King of the Lake 2021

Der 11. King of the Lake am 18. September 2021 war mein 5. Ich habe die Anfänge nicht miterlebt, wo der Verein Atterbiker zum ersten Mal eine Handvoll Fahrerinnen und Fahrer rund um den See geschickt hat, aber ich durfte die Entwicklung der letzten Jahre hautnah mitverfolgen. Und jedes Jahr wieder muss man fast zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass der “KOTL” eine der tollsten Veranstaltungen ist, die es wohl im Bereich des Radsports gibt. Die Pluspunkte klingen vielleicht schon etwas abgedroschen, aber man kann nicht anders als sie immer wieder aufzuzählen: eine wunderschöne Runde um den Attersee, vollständig gesperrte und abgesicherte Straßen, eine tolle Rennabwicklung, man trifft alte Bekannte, viele neue Gesichter und den einen oder anderen Pro, kann sich auf den gut 47 Kilometern ehrlich messen - ohne Hilfestellung und Geheimniskrämere, egal ob mit dem Zeitfahrer oder “normal” mit dem Rennrad. Und es bleibt ein Rätsel, wie Erwin Mayer, der Obmann der Atterbiker, das jedes Jahr mit dem Wetter hinkriegt. Auch wenn es davor und danach Regen, Sturm und Herbst geben sollte, am Renntag selbst war dem KOTL bis dato immer hervorragendes Wetter beschert - vermutlich ist es das Glück der Tüchtigen rund um den Attersee.

Das Ganze ist zur gleichen Zeit allerdings auch ein Fluch. Erstens für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die auf eine gute Platzierung spekulieren und dafür auch viel trainieren und investieren. Denn jedes Jahr wird das Starterfeld stärker und stärker, die Bekanntheit des KOTL zieht weitere Kreise und lockt die besten Fahrerinnen und Fahrer an den Attersee. Gewann Marcus Baranski im Jahr 2018 noch mit einer Zeit von 1:00:02, waren im Jahr darauf schon fünf Fahrer unter der magischen Stundenmarke. Der Sieger 2021 brauchte für die Runde um den See dann überhaupt nur noch 57:48, eine Wahnsinns-Leistung! Bei den Damen ist die Gewinnerinnenzeit übrigens weitaus „stabiler“, diese lag die letzten Jahre stets rund um großartige 1:05 und 1:06, mit einem Streckenrekord im Jahr 2021 durch Gabriela Erharter (1:04:55).

Meine persönliche KOTL-Bilanz liest sich natürlich nicht so beeindruckend… 1:22:06 im Jahr 2017 auf einem geborgten (und viel zu kleinen) Zeitfahrrad, auf dem ich beim Rennen zum zweiten Mal draufgesessen bin. 1:21:35 im Jahr 2018 auf dem Rennrad – das sagt wohl alles über mein Zeitfahrdebut im Jahr davor aus… 2019 und 2020 dann auf meinem eigenen Zeitfahrrad, das aber ehrlicherweise den Rest des Jahres ein Schattendasein fristen muss (1:16:57 bzw. 1:17:39). Und genau da müsste man ansetzen, wenn man beim KOTL nicht nur die großartige Landschaft und Atmosphäre genießen, sondern auch „was reißen“ will! Speziell mit einem Zeitfahrrad muss man sich intensiver beschäftigen, sich fitten lassen, seinen Körper trainieren und an die Position gewöhnen, den ungewohnten Druck auf die Oberschenkeln kennenlernen (zumindest ist das bei mir so), die Nackenmuskulatur stärken und natürlich auch auf die Stunde hintrainieren und sich quälen lernen. Ich war immer schon eher für „weit und langsam“ als für „kurz und schnell“. Und ich möchte an dieser Stelle ehrlich sein: Die Aussicht auf einen KOTL 2021, für den ich wiederum 1. nicht im Ansatz trainiert habe und 2. meine Position auf dem TT-Bike wieder nicht halten kann, hat mir etwas Kopfzerbrechen bereitet. Schließlich will ja auch keiner zum dritten Mal den gleichen Blogpost lesen, in dem ich mich über mein eigenes Unvermögen beschwere… Doch auch dafür hat der KOTL eine schnelle und einfache Antwort: die Teambewerbe! Im Vierer- (und seit 2020 auch im Zehner-)Team schaut die Runde um den Attersee nämlich bedeutend anders aus. Spoiler: Es wird nicht einfacher, aber anders.

Foto: Tana Hell

In meinem Verein, dem „PBIKE.AT Racing Team“ (in meinem Fall mit Betonung auf „nicht-racing“!) bin ich mit der Idee eines Viererteams natürlich schnell auf offene Ohren gestoßen. Am Ende waren es sogar zwei Mixed-Vierer-Teams, die wir im Anmeldedschungel des KOTL auf die Startliste bringen konnten. Wobei, das klingt jetzt etwas unfair dem KOTL gegenüber, eigentlich ist es ja eine gute Geschichte: Nachdem in den letzten Jahren die Startplätze für das Rennen innerhalb weniger Minuten ausverkauft waren, stellten die Atterbiker den Modus um. Ähnlich wie beim Ötztaler kauft man sich nun für ein paar Euro in eine Verlosung ein, die dabei eingenommenen Gelder gehen übrigens als Spende an das Rote Kreuz! Unter all diesen Voranmeldungen werden dann die tatsächlichen Startplätze verlost. Im Sinne der Fairness und Durchmischung war dieser Schritt in meinen Augen ein sehr guter und vernünftiger. Zum einen hat man nun eine Chance, auch wenn man am Tag X zur Uhrzeit X gerade nicht vor dem Computer sitzt. Zum anderen hatte ich 2021 tatsächlich auch den Eindruck, als wäre das Fahrer*innenfeld etwas durchmischter – offenbar sinkt die grundsätzliche Hemmschwelle beim KOTL mitzufahren, nun da der zeitliche Stress der Anmeldung wegfällt. Vielleicht weil es dadurch nicht schon von Beginn an total kompetitiv und vermeintlich mit großem Druck zur Sache geht. Und so gut auch ein konstantes und gutes Starterfeld für ein Event ist, es muss doch auch immer die Möglichkeit geben, das Interessierte dazustoßen können und die Kunde vom tollen KOTL dann auch wiederum hinaus in die Welt tragen.

Viererteam bedeutet dann allerdings auch eine Verantwortung gegenüber den Mitfahrenden, man kann sich auf der zweiten Streckenhälfte nicht mehr in Selbstmitleid baden sondern muss weitertreten. Wenn nicht für einen selbst, dann für das Team. Ich, der ich große Teile meiner Radsport“karriere“ alleine bestreite, muss mich darauf immer erst wieder einstellen. Und das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern eher damit, ob man gewöhnt ist, häufig mit anderen zu fahren oder nicht (glaube ich zumindest…). Ein Viererteam sollte dann aber trotz allem nicht völlig unvorbereitet an den Start des KOTL (oder eines anderen Mannschaftszeitfahrens) gehen. Ich habe mir dazu noch schnell ein paar Tipps von Tristan Hoffmann geholt, der immerhin schon in einem Conti-Team um den See gezischt ist. Seine Tipps waren knapp aber hilfreich:

  1. Möglichst einheitliches Leistungsniveau innerhalb der Mannschaft

  2. Klare Kommunikationsregeln beim Fahren und Durchwechseln (Handzeichen oder Schreien)

  3. Gleichmäßiges Tempo und Vermeidung von plötzlichen Tempoverschärfungen (vor allem dann, wenn der gerade ausgeschwenkte Fahrer noch nicht wieder hinten eingeordnet ist)

  4. Wenn eine*r schwächer wird, soll er oder sie trotzdem noch den Kreisel mitfahren aber nur kurze Ablösungen vorne fahren – das ist noch immer weniger fordernd als hinten ein Loch zuzufahren, das zwangsläufig entsteht, wenn sich der Fahrer davor wieder einreiht

Um das alles im Team auszuprobieren, um zu sehen, wie die anderen ticken und auch ein gemeinsames Tempo herauszufinden, sind wir im Vorfeld des Rennens immerhin einmal gemeinsam ausgezogen. Hat man größere Ambitionen, sollte bzw. muss man hier natürlich mehr investieren, ausprobieren und üben. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn in einem Team mittendrinnen die Zuordnung nicht mehr passt und man wertvolle Meter und Sekunden (oder gar Minuten) verschwendet, sich neu zu sortieren oder Dinge auszudiskutieren.

Renntag am Attersee! So sehr ich gerade noch von Einzelgängertum und Individualismus geschwafelt habe, so muss ich doch zugeben, dass das gemeinsame Hinfiebern, das Besprechen vor dem Rennen, die gemeinsame Vorbereitung, riesigen Spaß machen. Und für mich verändert das auch den Charakter der gesamten Veranstaltung und so sehr unterscheidet sich diese Erfahrung von den Vorjahren. Auch dort habe ich einen Haufen Leute getroffen, war mit Nora und Aurel vorab eine kurze Runde rollen und Kaffee trinken, hab mir die anderen Starter angeschaut und etwas fotografiert. Aber in der Gruppe ist das einfach etwas ganz anderes, etwas Besseres. Es entfällt dieses Wissen, dass man gleich mutterseelenalleine und auf sich gestellt um diesen See herumfahren wird bzw. muss.

Und so stehen wir zu viert auf der Startrampe, die Reihenfolge in der wir fahren werden ist festgelegt – böse Zungen werden danach behaupten, sie hätten die vier Daltons auf der Strecke gesehen, sauber sortiert von groß nach klein… Das Wetter ist schön, allerdings ist der Wind diesmal neu – kommt dieser doch schon auf der ersten Hälfte von vorne. Normalerweise rechnet man am späteren Nachmittag erst auf der Rückfahrt einen leichten Gegenwind von links vorne ein. Aber in der Gruppe verliert dies gleich einmal seinen Schrecken. Es geht flott am Ufer entlang Richtung Weyregg, Steinbach und Weißenbach. Wir werden überholt, überholen und matchen uns mit zwei anderen Viererteams. Diese bestehen mittlerweile nur noch aus drei Mitstreitern, in uns keimt der Gedanke, dass unsere Auf- und Einteilung und unsere Gruppendynamik gar nicht so schlecht funktioniert! Was ich in den letzten Jahre beobachtet habe, kann ich nun am eigenen Leib erleben: Stoßen mehrere Viererteams aufeinander, kann es schon einmal etwas enger und unübersichtlich werden. Vor allem auch im Hinblick auf das Verbot des Windschattenfahrens ärgert mich etwas, dass überholende Teams gleich vor uns wieder nach rechts scheren und uns quasi in ihren Windschatten zwingen. Dann überholt man sie gleich wieder zurück (sind ja nur noch zu dritt), und dann das ganze wieder von vorne. Darauf muss man sich einstellen und das muss man einkalkulieren.

Nach Unterach hinauf wartet die Quasi-Bergwertung des King of the Lake. Im Vorfeld habe ich versucht, den beiden PBIKE-Teams ein paar Streckentipps mit auf den Weg zu geben. Der Anstieg bei Unterach, den bei mir verhassten Hügel bei Parschallen, die Wellen durch Nussdorf und der kurze Stich bei Buchberg. Überall hab ich von den fürchterlichen Anstrengungen erzählt, die dort auf einen warten, wenn man am letzten Loch daherkommt und keine Kraft mehr in den Beinen hat. Und in den letzten Jahren, wo ich dort alleine unterwegs war (und jeweils schon mit recht leeren Beinen!), waren diese Hügel tatsächlich große Prüfungen für mich, sodass die Anstiege zu gefühlt kilometerlangen Herausforderungen angewachsen sind. In einem Viererteam gestaltet sich das jedoch anders, wie ich herausfinden muss. Als wir nämlich auf eine dieser vermeintlichen Prüfungen nach der anderen zurollen, merke ich zwar eine gewisse Anstrengung und Verschärfung, die Meter fliegen im Team allerdings nur so dahin. Man konzentriert sich darauf, das Hinterrad des Vordermannes oder der Vorderfrau zu halten, optimiert seinen Windschatten je nach Wind und schmökert durch die Leistungsfelder auf dem Wahoo. Und plötzlich ist der Anstieg auch schon wieder vorbei – schon während der Fahrt denke ich mir, dass ich meinen Kolleg*innen gegenüber vielleicht etwas zu sehr dramatisiert habe. Aber alleine fühlt sich das tatsächlich anders an – das zu meiner Verteidigung! Auch die Phase, wo bei mir der KOTL immer etwas lang geworden ist – irgendwo zwischen KM 30 und 40 – bleibt diesmal aus. Das 10 KM-Schild am Rand der Strecke, noch 5 KM, mein Hotel bei KM 2, der letzte kleine Schupfer und dann nur noch hinunter, im rechten Winkel über die Agerbrücke und ins Ziel. So kurzweilig war der KOTL für mich noch nie!

Am Ende landen wir bei 1:12:13, als Team sind wir sehr zufrieden. In der Mixed-Wertung werden wir am Ende den 14. Platz belegen. Das flottere Team PBIKE.AT 1 wird auf Platz 8 landen – Kudos an dieser Stelle! Die Zeiten des Viererteams mit meinen vorherigen Einzelzeiten zu vergleichen, macht nicht wirklich Sinn. Vielmehr bin ich zufrieden mit der Leistung und mit der Dynamik, wie wir das gemeinsam als Vierer-Team geschafft haben. Alles hat so funktioniert, wie wir uns das im Vorfeld ausgemalt und ausgemacht hatten. Auch das Ziel, zu viert und gleichzeitig ins Ziel zu kommen, ist erfolgreich abgehakt. Zur Einordnung: Bei Viererteams zählt die Zeit des oder der Dritten, das heißt eine Person darf man unterwegs „verlieren“. Bei Mixed-Teams muss allerdings die Dame eine dieser ersten drei sein.

Mit ein paar Tagen Abstand bleibt die Erkenntnis, dass der King of the Lake jedenfalls eine großartige Veranstaltung ist, und jede und jeder einmal ausprobieren sollte, so schnell wie möglich um den Attersee herumzufahren. (Moment – das war vorher auch schon klar…). Für mich tatsächlich neu war die Team-Erfahrung, das gemeinsame Erlebnis und Bewältigen dieser Challenge. Ob es im Team besser oder schlechter, einfacher oder schwerer ist, als alleine, das möchte ich gar nicht versuchen zu beurteilen. Es ist einfach anders. Alleine ist die Herausforderung jedenfalls eine größere und die 47 Kilometer lange Strecke fühlt sich alleine viel, viel länger an als im Team. Das Durchhalten, das Durchbeißen und der Kopf spielen bei einem Solo-Start jedenfalls eine größere Rolle. Gleichzeitig ist aber auch das Achievement ein größeres, wenn man sich alleine um den See gekämpft hat. Im Team steht das gemeinsame im Vordergrund, da kann man sehr viel Energie und Freude daraus ziehen.

Aber was rede ich, am besten man probiert beides einmal aus…! Gleich nächstes Jahr zum Beispiel…

(Fotos von mir hat der Sportograf gemacht)

Fotos - King of the Lake 2020

Vor und nach meiner eigenen Fahrt habe ich mich vor dem Hotel mit der Kamera auf die Lauer gelegt, die Ergebnisse gibt es hier - zum Anschauen, Durchblättern, Runterladen und privaten Teilen.

Für kommerzielle Zwecke bitte um entsprechende Rückfrage!

King of the Lake 2020

Dass ich hier am Attersee um 15:26 auf der Startrampe stehe - übrigens fast auf die Minute die gleiche Startzeit wie beim Race Around Austria ein Monat früher - ist im Jahr 2020 nichts Selbstverständliches. Und dass die Atterbiker unter der Leitung von OK-Chef Erwin Mayer alles erdenklich Mögliche in die Wege geleitet haben, um den großartigen King of the Lake nicht zum Corona-Opfer werden zu lassen, ist ihnen sehr, sehr hoch anzurechnen. Angesichts steigender Infektionszahlen und strengerer Maßnahmen war es doch eine Zitterpartie für den Veranstalter, der neben Festzelt, großen Siegerehrungen und Ziellabe auch Dinge wie die große Videowall im Zielbereich zum Opfer gefallen sind.

Dabei kommt dem King of the Lake sein ureigenstes Konzept zugute, das ihn auch weltweit so einmalig macht - das Einzelzeitfahren, mit Betonung auf ein coronafreundliches “Einzel”! Alleine schon die Abstandsregeln beim Überholen und das strikte Windschattenverbot implizieren einen infektionsmindernden Mindestabstand zwischen den Teilnehmenden.

Außer der gestaffelten Abholung der Startunterlagen, den strengen Zutrittskontrollen zum Startbereich und dem fehlenden Sich-gegenseitig-vor-dem-Start-wahnsinnig-machen ist alles beim Alten. Der See ist noch immer wunderschön, das Wetter - jetzt schon ein fast bedrohliche Strähne lang - schön, die Straße um den See für den Verkehr gesperrt. Und auch der Reiz der 47,2 Kilometer langen Strecke, den eigenen FTP-Wert auf seinen Realitätsgehalt zu überprüfen ist noch immer da. Fast 1.400 Starterinnen und Starter sind auf der Nennliste angeführt, erstmals dabei ist zum zehnjährigen Jubiläum des “KOTL” eine Kategorie für 10er-Staffeln.

Reduziert aufs Maximum

Es ist der KOTL an sich schon eine reduzierte Sache - im Sinne des einsamen Kampfes, der klaren Aufgabenstellung und der Tatsache, dass es nicht wirklich Ausreden und Ausflüchte gibt. Unter dem Corona-Regime ist das Konzept noch einmal gestraffter. Man geht zum Start, kämpft sich um den See, schnappt nach der Ziellinie kurz nach Atem und fährt wieder vom Start-/Zielbereich weg. Das mag einsam und unromantisch klingen, ist es aber in keinster Weise, vielmehr spiegelt es ganz gut den Kampf gegen sich selbst wider, den man beim KOTL zu führen hat.

Man trifft sich danach ohnehin mit seinen Freunden, Kollegen oder Partnern, spricht über das Geschehene, vergleicht die Leistungen und denkt darüber nach, was man vielleicht noch anders hätte machen können. Gut, im Festzelt ginge das in größerer Runde, zwangloser und feucht-fröhlicher. Aber aus meiner Sicht ist es absolut verkraftbar, in diesem Jahr auf das Zelt zu verzichten, wenn das heißen würde, dass es den KOTL sonst gar nicht geben würde.

Das Rennen

Die bekanntermaßen flachere und einfachere erste Hälfte der Strecke lädt zum Über-Pacen ein. Man fühlt sich noch frisch, der Wind unterstützt zumeist etwas und man fühlt sich an, als würde man die Welt niederreißen. Nach 20 Kilometern ist man am Südende des Sees angelangt und die kleinen Hügel beginnen, zuerst harmlos und zum Drüberrollen, dann mit der Umfahrung Unterach der erste “richtige” Anstieg. Spätestens hier bekommt man dann zum ersten Mal eine Indikation, wie der Körper an diesem Tag wirklich tickt. Und es befällt einen die erste Ahnung, dass die restlichen 20 Kilometer wohl nicht die angenehmsten des Tages werden dürften. Direkt am Ufer fährt man den See entlang, der Wind kommt nun von schräg vorne - die Straße ändert ständig die Richtung, der Wind ebenso.

In Parschallen wartet die aus meiner Sicht schwerste Prüfung des gesamten Kurses, die zuerst noch schmierend ansteigende Straße endet in einem kurzen Stich hinauf in den Ort. Für mich ist das jedes Jahr der größte Rhythmusbrecher und so etwas wie der Anfang vom Ende. Zell, Nussdorf, Altenberg, Attersee und Unterbuchberg vollstrecken dann eigentlich nur noch, was zuvor schon begonnen hat. Es sind keine langen Anstiege sondern vielmehr kleinste und kleine Rampen, schmierende Abschnitte, die hier sukzessive und nachhaltig alles aus den Beinen ziehen, was da eventuell noch vorhanden wäre.

Und während ich auf den ersten 30 Kilometern des Rennens gefühlt noch ganz gut dabei war, sinken meine Wattzahlen und meine Durchschnittsgeschwindigkeit mit beeindruckender Konsequenz und Schnelligkeit nach unten. Das langsame Sterben manifestiert sich auch an den immer zahlreicheren Fahrerinnen und Fahrern, die an mir vorbeirauschen - wer hier noch fest aufs Pedal drückt, hat entweder sehr gut trainiert oder sich das Ganze auch um einiges besser eingeteilt. Oder beides.

In Buchberg wartet noch der berüchtigte Stich mit 13%, der zwar nominell abschreckt, wenn man aber mit einem gewissen Tempo dorthinkommt, kann man sich mit einigen festen Tritten recht souverän über den Hügel retten. Danach ist man gefühlt schon fast im Ziel, muss nur noch beim Hotel Attersee bei der Einfahrt nach Seewalchen Fassung bewahren und danach ins Ziel hinunterrollen. Die gut verteilt stehenden Zuschauer*innen sorgen dafür, dass man auf den letzten Metern noch einmal in den Oberschenkeln nach ein paar Watt sucht und dann ist es auch schon wieder vorbei.

Wunden lecken?

1:17:39 sind 40 Sekunden langsamer als meine Zeit von 2019. Letztes Jahr hatte ich weniger Jahreskilometer in den Beinen, war generell etwas schlechter drauf und hatte auch mehr Probleme mit der Position am Zeitfahrer. Insofern bin ich mit meiner 2020er-Zeit nur bedingt zufrieden oder hätte mir eigentlich eine Verbesserung erwartet. Ausreden hätte ich genug bzw. hab ich mir die schon haufenweise während der letzten Kilometer des Rennens zurechtgelegt: Zu viele Ausdauer-Kilometer fürs Race Around Austria trainiert, stressige zwei Wochen vor dem Rennen gehabt, zu wenig gegessen vor dem Start und natürlich immer der Wind (diesmal nicht - wie gewohnt - recht gerade aus dem Norden sondern seltsam schräg und etwas drehend).

Aber eigentlich brauche ich gar keine Ausrede. Ich bin sehr froh, dass der King of the Lake 2020 überhaupt stattgefunden hat und schätze das Engagement und das Durchhaltevermögen des Veranstalters sehr, sehr hoch! Ob es für mich am Ende der 455. Platz ist oder der 369. oder der 214. ist nebensächlich. Ich möchte - wie immer - mit mir selbst zufrieden sein und wenn man weiß, was man (theoretisch) noch besser machen könnte, kann man auch leichter damit umgehen. Ob man die Lust und Energie hat, diese theoretischen Potentiale auch zu heben, ist Geschmackssache.

Diejenigen, die sich mit solchen profanen Fragen nicht auseinandersetzen (müssen), waren auch dieses Jahr wieder schnell und sehr schnell unterwegs. Kurz vor Renn-Ende sah es schon danach aus, als würden alle Kings und Queens des Vorjahres ihre Kronen behalten dürfen, bis ganz am Ende dann mit Tobias Häckl ein neues Gesicht ganz oben stehen durfte.

2021?

Wie es mit Corona weitergeht, wissen wir alle noch nicht. Dass ich bei einem King of the Lake 2021 wieder am Start stehen möchte, weiß ich jedoch mit absoluter Sicherheit! Und jetzt wo die Race Around Austria Challenge von meiner Bucket List gestrichen ist, entsteht plötzlich Raum für etwas Neues - vielleicht ein paar mehr Stunden auf dem Zeitfahrer und etwas zielgerichtetes Training auf die Stundenbelastung? Wer weiß… ;)

Disclaimer

Die Teilnahme erfolgte auf Einladung des Veranstalters.

Fotos: Eigene und Sportograf

Die Fotos, die ich vor und nach meinem Rennen gemacht habe, sind auf der Facebook-Seite von 169k in einem Album gesammelt!

Christoph Strasser beim RAAM

Wenige Tage vor dem Start des Race Across America hat Christoph Strasser noch die Zeit gefunden, ein paar Fragen zu beantworten und plaudert dabei - gewohnt sympathisch und offen - aus dem Nähkästchen… Über das Race Across America, Rekorde, Ziele und die Zeit danach.

Das Race Across America (RAAM) steht vor der Tür, wie haben die letzten zwei Wochen für dich ausgeschaut?

Genau zwei Wochen vor dem Start bin ich in Kalifornien - genauer in Borrego Springs - bei ca. Kilometer 140 der RAAM Strecke, das ist quasi der erste Ort, den man in der Wüste passiert. Ich hab mir schon lange abgewöhnt, über das Wetter zu jammern, aber man kann ganz nüchtern feststellen, dass das Wetter in Österreich sehr bescheiden war und hier ist es doch sehr warm und der Sprung ist recht groß und darauf muss man sich einstellen. Es hat hier momentan „nur“ 100 Grad Fahrenheit, das sind rund 37 Grad, wir hatten aber auch schon mal 40 Grad. Die Trainings, die jetzt schon noch fünf bis sechs Stunden umfassen, laufen eher puls- als wattgesteuert, weil der Puls viel höher ist und nach zwei bis drei Stunden stark zu steigen beginnt. Aber das wird von Tag zu Tag besser. Ich mache noch mittelschwere Intervalle bei 75-80 % FTP, außerdem Anstiege im Kraftausdauerbereich aber keine Spitzenintervalle mehr. Die letzten Wochen zuhause (ca. 1 Monat vor dem Rennen) habe ich einen Peak von 38 Wochenstunden gehabt, in Borrego Springs bin ich noch bei ca. 25, das geht runter auf 20 und die letzten Tage vor dem Start sind es dann nur noch zwei Stunden.

Unser Motel hat einen kleinen Pool, in dem man gut regenerieren kann. Und außerdem eine kleine Küche, in der wir immer selbst kochen. Da sind mir frische Zutaten und viel Gemüse wichtig. Niemals essen gehen, weil man da nie weiß, was man genau bekommt. Es darf auch schon mal ein Burger sein, zumindest einmal gehört das als Ritual dazu. Wir sind jetzt zu dritt da, zwei Betreuer mit mir, die jetzt auch selber noch etwas zum Radeln kommen - sie sind dann eh acht Tage eingesperrt im Auto, jetzt bekommen sie noch ein bisschen Auslauf. Wir haben die drei Räder mit, die werden alle testgefahren, dann gibt es ein kleines Service (Kette tauschen, putzen, Reflektoren aufkleben, Satteleinstellungen, Reservesattel testen - da gibts viele Stellschrauben an denen man dreht). Das sind die Dinge, die neben meinen Trainings-Einheiten die Tage vor dem Rennen füllen. Am Start muss man absolut erholt und klar im Kopf stehen.

Es ist deine neunte Teilnahme und du visierst den sechsten Sieg an (und wärst damit alleiniger Rekordhalter). Du musst das Rennen mittlerweile auswendig kennen und weißt auch, welche Strapazen auf dich zukommen. Wie motivierst du dich (noch immer) für das Rennen?

Es stimmt, dass ich es auswendig kenne - das liegt daran, dass sich die Strecke jetzt quasi seit einem Jahrzehnt nicht geändert hat. Der Vorteil ist, dass man weiß, worauf man sich einstellt, man kann jeden Streckenabschnitt optimieren, weiß wo man auf welches Rad wechseln soll, kennt alle Parkbuchten, weiß Plätze für Pausen, wo das Wohnmobil für eine Stunde Schlaf in Ruhe stehen kann. Natürlich wäre es attraktiver und spannender, wenn sich die Route wieder mal ein wenig ändern würde. Wolfgang Fasching ist beispielsweise einmal im Norden in Portland gestartet und ist in Florida ins Ziel gefahren, da war die Route eine ganz andere. Da kann man dann allerdings die Zeiten überhaupt nicht miteinander vergleichen - andere Berge, andere Landstriche, ein anderes Rennen.

Ich kenne großteils die Strapazen, die auf mich zukommen - auch wenn immer wieder neue Dinge passieren, mit denen man nicht rechnet. Ich kenne aber auch die positiven Aspekte, die immer wieder bei einem Rennen auftreten und die eigentlich auch immer überwiegen. Das ist schon eine sehr, sehr große Motivation. Es ist ein sehr angenehmer und aufregender Ausnahmezustand, in dem man da ist. Man trainiert das ganze Jahr darauf hin und es ist sehr erfüllend, sich jeden Tag seinem Ziel nach und nach anzunähern. Das Erlebnis des Rennens an sich, die Hochs und Tiefs, die man mit seinem Team erlebt und durchsteht, die vielen Menschen, die man trifft und die einen anfeuern - es sind nicht viele Fans, aber die wenigen, die das mitverfolgen sind dafür umso enthusiastischer und intensiver dabei. Es ist jedes Jahr anderes Wetter, teilweise andere Betreuer, neue Konkurrenten - es ist immer ein anderes Rennen, eine neue Challenge und eine neue Erfahrung!

Man kann den Vergleich anstellen mit einem Schifahrer, der jedes Jahr den Nachtslalom in Schladming bestreitet oder die Hahnenkammabfahrt runterfährt. Es ist trotzdem jedes Jahr eine große Sache, beim größten Radrennen der Langstreckenszene dabei zu sein, das ist eine große Ehre. Und wenn ich mich dafür entscheide, eine Saison zu fahren, dann möchte ich da auch die größten oder das größte Rennen fahren und das ist halt das RAAM - vom Mythos her, vom Stellenwert her. Dass das Race Around Austria (RAA) beispielsweise von den Zuschauern vor Ort, von der Organisation und der Professionalität her in einer höheren Liga ist und einfach einzigartig geil ist, muss natürlich auch erwähnt werden.

Ich schaue gerne Tennis, ich schaue gerne Fussball - es gibt in vielen Sportarten Leute, die schon viel gewonnen haben, ob das Nadal, Federer oder Djokovic sind (wie jetzt gerade bei den French Open) und seit Jahrzehnten das Ganze dominieren. Die spielen im Prinzip glaube ich alle, weil sie den Sport lieben, das Leben mit dem Sport lieben, das ist die Grundmotivation. Und so ist das auch bei mir. Nur auf Erfolge und Rekorde loszugehen, würde zu wenig Motivation bringen. Ich hab auch unter dem Jahr Wege gefunden, mich zu motivieren, an mir zu arbeiten, im Training alles zu geben, mit meinem Coach Trainingsziele zu definieren. Mir sind auch kleinere Rennen wie z.B. das Zeitfahren in Mörbisch oder der King of the Lake wichtig, weil ich darauf hintrainieren kann, darin einen Sinn sehe, ein besserer Radfahrer zu werden. Wenn ich etwas machen würde, nur um meinen Bekanntheitsgrad zu steigern oder das marketingtechnsich auszuschlachten, dann dürfte ich schon lang nicht mehr beim RAAM mitfahren, weil im Prinzip jedes Jahr die gleiche Geschichte für die Medien nicht wirklich mehr interessant wäre. Ich mache das aber nicht aus diesem Grund, sondern weil ich das Rennen geil finde!

Wie wichtig ist dir der Rekord der meisten RAAM-Siege?

Der Rekord ist mir ehrlich gesagt schon wichtig. Es waren mir die letzten Jahre viele Dinge nicht wichtig, wenns um Erfolge und Rekorde geht. Ich mache das, was ich gerne mache und wenn man sich dabei selbst treu ist und über Jahre etwas konsequent und langfristig macht, dran bleibt und eine Ausdauer hat in seiner mentalen Einstellungen, dann kommen die Erfolge sowieso früher oder später. Die sind nicht das Ziel an sich, sondern die Folge davon, wenn man tut was man mag.

Aber jetzt ist ein Punkt erreicht, wo mir das schon wichtig ist, einen sechsten Sieg zu schaffen, weil ich selber eigentlich noch immer nicht glauben kann, dass ich überhaupt schon fünf mal gewonnen heb. Ich hab das noch so lebhaft in Erinnerung vor mir, als ich vor mittlerweile zehn Jahren zum ersten Mal am Start gestanden bin. Und irgendwie schließt sich jetzt zehn Jahre später der Kreis und es gibt diese einmalige Chance, vor allem auf drei Siege in Folge - das ist für mich etwas ganz Besonderes. Es ist sehr selten, das jemand die Möglichkeit für so etwas hat - und das hat bis jetzt noch niemand geschafft, weil es glaube ich auch ein Problem mit der Langzeitmotivation ist. Wenn man schon ein paar Siege auf seinem Konto hat, schrumpft irgendwie der Hunger, an sich zu arbeiten.

Startest du danach noch weiter beim RAAM?

Das kann oder will ich jetzt noch nicht sagen. Ich konzentriere mich jetzt einmal voll und ganz auf dieses Rennen. Was sicher ist: Wenn es mir heuer nicht gelingt, dann möchte ich beim RAAM auf jeden Fall wieder teilnehmen. Und ich möchte heuer so fahren, als wäre es mein letztes Mal, als wäre es meine letzte Chance dort etwas ganz geniales abzuliefern und mein bestes zu geben. Ob es dann das letzte Mal ist, wird man sehen. Sollte aber ein sechster Sieg gelingen, dann werde ich sicher darüber nachdenken, ob ich in Zukunft nicht andere sportliche Herausforderungen beim Ultracycling (also andere Rennen) in Angriff nehme. Aber das ist alles noch zu weit weg - jetzt heißt es einmal, nächste Woche fit am Start zu stehen, vielleicht so fit wie noch nie zuvor und einfach acht Tage Vollgas „owedrucken“.

Wie ordnest du dich rund um Wolfgang Fasching ein – seinen Rekord, bei jeder Teilnahme aufs Podium zu fahren – kannst du ja nicht mehr erreichen?

Da möchte ich etwas weiter ausholen. Es hat viele große Fahrer gegeben, die gerade dem RAAM einen Stempel aufgedrückt haben. Zum Beispiel Franz Spilauer, 1987 Dritter und 1988 Sieger, war der erste Österreicher, der das Rennen bei uns bekannt gemacht und der erste Europäer überhaupt, der das RAAM gewonnen hat. Er hat definitiv Pionierarbeit gearbeitet und damit dazu beigetragen, dass das RAAM bei uns in Österreich so bekannt ist. Und Wolfgang Fasching hat dann mit acht Teilnahmen, drei Siegen und einem Podium bei jeder Teilnahme natürlich ganz was Einzigartiges geschafft - immer ins Ziel zu kommen und immer ganz vorne dabei zu sein. Das ist wiederum von der sportlichen Leistung her wesentlich höher einzuschätzen.

Unter dem Aspekt muss ich auch meine derzeitigen Leistungen sehen. Mir ist schon bewußt, dass ich rein von den Zahlen her jetzt schon gewaltige Sachen geschafft habe, aber ich muss auch Danke sagen an meine Vorgänger, die Ultracycling in Österreich bekannt gemacht haben. 2003 war der letzte Sieger aus den USA beim RAAM, seitdem gab es sechs Siege für Österreich, fünf für Slowenien durch Jure Robic, drei mal Schweiz und einmal Deutschland durch Pierre Bischof. Seit 2003 waren nur diese Länder erfolgreich und dort finden auch die meisten 24h- und Ultra-Rennen statt, dort ist der Sport erfolgreich. Es gibt die Veranstaltungen, die neuen Fahrer kommen nach - das ist glaube ich der Grund, warum diese Nationen dort so gut sind. Wolfgang ist immer noch ein großes Vorbild - sportlich und menschlich - und deshalb glaube ich auch, dass man unsere Leistungen nicht unbedingt vergleichen kann.

Es hat aber natürlich in der Zeit seitdem auch viele technischen Fortschritte gegeben. Und das ist jedenfalls eine Stärke von mir, meinem Team und meinem Ausstatter Specialized. Der hat mich beispielsweise überredet, das Rennen einmal mit einem Zeitfahrer zu versuchen, und seitdem ist es quasi Standard, dass jeder Fahrer ein Rennrad und ein Zeitfahrrad dabei hat. Wir haben sehr viele Dinge ausprobiert, verfeinert und dazugelernt, die es zu Zeiten von Wolfgang Fasching in dieser Form noch nicht gegeben hat oder noch nicht Stand der Technik waren.

Welche Menschen 1. allgemein und 2. auf dem Rad inspirieren und motivieren dich?

Inspirierende Menschen sind für mich ganz allgemein Menschen, die trotz Schicksalsschlägen oder Unfällen mit Verletzungen und/oder Behinderung - vielleicht im Rollstuhl sitzend - nicht aufgeben und darum kämpfen, ein gutes Leben zu führen. Das ist für mich immer etwas sehr bewegendes, vor allem wenn solche Menschen z.B. dann auch an Langstreckenradrennen erfolgreich teilnehmen. Das ist immer sehr, sehr bewegend.

Ein persönliches Vorbild für mich im Sportbereich ist der Tennisspieler Roger Federer. Extremsportler, Kletterer oder ähnliche Charaktere faszinieren mich nicht so stark wie er. Federer vereint sehr viel in seiner Persönlichkeit. Er hat mittlerweile wirklich alles gewonnen, trotzdem ist er nach wie vor hoch motiviert, findet immer wieder neue Methoden, verschließt sich keiner neuen Herangehensweise, entwickelt neue Schläge und Spielweisen. Er ist ein echter Sir, höflich, cool, nett, am Boden geblieben - wenn man nach den Medien geht und Menschen, die sein Umfeld kennen. Sein Verhalten ist absolut edel und ich finde er ist eine riesengroße Inspiration auch für mich, der mit Tennisspielen im Grunde überhaupt nichts am Hut hat, außer dass ich alle Tennisspiele der Saison verfolge. Das ist ein cooler Sport, wo Mann gegen Mann, Persönlichkeit gegen Persönlichkeit antritt - alle Hochs und Tiefs und wie sich das abwechselt, das finde ich sehr faszinierend.

Einen Radfahrer als besonderes Vorbild habe ich auch, das war natürlich Jure Robic. Mit dem habe ich mich in meinen Anfangsjahren oft gemessen - Wolfgang Fasching hat ja mit dem Radfahren aufgehört, bevor es bei mir richtig gut gelaufen ist. Robic hat zwei Dinge vereint: zum einen ein absolut netter Mensch, umgänglich, cooler Typ, lustig - aber wenn er am Rad gesessen ist, war er eine Kampfmaschine, da ist nur nach vorne geschaut worden, keine unnötigen Pausen, kein Smalltalk, keine unnötigen Höflichkeiten, das ist nur Vollgas gefahren worden. Und das Ganze mit einem Tempo und einer Intensität, wo ich mir früher gedacht habe, das ist ja unglaublich, bei einem derart langen Rennen wie dem RAAM. Mittlerweile hab ich selber am eigenen Köper erlebt, dass man - mit richtig gutem Training und vielen Jahren im Sport - irrsinnig schnell und sehr, sehr lange fahren. Aber er war für mich insofern ein Vorbild: „Sei ein netter Kerl, aber wennst am Radl bist: sei a Maschin!“ In beiderlei Hinsicht hab ich immer versucht, mir von ihm eine Scheibe abzuschneiden.

Was sind die wichtigsten Punkte, die du aus deinen bisherigen Teilnahmen gelernt hast und jetzt umsetzen möchtest?

Gelernt hab ich soviel, dass das mittlerweile ein Buch gefüllt hat. Die wichtigste Sache ist die körperliche Fitness, das wird oft unterschätzt. Man hört sehr oft, es spielt sich das meiste im Kopf ab - das möchte ich etwas relativieren. Im Kopf musst du wissen, „warum mache ich das, wo will ich in ein paar Jahre stehen, und wie wichtig ist das für mich und vielleicht mein weiteres Leben“. Man muss über gewisse Dinge Klarheit im Kopf haben, darf keine offenen Fragen oder Konflikte mit sich herumtragen. Mentale Stärke wird aber oft als Ausrede verwendet, für Leute, die körperlich vielleicht nicht so fit sind oder nicht so viel Zeit zum Trainieren haben. Aber die körperliche Fitness brauchst du, das ist die absolute Basis und du kannst nur dann richtig schnell fahren, wenn du irrsinnig viel trainiert hast. Da hab ich mich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt, denke ich.

Ich habe auch gemerkt, wie wichtig ein eingespieltes Team ist - du hast es glaube ich in deinem Bericht über das RAN ansatzweise miterlebt, was das ausmacht. Das Team muss so eingespielt sein, dass man ein gemeinsames Ziel hat, es darf keine unterschiedlichen Interessen im Betreuerteam geben. Ein eigenes Kapitel sind natürlich die Abläufe - wie das Team arbeitet, dass man nicht unnötig irgendwo eine Minute steht, dass man keine Fehler macht. Zwischenmenschliche Fähigkeiten sind notwendig, wenn die Phasen kommen, in denen der Radfahrer verwirrt, übermüdet und dünnhäutig wird - dann braucht man einfach Leute, die mit solchen Situationen auch umgehen können.

Ausrüstung ist natürlich auch eine eigene Thematik. Es ist mittlerweile etabliert, mit einem Zeitfahrrad und einem Rennrad unterwegs zu sein, ich habe sogar drei Räder - das Roubaix, das Tarmac und das Shiv, von meinem Ausstatter Specialized zur Verfügung gestellt. Komfort, Leichtigkeit und Aerodynamik sind die drei wichtigsten Punkte bei den Rädern.

Man braucht ein großes Ziel, aber man muss auch flexibel sein. Es gibt so viele Faktoren, die das von außen beeinflußen, das Ziel möglicherweise verhindern. Dann muss man im Kopf in der Lage sein, auf Plan B oder C umzuschalten, was dann schwierig ist, weil man sich natürlich unterbewusst auf ein Ziel einstimmt. Und wenn man nach zwei oder drei Tagen merkt, ich kann das nicht mehr erreichen, weil gewisse Faktoren nicht mehr mitspielen, dann besteht die Gefahr, dass man frustriert ist. Da arbeite ich sehr stark an mir selbst, dass ich - auch wenns nicht so gut läuft wie erträumt - trotzdem dranbleibe und nicht beginne zu resignieren.

Hat sich zu den Vorjahren etwas verändert? (Streckenänderungen oder ähnliches)

Nein, es gibt keine Änderungen. Die Strecke ist gleich, hie und da eine Baustelle, hie und da eine Umleitung. Das Wetter war sehr schlecht, es gab Überflutungen und einige Straßen sind kaputt. Man muss schauen, wie das Wetter wird, was die Wochenverfassung hergibt - wobei das mit der Trainingssteuerung gut auf den Punkt gebracht werden kann. Ansonsten werden wir das gleich angehen wie im Vorjahr, hoffentlich gleich gut und im Idealfall noch um eine Spur schneller.

Welchen Stellenwert hat das Team für dich und allgemein bei einem derartigen Unterfangen?

Einen unglaublich hohen Stellenwert. Ich hab für mich eine Aufschlüsselung, die lautet: 33% körperliche Fitness, 33% geistige Fitness und Motivation (auch unter dem Jahr, um zu trainieren) und 34% das Team. Weil die können mir - wenns mir körperlich und mental schlecht geht - helfen, achten auf meine Gesundheit, entscheiden, wann Pause gemacht wird, überwachen meine Nahrungsaufnahme… Im Prinzip tun die alles für mich - mein Job ist nur, rechts und links runterzutreten, munter zu bleiben, aufs Team zu hören und keinen Starrsinn zu entwickeln. Und ich glaube es ist eine meiner und unserer größten Stärken, dass ich loslassen und vertrauen kann und nicht alles unter Kontrolle haben muss. Viele andere Radfahrer können das nicht, wollen immer selbst alle Entscheidungen treffen, und das hat nach meinen Beobachtungen nie oder nur sehr selten zum Erfolg geführt.

Woran denkt man nach ein paar Tagen auf dem Rad – wie lenkt man sich ab, oder ist man in einer Art Trance?

Das ist einfach erklärt - hoffentlich an gar nichts. Idealerweise hat man Freude, hat Betreuer die einen Spaß machen, Musik, die man hören kann, Gespräche, die einen ablenken. Wenn man zum Nachdenken anfängt, ist das schlecht! Man muss aber eigentlich die Frage anders stellen, nämlich wie man das ein ganzes Jahr lang aushält, in der Vorbereitung. Wenn sieben Stunden Ergometertraining am Plan stehen, das sind die wirklich harten Geschichten - wo ich mich oft selber frage, wie schaffe ich das. Aber da hab ich ein Ziel vor Augen und Ablenkung (Fernsehen, Trainingskollegen, Musik…) und im Rennen ist es dann eigentlich recht spannend, weil es Konkurrenten, Zwischenstände und Berichterstattung in den sozialen Medien gibt. Über Facebook kommen Nachrichten und Kommentare, Leute teilen mir mit, wie sehr sie durch meine Leistungen motiviert werden und wie sehr sie mir die Daumen drücken. Der Zuspruch von außen hilft mir schon sehr - aus ganz eigener Kraft würde ich niemals so eine Leistung abrufen können oder mit so wenig Schlaf durchkommen.

Ernährungstechnisch setzt du weiterhin auf Ensure Flüssignahrung? Wie individuell ist Ernährung, wie findet jede*r am besten heraus, was ihm/ihr am besten passt?

Ja, ich setzte weiterhin (und das mittlerweile seit einem Jahrzehnt) auf Ensure Flüssignahrung, und auf das GS High Energizer Getränk, bei dessen Entwicklung ich mit dabei war - das sind die zwei Dinge, die ich zu mir nehme, abgesehen von einigen Nahrungsergänzungen (z.B. Panaceo mit Guarana, was beim Munterbleiben hilft, Magnesium, Salztabletten…) Aber Ernährung ist individuell, so wie auch Trainingsplanung individuell ist - es verträgt nicht jeder das gleiche. Aber ein Grundmotto sollte immer gelten - auch wenn es nicht Flüssignahrung ist: so leicht verdaulich, wie möglich (da ist Flüssignahrung natürlich optimal, weil der Magen nichts zu tun hat und mehr Energie für die Muskulatur zur Verfügung steht) und es sollten damit 300-500 Kalorien pro Stunden geliefert werden, damit man seine Leistung aufrecht erhalten kann. Welche Produkte da genau passen, muss man aber einfach ausprobieren.

Was sind deine Pläne für 2019 nach dem RAAM?

Ich möchte auf jeden Fall beim Race Around Austria dabei sein, eventuell in einem Zweierteam, wobei sich das erst nach dem RAAM final entscheiden wird. Im September findet der King of the Lake statt und eine Woche später gibts in Holland eine Art Monster-Zeitfahren über 140 Kilometer - das möchte ich gerne machen. Ich möchte aber auch noch einmal versuchen, in 24h die 1.000 Kilometer zu knacken. Es ist da tatsächlich noch nichts konkretes geplant aber darauf will ich mich nach dem RAAM vorbereiten. Die Frage wird sein, wo man sowas machen kann - auf der Indoorbahn wird das nicht funktionieren, vielleicht eine Outdoorbahn oder irgendein lässiger, abgesperrter Kurs. Viele Fragezeichen noch, ich bin mir aber sicher, dass es bei körperlich und ausrüstungstechnisch perfekten Bedingungen möglich ist, die 1.000 km an einem Tag zu knacken. Das ist noch eines meiner Lebensziele, das ich mit dem Radfahren erreichen will.

Wohin geht dein Weg mittel/langfristig? Ist das RAAM noch steigerbar (ohne dass es irgendwann „absurd“ wird – Stichwort DecaUltraIronmans usw.)

Da hab ich noch keinen genauen Plan. Ich konzentriere mich aufs Hier und Jetzt, aufs jeweils nächstgrößere Ziel. Wenn ich zu weit in die Zukunft denke, habe ich zu wenig Zeit für das Hier und Jetzt. Ich werde sicher weiter Radfahren, auch wenn das RAAM dann nicht mehr mein Saisonhöhepunkt sein sollte. Das RAAM ist grundsätzlich schon steigerbar, ich sehe das nicht von der Distanz her - man sieht bei anderen Menschen, dass weiter fahren kein Problem ist und ich weiß auch, dass ich weiter fahren könnte. Ich frage mich aber eher, wie schnell ich noch fahren kann auf den langen Distanzen. Für mich wäre es ein größerer Erfolg, bei einem 24h Rekordversuch noch ein paar Kilometer draufzulegen, bei einem RAAM die Durchschnittsgeschwindigkeit um noch ein paar Zehntel zu erhöhen oder nochmal unter acht Tagen zu bleiben. Das zu schaffen hat für mich mehr Reiz und hat einen größeren Stellenwert als eine doppelte oder dreifache Strecke zu fahren, was funktionieren würde, aber mich in der Form nicht unbedingt interessiert.

1.000km in 24h? Möglich bzw. dein nächstes/ultimatives Projekt?

Für mich ist es ein Ziel, wie richtige Radfahrer in der Pro Tour, Rennfahren auf die lange Strecke zu bringen. Ich glaube, dass man das auf 1.000 Kilometern in 24 Stunden auch zuspitzen kann. Aber wie vorhin schon gesagt, die Dinge sind hier erst in Planung. Es wird wieder Windkanaltests bei Specialized usw. geben, aber die größte Frage betrifft natürlich die Streckenwahl.

Gibt es andere Bereiche des Radsports, die dich reizen?

Sehr stark Zeitfahren - auch die kürzere Strecken, weil ich die Physik dahinter sehr spannend finde, die Mischung aus Aerodynamik und Leistung. Es ist die ehrlichste Disziplin, kein Taktieren, kein Windschatten, es gibt nur die Strecke, das Rad und dich. Vielleicht interessiert mich das auch besonders, weil ich dagegen Langzeitbelastungen (Schlafentzug, lange Zeiträume) schon so oft erlebt habe und da schon viel herausgefunden habe, wie man das schaffen kann. Aber die neuen Herausforderungen sind für mich diese klassischen Zeitfahren, die finde ich echt, echt cool.

Interessieren dich „Michael Strasser-Projekte“?

Ich hab den Wettkampf sehr gerne, ich finde es so cool, wenn Rennen stattfinden, wenn man sich auf einen fairen, ehrlichen, sich gegenseitig respektierenden Wettkampf einlässt, sich mit anderen Leuten misst, die gleiche Strecke absolviert und Wetterbedingungen hat und dann einfach schaut, wer kann schneller die Strecke zurücklegen. Das ist für mich der Grundgedanke des sportlichen Wettkampfs und das würde mir bei derartigen „Abenteuern“ etwas fehlen.

Michael Strasser macht das wirklich gut, er hat eine gute Vermarktung, eine Charity-Aktion dabei, von anderen in dieser Szene hört man eher weniger. Überhaupt ist die Vermarktung ein Schlüssel bei Projekten dieser Art: Wolfgang Fasching ist quer durch Russland und dabei 480 Kilometer am Tag gefahren. Amanda Coker - eine junge Amerikanerin - hat über ein Jahr lang täglich 380 km zurückgelegt, da hat kaum einer etwas davon mitbekommen. Da ist die Vermarktung ein ganz wichtiger Faktor, und das macht der Michi Strasser ganz großartig. Trotzdem bin ich persönlich mehr begeistert von Rennen und werde in Zukunft auch bei Veranstaltungen bleiben oder bei der Auslotung, was in 24h auf einer vorgegebenen Strecke möglich ist, wo es auch schon seit Jahrzehnten immer wieder Rekordversuche gibt, ähnlich dem Stundenweltrekord bei den Straßenfahrern.

Stichwort Zeitfahren: Ausbaufähig für dich? King of the Lake, Neusiedler bist du ja ganz vorne dabei. Wie schaffst du es (zb beim KOTL) über eine Stunde so gut zu sein, obwohl du ja vermutlich mehr für die lange Belastung trainierst?

Ich arbeite hart daran, ein paar Watt zuzulegen und ein paar Sekunden dazuzugewinnen. Extrem viel herausholen werde ich nicht mehr - ich bin jetzt 36 Jahre alt, da wird man nicht mehr so viel schneller. Ich werde bei der Sitzposition noch einiges herauskitzeln - alleine auch schon für die 1.000 Kilometer. Ich trainiere viel im intensiven Bereich nachdem ich jahrelang hauptsächlich Ausdauer trainiert habe, mittlerweile sind viele hochintensive Einheiten dabei.

Und warum ich auf eine Stunde so schnell fahren kann ist auch zusätzlich leicht erklärt: Ich wiege 80 Kilo und kann 400 Watt treten, das sind 5 Watt/Kg und damit ein Wert, den viele gut trainierte Radfahrer schaffen. Das heißt, das ist kein besonders außergewöhnlicher Wert, sonst würd ich die Tour de France fahren können. Mit 5 Watt/Kilo ist man aber ein guter Zeitfahrer - ich mag Zeitfahren und finde es cool, bin viel am Zeitfahrer unterwegs und arbeite an meiner Position. Außerdem bin ich mir sicher, dass man nur dann ganz schnell sein kann bei Langstreckenrennen, wenn man auch Zeitfahren trainiert, denn dort lernt man auch in der Ebene anzudrücken. Am Berg ist es viel einfacher ein Intervall zu trainieren… Die langen Rennen werden hauptsächlich in der Ebene entschieden und nicht in den Bergen, dort kann man sich maximal zerstören. Speed und Tempo macht man aber im Flachen!

Wie wichtig ist es für dich, deine Leistungsdaten und Trainingsumfänge offenzulegen, nach außen zu kommunizieren? Und was bekommst du da für Feedback?

Offenlegen von Trainingsdaten finde ich wichtig, auch wenn ich Strava nicht am Handy installiert habe, mich nur alle drei Monate einlogge, mein Passwort immer vergesse und dort auch nur einer Person folge. Aber zusätzlich zu WhatsApp, Facebook, Instagram usw. ist mir das als zusätzliche Plattform ehrlicherweise auch zu viel. Trotzdem möchte ich viele Sachen offenlegen und zeigen, welches Training dahintersteckt, warum diese guten Leistungen auf der Langstrecke zustande kommen. Zu verheimlichen gibt es nichts, es muss ohnehin jeder für sich selber trainieren, es gibt ja auch keinen fixen Trainingsplan, der zum Erfolg führt. Um sein letztes Potential auszuschöpfen bedarf es jedenfalls einer individuellen Trainingsplanung.

Tauscht du dich regelmäßig mit irgendwelchen anderen Radsportlern aus, hast du gute Freunde im Radsport als solches – oder „arbeitest du das ganze Jahr alleine vor dich hin“?

An sich sehr gerne, „Problem“ ist, dass ich das als Vollzeitjob mache und da nur sehr wenig Andere mitkönnen, vor allem auch vom Zeitbudget her. Da bleibt dann nichts anderes über, als alleine zu trainieren. Ich habe aber im Keller eine zweite Walze stehen, wo wir im Winter oft zu zweit fahren und plaudern können und dabei auch jeder sein eigenen Tempo fahren kann.

Bemerkst du einen „Boom“ (oder zumindest Zuwachs) bei Ultraradsportevents (RAN, RAA, Glocknerman usw.), wie siehst du die zunehmende Massentauglichkeit solcher Veranstaltungen?

Der Boom ist definitiv sichtbar, die absolute Dichte an der Spitze ist aber eher wieder etwas weniger geworden. 2013 waren z.B. sechs Österreicher beim RAAM am Start, das war quasi der Gipfel der Leistungsdichte. Durch die Rennen - v.a. RAA, 24h-Rennen - finden sich auch in Österreich immer mehr Teilnehmer, trotzdem ist es nicht wirklich möglich, den Sport - wie das z.B. beim Trailrunning der Fall ist - richtig zu boomen. Rennen wie ein RAAM bringen einfach so einen logistischen Aufwand mit sich, dass hier nie ein derartiger Massenmarkt entstehen wird können. Wahrscheinlich würde auch der Charme, das Puristische und Abenteuerliche etwas verloren gehen, insofern ist es glaub ich auch gut wie es ist.

Die RAA Challenge ist sicher ein Format, das tauglich und schaffbar für eine größere Menge an Menschen ist. Umso länger und selektiver die Rennen werden, desto geringer die Teilnehmerzahlen. Aber der ganze Sport hat sich im letzten Jahrzehnt prächtig entwickelt und ich hoffe, dass es in dieser Tonart weitergeht.

Ist “Weitradlfahren” das „bessere“ Wettkämpfen (also „besser“ als „Schnellfahren“) (was macht für dich den Reiz der Langstrecke aus)?

Es ist einfach eine andere Art von Wettkampf. Für mich ist auch der Vergleich mit den anderen Fahrern wichtig, aber der Fokus liegt auf dem Bewältigen der Strecke und weniger im Besiegen der Gegner. Es ist leichter zugänglich, man braucht keine Teams, in denen man sich qualifizieren muss, es ist ein sehr puristischer und individueller Sport und das ist sehr schön so. Und es ist dann doch auch ein Erfolg über sich selbst, über den inneren Schweinehund, die Zweifel, die Tiefs, die man zwischendurch erlebt. Sich da durchzukämpfen, ist ein sehr persönlicher Erfolg, den jeder für sich feiern kann, ganz unabhängig von der Platzierung, die dann in der Rangliste steht. Und das macht den Sport so beliebt - weil es zweitrangig ist, ob man in der Rangliste einen Platz weiter vorne oder hinten ist. Für mich ist das natürlich schon ein anderes Thema, weil ich das zu meinem Lebensmittelpunkt gemacht habe.

Welchen Stellenwert hat (gutes) Material auf der Langstrecke? (Beim RAA zb. wird ja teilweise mit Shimano 105 oder ähnlichem gefahren, während man im Wienerwald manchmal den Eindruck gewinnt, man könne ohne Dura Ace und Hochprofilfelgen keinen Meter fahren…) ;)

Material ist an sich schon sehr wichtig, aber erst, wenn man sein absolutes Leistungspotential ausschöpfen oder seine Performance maximieren will. Für einen RAA- oder RAAM-Sieg braucht es sicher Topmaterial, aber das hindert natürlich niemanden, mit einem alten Stahlrad an den Start zu gehen um ein persönliches Ziel zu erreichen. Man wird vielleicht hie und da weniger „Hinternweh“ haben, weniger eingeschlafene Finger, ein bissl schneller Bergauffahren können - aber das ist für ein persönliches Finish überhaupt nicht wichtig. Material ist da das Mittel zum Zweck aber nicht die Voraussetzung. Der Ultraradsport ist da grundsätzlich recht unprätentiös.

Kann man mentale Stärke trainieren? Gibt es Tricks, zu fokussieren/sich zu konzentrieren, die du anwendest oder empfehlen kannst?

Das kann man definitiv trainieren und ist ein ganz wichtiger Faktor. Es ist eine gute Sache zu wissen, warum man etwas macht, weil Momente kommen, wo es einem schlecht geht, wo man keine Lust mehr hat, keinen Sinn mehr darin sieht. Und wenn man sich erst einmal die Sinnfrage stellt, hat man schon ein massives Problem. Die Sinnfrage für sich schon im Vorfeld zu klären, ist extrem wichtig. Man muss sie beantworten können („Warum tu ich mir den Schas an?“), wenn man mitten in der Nacht aufgeweckt wird.

Man kann sich in der Hinsicht auch mit mentalen Übungen verbessern, da geht es viel um die Definition des eigenen Ziels. Zum Beispiel aufzuschreiben, welche kleinen Schritte man schafft, weil man am Schluss dann sieht, was man dafür investiert hat und das Ziel wird dadurch einen höheren Stellenwert bekommen. Wenn ich mir bewusst bin, dass ich jahrelang für Etwas gearbeitet habe, dann werde ich es auch nicht so schnell aufgeben - im Gegensatz zu „Schnell-Schnell-Aktionen“. Umso mehr auf dem Spiel steht, umso eher wird man durchbeissen. In meinem Fall steht sehr viel auf dem Spiel - dass ich davon leben kann, dass ich Vorträge halten kann, Sponsoren finde… da ist Aufgeben keine Option!

Eine gute Übung ist - egal ob am Heimtrainer oder auf der Couch - zehn Minuten die Augen zu schließen und den Moment zu visualisieren, wenn man über die Ziellinie fährt - wie es sich anfühlen wird, was die Betreuer sagen werden, wie es dort riechen wird, was man sich dort gönnen wird, wie der Moment dieser Ankunft ausschauen wird. Wenn diese Momente im inneren Kopfkino immer wieder erlebt werden und man quasi abspeichert, wie schön dieser Moment sein wird, dann kann man darauf zurückgreifen, wenn es dann mal nicht so rund läuft. Dann wird das Unterbewusstsein sagen, wie toll das im Ziel sein wird, genau so, wie man sich das vorgestellt hat und die Motivation weiterzumachen wird da sein. Eine ganz einfache Übung, mit der man sich sehr viel helfen und Gutes tun kann. Am besten einfach mal auf dem Heimtrainer zehn Minuten die Augen zumachen und sich das Ganze vorstellen - und zehn Minuten mit geschlossenen Augen sind eine lange Zeit!

Wie hast du dir deine Bescheidenheit und „Erdung“ erhalten über die Jahre?

Das selbst zu beantworten, ist schwierig. Grundsätzlich ist es einen Persönlichkeitsfrage - ich wollte immer das machen, was mir Spaß macht, Radfahren! Dass mit der Zeit diese Bekanntheit entstanden ist und ich für viele Leute eine Vorbildfunktion einnehme, das stresst mich ehrlicherweise auch manchmal. Ich habe etwas gefunden, was ich gerne mache und was gut läuft - ich bin aber deshalb kein besserer Mensch, und hab deshalb keinen Grund zu glauben, besser zu sein als jemand anderer. Ja, ich kann schnell und weit Radfahren, aber ich kann viele andere Sachen nicht gut - so hat jeder Mensch seine Stärken und Schwächen und braucht aus diesem Grund nicht glauben, dass er oder sie anderen Menschen überlegen ist.

Danke Christoph für das Interview und Alles Gute für das Race Across America!

Unter diesem Link ist die Livetracking Seite des Race Across America zu finden, am 11.06. um 12 Uhr Ortszeit fällt im kalifornischen Oceanside der Startschuss. Begleitet Christoph (virtuell) auf seinem Rennen über den Kontinent und schickt ihm eure Nachrichten und Unterstützung auf den Social Media-Kanälen!

Alban Lakata im Interview

169k hat Alban Lakata in Lienz zum Interview getroffen, es gibt ja auch viel zu besprechen: ein neues Team, Trainingsmethoden, Strava als Social Network für Sportler, Unterschiede zwischen Mountainbikern und Radrennfahrern und Osttirol!

Titelfoto: Team Bulls (Sebastian Stiphout)

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Für die breite Öffentlichkeit mitunter überraschend hast du vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass du im nächsten Jahr für das Team Bulls am Start stehen wirst und nicht mehr für Canyon-Topeak. Wie ist es genau dazu gekommen?

Schon bei den Vertragsverhandlungen für 2018 wurde mir nur ein Ein-Jahres-Vertrag angeboten, angeblich weil Topeak das Sponsoring nur für ein Jahr fix weitermachen wollte und auch die anderen Sponsoren nur für diesen Zeitraum zusagen wollten. So ist es mir weitergegeben worden, das musste ich so akzeptieren, war aber für mich schon irgendwie ein Wink, dass das vielleicht in der Form nichts mehr wird und das Ende des Teams naht.

Die anderen Fahrer haben auch alle nur einen Ein-Jahres-Vertrag bekommen?

Bei den anderen Fahrern hat es ganz das Gleiche gespielt, ja. Ich hab mir nach den Vertragsverhandlungen lange den Kopf darüber zerbrochen, wie es weitergeht. Ich habe auch versucht, die Zuständigen beim Team noch einmal umzustimmen oder mit Alternativen zu kommen, die die Zukunft für mich etwas sicherer machen - aber auch diese Varianten sind fehlgeschlagen bzw. wurden nicht angehört. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war mir ganz klar, dass das wohl nicht weitergehen wird - gleichzeitig aber überhaupt nicht nachvollziehbar, weil alles gut läuft, die Marke läuft gut, das Team funktioniert gut, die Erfolge waren da (zu diesem Zeitpunkt noch mit dem WM-Titel). Außer vielleicht das Durchschnittsalter der Fahrer, aber da hätte man ein paar Junge dazu nehmen können, gemeinsam mit den Arrivierten weiterfahren bis man da einen Wandel herbeiführt.

Es war sicher nicht einfach, in dieser Saison mit diesen Gedanken Rennen zu fahren?

Im Endeffekt war das Thema das ganze Jahr im Hinterkopf und hat sehr stark dazu beigetragen, dass ich nicht 100% meiner Leistung abrufen konnte. Im September nach der Marathon-WM hat man uns dann gesagt, dass es definitiv nicht weitergehen wird. Vielleicht war der Wunsch von Canyon da, beim Teamsponsoring einzusparen, Canyon ist ja bei einigen Teams sehr engagiert - und da waren wir die ersten, bei denen die Verträge ausgelaufen sind. Jeder von uns hat geglaubt, dass es weitergeht - es wurde ja auch viel investiert: Fahrzeuge, Designänderungen, Klamotten. Von Außen war jeder erstmal überrascht, wir haben aber mit unseren Informationen schon gemutmaßt, dass es aus ist und konnten uns schon ab Saisonmitte ein bisschen umschauen.

Vor wenigen Wochen wurde bekannt, das Sky als Sponsor aus dem Radrennsport aussteigt - nach fast zehn Jahren und auf den ersten Blick weiß auch keiner warum - und da waren auch die sportlichen Erfolge vorhanden. Vielleicht steigt man als Sponsor aus, wenn man quasi alles erreicht hat? Canyon hat zwei Straßenteams, die Räder verkaufen sich von selbst…

Canyon sponsort neben Straße und Triathlon auch noch einige Teams im Offroad-Bereich wie eben uns, aber auch Cyclocross, Enduro und Downhill. Mittlerweile geht es ja nicht nur ums Material sondern da müssen auch Millionen zusätzlich reingesteckt werden. Wie auch beim Downhillteam, dass kostet schon ordentlich!

Wegen dem Materialeinsatz?

Trucks, Material und die Fahrergehälter sind richtig hoch im Downhill - das wissen oft nur Insider. Jeder denkt sich, Downhill ist so eine Randsportart aber die verdienen da richtig Kohle. Da können wir im Cross Country-Marathon nicht mithalten, vielleicht gerade einmal ein Nino Schurter, der ist ja der Topverdiener im Ausdauerbereich.

Zählt Downhill auch mehr wegen der „Red Bull“-Welt?

Das weniger, aber die kriegen da einfach richtig gute Werksverträge. Teilweise natürlich weil das Ganze auch oft im Fernsehen ist, wie auch teilweise bei den Cross Country-Rennen, das gibt einfach einen größeren Werbewert und erleichtert die Sponsorensuche. Im Cross Country-Bereich ist es derzeit aber auch eher schwierig - die Teams sprießen nicht aus dem Boden, es ist schon eher ein zähes Geschäft. Dabei ist der Marathon noch „gesegnet“, weil die Masse der Leute dahinter steht, die Kunden.

Jetzt also Team Bulls mit Karl Platt - vom Konkurrenten zum Freund quasi?

Eigentlich ist das schon ein spannende Geschichte, dass zwei, die den Marathonsport geprägt haben (ich bei Eintagesrennen, er bei Etappenrennen) so zusammengefunden haben. Wir waren Konkurrenten und auch da schon eher richtige Rivalen, weil jeder so ein bisschen die Rolle des Marathonfahrers verkörpert. Er ist ein Vieltrainierer (viele Kilometer, viele Stunden), ich trainiere wattgesteuert mit Intervallen, das hat er lange nicht gemacht. Darin sehe ich aber auch einen großen Vorteil unserer Fusion, wir können beide von unserem Erfahrungsschatz lernen. Ich kann viel von seinen Cape Epic-Erfahrungen profitierten, da hat er den Schlüssel zum Erfolg. Das ist das erste große Ziel für uns, das Cape Epic - sein Ziel ist der sechste Sieg, damit wäre er alleinstehend erfolgreichster Teilnehmer (Christoph Sauser hat derzeit auch fünf Siege). Ich bin 39 und er 40, wir sind sicher nicht die jüngsten aber mit der Motivation und mit dem Kopf voll bei der Sache. Wir motivieren und jetzt gegenseitig.

Karl Platt und Alban Lakata (Foto: Team Bulls)

Ihr ergänzt euch ganz gut oder? Besser unterschiedliche Stärken, als jeder macht und kann genau das gleiche.

Mein bisheriger Teamkollege war vom Fahrertyp anders als ich - Schnellstarter und eher auf den kürzeren Strecken gut. Karl und ich sind Typen, die eher längere Rennen bevorzugen, hinten raus schneller werden, den längeren Atem haben - da harmonieren wir richtig gut. Es ist fast hollywoodreif, dass da zwei zusammenfinden, die sonst immer Konkurrenten waren, Wissen und Know How richtig zurückgehalten haben. Jetzt können wir beide von unserem Wissen profitieren.

Hat es da diesen einen Moment gegeben, wo einer auf den anderen zugegangen ist?

Ja, bei einem Rennen in Kolumbien waren wir im gleichen Hotel untergebracht und hatten das gleiche Rahmenprogramm - da hat man Zeit zum Quatschen. Da hab ich ihm erzählt, dass es das Team nicht mehr gibt, da war auch er baff wie alle anderen. Und er hat begonnen nachzudenken, wie er da unterstützen kann. Ein Monat später kam die Frage, ob ich mir vorstellen kann mit ihm zu fahren. Wir haben dann beide intensiver darüber nachgedacht und sind zu dem Schluss gekommen, dass das richtig gut funktionieren kann, weil wir vom Fahrertyp gleich sind, ähnlich viel Erfahrung haben und auch von unserem Umfeld her recht gefestigt sind - uns wirft nichts so schnell aus der Bahn. Und das sind Faktoren, die dann auch im Rennen entscheidend sind. Und dass wir beide uns gegenseitig helfen können, etwas zu erreichen, was wir alleine noch nicht geschafft haben.

Für dich ist das das Cape Epic?

Genau, für mich das Cape Epic, für ihn eine Medaille bei einer WM. Ich möchte ihm helfen, das zu erreichen - ich stehe ja schon etwas in der Schuld, weil er mich ins Team gebracht hat und das ist schon ein geniales Paket bei Bulls, das wäre woanders nicht möglich. Ich versuche mit Infos über Material und Training etwas zurückzugeben - Nehmen und Geben ist in so einer Partnerschaft sehr wichtig. So weit ich ihn jetzt kennengelernt habe, war meine Einschätzung als Konkurrent ganz anders. Interessanter Punkt ist auch, dass man als Konkurrent immer sieht, wo einer angreifbar ist. Das kann ich ihm jetzt sagen und umgekehrt geht das auch. Er hat mir auch schon ganz klar gesagt, welche Fehler ich mache, z.B. bei Etappenrennen.

Ich habe gelesen, dass du auch überlegt hast, ein eigenes Team zu gründen, auch im Hinblick auf eine mögliche Nachwuchsförderung?

Ja, wobei das war einer der kürzesten Gedanken aber das kam aus der Not heraus. Mit einem relativ kleinen Team - und ich hätte jedenfalls einen jungen Fahrer dazugenommen und einen erfahrenen Teamkollegen für die Etappenrennen - wäre das aber trotzdem viel Arbeit gewesen und ich hätte mich nicht mehr zu 100% auf den Rennsport konzentrieren können. Das war dann auch der Entscheidungsgrund, warum ich das recht schnell verworfen hab und eher geschaut habe, dass ich ein Team mit guten Strukturen finde.

Du möchtest schon noch ein paar volle Saisonen fahren? Es wäre doch auch eine Variante gewesen, dass Cape Epic irgendwie noch zu gewinnen und dann die Karriere auslaufen zu lassen?

Pensionierung ist definitiv noch kein Thema. Ich sehe, dass eine Leistungsentwicklung über die Jahre gegeben ist. Ich trainiere mit Watt und in der Leistungsdiagnostik ist erkennbar, dass noch Potential da ist. Und ich weiß auch, wieviel der Kopf mitspielt und allein von dem her könnte ich noch relativ lange fahren. Ich fühle mich noch nicht verbraucht.

Dein neuer Vertrag läuft zwei Jahre und hat eine Option auf ein drittes?

Genau, die Dauer war mir ganz wichtig. Ich möchte idealerweise nächstes Jahr schon das dritte Jahr fix machen. Schauen wir mal, wie es nach dem Cape Epic ausschaut, ob alle zufrieden sind. Aber alleine der Wille zum dritten Optionsjahr ist für mich ein Signal, dass sie mit mir zusammenarbeiten wollen. Als Grundgedanke war wichtig, dass jetzt nicht für zwei Jahre ein Fahrer für Karl Platt ins Team kommt und dann schmeissen sie mich raus. Schon beim Erstgespräch war ganz klar die Frage, was ich danach machen will. Ich hab gesagt, am liebsten möchte ich schon noch 3-5 Jahre Rennfahrer sein, solange ich halt vorne mitfahren kann. Alter ist irgendwie so eine Sache, ich fühle mich jetzt nicht so, dass ich nur noch hinten nachfahre, sonst würde ich es schon lassen. Wichtig ist, dass man Veränderungen akzeptiert und neue Reize setzt, dass man einfach nicht stagniert.

Alban Lakata im Trikot von Team Bulls (Foto: Team Bulls)

Abgesehen von Rennen als Zweierteam: welchen Wert hat das Team in deinem Radlerleben, auch im Vergleich zum Rennradsport? Könntest du deine Leistungen auch „alleine“ erbringen?

Das Team ist nicht so wichtig wie auf der Straße, du bist von deinen Teamkollegen im Rennengeschehen nicht so abhängig bzw. ist es nicht notwendig, teamstrategisch zu fahren.

Marathon fährt man alleine.

Ja, den fährst du mehr oder weniger alleine - von Anfang bis Ende am Limit. Das ist anders als auf der Straße. Klar gibt es Situationen in einem Rennen, wo du vielleicht profitierst, wenn du in einer Gruppe oder im Team zusammenarbeitest, aber viel wichtiger sind die Supporter drumherum - Masseure, Mechaniker, Teammanager.

Wie ist die technische Umstellung von Canyon auf Bulls? Ist dir egal, worauf du sitzt oder macht es für dich einen tatsächlichen Unterschied?

Ehrlicherweise hab ich mir zu Beginn schon kurz gedacht, dass Bulls zuerst einmal ein kleiner Rückschritt sein könnte. Canyon war sehr professionell was Marketing und Werbung angeht, wobei das ja grundsätzlich nichts über das Produkt aussagt. Bei Bulls steht ein Riesenkonzern dahinter, der große Umsätze macht und sehr gesunde Finanzen hat - Bulls ist da eigentlich nur eine kleine Sparte vom Ganzen. Bei meinen ersten Fahrten - egal ob mit dem Fully oder dem Rennrad war kein Riesenunterschied zu erkennen, obwohl ich ein echter Materialfreak bin in dieser Hinsicht. Optisch natürlich ein Unterschied, aber ein Rad ist ein Rad - um es banal auszudrücken. Bei einem Rad sprechen wir ja immer auch vom Gesamtpaket, bestimmte Sponsoren wie Fox und Shimano bleiben gleich, die Reifen ändern sich von Maxxis auf Schwalbe - wenn das Gewicht des Rahmens um einen Tick schlechter ist, ist der Reifen vielleicht einen Tick besser, das Gesamtpaket verschlechtert sich da auf keinen Fall. Karl hat schon bewiesen, dass es möglich ist, mit dem Rad Rennen zu gewinnen. Auch Urs Huber hat letztes Jahr 14 oder 15 Rennen gewonnen. Mitunter sehe ich es auch als meine Aufgabe, zu helfen, das Rad weiterzuentwickeln.

Bei neuen Rädern ist das Niveau insgesamt schon sehr hoch.

Genau. Image ist halt noch so eine Sache, aber das ist bei Bulls jetzt nicht so das Riesenthema - die sind sehr gut bei E-Bikes und im Low Budget-Bereich, das ist ihnen auch sehr wichtig.

Das ist ja auch der Massenmarkt, da wo die Umsätze herkommen.

Richtig, der Highend-Bereich ist gar nicht so sehr im Fokus. Was für die Fahrer fast etwas schade ist, weil die Verkaufszahlen eines High End-Rads ja auch die Werbewirksamkeit eines Fahrers oder des Teams widerspiegeln. Aber das kann man auch anders sehen - bei Canyon hat es soweit geführt, dass es anscheinend gar kein Team mehr braucht, um das Rad zu verkaufen. Wir haben sicher die Jahre zuvor gut gearbeitet, Leistungen erbracht, und Werbung gemacht, damit sich das Produkt gut verkauft. Jetzt wird davon eine Weile profitiert.

Was sind deine Ziele für 2019 (abseits des Cape Epic)?

Worldcup gibt es ja in dem Sinn keinen im Marathon und die bestehende Marathon-Serie hat nicht allzu viel Stellenwert für mich. Wichtig sind mir die Titel, das ist auch wieder etwas für das Team. Wenn man sich mein neues Trikot anschaut, dann ist das mehr oder weniger blank, die Weltmeisterstreifen kommen noch auf den Ärmel. Mein Ziel ist es, wie ein junger Fahrer, nach und nach meine Streifen und Abzeichen an meinem neuen Teamtrikot zu erarbeiten. Klares Ziel ist auch der WM-Titel mit dem neuen Team und unter der neuen Marke, das wäre schon etwas besonderes. Auch die Österreichischen Meisterschaften sind mittlerweile eine große Herausforderung, das Niveau in Österreich ist extrem hoch. Daniel Geismayr ist letztes Jahr Vize-Weltmeister WM geworden - das zeigt schon, was wir für ein Niveau haben, da stehen noch andere auf der Liste aber es reicht schon einer, um nicht Meister zu werden. Ich habe schon ein paar Mal gesagt ich fange jetzt wieder bei Null an - das ist so natürlich nicht ganz wahr. Ich muss mich jetzt nicht zwingend beweisen aber ich möchte es! Und zeigen, was mit dem Rad, dem Team und dem Umfeld alles möglich ist. Mit dem Alter kommt auch eine Reife und damit andere Ziele - andere als ein jüngerer Fahrer, vielleicht so etwas wie eine höhere Stufe der Selbstverwirklichung.

Zum Straßenradsport - du warst 16. bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften und einer der besten Österreicher beim Ötztaler Pro - da warst du bis zum Jaufenpass in einer guten Gruppe.

Am Jaufenpass hat sich dann die entscheidende Gruppe abgesetzt, leider ohne mich. Ich hatte da einen Hänger mit Unterzuckerung - schlecht gewirtschaftet, denn ich habe einmal meine Flasche nicht bekommen und in der fremden Flasche war ein Getränk mit Süßstoff. Man muss wissen, dass wir Mountainbiker sehr abhängig von Kohlenhydraten sind - Straßenfahrer funktionieren anders, die haben einen anderen Motor, die trainieren das auch. Bei Straßenrennfahrern ist die letzte Stunde wichtig, bei uns die Erste. Ich habe aus dem Rennen gelernt, nicht zu viel von vorne zufahren. Am Anfang bin ich viel vorne gefahren, aufs Kühtai hoch, viel im Wind - aus der Unerfahrenheit heraus. Der Ötztaler hat mich jedenfalls nicht glücklich gemacht vom Ergebnis her, auch weil ich gemeint habe, dass mir das Rennen vom Profil und den Anforderungen her liegen sollte. Ich möchte auch unbedingt nochmal starten, ob beim Pro Ötztaler oder beim normalen ist egal. Der normale kommt mir mehr entgegen, weil man da eher wie bei einen MTB-Marathon fährt - jeden Berg gleich schnell, vielleicht in einer kleinen Gruppe aber gleichmäßig an der Schwelle. Bei den Profis stellen die großen Teams halt ein paar Fahrer ab, einer von Bora ist den ganzen Brenner hoch vorne im Wind gefahren, um die Lücke zur Spitze zu schließen, das hätte ich mir nie gedacht. Der ist dann aber auch ins Auto eingestiegen und hat gesagt „Für mich ist der Job jetzt erledigt“. Ich hab daweil in der Gruppe überlegt, ob man sich da nicht irgendwie einbringen und unterstützen soll…

Das heißt, das entspricht nicht so wirklich deiner Philosophie?

Nicht wirklich. Ich hab dann schon gemerkt, dass meine MTB-Kollegen Geismayr und Pernsteiner - die zwei, die regelmäßig auch Straßenrennen fahren - sich da entsprechend zurückgehalten haben und beide sind dann gut gefahren. So ein Ergebnis hätte ich mir erwartet - dass ich gewinne war unrealistisch aber Top Ten hätte ich erwartet und da war ich halt weit davon entfernt.

Und die Österreichischen Meisterschaften Straße?

Bei der Straßenmeisterschaft habe ich taktische Fehler gemacht und auch zu wenig in die Vorbereitung investiert bzw. investieren können - da hat am Ende die Spritzigkeit gefehlt und für die Spitzen hab ich zu wenig draufgehabt. Das Zeitfahren war dafür ganz passabel.

Das heißt, Straßenrennen werden ein „Hobby“ für dich bleiben? Und Zeitfahren interessiert dich mehr?

Rennen wie der Ötztaler oder der Super Giro Dolomiti interessieren mich schon sehr, weil sie absolut meinem Fahrerprofil entsprechen und du auch nicht unbedingt abhängig bist von einem Team. Richtig professionelle Straßenrennen… klar hätte mich eine Straßen-WM in Innsbruck interessiert, zum einen in Tirol und die Strecke würde mir auch liegen…

Wo du halt alleine auf dich gestellt bist, ist das Zeitfahren,. Wenn man sich da mal ein Monat oder so darauf konzentriert, dann kann man da leistungsmäßig schon etwas abrufen. Materialmäßig hatte ich dieses Jahr zwar ein gutes Rad aber die Einstellung war suboptimal. Ich hatte gehofft, viel mit meiner Leistung und Stärke wettmachen zu können und hab auch einiges wettgemacht - aber eben nicht alles. Auch die Fahrtechnik war ein großer Punkt, ich hab knapp eine Minute in der Abfahrt liegenlassen, es war nass und regnerisch und ich hab einfach auch nicht alles riskiert. Brändle ist damals Zweiter geworden, wir sind in einer ähnlichen Gewichtsklasse und meine Wattwerte waren leicht höher als seine - das zeigt schon, dass ich da etwas weiter vorne hätte sein müssen, wenn alles gepasst hätte.

Wie gehts mit dem Zeitfahren weiter? Planst du das fix ein, entscheidest du spontan bzw. lässt deine Saisonplanung das überhaupt zu?

Das hängt davon ab, welche Freiheiten ich haben werde, ob ich mir mal drei oder vier Wochen rausnehmen kann um dafür zu trainieren. Mir schwebt auch so etwas wie der Stundenweltrekord als Projekt vor - nur um mal zu schauen, wo ich da liege. Mein aktueller Coach kennt sich da ganz gut aus und könnte mir sicher einige Tipps geben, um mit überschaubarem Aufwand ein ganz gutes Ergebnis zu erzielen. Heuer hab ich aber mal den Teamwechsel zu verdauen und dann werden wir schauen, welche Ausflüge in die anderen Sphären sich da noch vereinbaren lassen.

Wie schaut es z.B. mit dem King of the Lake aus?

Den habe ich definitiv am Schirm, zuletzt war das zeitlich schwierig, da war gleichzeitig die WM. Aber wenn es sich ausgeht, solche Sachen würden mich immer wieder mal interessieren - warum nicht!

Reizt dich die Langstrecke? Die Projekte von Christoph Strasser? Das Race Around Austria?

Vor zwei Jahren hätte ich gesagt „Sicher nicht - den „Blödsinn“ mach ich nicht“. Aber ich seh schon auch wieder einen Reiz in dem Ganzen, ich würde das nicht mehr komplett ausschließen. Das sind auch die Aspekte des Ausdauersports, wo das Alter nicht so negativ reinspielt.

Wer deine Aktivitäten verfolgt, weiß, dass du sehr aktiv auf Strava bist. War es jemals ein Thema, dass du bestimmte Daten nicht auf Strava veröffentlichst?

Ja das war Thema - wenn du einen Coach hast und viel leistungsgesteuert trainierst, dann ist es natürlich nicht ganz fair, wenn man da zu viel preisgibt. Ich versuche natürlich schon, ein transparenter Athlet zu sein und die Menschen sollen sehen, was notwendig ist, um vorne mitzufahren und was ein Profi wirklich macht. Es nützt keinem etwas, wenn ich auf Strava nur die Fahrten und ein paar Bilder hochlade und alles andere verheimliche - da gehört viel mehr dazu und die Menschen schätzen das auch.

Hast du irgendwelche negativen Erfahrungen gemacht? Wie sieht das Feedback der Follower aus?

Was ich schon gemerkt habe ist, dass man teilweise „ausspioniert“ wird. Viele Trainer schauen genau hin, die Sportler selbst schauen und gehen dann zu ihrem Trainer und sagen, sie wollen das auch so und so machen. Nach dem durchwachsenen Jahr 2018 ist die Aufmerksamkeit etwas weniger geworden, man merkt es an den Followerzahlen. Als ich 2017 Weltmeister geworden bin, ist alles regelrecht explodiert. Jetzt mit dem Teamwechsel bin ich offenbar wieder etwas interessanter geworden, das gibt einem schon ein gewisses Feedback. Ich selbst folge nicht vielen - ich habe mir ein paar herausgepickt, die interessant sind in meinem Bereich, wo ich vielleicht auch noch etwas lernen kann. Ich nütze Strava als wahres Social Media für den Radsportler, weil Leute sich da normalerweise schon für die Materie interessieren - egal ob Material oder Training. Leute kommen auf mich zu und sagen „Ich folge dir auf Strava“ - das zeigt mir, dass sie nicht nur an Canyon oder Bulls oder sonst irgendwas interessiert sind, sondern an mir und meinem Beruf. Das gibt mir das Feedback, dass ich da etwas richtig mache.

Spannend an deinem Strava-Profil finde ich den Mix aus Sportarten (Rad, Fitness, Rolle, Skitouren) - das ist für mich ein Mehrwert und eine gute Veranschaulichung, was notwendig ist im Training.

Vier Stunden Skitouren sind für mich weniger anstrengend als vier Stunden Rolle, weil es kurzweiliger ist. Viele Sportler gehen jetzt Skitouren, alle die die Möglichkeiten haben oder in den Alpen wohnen. Ich mache das schon seit ich Radsport betreibe, einfach weil es bei uns in Osttirol einfach nicht anders geht und natürlich weil es ein super Ausgleichstraining ist. Das könnte ich ja theoretisch auf Strava auch verstecken - ich verheimlich auch nicht dass ich Intervalle bei den Skitouren gehe. Ich erkläre es jetzt nicht mehr so ausführlich wie früher - wenn ich schreibe „4x10min VO2Max“ und dann noch „30-30er Intervalle“ dann fragen die Leute nach und dann geht das mehr und mehr ins Detail. Ich schreibe dann eher „VO2Max Intervalle“ oder „Harte Einheit auf der Rolle“ und das passt auch. Mir haben Leute schon Auswertungen über mich selbst geschickt, das weiß nicht einmal ich so detailliert, meine aktuelle Schwelle oder den FTP-Wert.

Alban Lakata auf Strava

Osttirol präsentiert sich als sportliche Raddestination - was bekommst du davon mit?

Es tut sich sehr viel in Lienz und in ganz Osttirol, zum Beispiel auch mit dem Bikepark am Hochstein, der weiter wächst.

Dort gibt es ja auch den Lakata-Trail.

Genau, den bin ich ich ja damals mit Peter Sagan bei der Eröffnung heruntergefahren. Das Team von Bora-Hansgrohe ist regelmäßig auf Trainingslager in Lienz, da könnte ich auch mitfahren - das ist schon ein eigenes Flair, wenn so eine große Mannschaft da auf Höhentrainingslager ist und die Gegebenheiten nutzt. Die Leute schauen auf Lienz und Osttirol - da kann man Radfahren, da gibt es die Infrastrukturen - insgesamt eine sehr gute Initiative.

Und für dein sportliches Mountainbiken?

Die Trainingsausfahrten mit großen Mannschaften sind gut, Hermann Pernsteiner war letztes Jahr für ein paar große gemeinsame Runden hier - es macht Riesenspaß, mit solchen Leuten zu trainieren. Der Bikepark kommt mir da sehr zu gute, weil ich da meine Skills trainieren kann.

Das heißt, den nützt du regelmäßig?

Ja, gerne und oft, wenn es sich ausgeht. Aber auch sonst - wir haben viele Radwege, sodass man nicht nur auf den Hauptstraßen unterwegs sein muss.

Du bist aber auch recht viel auf den Bundesstraßen unterwegs?

Ich fahre gerne die Kreuzbergrunde und die Lesachtalrunde. Es sind flüssige Schleifen, man kann teilweise die Radwege benützen, schöne vier Stunden lang. Wichtig ist, dass es Runden sind und man nicht einen Radweg rauf und runter fährt. Auf halbem Weg in Hermagor hab ich mein Stamm-Café für einen Cappuccino, bevor ich weiterfahre.

Du fährst also nicht mit dem Kopf unten am Lenker sondern schaust auch mal in die Landschaft?

Teils, teils - bei so einer Runde gibt es z.B. Strava-Segmente, die baut man ein und dann hat man während der Fahrt immer wieder kleine Herausforderungen.

KOMs (King of the Mountain-Wertungen) sind schon ein Ansporn für dich?

Ja sicher - z.B. der KOM am Gailberg gehört nicht mehr mir, der wurde bei der Dolomitenradrundfahrt unterboten. Der Kreuzberg ist extrem umkämpft, den hab ich mir kürzlich zurückgeholt. Im Gailtal gibt es ein langes flaches Segment, das ich immer wieder einmal in Angriff nehme.

Also Strava als Motivation?

Das ist ein wesentlicher Pluspunkt von Strava - die Motivation, die man daraus zieht. Man schaut, was die anderen fahren, dann kann ich halt auch einmal 4-5 Stunden in der Kälte trainieren. Mit den KOMs sehe ich aber auch, wo ich an mir arbeiten kann. Ich fahre jetzt nicht in der Welt herum, um KOMs zu sammeln, aber wenn auf einer größeren Runde z.B. der Monte Zoncolan dabei ist, dann versuche ich schon, mir den zu schnappen. Der Zoncolan von Ovaro ist seit dem Giro relativ schwierig mit der Zeit vom Froome - obwohl der hat das gar nicht hochgeladen…

Wie oft bekommst du ein Email, dass du einen KOM verloren hast?

E-Mail nicht, weil die Funktion ausgeschaltet ist, aber Benachrichtigungen schon regelmäßig, viele kommen aber auch mit dem Auto oder E-Bikes zustande. Falls ein KOM mir ehrlich abhanden kommt, dann kann das schon motivieren, beim nächsten Mal in diesem Segment etwas mehr Gas zu geben.

Auch weil du recht viel alleine unterwegs bist?

Definitiv. Und auch für den sportlichen Ehrgeiz, um andere Leute wieder zu motivieren etwas zu tun. Den KOM am Kreuzberg hab ich mir zuletzt zurückgeholt, dann hoffe ich, dass da der nächste kommt und die Zeit wieder verbessert. Man lernt nicht nur wie man schneller fährt, sondern auch auf die Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen. Man wird ein feinfühliger Fahrer, schaut wie sich der Wind verhält - über die tageszeitabhängigen Windverhältnisse auf der Rückseite des Iselsberg weiß ich mittlerweile sehr viel. Das sind so Spielereien, aber die machen das Ganze spannend und interessant. Und es geht ja im Endeffekt darum, dass es nicht fad wird.

Gutes Stichwort für ein Schlussplädoyer: trotz allem Ehrgeiz und Wettkampf gehst du gerne Radfahren und es macht dir Spaß? Es gibt ja immer wieder Interviews mit Profis oder Fahrern, die sagen, dass sie in ihrer Freizeit kein Rad angreifen würden…

Die meisten haben eine romantische Vorstellung vom Leben eines Radprofis, aber ich kann sagen, es ist mit Sicherheit nicht immer romanisch. Es macht mir schon zu 90% Spaß. Ich trainiere gerne strukturiert aber eben manchmal auch ins Blaue hinein. Spaß ist dabei ein wichtiger Motivationsfaktor - wenn man den nicht mehr hat, im Training und auch im Rennen, dann ist es bald vorbei. Ich fahre liebend gern Rennen und ich trainiere auch extrem gern. Für beides musst du Spaß daran haben, da spielt dann auch das Alter keine Rolle. Wenn du dich zum Training motivieren kannst, dann wird die Leistung nicht so schnell abfallen.

Alban, Vielen Dank für die Zeit und das Interview - Alles Gute für die kommende Saison im neuen Team Bulls.

Alban Lakata auf Facebook, Instagram, Strava und sein Steckbrief des Team Bulls:

King of the Lake 2018

Ich bin auf dem Weg zu einem Familientreffen. Es ist Samstag Abend und ich parke mein Auto bei der Marina in Schörfling, um meine Startunterlagen für den 8. King of the Lake abzuholen. Quer über die Straße entdecke ich den ersten Teil meiner “Familie” - Michael Nussbaumer, seines Zeichens Organisator des großartigen Race Around Austria und seine Mediencrew. Erst vor einem Monat hab ich mein Zelt ein paar Kilometer weiter in Sankt Georgen im Attergau aufgeschlagen gehabt, um die Radler*innen auf ihrer Langstrecke rund um (Ober)Österreich zu begleiten. Zehn Minuten später habe ich mein Starterpaket in der Hand und Erwin Mayer - Mastermind des King of the Lake - gesellt sich zu uns. Er ist frohen Mutes - gutes Wetter, gefüllte Teilnehmerlisten und zufriedene Mitarbeiter sind Dinge, die einen Rennorganisator glücklich machen.

Zur Familie gesellen sich “Freunde” - egal ob beim gemeinsamen Abendessen am Freitag oder am Renntag. Alle sind sie gekommen, um selbst eine Runde um den Attersee zu drehen oder jene anzufeuern, die sich anschicken, es zu tun. Die Gesellschaft ist eine illustre, die tägliche Facebook-Timeline materialisiert sich zu realen Personen, die sich alle rund um den Start-Zielbereich des “KOTL” drängen. Egal ob Radbundesliga, Profis, Vereine aus ganz Österreich, Vorjahressieger, Vertriebspartner, Medienmenschen, Blogger, Fotografen, Freunde und Nachbarn aus Wien, Hersteller, Sponsoren - wenn nicht Familientreffen dann zumindest Klassentreffen. Würde nicht in wenigen Minuten ein Rennen stattfinden, das Kommen hätte sich trotzdem ausgezahlt. Ein entspannter Nachmittag am schönen Attersee…

Die Idylle trügt allerdings, es liegt etwas in der Luft - Adrenalin, Laktat, Schmerzen. Immerhin gilt es Queen und King of the Lake zu eruieren. Dazu sind die bereits bekannten rund 47 Kilometer um den Attersee zurückzulegen. 47 Kilometer sind viel für ein Zeitfahren - üblicherweise bewegen sich die klassischen Zeitfahrdistanzen bei rund 20-30 Kilometer. Ein paar Höhenmeter kommen auch noch dazu - perfide versteckt in einigen kurzen aber nerven- und kräftezehrenden Anstiegen auf der Westseite des Sees. Die Strecke ist gesperrt - rund sechs Stunden sind die Anrainer des Sees (mehr oder weniger) bereit, “ihre” Straße den Radfahrer*innen zu überlassen. Feuerwehren, Polizei und freiwillige Helfer stellen sicher, dass sich trotz Beschilderung und Infos keine Autos auf die Strecke verirren.

Die Sperre ist eines - wenn nicht DAS - Alleinstellungsmerkmal des King of the Lake, nirgendwo anders in Europa (und vermutlich auch weltweit) gibt es etwas Vergleichbares. Die 1.275 Teilnehmer - und die vielen hundert mehr, die nur mehr einen Wartelistenplatz ergattert haben - danken es dem Veranstalter mit Treue und positiver Rückmeldung. Die Tatsache, dass die Startplätze im Einzel in diesem Jahr innerhalb von wenigen Tagen restlos ausverkauft waren, machen weitere Kommentare dazu überflüssig - bei den Teams waren die Startplätze ähnlich schnell vergriffen.

Was macht den KOTL außerdem noch besonders? Die Landschaft Österreichs hat traditionell einen hohen Stellenwert in allen meinen Blogbeiträgen und besonders die Gegend rund um den Attersee hat es mir angetan - hier also ein Rennen zu veranstalten, trifft genau meinen Nerv und ich denke es geht auch vielen anderen so. Auch wenn man während des Rennens vermutlich keine allzu große Muße hat, sich an der Landschaft zu erfreuen, sie ist da! - spätestens am Abend beim gemeinsamen Feiern wird der Blick über die Marina Richtung See wandern, man wird kurz den Trubel rund um sich herum ausblenden und erkennen, was für einen schönen Fleck man hier vorfindet. Kleiner Tipp für das Rennen übrigens: Solange der See rechts ist, stimmt die Richtung!

Und noch ein Aspekt spielt dem KOTL in die Hände. Unromantisch wie wir leider immer alle mehr werden, dreht sich auch im Training oft alles nur noch um Wattwerte, Leistungszahlen und Abkürzungen von FTP über NP bis CP. Der King of the Lake bietet mit seiner Strecke die Möglichkeit, diese manchmal eher theoretischen Werte in die Realität zu übertragen. Die FTP (Functional Threshold Power) ist jener Wert, den man über die Dauer von einer Stunde erbringen kann - zur Bestimmung dieses Werts fährt man aber nie eine Stunde, der Wert von bspw. 20 Minuten wird meistens hochgerechnet, um die FTP zu ermitteln. Am Attersee bietet der Rundkurs nun eine potentielle Fahrzeit von - je nach Ambition - 1:00 bis 1:20. Eine gute Gelegenheit also, Leistungswerte der “hour of power” auf ihren Realitätswert zu prüfen und die eigene Leistung “in echt” auszureizen. Auf die ehrlichste und gleichzeitig schonungsloseste Art und Weise - alleine im Wind!

Der Renntag startet mit der Rad-Bundesliga und deren Mannschaftszeitfahren. Letztes Jahr als Premiere eingeführt, bieten die Bundesligateams einen zusätzliche Anreiz für alle Zuschauer, eine weitere Vergleichsmöglichkeit mit den Profis und auch die Fahrer selbst werden wohl froh sein, ein derartiges Rennen in ihrem Kalender zu haben. War letztes Jahr noch die Mannschaft von Hrinkow vorne, konnten 2018 die Fahrer von Felbermayr-Wels das Rennen für sich entscheiden. Für die bevorstehende Weltmeisterschaft in Tirol eine perfekte Vorbereitung und Generalprobe, gibt es doch bei der WM zum letzten Mal den Titel des Mannschaftszeitfahrens in der derzeitigen Form zu gewinnen.

Danach wird es ernst für die zahlreichen Vierer-Teams, die sich für den KOTL gemeldet haben. Wer die erste Hürde - die doch recht hohe und steile Startrampe - gemeistert hat, wird von zahlreichen Zuschauern und Fans ins Rennen geschrien - ein Start wir bei einem Profirennen. Vier Fahrerinnen bilden ein Team, die Zeit des oder der Dritten zählt, eine*n Fahrer*in kann man quasi auf der Strecke “opfern”. Die Taktiken sind dabei unterschiedlich - Teams kommen zu dritt oder viert an, manche haben die Ablösungen im Vorfeld schon akribisch einstudiert, haben als Zug trainiert oder fahren einfach drauf los.

Während die Viererteams wieder Richtung Ziel kommen, bin ich gerade am Rückweg in mein Hotel in Moos (ich bin ja neben dem Fotografieren auch zum Fahren angereist). Der Litzlberger Keller (mein Hotel) liegt bei der 2-Kilometer-Marke und genau hier baut sich der letzte Schupfer auf, der zwischen den Fahrer*innen und dem Zielstrich liegt. Und genau hier ist es auch, wo Teams gesprengt werden, Kräfte am Ende sind, Anweisungen nur noch diffus durch die Gegend gerufen werden und sich bei manchen Teilnehmer*innen nur noch der Tunnelblick breitmacht.

Ich ziehe mich am Balkon meines Zimmers für mein persönliches Rennen um und beobachte dabei das Spektakel auf der Uferstraße unter mir. Es ist eine Prozession von Erlösung Suchenden - in Auflösung befindliche Viererteams, durcheinander gewürfelte Windstaffeln, Grüppchen von verlorenen gegangenen Teammitgliedern und die ersten Einzelfahrer, die mit einem Wummern von der montierten Vollkarbon-Scheibe durch das Feld pflügen. Die leicht chaotische Szenerie passt so gar nicht zur idyllischen Seenlandschaft an diesem ruhigen und sonnigen Samstagnachmittag.

Zwanzig Minuten vor meiner Startzeit - die Einzelfahrer starten in 15-Sekunden-Intervallen - stehe ich im Startbereich in der Schlange zur Startrampe, lächelnd, freudig wartend auf mein Startsignal, dass mir mit Sicherheit Schmerzen verursachen wird. Aber irgendwie scheint sich auch jede*r um mich herum darauf zu freuen, sich quälen zu dürfen. Es ist eines der Mysterien der Menschheit und des Sports, warum wir uns das immer wieder antun… - aber es ist nicht genug Zeit, sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Auf die Rampe, die Sekunden laufen herunter und schon geht es los.

Ein kleiner Hügel direkt nach dem Start sorgt für den ersten Peak in der Leistungs- und Herzfrequenzkurve, danach rollt es am Ostufer des Sees erstmal “gemütlich” dahin. Eines der Rezepte für einen erfolgreichen KOTL ist, sich in der ersten Hälfte etwas aufzusparen. Wie das genau funktionieren soll oder ob man auch schafft, das umzusetzen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Man wird überholt und fühlt sich dann natürlich doch jedesmal etwas im Stolz verletzt, man durchfährt Fanzonen und will sich gerade dort natürlich keine Blöße geben, und so weiter - so viel zum Thema “ruhig angehen”.

Die Zwischensteigungen entlang des Südufers dürfte ich letztes Jahr verschlafen haben, jedenfalls bin ich überrascht, als ich auf den ersten Anstieg zufahre, den hatte ich jedenfalls nicht eingeplant. Den Anstieg bei Unterach kurz vor der Wende habe ich mir allerdings vom Vorjahr gemerkt. Bei der Halbzeit geht es hier ordentlich bergauf, die meisten Rennradfahrer tun sich hier sichtlich leichter als viele auf ihren Zeitfahrern.

Ich bin 2018 mit dem Rennrad unterwegs,. Wer meinen Blogbeitrag vom Vorjahr noch in Erinnerung hat (oder ihn hier kurz nachlesen möchte), weiß, dass ich 2017 meine Premiere auf dem Zeitfahrrad gefeiert habe, wobei mir die Sitzposition, mangelnde Nacken- und Rückenmuskulatur und zuwenig Vorbereitung auf dem Zeitfahrer (drei “Versuchsfahrten”) einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Für 2018 habe ich mir daher als Ziel genommen, auf dem Rennrad die Zeit vom Vorjahr einzustellen oder zu unterbieten. Nach meinen Rückenproblemen im Frühjahr war der Zeitfahrer für dieses Jahr keine wirkliche Option.

Auf der Westseite des Sees wird es dann spannend. Insgesamt sind es drei oder vier kleinere Hügel - die genauen Ausmaße und Dimensionen sind schwer zu beschreiben bzw. würden sie lächerlich wirken wenn man sich frisch und ausgeruht auf die Straße stellt und locker die paar Meter hinauffährt. Im Rennmodus des KOTL - bis obenhin voll mit Adrenalin, Laktat und “Will-nicht-mehr” - werden diese kleinen Hügel allerdings zu Bergen monumentalen Ausmaßes. Die Wahl pendelt zwischen “Drübertreten” - und dem Risiko, sich totzufahren und das Laktat bis zum Ziel nicht mehr aus den Beinen zu bekommen - oder aber langsam hinaufkurbeln und sich gleichsam im Anstieg verenden sehen. Zu allem Überfluss ist im steilsten Abschnitt auch noch eine Fanzone des Race Around Austria aufgebaut (siehe oben - “Familie”), da muss man irgendwie ohne Gesichtsverlust durchkommen.

1500 Meter vor dem Ziel ist aber auch der letzte “Gipfel” bezwungen, es geht flott bergab zurück Richtung Ziel. Vor der Agerbrücke wartet noch eine 90-Grad Kurve, danach kann man getrost nochmal alles aus den Beinen rausholen, die Ziellinie ist in Sicht und damit unendlicher Ruhm und Genugtuung. Ob auf der Anzeigetafel 1:05 steht (in diesem Fall tiefe Verneigung) oder 1:21 (wie in meinem Fall) ist völlig nebensächlich - sage ich, dem es in erster Linie um den Sieg über den inneren Schweinehund geht. Wer hier im Ziel ausrollt, nach Luft schnappt und Krämpfe zu vermeiden versucht, kann stolz sein - stolz auf das, was in den letzten Minuten passiert ist, was man geleistet hat, wie man gesiegt hat.

Während ich über mein Oberrohr gebeugt im Zielkanal schnaufe, wird im Hintergrund der Start von Georg Preidler angekündigt. Er hat 2017 - als amtierender Zeitfahrer-Staatsmeister - eine Fabelzeit und einen neuen Streckenrekord von 55 Minuten in den Asphalt der Attersee-Uferstraße gebrannt. Eine knappe Stunde später wird Georg mit einem neuerlichen (und unfassbaren) Rekord von 53 Minuten wieder im Ziel sein. Das ist mir im Moment aber egal, die eingangs erwähnten Freunde und Familienmitglieder stehen bei mir, man trifft sich wieder, gratuliert sich, fragt nach dem Erlebten, tauscht sich aus. Und auch die eigene Freude ist noch einmal intensiver, wenn man sie mit jemandem teilen kann.

Für Georg Preidler freue ich mich übrigens sehr, er ist einer der nettesten und bodenständigsten Fahrer im Zirkus. Am Morgen des Renntags waren wir gemeinsam mit seiner Freundin “einfahren” - während er eine lockere Runde um den ganzen See gefahren ist, war das für mich schon die erste Belastung des Tages ;) Ich bin jedenfalls gespannt, welche Leistung Preidi im Zeitfahren der WM bringen kann und freue mich schon, auch dort dabei sein zu können.

Gratulation an Marcus Baranski (den King of the Lake), Adelheid Schütz (die Queen), Babsi Mayer, Christoph Strasser, alle, die neue Bestzeiten erzielt haben, sich aus der Komfortzone bewegt haben, ins Ziel gekommen sind oder einfach Spaß hatten. Dank und Glückwünsche auch an Erwin Mayer und das ganze Team der Atterbiker, die wiederum eine großartige Veranstaltung auf die Beine gestellt und abgewickelt haben. Ich freue mich auf 2019!

Meine Teilnahme am Rennen und die Übernachtung am Attersee erfolgten auf Einladung des Veranstalters. Fotos wurden selbstgemacht oder vom Sportograf.

Was bringt 2018?

Oft passieren also die besten Dinge, wenn man sie nicht plant... In diesem Sinne möchte ich gar nicht weiter fabulieren, was 2018 sein könnte oder würde oder sollte. Starten wir einfach drauf los - ich freu mich.

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Bikefitting

Bevor wir einsteigen, ein paar Fragen, die jede und jeder für sich selbst beantworten sollte:

  • Habe ich beim oder nach dem Radfahren schon einmal Rücken-, Sitz- oder Gelenksschmerzen gehabt?
  • Kann ich lange Strecken beschwerdefrei durchfahren?
  • Passen die Anbauteile an meinem Rad (Lenker, Vorbau, etc.) zu mir und meinem Fahrstil?
  • Möchte ich meinen Leistungsoutput verbessern/optimieren?
  • Habe ich beim Radkauf eine Beratung und eventuelle Anpassung bekommen?
  • Hat mein Rad mehr als ein Monatsgehalt gekostet?

Wer bei einer dieser Fragen (es gibt noch einige mehr!) ins Grübeln kommt, sollte über die Möglichkeit eines Bikefittings nachdenken! (Was der Preis des Rades damit zu tun hat, dazu kommen wir noch).

Bikefitting - wozu?

Eigentlich geht es ja "nur" darum, das Rad in seinen Einstellungen an die körperlichen und trainingstechnischen Bedürfnisse des Fahrers und dessen Körper anzupassen. Ein vermeintlich kleiner und unbedeutender Schritt also - offenbar so klein und unbedeutend, dass viel von uns ihn einfach überspringen. Für viele ist die richtige Einstellung des Rads auch schon abgeschlossen, wenn die Sattelhöhe halbwegs richig eingestellt ist - wie war das? Ferse aufs Pedal und durchstrecken, dann ist alles gut? Nicht gut!!

Bikefitting ist zurecht gerade ein sehr präsentes Thema. Es macht doch auch viel mehr Sinn, sich um die richtigen Einstellungen des Rades zu kümmern, bevor irgendwo Schmerzen auftreten, bevor irgendein Gelenk irreversibel abgenutzt ist, bevor wir uns "falsche" Bewegungsmuster angewöhnen. Viele von uns verbringen ohnehin schon den Großteil des Tages sitzend vor dem Bildschirm, von dort bringen wir schon genügend Belastungen unseres Körpers mit in die Freizeit - auf dem Rad sollten wir uns dann zumindest wohlfühlen können und unsere Schmerzen, Belastungen und Fehlstellungen nicht noch verstärken. Rund die Hälfte der Bikefittings finden erst statt, nachdem Probleme aufgetaucht sind - nicht gut!

Grob die andere Hälfte der Bikefittings hat den Zweck, die Leistungen zu optimieren, die wir am Rad erbringen. Auch hier ist es mit der grundsätzlich richtigen Sitzposition nicht getan - eine Vielzahl von (Gelenks-)Winkeln und Längenverhältnissen bestimmen, wie effektiv wir unsere wertvollen Watt auf das Rad übertragen können und wie effizient die Leistung auch dort hinkommt, wo sie im Endeffekt hin soll.

Das Bewußtsein für die Notwendigkeit eines Bikefittings scheint im Allgemeinen zu steigen - das ist eine gute Sache. Auch und gerade dem Hobbysportler - die wir unsere wertvolle Freizeit dem Radsport verschrieben haben - sollte eine angenehme & schmerzfreie aber gleichzeitig etwas leistungsoptimierte Position auf dem Rad ein Anliegen sein.

Bikefitting - Ablauf

Schauen wir uns das Ganze etwas detaillierter an! Christoph und Lukas von P.bike waren so freundlich, mich bei einem Bikefitting über die sachkundige Schulter schauen zu lassen (Cafe und viele dumme Fragen meinerseits inklusive) ;)

1. Der Fahrer

Am Beginn steht die Aufnahme von einigen Grunddaten zum Fahrer. In diesem Fall bekommt Ironman Robert ein Bikefitting für seine Triathlon-Maschine. Die biometrischen Daten (Körpermaße) sind schon mal der erste wesentliche Input für das Bikefitting-Computersystem, das bei P.bike in Verwendung ist. Die relevanten Körperteile von Robert werden mittels Laserpunkten bemessen.

Auch die Frage nach Verletzungen, Vor-Schädigungen, Fehlstellungen oder bekannten Einschränkungen im Bewegungsapparat wird hier abgehandelt. Jede und jeder von uns ist schon mal gestürzt, manche schleppen vielleicht eine "Erinnerung" an frühere Tage mit sich herum, die wenigsten von uns "funktionieren" 100% planmäßig... Derartiges Wissen muss entsprechend ins System eingepflegt werden, das betroffene Gelenk wird uns später noch sehr dankbar sein.

Genauso zum Fahrer gehören auch die individuellen Ansprüche, die man an sich selbst im Sport stellt. Ist man Genussfahrer, sportlich ambitioniert oder zu 100% auf Wettkampf getrimmt? Stack & Reach - hä?? Das Rad gibt schon einiges vor, aber beim Bikefitting geht es vor allem auch darum, dass Rad an die jeweiligen sportlichen Bedürfnisse anzupassen. Also gleich raus damit und ehrlich sein, was man eigentlich will am Rad (und was nicht).

2. Das Rad

Auch das Rad wird mit Laser vermessen. Eckpunkte und Positionen der relevanten Anbauteile (Sattel, Vorbau, Lenker), Tretlagerposition, Kurbellängen - alle jene Punkte, die auf die Position am Rad einen Einfluss haben.

3. Die Einstellungen

This is where the magic happens - mit den Maßen von Roberts Körper und jenen des Rads gefüttert, berechnet die Software nun eine dem vorher angegebenen Einsatzzweck entsprechende optimale Sitzposition und schlägt gleichzeitig auch die notwendigen Korrekturen an den einzelnen Teilen vor - also Sattel x cm nach vorne, Sattelstütze y cm raus und Lenker z cm nach oben. Klingt großartig oder?

Ganz so einfach ist es dann aber doch wieder nicht - eine gehörige Portion Know-How ist notwendig, um - bei allem Technologievertrauen - die Individualität jedes einzelnen Radlers und jeder einzelnen Radlerin zu berücksichtigen. Sobald also die vom System vorgeschlagenen grundlegenden Einstellungen vorgenommen sind, geht es ins Detail. Will der Radler das überhaupt so? Wie weit weicht man von den vorigen Einstellungen ab? Haben wir uns teilweise falsche Dinge so sehr antrainiert, dass man mit einer Änderung nur Schaden anrichten würde? Passen die Einstellungen zu meinem Fahrstil? Ist meine Muskulatur imstande, neue Belastungen zu verkraften (Nacken!)? All das gilt es hier Schritt für Schritt herauszufinden und in den Einstellungen entsprechend zu berücksichtigen.

Christoph ist Sportwissenschaftler und weiß wovon er spricht. Erst im Gespräch kommt man drauf, wie die Vorschläge des Bikefitting-Computers umzusetzen sind - und dafür nimmt er sich auch die notwendige Zeit. Er erklärt eine wesentliche Unterscheidung zwischen dem hinteren System aus Sitzposition, Sitzwinkel und Tretlager und auf der anderen Seite dem gesamten Vorbau-Lenker-System. Der hintere Bereich ist an sich einmal anhand der Körpermaße einzustellen und danach mehr oder weniger unverrückbar - für die optimale Kraftübertragung auf das Pedal gibt es nun einmal einen gewissen Knie-Winkel und der ändert sich im Grunde nicht, egal auf welchem Rad man sitzt. Veränderungen an der Front des Rads geben hingehen den Ausschlag, wie sportlich/aerodynamisch/gestreckt man auf dem Rad sitzt oder eben schon liegt.

4. Die Pedalplatten

Klein aber mit großer Auswirkung - gerade deshalb sollte man die Pedalplatten keinesfalls vernachlässigen! Die Ausrichtung und Montage der Platten an der Schuhsohle ist ohnehin schon eine wacklige Angelegenheit, wenn man zuhause auf dem Sofa sitzt und versucht, die drei Schrauben gleichzeitig anzuziehen, ohne dabei die Platte wieder großartig zu verschieben. Dabei geht es auch hier um Millimeter - in alle Richtungen.

Das Großzehengelenk ist im Regelfall rund einen Zentimeter vor der Pedalachse positioniert - am Einfachsten ist, man markiert sich das Großzehengelenk am Schuh mit einem Klebeband. Die seitliche Positionierung ist dann etwas Spielerei. Im Sinne der Aerodynamik kann man grundsätzlich versuchen, möglichst weit nach innen - zum Pedal - zu rücken, allerdings bitte genug Platz lassen, damit man nicht mit den Schuhen an der Kurbel streift. Etwas heikel kann es werden, wenn Gelenksprobleme oder Fehlstellungen bekannt oder vorhanden sind. Dann geht es darum, in kleinen Schritten den richtigen Winkel der Pedalplatten zur Fußachse zu finden. Jeder, der schon einmal eine Runde mit falsch eingestellten Cleats absolviert hat, weiß, dass schon eine kleine Veschiebung zu Knieschmerzen führen kann. Also hier besser sorgfälitg arbeiten. Wer - so wie ich - mehrere Paar Schuhe hat, ist natürlich gut bedient, alle Schuhe möglichst ähnlich einzustellen.

Christoph nimmt hier eine Plastik-Schablone von Ergon zuhilfe, damit fällt zumnidest die gröbste Wacklerei beim Anschrauben weg :)

5. Das Ausprobieren

Nachdem mittlerweile alles vermessen, besprochen und eingestellt ist, heißt es nur noch "Aufsitzen!" und ausprobieren. Vorerst im Geschäft, auf der Rolle!

Robert tritt in neuer Position zum ersten Mal kräftig in die Pedale. Die eine oder andere Änderung kann sich gleich gehörig auf die Sitzposition auswirken und damit auch auf das Gefühl, wie man sich auf dem Rad fühlt. Hier sind das Feedback und die Kommunikation wichtig - Christoph schaut aufmerksam auf die Bewegungen von Robert, wie sich das Rad verhält, wie sich die Gelenkswinkel darstellen, wie sich Robert anstellt. Dieser wiederum versucht sich auf dem Rad "auszubreiten", unterschiedliche Positionen einzunehmen, einmal stärker, einmal schwächer zu treten, aus dem Sattel zu gehen, zu "hören" und zu "fühlen"!

Manche Änderungen werden sofort in ein lautes "Aha" münden, andere werden Probleme lösen - vielleicht sogar jene, von denen man vorher gar nicht gewußt hat, dass sie ein Problem waren. Andere Dinge werden nicht auf Anhieb funktionieren oder sich zu Beginn "komisch" anfühlen. Diese Dinge wiederum vor dem individuellen Hintergrund jedes Einzelnen zu besprechen und darauf einzugehen ist ein Schlüssel zu einem guten Bikefitting. Im Idealfall sollten wir alle halbwegs auf unsere Körper hören können, und verstehen, wenn wir eindeutige Signale zugeschickt bekommen.

6. Der Nachlauf

Robert wird mit seinen neuen Einstellungen ein paar Ausfahrten unternehmen und dann noch einmal zu Christoph in den P.bike-Store kommen. Jedes Bikefitting ist ein Lernprozess - für den Radler, aber natürlich auch für den "Bikefitter". Änderungen an einzelnen Teilen sind mit ein paar Drehungen des Inbusschlüssels erledigt - die Auswirkungen dieser Änderungen können aber oft erst nach ein paar Kilometern - manchmal sogar erst nach vielen Kilometern - gespürt, bewertet und eingeschätzt werden.

Wie so oft heißt es im Endeffekt: "Es gibt nicht DIE richtige Position am Rad", es geht vielmehr darum, die geeignete Position für den individuellen Körper und Einsatzzweck zu finden. Dieser Prozess muss dementsprechend auch erlauben, dass man nach ein paar Ausfahrten noch einmal zurückkommt, um Feedback abzugeben und vielleicht doch noch die eine oder andere Schraube nachzudrehen.

Bikefitting - Was gibt es noch zu sagen?

Statisches vs. Dynamisches Bikefitting

Oben wird ein statisches Bikefitting beschrieben - eine von vielen unterschiedlichen Varianten, wie man heutzutage ein Bikefitting durchführen kann.

Viele haben schon vom berühmten "Retül" gehört, dem Frankenstein unter der Rädern, an dem jedes Teil in alle erdenklichen Positionen gebracht werden kann, auf der anderen Seite gibt es mittlerweile sogar Apps zum Download, die im eigenen Wohnzimmer ein Bikefitting (vermeintlich) ermöglichen. Die Varianten sind hier zahlreich.

Beim dynamischen Bikefitting werden hingegen Marker an bestimmten Punkten des Körpers angebracht, mit Kameras werden dann die tatsächlichen Bewegungen auf dem Rad aufgenommen und bestimmt und dementsprechend dann die Einstellungen variiert - ein System, das auch bei Pbike zur Anwendung kommt (mehr dazu bald!)

Wesentlich und grundsätzlich ist jedoch: Bikefitting, ja bitte machen! Wie, in welcher Form und wo ist zweitrangig. erkundigt euch in eurem Umfeld, sprecht mit euren Freunden, holt Informationen ein. Ein gutes Bikefitting kostet nicht die Welt - vor allem im Verhältnis zum Kaufpreis der meisten Räder!

Rennrad vs. Zeitfahrer/Triathlonrad

Robert hat sich in diesem Fall ein Zeitfahrrad anpassen lassen. Warum haben wir das gemacht? Ganz einfach, die Komplexität und der Anspruch, ein Triathlonrad zu "fitten" ist noch einmal höher als bei einem normalen Rennrad. Die Verstellmöglichkeiten sind vor allem an der Lenker-Vorbau-Einheit noch einmal komplexer.

Aber wie schon zuvor erwähnt: Manche grundlegende Einstellungen sind unabhängig vom Radtyp. Nicht unabhängig vom Radtyp ist allerdings, dass ein Bikefitting sehr viel Sinn macht. :)

Aufmerksamen Lesern mag außerdem nicht entgangen sein, dass wir hier ein Canyon (also ein Versenderrad) in den Shop gebracht haben. Ohne hier auf die Diskussion "Versand versus stationärer Handel" einzugehen - gerade bei Versenderrädern macht es Sinn, ein Bikefitting vorzusehen. Natürlich kann ein Bikefitting nach dem Kauf beim Versender kein komplett unpassendes Rad passend machen - eine vorherige Probefahrt oder eine sehr gute Kenntnis der eigenen Körpermaße ist noch immer essentiell - aber gerade bei Versenderbikes wird eine genaue Anpassung auf die individuellen Bedürfnisse in den meisten Fällen notwendig sein. Der Vorteil des Handels hingegen liegt hier auf der Hand - nämlich "alles aus einer Hand"!

P.bike

Christoph Pulz führt den Familienbetrieb P.bike im 9. und 17. Wiener Gemeindebezirk. Er und sein Team bieten Verkauf und vielfältiges Service in einer sympathischen und entspannten Atmosphäre. Davon soll sich aber am Besten jede und jeder ihr/sein eigenes Bild machen - zum Beispiel beim Season Opening im Shop in der Boltzmanngasse Ecke Alserbachstraße vom 30.03.-01.04-17. (Link zum Facebook-Event: hier)