann man auch leichter damit umgehen. Ob man die Lust und Energie hat, diese theoretischen Potentiale auch zu heben, ist Geschmackssache.

Diejenigen, die sich mit solchen profanen Fragen nicht auseinandersetzen (müssen), waren auch dieses Jahr wieder schnell und sehr schnell unterwegs. Kurz vor Renn-Ende sah es schon danach aus, als würden alle Kings und Queens des Vorjahres ihre Kronen behalten dürfen, bis ganz am Ende dann mit Tobias Häckl ein neues Gesicht ganz oben stehen durfte.

2021?

Wie es mit Corona weitergeht, wissen wir alle noch nicht. Dass ich bei einem King of the Lake 2021 wieder am Start stehen möchte, weiß ich jedoch mit absoluter Sicherheit! Und jetzt wo die Race Around Austria Challenge von meiner Bucket List gestrichen ist, entsteht plötzlich Raum für etwas Neues - vielleicht ein paar mehr Stunden auf dem Zeitfahrer und etwas zielgerichtetes Training auf die Stundenbelastung? Wer weiß… ;)

Disclaimer

Die Teilnahme erfolgte auf Einladung des Veranstalters.

Fotos: Eigene und Sportograf

Die Fotos, die ich vor und nach meinem Rennen gemacht habe, sind auf der Facebook-Seite von 169k in einem Album gesammelt!

King of the Lake 2019

Wie soll ich diesen Blogpost über den King of the Lake 2019 beginnen, wo ich doch schon im vergangenen Jahr alle verfügbaren Superlative gebraucht habe… Daher hier die Kurzfassung für alle, die sich nicht durch die Details meines Blogposts wühlen möchten:

Der King of the Lake ist eine der tollsten Veranstaltungen, die ich mir nur vorstellen kann - (gesperrte) Strecke, Organisation, Menschen, Landschaft und alles Drumherum sind perfekt. Wer noch nicht dabei war oder nicht verstehen kann, warum jeder so von der Veranstaltung schwärmt, der oder die stelle sich unbedingt einmal an die Startlinie! Punkt.

Du möchtest doch noch mehr lesen? Na gut, starten wir von vorne :)

Es ist mein dritter King of the Lake, wobei King werde ich auch dieses Jahr nicht werden. Ich habe große Konkurrenz: neben meiner Wenigkeit stehen auch noch mein Trainingsrückstand, mein launischer unterer Rücken und mein Schlafmangel am Start - es wird ein hartes Match. Um kein Risiko einzugehen, habe ich materiell noch einmal aufgerüstet. Nach meiner grandios gescheiterten Premiere am Zeitfahrer im Jahr 2017 und einer - wie ich meine ganz soliden - Fahrt mit dem Rennrad 2018, steht 2019 wieder ein Zeitfahrer in meinem Hotelzimmer im Litzlberger Keller. Die neue BMC Time Machine Disc schreit “schnell” und “schnittig” und es wird wohl ein langer Weg werden, bis der Pilot ebenjener Maschine auch nur ansatzweise die selbe Dynamik versprühen wird - aber egal. Bekanntermaßen macht es (zumindest mir) mehr Spaß auf schönem Material und wo wenn nicht hier am wunderschönen Attersee beim größten Einzelzeitfahren Europas.

Am Attersee

An den Attersee finde ich schon blind, verbringe ich doch mittlerweile schon mehrere Tage oder fast Wochen meines Radjahres hier in der Gegend. Mondsee-Radmarathon, die Staatsmeisterschaften 2019, das Race Around Austria, der Mohrenwirt in Fuschl - es ist hier eine besondere Ecke entstanden mit engagierten Menschen, die auf eine unaufgeregte aber zielstrebige Art und Weise den Rad(breiten)sport in Österreich vorantreiben. So wie auch ganz Oberösterreich mittlerweile eine tolle Vorreiterrolle eingenommen hat - nicht zuletzt die vielen oberösterreichischen Profis oder jene Fahrerinnen und Fahrer, die sich anschicken, solche zu werden, zeugen davon, dass es sich um einen guten Boden handelt.

Über den King of the Lake selbst wurde schon viel gesagt und geschrieben. Es ist die größte Veranstaltung ihrer Art in Europa - das Konzept geht nächstes Jahr in seine zehnte Ausgabe, was man am Weg dorthin geschafft und erlebt hat, können Worte wohl schwer beschreiben. Knapp 1.300 Starterinnen und Starter haben sich im Frühjahr 2019 um die Startplätze bemüht, innerhalb von wenigen Stunden waren diese dann auch schon wieder vergeben. Die gesperrte Bundesstraße rund um den See ist so etwas wie das Aushängeschild der Veranstaltung und OK-Chef Erwin Mayer muss jedes Jahr einen großen Teil seiner Energie darauf verwenden, dass dies auch so bleibt. Und das ist ihm unendlich hoch anzurechnen, sind doch die Interessen der Bevölkerung mannigfaltig und ein Radrennen ist halt trotzdem in der Wahrnehmung vieler immer noch “nur ein Radrennen” und unter diesen Rahmenbedingungen an einem Samstag für gut sechs Stunden die einzige Straße rund um den See komplett zu sperren, ist eine entsprechende Leistung. Polizei und Feuerwehr helfen tatkräftig mit, die Gemeinden tragen das Event ebenso und haben über die Jahre auch dessen Nutzen erkannt.

Warm-Up

Der Freitag ist traditionell der Anreise und einem geselligen “Warm Up” am Abend gewidmet. 2019 bietet sich dafür eine neue Möglichkeit - auch im weiteren Sinne des Radsports -, hat doch die Mutter von Bora-Profi Lukas Pöstlberger ein altes Wirtshaus in Schörfling übernommen. So mischt sich lokale Wirtshauskultur mit deftigem Essen, dass sich ein World Tour-Profi am Tag vor dem Rennen wohl nicht in derartigen Mengen gönnen würde. Aber wenn man schon mal hier ist… Neben dem Organisationskomitee, Vertretern der Gemeinden und einigen Journalisten sitzen auch Marcus Baranski - der letztes Jahr noch mit seinem “Doper stinken. Alle. Immer”-T-Shirt einen großen Auftritt auf dem Podest neben Georg Preidler hatte - und Nora alias “Unicorn Cycling” am Tisch, die sich auf dem Rennrad auf die Umrundung des Sees begeben wird.

System-Check

Nach einem derartig “carbo-geloaded” mediokren Schlaf steht Samstag Vormittag die obligatorische Testfahrt auf dem Programm. Systemcheck des Rads, kurzes In-Erinnerung-Rufen der mühsamen Stellen des Kurses auf der Westseite des Attersees. Während es ja auf der “Hinfahrt” auf der Ostseite (im Uhrzeigersinn) recht flach und entsprechend flott dahingeht, stellen sich ab der Südspitze nach und nach mehr oder weniger fiese kurze Rampen in den Weg. Schließlich wollen zwischen Start und Ziel rund 250 Höhenmeter gesammelt werden. Die entsprechenden Stellen vorab zu kennen, hilft ungemein beim Einteilen der Kräfte.

Ein weiterer Punkt, der den KOTL nämlich so besonders macht - zumindest bei jenen, die sich leistungstechnisch auch annähernd in diesen Sphären bewegen können - ist die Tatsache, dass eine Fahrzeit von etwas mehr als einer Stunde bedeutet, hier an seiner individuellen Leistungsschwelle unterwegs zu sein, den berühmten FTP-Wert also unter Realbedingungen einer Bewährungsprobe auszusetzen. Dementsprechend groß ist die Häufung von Leistungsmessern, um den Output messen und entsprechend steuern zu können.

Nicht allerdings an meinem Rad, dafür war die Zeit vor dem KOTL leider etwas zu kurz und die Lieferzeiten meines Wunsch-Powermeters etwas zu hoch. Alles in allem bin ich wiederum nur solala vorbereitet. Auf dem Zeitfahrer bin ich rund fünf Mal gesessen, nachdem dieser aber bei Pbike auf mich gefittet wurde, passt zumindest die Sitzposition. Als Ziel für die Umrundung nehme ich mir grob 1:15h vor, im Glauben, dass ich meine Rennrad-Zeit von 1:20 recht locker unterbieten sollte, wenn ich es schaffe, am TT in Aero-Position durchzufahren. Die großspurige Formulierung traue ich mir hier nur zu, weil ich dieses Ziel später nicht erreichen werde, aber dazu gleich mehr.

Die vormittägliche Testfahrt endet mit Gregor Mühlberger, der auf dem Rückweg zum Hotel plötzlich neben mir fährt. Und so geht es mir immer am Attersee: Irgendwie kennt man jeden, diesen hat man schon mal gesehen, mit dem anderen ist man in Wien schon mal eine Runde gefahren, du bist die von Strava - Das King of the Lake-Wochenende ist ein Familienfest mit der ganzen Radsportsippe - umso besser, dass das Festzelt im Zielbereich ausreichend dimensioniert ist.

Auch schon traditionell vertreibe ich mir meine Zeit bis zu meinem Start (dieses Jahr um 16:13) mit dem Ansehen der Starts der Rad-Bundesliga, den Vierer-Teams und den ersten Solo-Startern. Am Rückweg zu meinem Hotel kann ich noch ein paar Fotos schießen - auch hier der eine oder andere Aha-Moment, wenn man in den Vierer-Teams bekannte Gesichter entdeckt. Umziehen, Fertigmachen, zum Start rollen. Die verbliebenen Minuten widme ich einem Besuch beim “Fahrerlager” des VICC-Vienna International Cycling Club, der mit knapp 30 Mitgliedern am Start steht.

Und los!

5, 4, 3, 2, 1 - und es geht runter von der Startrampe. Gleich nach dem Start geht es kurz bergauf, aber lieber mal etwas langsamer machen - die erste Hälfte sollte man grundsätzlich eher ruhiger angehen lassen. Ich beschließe - angesichts fehlender Leistungsdaten und unsicheren Leistungsniveaus - nach Gefühl zu fahren und es nicht zu übertreiben. Diesen Gedanken in meinem Gehirn fertigformuliert, taucht auch schon an meiner linken Seite ein Auto auf, Fotografin Tana Hell beugt sich aus dem Fenster und drückt ab. Und bevor ich es noch merke, trete ich plötzlich stärker in die Pedale, gebe Gas, überhole Fahrer - mache also alles, was ich nicht tun wollte… Alles für das Foto! :)

Foto: Tana Hell

Als das Auto (endlich) weiterfährt, schalte ich erstmal einen Gang zurück. Wir sind auf Höhe Weißenbach am Attersee - das bedeutet, dass die ersten Höhenmeter auf dem Programm stehen. Ich matche mich mit dem Starter vor mir - immer wieder taucht seine Startnummer 1012 und sein gelbes Trikot auf. Bergauf überholt er mich, in der Ebene rolle ich wieder an ihm vorbei - immer mit dem notwendigen Abstand natürlich. Er ist wohlgemerkt auf dem Rennrad unterwegs, aber das kümmert mich nicht. Die Mischung aus Rennrad und Zeitfahrer, alt und jung und stark und stärker ist erfrischend und sorgt für Abwechslung.

In Unterach ist mit einem kurzen Stich hinauf zur Umfahrungsstraße der Wendepunkt im Süden erreicht, die darauffolgende Abfahrt bietet eine kurze Erholungspause bevor die Namen folgen, die ich mir in Gedanken notiert habe: Parschallen, Nußdorf und Buchberg. Dort geht es steiler und länger bergauf, als man “kurz einmal drüber drücken” könnte. Der Wind, der klassischerweise auf der zweiten Hälfte eine Rolle spielt, ist auch dieses Jahr wieder Begleiter (von vorne), aber die befürchteten Böen sind ausgeblieben.

Endspurt

Es ist immer ungefähr bei Kilometer 37 oder 38, wo das Rennen etwas “lang” wird. Man ist schon einige Zeit unterwegs, die Tanks werden langsam leer, die Strecke lang. An dieser Stelle muss man beißen, es sind nur fünf Kilometer, die man überstehen muss - der Knackpunkt ist der kurze Stich in Buchberg. Dort hat sich die Race Around Austria-Fanzone breitgemacht - die Stimmung ist gut, die Anfeuerungen helfen dabei, die kurzen 13% zu übertauchen. Und dann geht es - wie schon in den Jahren zuvor - plötzlich schnell! Das Gelände ist kupiert, es rollt kräftig dahin, über kurze Wellen rollt man mit Schwung und gut 50 km/h. Und dann purzeln die Anzeigetafeln mit den verbleibenden Kilometern nur noch so - 4, 3, 2. Eine kleine Prüfung steht noch auf dem Programm, die letzte Rampe zum Hotel Attersee, danach ist es aber wirklich vorbei. Vollgas hinunter nach Seewalchen, wohltemperiert durch die 90-Grad-Kurve, über die Agerbrücke und 300 Meter in Richtung Ziellinie. Im Nachhinein verfliegen die letzten Kilometer geradezu.

Dann ist es auch schon wieder vorbei. Am Wahoo die Fahrt beenden, Luft holen, bevor man es merkt, wird einem der Zeitnehmungschip abgeknipst. Die Wahrscheinlichkeit, dass man auf den ersten Metern aus dem Zielkanal ein bekanntes Gesicht trifft, ist sehr groß - aufmunternde, interessierte oder euphorische Worte inklusive. Auf meinem Radcomputer steht am Ende 1:16:57 und damit mehr, als ich mir erhofft hatte. Die 1:15 zu erreichen, war - ohne großartig darüber nachzudenken oder die Notwendigkeiten dafür genau zu analysieren - doch nicht so einfach, wie ich mir das vielleicht vorgestellt hätte. Andererseits muss ich mir ja für das nächste Jahr noch etwas Verbesserungspotential erhalten.

Zeit für Ärger oder Gram bleibt ohnehin keiner - zu schön ist der Attersee, zu spannend das Eventformat, zu gesellig der Abend im Festzelt. Objektiv betrachtet bewundere ich einerseits jede und jeden, die/der sich auf den Weg um den See macht und sich auf diese Weise misst. Andererseits werden von den schnellen Fahrerinnen und Fahrern gewaltige Leistungen abgeliefert, die Zeiten unter 1:00 werden immer mehr und die Zeiten sind schlichtweg beeindruckend!

So nehme ich mir mein Ziel von 1:15 mit ins Jahr 2020, hoffe auf wiederholtes Kaiserwetter, nette Gesellschaft und ein weiteres großartiges Wochenende am Attersee - King of the Lake werde ich zwar wieder nicht werden, aber genauso viel King oder Queen wie jeder, der sich auf den Weg macht!

Strava

Fotos (wenn nicht selbst aufgenommen oder gekennzeichnet): Sportograf

Foto: Tana Hell

Die Teilnahme am Rennen erfolgte auf Einladung des Veranstalters.