Christoph Strasser beim RAAM

Wenige Tage vor dem Start des Race Across America hat Christoph Strasser noch die Zeit gefunden, ein paar Fragen zu beantworten und plaudert dabei - gewohnt sympathisch und offen - aus dem Nähkästchen… Über das Race Across America, Rekorde, Ziele und die Zeit danach.

Das Race Across America (RAAM) steht vor der Tür, wie haben die letzten zwei Wochen für dich ausgeschaut?

Genau zwei Wochen vor dem Start bin ich in Kalifornien - genauer in Borrego Springs - bei ca. Kilometer 140 der RAAM Strecke, das ist quasi der erste Ort, den man in der Wüste passiert. Ich hab mir schon lange abgewöhnt, über das Wetter zu jammern, aber man kann ganz nüchtern feststellen, dass das Wetter in Österreich sehr bescheiden war und hier ist es doch sehr warm und der Sprung ist recht groß und darauf muss man sich einstellen. Es hat hier momentan „nur“ 100 Grad Fahrenheit, das sind rund 37 Grad, wir hatten aber auch schon mal 40 Grad. Die Trainings, die jetzt schon noch fünf bis sechs Stunden umfassen, laufen eher puls- als wattgesteuert, weil der Puls viel höher ist und nach zwei bis drei Stunden stark zu steigen beginnt. Aber das wird von Tag zu Tag besser. Ich mache noch mittelschwere Intervalle bei 75-80 % FTP, außerdem Anstiege im Kraftausdauerbereich aber keine Spitzenintervalle mehr. Die letzten Wochen zuhause (ca. 1 Monat vor dem Rennen) habe ich einen Peak von 38 Wochenstunden gehabt, in Borrego Springs bin ich noch bei ca. 25, das geht runter auf 20 und die letzten Tage vor dem Start sind es dann nur noch zwei Stunden.

Unser Motel hat einen kleinen Pool, in dem man gut regenerieren kann. Und außerdem eine kleine Küche, in der wir immer selbst kochen. Da sind mir frische Zutaten und viel Gemüse wichtig. Niemals essen gehen, weil man da nie weiß, was man genau bekommt. Es darf auch schon mal ein Burger sein, zumindest einmal gehört das als Ritual dazu. Wir sind jetzt zu dritt da, zwei Betreuer mit mir, die jetzt auch selber noch etwas zum Radeln kommen - sie sind dann eh acht Tage eingesperrt im Auto, jetzt bekommen sie noch ein bisschen Auslauf. Wir haben die drei Räder mit, die werden alle testgefahren, dann gibt es ein kleines Service (Kette tauschen, putzen, Reflektoren aufkleben, Satteleinstellungen, Reservesattel testen - da gibts viele Stellschrauben an denen man dreht). Das sind die Dinge, die neben meinen Trainings-Einheiten die Tage vor dem Rennen füllen. Am Start muss man absolut erholt und klar im Kopf stehen.

Es ist deine neunte Teilnahme und du visierst den sechsten Sieg an (und wärst damit alleiniger Rekordhalter). Du musst das Rennen mittlerweile auswendig kennen und weißt auch, welche Strapazen auf dich zukommen. Wie motivierst du dich (noch immer) für das Rennen?

Es stimmt, dass ich es auswendig kenne - das liegt daran, dass sich die Strecke jetzt quasi seit einem Jahrzehnt nicht geändert hat. Der Vorteil ist, dass man weiß, worauf man sich einstellt, man kann jeden Streckenabschnitt optimieren, weiß wo man auf welches Rad wechseln soll, kennt alle Parkbuchten, weiß Plätze für Pausen, wo das Wohnmobil für eine Stunde Schlaf in Ruhe stehen kann. Natürlich wäre es attraktiver und spannender, wenn sich die Route wieder mal ein wenig ändern würde. Wolfgang Fasching ist beispielsweise einmal im Norden in Portland gestartet und ist in Florida ins Ziel gefahren, da war die Route eine ganz andere. Da kann man dann allerdings die Zeiten überhaupt nicht miteinander vergleichen - andere Berge, andere Landstriche, ein anderes Rennen.

Ich kenne großteils die Strapazen, die auf mich zukommen - auch wenn immer wieder neue Dinge passieren, mit denen man nicht rechnet. Ich kenne aber auch die positiven Aspekte, die immer wieder bei einem Rennen auftreten und die eigentlich auch immer überwiegen. Das ist schon eine sehr, sehr große Motivation. Es ist ein sehr angenehmer und aufregender Ausnahmezustand, in dem man da ist. Man trainiert das ganze Jahr darauf hin und es ist sehr erfüllend, sich jeden Tag seinem Ziel nach und nach anzunähern. Das Erlebnis des Rennens an sich, die Hochs und Tiefs, die man mit seinem Team erlebt und durchsteht, die vielen Menschen, die man trifft und die einen anfeuern - es sind nicht viele Fans, aber die wenigen, die das mitverfolgen sind dafür umso enthusiastischer und intensiver dabei. Es ist jedes Jahr anderes Wetter, teilweise andere Betreuer, neue Konkurrenten - es ist immer ein anderes Rennen, eine neue Challenge und eine neue Erfahrung!

Man kann den Vergleich anstellen mit einem Schifahrer, der jedes Jahr den Nachtslalom in Schladming bestreitet oder die Hahnenkammabfahrt runterfährt. Es ist trotzdem jedes Jahr eine große Sache, beim größten Radrennen der Langstreckenszene dabei zu sein, das ist eine große Ehre. Und wenn ich mich dafür entscheide, eine Saison zu fahren, dann möchte ich da auch die größten oder das größte Rennen fahren und das ist halt das RAAM - vom Mythos her, vom Stellenwert her. Dass das Race Around Austria (RAA) beispielsweise von den Zuschauern vor Ort, von der Organisation und der Professionalität her in einer höheren Liga ist und einfach einzigartig geil ist, muss natürlich auch erwähnt werden.

Ich schaue gerne Tennis, ich schaue gerne Fussball - es gibt in vielen Sportarten Leute, die schon viel gewonnen haben, ob das Nadal, Federer oder Djokovic sind (wie jetzt gerade bei den French Open) und seit Jahrzehnten das Ganze dominieren. Die spielen im Prinzip glaube ich alle, weil sie den Sport lieben, das Leben mit dem Sport lieben, das ist die Grundmotivation. Und so ist das auch bei mir. Nur auf Erfolge und Rekorde loszugehen, würde zu wenig Motivation bringen. Ich hab auch unter dem Jahr Wege gefunden, mich zu motivieren, an mir zu arbeiten, im Training alles zu geben, mit meinem Coach Trainingsziele zu definieren. Mir sind auch kleinere Rennen wie z.B. das Zeitfahren in Mörbisch oder der King of the Lake wichtig, weil ich darauf hintrainieren kann, darin einen Sinn sehe, ein besserer Radfahrer zu werden. Wenn ich etwas machen würde, nur um meinen Bekanntheitsgrad zu steigern oder das marketingtechnsich auszuschlachten, dann dürfte ich schon lang nicht mehr beim RAAM mitfahren, weil im Prinzip jedes Jahr die gleiche Geschichte für die Medien nicht wirklich mehr interessant wäre. Ich mache das aber nicht aus diesem Grund, sondern weil ich das Rennen geil finde!

Wie wichtig ist dir der Rekord der meisten RAAM-Siege?

Der Rekord ist mir ehrlich gesagt schon wichtig. Es waren mir die letzten Jahre viele Dinge nicht wichtig, wenns um Erfolge und Rekorde geht. Ich mache das, was ich gerne mache und wenn man sich dabei selbst treu ist und über Jahre etwas konsequent und langfristig macht, dran bleibt und eine Ausdauer hat in seiner mentalen Einstellungen, dann kommen die Erfolge sowieso früher oder später. Die sind nicht das Ziel an sich, sondern die Folge davon, wenn man tut was man mag.

Aber jetzt ist ein Punkt erreicht, wo mir das schon wichtig ist, einen sechsten Sieg zu schaffen, weil ich selber eigentlich noch immer nicht glauben kann, dass ich überhaupt schon fünf mal gewonnen heb. Ich hab das noch so lebhaft in Erinnerung vor mir, als ich vor mittlerweile zehn Jahren zum ersten Mal am Start gestanden bin. Und irgendwie schließt sich jetzt zehn Jahre später der Kreis und es gibt diese einmalige Chance, vor allem auf drei Siege in Folge - das ist für mich etwas ganz Besonderes. Es ist sehr selten, das jemand die Möglichkeit für so etwas hat - und das hat bis jetzt noch niemand geschafft, weil es glaube ich auch ein Problem mit der Langzeitmotivation ist. Wenn man schon ein paar Siege auf seinem Konto hat, schrumpft irgendwie der Hunger, an sich zu arbeiten.

Startest du danach noch weiter beim RAAM?

Das kann oder will ich jetzt noch nicht sagen. Ich konzentriere mich jetzt einmal voll und ganz auf dieses Rennen. Was sicher ist: Wenn es mir heuer nicht gelingt, dann möchte ich beim RAAM auf jeden Fall wieder teilnehmen. Und ich möchte heuer so fahren, als wäre es mein letztes Mal, als wäre es meine letzte Chance dort etwas ganz geniales abzuliefern und mein bestes zu geben. Ob es dann das letzte Mal ist, wird man sehen. Sollte aber ein sechster Sieg gelingen, dann werde ich sicher darüber nachdenken, ob ich in Zukunft nicht andere sportliche Herausforderungen beim Ultracycling (also andere Rennen) in Angriff nehme. Aber das ist alles noch zu weit weg - jetzt heißt es einmal, nächste Woche fit am Start zu stehen, vielleicht so fit wie noch nie zuvor und einfach acht Tage Vollgas „owedrucken“.

Wie ordnest du dich rund um Wolfgang Fasching ein – seinen Rekord, bei jeder Teilnahme aufs Podium zu fahren – kannst du ja nicht mehr erreichen?

Da möchte ich etwas weiter ausholen. Es hat viele große Fahrer gegeben, die gerade dem RAAM einen Stempel aufgedrückt haben. Zum Beispiel Franz Spilauer, 1987 Dritter und 1988 Sieger, war der erste Österreicher, der das Rennen bei uns bekannt gemacht und der erste Europäer überhaupt, der das RAAM gewonnen hat. Er hat definitiv Pionierarbeit gearbeitet und damit dazu beigetragen, dass das RAAM bei uns in Österreich so bekannt ist. Und Wolfgang Fasching hat dann mit acht Teilnahmen, drei Siegen und einem Podium bei jeder Teilnahme natürlich ganz was Einzigartiges geschafft - immer ins Ziel zu kommen und immer ganz vorne dabei zu sein. Das ist wiederum von der sportlichen Leistung her wesentlich höher einzuschätzen.

Unter dem Aspekt muss ich auch meine derzeitigen Leistungen sehen. Mir ist schon bewußt, dass ich rein von den Zahlen her jetzt schon gewaltige Sachen geschafft habe, aber ich muss auch Danke sagen an meine Vorgänger, die Ultracycling in Österreich bekannt gemacht haben. 2003 war der letzte Sieger aus den USA beim RAAM, seitdem gab es sechs Siege für Österreich, fünf für Slowenien durch Jure Robic, drei mal Schweiz und einmal Deutschland durch Pierre Bischof. Seit 2003 waren nur diese Länder erfolgreich und dort finden auch die meisten 24h- und Ultra-Rennen statt, dort ist der Sport erfolgreich. Es gibt die Veranstaltungen, die neuen Fahrer kommen nach - das ist glaube ich der Grund, warum diese Nationen dort so gut sind. Wolfgang ist immer noch ein großes Vorbild - sportlich und menschlich - und deshalb glaube ich auch, dass man unsere Leistungen nicht unbedingt vergleichen kann.

Es hat aber natürlich in der Zeit seitdem auch viele technischen Fortschritte gegeben. Und das ist jedenfalls eine Stärke von mir, meinem Team und meinem Ausstatter Specialized. Der hat mich beispielsweise überredet, das Rennen einmal mit einem Zeitfahrer zu versuchen, und seitdem ist es quasi Standard, dass jeder Fahrer ein Rennrad und ein Zeitfahrrad dabei hat. Wir haben sehr viele Dinge ausprobiert, verfeinert und dazugelernt, die es zu Zeiten von Wolfgang Fasching in dieser Form noch nicht gegeben hat oder noch nicht Stand der Technik waren.

Welche Menschen 1. allgemein und 2. auf dem Rad inspirieren und motivieren dich?

Inspirierende Menschen sind für mich ganz allgemein Menschen, die trotz Schicksalsschlägen oder Unfällen mit Verletzungen und/oder Behinderung - vielleicht im Rollstuhl sitzend - nicht aufgeben und darum kämpfen, ein gutes Leben zu führen. Das ist für mich immer etwas sehr bewegendes, vor allem wenn solche Menschen z.B. dann auch an Langstreckenradrennen erfolgreich teilnehmen. Das ist immer sehr, sehr bewegend.

Ein persönliches Vorbild für mich im Sportbereich ist der Tennisspieler Roger Federer. Extremsportler, Kletterer oder ähnliche Charaktere faszinieren mich nicht so stark wie er. Federer vereint sehr viel in seiner Persönlichkeit. Er hat mittlerweile wirklich alles gewonnen, trotzdem ist er nach wie vor hoch motiviert, findet immer wieder neue Methoden, verschließt sich keiner neuen Herangehensweise, entwickelt neue Schläge und Spielweisen. Er ist ein echter Sir, höflich, cool, nett, am Boden geblieben - wenn man nach den Medien geht und Menschen, die sein Umfeld kennen. Sein Verhalten ist absolut edel und ich finde er ist eine riesengroße Inspiration auch für mich, der mit Tennisspielen im Grunde überhaupt nichts am Hut hat, außer dass ich alle Tennisspiele der Saison verfolge. Das ist ein cooler Sport, wo Mann gegen Mann, Persönlichkeit gegen Persönlichkeit antritt - alle Hochs und Tiefs und wie sich das abwechselt, das finde ich sehr faszinierend.

Einen Radfahrer als besonderes Vorbild habe ich auch, das war natürlich Jure Robic. Mit dem habe ich mich in meinen Anfangsjahren oft gemessen - Wolfgang Fasching hat ja mit dem Radfahren aufgehört, bevor es bei mir richtig gut gelaufen ist. Robic hat zwei Dinge vereint: zum einen ein absolut netter Mensch, umgänglich, cooler Typ, lustig - aber wenn er am Rad gesessen ist, war er eine Kampfmaschine, da ist nur nach vorne geschaut worden, keine unnötigen Pausen, kein Smalltalk, keine unnötigen Höflichkeiten, das ist nur Vollgas gefahren worden. Und das Ganze mit einem Tempo und einer Intensität, wo ich mir früher gedacht habe, das ist ja unglaublich, bei einem derart langen Rennen wie dem RAAM. Mittlerweile hab ich selber am eigenen Köper erlebt, dass man - mit richtig gutem Training und vielen Jahren im Sport - irrsinnig schnell und sehr, sehr lange fahren. Aber er war für mich insofern ein Vorbild: „Sei ein netter Kerl, aber wennst am Radl bist: sei a Maschin!“ In beiderlei Hinsicht hab ich immer versucht, mir von ihm eine Scheibe abzuschneiden.

Was sind die wichtigsten Punkte, die du aus deinen bisherigen Teilnahmen gelernt hast und jetzt umsetzen möchtest?

Gelernt hab ich soviel, dass das mittlerweile ein Buch gefüllt hat. Die wichtigste Sache ist die körperliche Fitness, das wird oft unterschätzt. Man hört sehr oft, es spielt sich das meiste im Kopf ab - das möchte ich etwas relativieren. Im Kopf musst du wissen, „warum mache ich das, wo will ich in ein paar Jahre stehen, und wie wichtig ist das für mich und vielleicht mein weiteres Leben“. Man muss über gewisse Dinge Klarheit im Kopf haben, darf keine offenen Fragen oder Konflikte mit sich herumtragen. Mentale Stärke wird aber oft als Ausrede verwendet, für Leute, die körperlich vielleicht nicht so fit sind oder nicht so viel Zeit zum Trainieren haben. Aber die körperliche Fitness brauchst du, das ist die absolute Basis und du kannst nur dann richtig schnell fahren, wenn du irrsinnig viel trainiert hast. Da hab ich mich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt, denke ich.

Ich habe auch gemerkt, wie wichtig ein eingespieltes Team ist - du hast es glaube ich in deinem Bericht über das RAN ansatzweise miterlebt, was das ausmacht. Das Team muss so eingespielt sein, dass man ein gemeinsames Ziel hat, es darf keine unterschiedlichen Interessen im Betreuerteam geben. Ein eigenes Kapitel sind natürlich die Abläufe - wie das Team arbeitet, dass man nicht unnötig irgendwo eine Minute steht, dass man keine Fehler macht. Zwischenmenschliche Fähigkeiten sind notwendig, wenn die Phasen kommen, in denen der Radfahrer verwirrt, übermüdet und dünnhäutig wird - dann braucht man einfach Leute, die mit solchen Situationen auch umgehen können.

Ausrüstung ist natürlich auch eine eigene Thematik. Es ist mittlerweile etabliert, mit einem Zeitfahrrad und einem Rennrad unterwegs zu sein, ich habe sogar drei Räder - das Roubaix, das Tarmac und das Shiv, von meinem Ausstatter Specialized zur Verfügung gestellt. Komfort, Leichtigkeit und Aerodynamik sind die drei wichtigsten Punkte bei den Rädern.

Man braucht ein großes Ziel, aber man muss auch flexibel sein. Es gibt so viele Faktoren, die das von außen beeinflußen, das Ziel möglicherweise verhindern. Dann muss man im Kopf in der Lage sein, auf Plan B oder C umzuschalten, was dann schwierig ist, weil man sich natürlich unterbewusst auf ein Ziel einstimmt. Und wenn man nach zwei oder drei Tagen merkt, ich kann das nicht mehr erreichen, weil gewisse Faktoren nicht mehr mitspielen, dann besteht die Gefahr, dass man frustriert ist. Da arbeite ich sehr stark an mir selbst, dass ich - auch wenns nicht so gut läuft wie erträumt - trotzdem dranbleibe und nicht beginne zu resignieren.

Hat sich zu den Vorjahren etwas verändert? (Streckenänderungen oder ähnliches)

Nein, es gibt keine Änderungen. Die Strecke ist gleich, hie und da eine Baustelle, hie und da eine Umleitung. Das Wetter war sehr schlecht, es gab Überflutungen und einige Straßen sind kaputt. Man muss schauen, wie das Wetter wird, was die Wochenverfassung hergibt - wobei das mit der Trainingssteuerung gut auf den Punkt gebracht werden kann. Ansonsten werden wir das gleich angehen wie im Vorjahr, hoffentlich gleich gut und im Idealfall noch um eine Spur schneller.

Welchen Stellenwert hat das Team für dich und allgemein bei einem derartigen Unterfangen?

Einen unglaublich hohen Stellenwert. Ich hab für mich eine Aufschlüsselung, die lautet: 33% körperliche Fitness, 33% geistige Fitness und Motivation (auch unter dem Jahr, um zu trainieren) und 34% das Team. Weil die können mir - wenns mir körperlich und mental schlecht geht - helfen, achten auf meine Gesundheit, entscheiden, wann Pause gemacht wird, überwachen meine Nahrungsaufnahme… Im Prinzip tun die alles für mich - mein Job ist nur, rechts und links runterzutreten, munter zu bleiben, aufs Team zu hören und keinen Starrsinn zu entwickeln. Und ich glaube es ist eine meiner und unserer größten Stärken, dass ich loslassen und vertrauen kann und nicht alles unter Kontrolle haben muss. Viele andere Radfahrer können das nicht, wollen immer selbst alle Entscheidungen treffen, und das hat nach meinen Beobachtungen nie oder nur sehr selten zum Erfolg geführt.

Woran denkt man nach ein paar Tagen auf dem Rad – wie lenkt man sich ab, oder ist man in einer Art Trance?

Das ist einfach erklärt - hoffentlich an gar nichts. Idealerweise hat man Freude, hat Betreuer die einen Spaß machen, Musik, die man hören kann, Gespräche, die einen ablenken. Wenn man zum Nachdenken anfängt, ist das schlecht! Man muss aber eigentlich die Frage anders stellen, nämlich wie man das ein ganzes Jahr lang aushält, in der Vorbereitung. Wenn sieben Stunden Ergometertraining am Plan stehen, das sind die wirklich harten Geschichten - wo ich mich oft selber frage, wie schaffe ich das. Aber da hab ich ein Ziel vor Augen und Ablenkung (Fernsehen, Trainingskollegen, Musik…) und im Rennen ist es dann eigentlich recht spannend, weil es Konkurrenten, Zwischenstände und Berichterstattung in den sozialen Medien gibt. Über Facebook kommen Nachrichten und Kommentare, Leute teilen mir mit, wie sehr sie durch meine Leistungen motiviert werden und wie sehr sie mir die Daumen drücken. Der Zuspruch von außen hilft mir schon sehr - aus ganz eigener Kraft würde ich niemals so eine Leistung abrufen können oder mit so wenig Schlaf durchkommen.

Ernährungstechnisch setzt du weiterhin auf Ensure Flüssignahrung? Wie individuell ist Ernährung, wie findet jede*r am besten heraus, was ihm/ihr am besten passt?

Ja, ich setzte weiterhin (und das mittlerweile seit einem Jahrzehnt) auf Ensure Flüssignahrung, und auf das GS High Energizer Getränk, bei dessen Entwicklung ich mit dabei war - das sind die zwei Dinge, die ich zu mir nehme, abgesehen von einigen Nahrungsergänzungen (z.B. Panaceo mit Guarana, was beim Munterbleiben hilft, Magnesium, Salztabletten…) Aber Ernährung ist individuell, so wie auch Trainingsplanung individuell ist - es verträgt nicht jeder das gleiche. Aber ein Grundmotto sollte immer gelten - auch wenn es nicht Flüssignahrung ist: so leicht verdaulich, wie möglich (da ist Flüssignahrung natürlich optimal, weil der Magen nichts zu tun hat und mehr Energie für die Muskulatur zur Verfügung steht) und es sollten damit 300-500 Kalorien pro Stunden geliefert werden, damit man seine Leistung aufrecht erhalten kann. Welche Produkte da genau passen, muss man aber einfach ausprobieren.

Was sind deine Pläne für 2019 nach dem RAAM?

Ich möchte auf jeden Fall beim Race Around Austria dabei sein, eventuell in einem Zweierteam, wobei sich das erst nach dem RAAM final entscheiden wird. Im September findet der King of the Lake statt und eine Woche später gibts in Holland eine Art Monster-Zeitfahren über 140 Kilometer - das möchte ich gerne machen. Ich möchte aber auch noch einmal versuchen, in 24h die 1.000 Kilometer zu knacken. Es ist da tatsächlich noch nichts konkretes geplant aber darauf will ich mich nach dem RAAM vorbereiten. Die Frage wird sein, wo man sowas machen kann - auf der Indoorbahn wird das nicht funktionieren, vielleicht eine Outdoorbahn oder irgendein lässiger, abgesperrter Kurs. Viele Fragezeichen noch, ich bin mir aber sicher, dass es bei körperlich und ausrüstungstechnisch perfekten Bedingungen möglich ist, die 1.000 km an einem Tag zu knacken. Das ist noch eines meiner Lebensziele, das ich mit dem Radfahren erreichen will.

Wohin geht dein Weg mittel/langfristig? Ist das RAAM noch steigerbar (ohne dass es irgendwann „absurd“ wird – Stichwort DecaUltraIronmans usw.)

Da hab ich noch keinen genauen Plan. Ich konzentriere mich aufs Hier und Jetzt, aufs jeweils nächstgrößere Ziel. Wenn ich zu weit in die Zukunft denke, habe ich zu wenig Zeit für das Hier und Jetzt. Ich werde sicher weiter Radfahren, auch wenn das RAAM dann nicht mehr mein Saisonhöhepunkt sein sollte. Das RAAM ist grundsätzlich schon steigerbar, ich sehe das nicht von der Distanz her - man sieht bei anderen Menschen, dass weiter fahren kein Problem ist und ich weiß auch, dass ich weiter fahren könnte. Ich frage mich aber eher, wie schnell ich noch fahren kann auf den langen Distanzen. Für mich wäre es ein größerer Erfolg, bei einem 24h Rekordversuch noch ein paar Kilometer draufzulegen, bei einem RAAM die Durchschnittsgeschwindigkeit um noch ein paar Zehntel zu erhöhen oder nochmal unter acht Tagen zu bleiben. Das zu schaffen hat für mich mehr Reiz und hat einen größeren Stellenwert als eine doppelte oder dreifache Strecke zu fahren, was funktionieren würde, aber mich in der Form nicht unbedingt interessiert.

1.000km in 24h? Möglich bzw. dein nächstes/ultimatives Projekt?

Für mich ist es ein Ziel, wie richtige Radfahrer in der Pro Tour, Rennfahren auf die lange Strecke zu bringen. Ich glaube, dass man das auf 1.000 Kilometern in 24 Stunden auch zuspitzen kann. Aber wie vorhin schon gesagt, die Dinge sind hier erst in Planung. Es wird wieder Windkanaltests bei Specialized usw. geben, aber die größte Frage betrifft natürlich die Streckenwahl.

Gibt es andere Bereiche des Radsports, die dich reizen?

Sehr stark Zeitfahren - auch die kürzere Strecken, weil ich die Physik dahinter sehr spannend finde, die Mischung aus Aerodynamik und Leistung. Es ist die ehrlichste Disziplin, kein Taktieren, kein Windschatten, es gibt nur die Strecke, das Rad und dich. Vielleicht interessiert mich das auch besonders, weil ich dagegen Langzeitbelastungen (Schlafentzug, lange Zeiträume) schon so oft erlebt habe und da schon viel herausgefunden habe, wie man das schaffen kann. Aber die neuen Herausforderungen sind für mich diese klassischen Zeitfahren, die finde ich echt, echt cool.

Interessieren dich „Michael Strasser-Projekte“?

Ich hab den Wettkampf sehr gerne, ich finde es so cool, wenn Rennen stattfinden, wenn man sich auf einen fairen, ehrlichen, sich gegenseitig respektierenden Wettkampf einlässt, sich mit anderen Leuten misst, die gleiche Strecke absolviert und Wetterbedingungen hat und dann einfach schaut, wer kann schneller die Strecke zurücklegen. Das ist für mich der Grundgedanke des sportlichen Wettkampfs und das würde mir bei derartigen „Abenteuern“ etwas fehlen.

Michael Strasser macht das wirklich gut, er hat eine gute Vermarktung, eine Charity-Aktion dabei, von anderen in dieser Szene hört man eher weniger. Überhaupt ist die Vermarktung ein Schlüssel bei Projekten dieser Art: Wolfgang Fasching ist quer durch Russland und dabei 480 Kilometer am Tag gefahren. Amanda Coker - eine junge Amerikanerin - hat über ein Jahr lang täglich 380 km zurückgelegt, da hat kaum einer etwas davon mitbekommen. Da ist die Vermarktung ein ganz wichtiger Faktor, und das macht der Michi Strasser ganz großartig. Trotzdem bin ich persönlich mehr begeistert von Rennen und werde in Zukunft auch bei Veranstaltungen bleiben oder bei der Auslotung, was in 24h auf einer vorgegebenen Strecke möglich ist, wo es auch schon seit Jahrzehnten immer wieder Rekordversuche gibt, ähnlich dem Stundenweltrekord bei den Straßenfahrern.

Stichwort Zeitfahren: Ausbaufähig für dich? King of the Lake, Neusiedler bist du ja ganz vorne dabei. Wie schaffst du es (zb beim KOTL) über eine Stunde so gut zu sein, obwohl du ja vermutlich mehr für die lange Belastung trainierst?

Ich arbeite hart daran, ein paar Watt zuzulegen und ein paar Sekunden dazuzugewinnen. Extrem viel herausholen werde ich nicht mehr - ich bin jetzt 36 Jahre alt, da wird man nicht mehr so viel schneller. Ich werde bei der Sitzposition noch einiges herauskitzeln - alleine auch schon für die 1.000 Kilometer. Ich trainiere viel im intensiven Bereich nachdem ich jahrelang hauptsächlich Ausdauer trainiert habe, mittlerweile sind viele hochintensive Einheiten dabei.

Und warum ich auf eine Stunde so schnell fahren kann ist auch zusätzlich leicht erklärt: Ich wiege 80 Kilo und kann 400 Watt treten, das sind 5 Watt/Kg und damit ein Wert, den viele gut trainierte Radfahrer schaffen. Das heißt, das ist kein besonders außergewöhnlicher Wert, sonst würd ich die Tour de France fahren können. Mit 5 Watt/Kilo ist man aber ein guter Zeitfahrer - ich mag Zeitfahren und finde es cool, bin viel am Zeitfahrer unterwegs und arbeite an meiner Position. Außerdem bin ich mir sicher, dass man nur dann ganz schnell sein kann bei Langstreckenrennen, wenn man auch Zeitfahren trainiert, denn dort lernt man auch in der Ebene anzudrücken. Am Berg ist es viel einfacher ein Intervall zu trainieren… Die langen Rennen werden hauptsächlich in der Ebene entschieden und nicht in den Bergen, dort kann man sich maximal zerstören. Speed und Tempo macht man aber im Flachen!

Wie wichtig ist es für dich, deine Leistungsdaten und Trainingsumfänge offenzulegen, nach außen zu kommunizieren? Und was bekommst du da für Feedback?

Offenlegen von Trainingsdaten finde ich wichtig, auch wenn ich Strava nicht am Handy installiert habe, mich nur alle drei Monate einlogge, mein Passwort immer vergesse und dort auch nur einer Person folge. Aber zusätzlich zu WhatsApp, Facebook, Instagram usw. ist mir das als zusätzliche Plattform ehrlicherweise auch zu viel. Trotzdem möchte ich viele Sachen offenlegen und zeigen, welches Training dahintersteckt, warum diese guten Leistungen auf der Langstrecke zustande kommen. Zu verheimlichen gibt es nichts, es muss ohnehin jeder für sich selber trainieren, es gibt ja auch keinen fixen Trainingsplan, der zum Erfolg führt. Um sein letztes Potential auszuschöpfen bedarf es jedenfalls einer individuellen Trainingsplanung.

Tauscht du dich regelmäßig mit irgendwelchen anderen Radsportlern aus, hast du gute Freunde im Radsport als solches – oder „arbeitest du das ganze Jahr alleine vor dich hin“?

An sich sehr gerne, „Problem“ ist, dass ich das als Vollzeitjob mache und da nur sehr wenig Andere mitkönnen, vor allem auch vom Zeitbudget her. Da bleibt dann nichts anderes über, als alleine zu trainieren. Ich habe aber im Keller eine zweite Walze stehen, wo wir im Winter oft zu zweit fahren und plaudern können und dabei auch jeder sein eigenen Tempo fahren kann.

Bemerkst du einen „Boom“ (oder zumindest Zuwachs) bei Ultraradsportevents (RAN, RAA, Glocknerman usw.), wie siehst du die zunehmende Massentauglichkeit solcher Veranstaltungen?

Der Boom ist definitiv sichtbar, die absolute Dichte an der Spitze ist aber eher wieder etwas weniger geworden. 2013 waren z.B. sechs Österreicher beim RAAM am Start, das war quasi der Gipfel der Leistungsdichte. Durch die Rennen - v.a. RAA, 24h-Rennen - finden sich auch in Österreich immer mehr Teilnehmer, trotzdem ist es nicht wirklich möglich, den Sport - wie das z.B. beim Trailrunning der Fall ist - richtig zu boomen. Rennen wie ein RAAM bringen einfach so einen logistischen Aufwand mit sich, dass hier nie ein derartiger Massenmarkt entstehen wird können. Wahrscheinlich würde auch der Charme, das Puristische und Abenteuerliche etwas verloren gehen, insofern ist es glaub ich auch gut wie es ist.

Die RAA Challenge ist sicher ein Format, das tauglich und schaffbar für eine größere Menge an Menschen ist. Umso länger und selektiver die Rennen werden, desto geringer die Teilnehmerzahlen. Aber der ganze Sport hat sich im letzten Jahrzehnt prächtig entwickelt und ich hoffe, dass es in dieser Tonart weitergeht.

Ist “Weitradlfahren” das „bessere“ Wettkämpfen (also „besser“ als „Schnellfahren“) (was macht für dich den Reiz der Langstrecke aus)?

Es ist einfach eine andere Art von Wettkampf. Für mich ist auch der Vergleich mit den anderen Fahrern wichtig, aber der Fokus liegt auf dem Bewältigen der Strecke und weniger im Besiegen der Gegner. Es ist leichter zugänglich, man braucht keine Teams, in denen man sich qualifizieren muss, es ist ein sehr puristischer und individueller Sport und das ist sehr schön so. Und es ist dann doch auch ein Erfolg über sich selbst, über den inneren Schweinehund, die Zweifel, die Tiefs, die man zwischendurch erlebt. Sich da durchzukämpfen, ist ein sehr persönlicher Erfolg, den jeder für sich feiern kann, ganz unabhängig von der Platzierung, die dann in der Rangliste steht. Und das macht den Sport so beliebt - weil es zweitrangig ist, ob man in der Rangliste einen Platz weiter vorne oder hinten ist. Für mich ist das natürlich schon ein anderes Thema, weil ich das zu meinem Lebensmittelpunkt gemacht habe.

Welchen Stellenwert hat (gutes) Material auf der Langstrecke? (Beim RAA zb. wird ja teilweise mit Shimano 105 oder ähnlichem gefahren, während man im Wienerwald manchmal den Eindruck gewinnt, man könne ohne Dura Ace und Hochprofilfelgen keinen Meter fahren…) ;)

Material ist an sich schon sehr wichtig, aber erst, wenn man sein absolutes Leistungspotential ausschöpfen oder seine Performance maximieren will. Für einen RAA- oder RAAM-Sieg braucht es sicher Topmaterial, aber das hindert natürlich niemanden, mit einem alten Stahlrad an den Start zu gehen um ein persönliches Ziel zu erreichen. Man wird vielleicht hie und da weniger „Hinternweh“ haben, weniger eingeschlafene Finger, ein bissl schneller Bergauffahren können - aber das ist für ein persönliches Finish überhaupt nicht wichtig. Material ist da das Mittel zum Zweck aber nicht die Voraussetzung. Der Ultraradsport ist da grundsätzlich recht unprätentiös.

Kann man mentale Stärke trainieren? Gibt es Tricks, zu fokussieren/sich zu konzentrieren, die du anwendest oder empfehlen kannst?

Das kann man definitiv trainieren und ist ein ganz wichtiger Faktor. Es ist eine gute Sache zu wissen, warum man etwas macht, weil Momente kommen, wo es einem schlecht geht, wo man keine Lust mehr hat, keinen Sinn mehr darin sieht. Und wenn man sich erst einmal die Sinnfrage stellt, hat man schon ein massives Problem. Die Sinnfrage für sich schon im Vorfeld zu klären, ist extrem wichtig. Man muss sie beantworten können („Warum tu ich mir den Schas an?“), wenn man mitten in der Nacht aufgeweckt wird.

Man kann sich in der Hinsicht auch mit mentalen Übungen verbessern, da geht es viel um die Definition des eigenen Ziels. Zum Beispiel aufzuschreiben, welche kleinen Schritte man schafft, weil man am Schluss dann sieht, was man dafür investiert hat und das Ziel wird dadurch einen höheren Stellenwert bekommen. Wenn ich mir bewusst bin, dass ich jahrelang für Etwas gearbeitet habe, dann werde ich es auch nicht so schnell aufgeben - im Gegensatz zu „Schnell-Schnell-Aktionen“. Umso mehr auf dem Spiel steht, umso eher wird man durchbeissen. In meinem Fall steht sehr viel auf dem Spiel - dass ich davon leben kann, dass ich Vorträge halten kann, Sponsoren finde… da ist Aufgeben keine Option!

Eine gute Übung ist - egal ob am Heimtrainer oder auf der Couch - zehn Minuten die Augen zu schließen und den Moment zu visualisieren, wenn man über die Ziellinie fährt - wie es sich anfühlen wird, was die Betreuer sagen werden, wie es dort riechen wird, was man sich dort gönnen wird, wie der Moment dieser Ankunft ausschauen wird. Wenn diese Momente im inneren Kopfkino immer wieder erlebt werden und man quasi abspeichert, wie schön dieser Moment sein wird, dann kann man darauf zurückgreifen, wenn es dann mal nicht so rund läuft. Dann wird das Unterbewusstsein sagen, wie toll das im Ziel sein wird, genau so, wie man sich das vorgestellt hat und die Motivation weiterzumachen wird da sein. Eine ganz einfache Übung, mit der man sich sehr viel helfen und Gutes tun kann. Am besten einfach mal auf dem Heimtrainer zehn Minuten die Augen zumachen und sich das Ganze vorstellen - und zehn Minuten mit geschlossenen Augen sind eine lange Zeit!

Wie hast du dir deine Bescheidenheit und „Erdung“ erhalten über die Jahre?

Das selbst zu beantworten, ist schwierig. Grundsätzlich ist es einen Persönlichkeitsfrage - ich wollte immer das machen, was mir Spaß macht, Radfahren! Dass mit der Zeit diese Bekanntheit entstanden ist und ich für viele Leute eine Vorbildfunktion einnehme, das stresst mich ehrlicherweise auch manchmal. Ich habe etwas gefunden, was ich gerne mache und was gut läuft - ich bin aber deshalb kein besserer Mensch, und hab deshalb keinen Grund zu glauben, besser zu sein als jemand anderer. Ja, ich kann schnell und weit Radfahren, aber ich kann viele andere Sachen nicht gut - so hat jeder Mensch seine Stärken und Schwächen und braucht aus diesem Grund nicht glauben, dass er oder sie anderen Menschen überlegen ist.

Danke Christoph für das Interview und Alles Gute für das Race Across America!

Unter diesem Link ist die Livetracking Seite des Race Across America zu finden, am 11.06. um 12 Uhr Ortszeit fällt im kalifornischen Oceanside der Startschuss. Begleitet Christoph (virtuell) auf seinem Rennen über den Kontinent und schickt ihm eure Nachrichten und Unterstützung auf den Social Media-Kanälen!

Christoph Strasser - "Der Weg ist weiter als das Ziel"

Man kann schon einmal die Jahreszahlen durcheinanderbringen… Verletzung in diesem Jahr, Triumphfahrt in jenem, das Duell mit Reto Schoch im einen, Lungenprobleme im anderen, Streckenrekord hier, „DNF“ dort. Wir befinden uns mitten drinnen in der Biographie von Christoph Strasser mit dem Titel „Der Weg ist weiter als das Ziel“. Dass Christophs Wege weit sind, ist hinlänglich bekannt, gut 4.800 Kilometer durchmisst das Race Across Amerika den nordamerikanischen Kontinent von West nach Ost. Und schnell wird klar, dass das Leben und Wirken von Strasser eng und unmittelbar mit dem „RAAM“ verknüpft ist. Das Race Across America ist aber nur ein Schauplatz, der im Buch beleuchtet wird. Ebenso wichtig und für den interessierten Leser und die Leserin umso spannender sind die Blicke hinter die Kulissen des Ultraradfahrers Strasser. Doch der Reihe nach…

Interessant und aufschlussreich beginnt die Geschichte - eine Biographie eben - bei Elternhaus, Kindheit und Jugend. Strasser erzählt launig von seinen ersten Begegnungen mit dem Rad, den mit dem Rad zurückgelegten Wegen zwischen Großeltern und Eltern, dem Aufwachsen in der steirischen Ortschaft Kraubath und dem Erwachsenwerden. Was bei diesen Episoden mitschwingt sind wichtige Zwischentöne, die helfen, den Radsportler und sein heutiges Schaffen besser zu verstehen. Auf der Suche nach grundsätzlichen Charakterzügen, Wertehaltungen und Weltanschauungen wird man nunmal am ehesten in der Jugend und dem frühen Erwachsensein fündig. Und hier zeigt sich bereits, wo die Reise für Christoph Strasser hingeht: geerdet, bescheiden, fleissig und dabei zielstrebig stellt er sich dar - und wer ihn schon einmal persönlich kennenlernen durfte, erkennt, dass er auch heute noch so ist.

Anfänge

Großartig sind die Episoden, wo Strasser mit dem alten Mountainbike seiner Jugend beim ersten 24-Stunden-Rennen an der Startlinie steht - wenig Augenmerk auf Material, Kleidung oder Aussehen. Und genau das ist es, was manche von uns heutzutage vielleicht vermissen. Die Unschuld, sich einfach aufs Rad zu setzen und loszufahren, sich nicht um Strava, Wattwerte oder Sockenfarbe kümmern zu müssen, sondern die Essenz des Sports zu spüren. Bei diesen 24h-Rennen im steirischen Fohnsdorf trifft Strasser auch zum ersten Mal auf Wolfgang Fasching - 2002 hat Fasching gerade zum dritten Mal das Race Across America für sich entschieden, ist damit also der zu diesem Zeitpunkt größte Ultraradsportler seiner Zeit.

Die Unschuld bleibt vorerst erhalten, auch wenn Strasser bei seinen Teilnahmen immer erfolgreicher wird. 24h-Kraftwerkstrophy in Theiss, Race Across the Alps, 24h von Kelheim - die Wege dorthin werden mit dem Camper in Angriff genommen, die Crews sind aus Freunden und frühen Wegbegleitern zusammengestellt und die Ergebnisse werden besser und besser. Aus losen Bekanntschaften werden Teamkollegen bzw. Crewmitglieder, die teilweise bis heute mit an Bord sind, auf sportlicher Ebene macht sich Strasser nach und nach einen Namen und steht plötzlich Seite an Seite mit vermeintlich unerreichbaren Idolen wie Jure Robic oder Marko Baloh am Podest.

Vorbilder

Jure Robic kommt große Bedeutung im Leben Strassers zu. 2007 treffen sie beim Race Around Slovenia aufeinander, fahren gegeneinander aber irgendwie auch miteinander. Grundsätzlich zieht sich durch das gesamte Buch und auch das Leben von Strasser, dass mit den meisten Fahrern und vermeintlichen Konkurrenten ein sehr gutes bis freundschaftliches Verhältnis gepflegt wird. Zu klein der Sport, zu gering die Teilnehmerzahlen, zu ähnlich die gemeinsamen Interessen und Zielvorstellungen. Freilich bekommt niemand etwas geschenkt und auf dem Rad zählen Leistungen und Ergebnisse, dennoch wiegt die gemeinsame Ausübung des Sports schwerer als kleine persönliche Animositäten. Abgesehen davon ist es auch etwas anderes, ob man sich in einem großen geschlossenen Fahrerfeld bewegt, oder aber auf sich allein gestellt bzw. mit seiner Crew mehrere hundert Kilometer lang alleine unterwegs ist.

Robic dominierte über Jahre den Ultraradsport, gewann die meisten Rennen mehrfach und souverän und war Strassers Vorbild. „War“, weil Robic leider bei einem Trainingsunfall im Jahr 2010 verstarb. Die Aufeinandertreffen von Strasser und Robic sind zahlreich: zuerst der unbekannte Rookie mit dem souveränen Meister, später der beharrliche Herausforderer, dann der tatsächliche Konkurrent auf Augenhöhe, plötzlich jener Fahrer, der die Titel wegschnappt. Die ultimativen Duelle waren aufgrund des frühzeitigen Tods von Robic nicht mehr möglich, in Erinnerung bleibt Strasser der Ausspruch von Robic: „Du wirst einmal das RAAM gewinnen“. Strasser versuchte - bewusst und unbewusst - die Lücke zu füllen, die Robic hinterlassen hatte - mit seinen Leistungen aber auch als Sportsmann und Aushängeschild einer ganzen Sportart.

Race Across America

2009 startet die Beziehung Strassers mit dem Race Across America. Der Erzählstrang des Buchs orientiert sich am Verlauf eines RAAMs und dessen Abschnitten und Time Stations. Der Start an der Westküste im kalifornischen Oceanside, die ersten Kilometer nach Borrego Springs (inkl. des berühmt-berüchtigten „Glass Elevators“, die langen Gerade durch menschenleere Landstriche, die große Hitze und die kalten Nächte, die Rocky Mountains, Kansas und wiederum lange Geraden, die Appalachen und schließlich die letzten Kilometer bis zum Ziel in Annapolis. Strassers Erzählungen sind detailliert und sparen nicht mit selbstkritischen, spannenden, aufschlussreichen und lustigen Anekdoten aus dem Sattel und dem Betreuerauto.

Dabei springen die Erzählungen recht sprunghaft zwischen den unterschiedlichen Teilnahmen (2009, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2017 und 2018) hin und her - so schnell, dass man als Leser teilweise den Überblick verliert, wo und an welchem Zeitpunkt der Geschichte man sich gerade befindet. Das tut dem Lesespaß allerdings überhaupt keinen Abbruch, zu intensiv sind Strassers Erzählungen, man fühlt sich wie ein Betreuer oder Zuschauer, der direkt im Rennen mit dabei ist.

So lebt man mit Strasser mit, wenn er von Duellen mit anderen Fahrern erzählt, seinen Zustand am Rad sehr bildlich beschreibt oder aber über seine Gefühlswelten vor, während und nach dem Rennen berichtet. Zweikämpfe haben in der Historie der Strasser´schen RAAMs zahlreich stattgefunden. Mit Freunden - Severin Zotter, David Misch - Kollegen wie Gerhard Gulewitz und Marko Baloh oder aber mit ungeliebten Konkurrenten wie dem Schweizer Reto Schoch. Bei letzterem ist sogar dem an sich sehr besonnenen und ruhigen Strasser die Wut anzumerken, wenn es um die einschneidenden Erlebnisse des RAAM 2012 geht. Aber Strasser wäre nicht Strasser, wenn er nicht auch in diesen Erlebnissen etwas Positives sehen würde - das Duell mit Schoch und die Lehren daraus haben ihn zu einem besseren Fahrer gemacht, die Motivation zurückzukommen war ungleich größer.

Der Zielstrich des RAAM!

Die Zustände des Radlers Christoph Strasser, die dieser während den acht Tagen des RAAM durchlebt sind mit die unterhaltsamsten Geschichten im Buch, auch wenn die Dramatik der Situation und der körperliche und geistige Zustand eigentlich keinen humorigen Beigeschmack mit sich bringen. Da werden schon einmal Straßenmarkierungen zu nicht aufgerolltem Klopapier, eigene Crew-Mitglieder werden nicht mehr als solche erkannt, nach einem Lenkerbandwechsel wird auch das Rad nicht mehr als das eigene identifiziert. Einmal fragt Strasser seine Crew, warum diese ihn immer und immer wieder den gleichen Anstieg hinauf schickt, obwohl dieser natürlich jedesmal ein anderer ist, Bauarbeiter werden mit Fangruppen verwechselt und beim Anblick des RAAM-Fotografen steuert Strasser gleich direkt in einen Acker hinein (und hofft dabei, dass das wenige Meter hinter ihm fahrende Betreuerauto diesen Fauxpas nicht bemerkt hat).

Während geistige Zustände in erster Linie auf den Schlafmangel zurückzuführen sind, ist natürlich auch der Körper des Radsportlers während einem RAAM extremen Herausforderungen ausgesetzt. Ein wunder Hintern und Probleme mit den Handgelenken sind dabei noch die geringeren Probleme. Lungenerkrankungen bis hin zum Ödem - weswegen auch Strasser eine seiner RAAM-Teilnahmen abbrechen musste, Probleme mit dem Wasserhaushalt, die zu gefährlichen Einlagerungen im Körper führen können und natürlich mögliche Verletzungen als Folgewirkung von Stürzen oder Unfällen sind nicht immer vermeidbar. Der beim RAAM verpflichtende Arzt in jedem Team kann bestimmte Auswirkungen abfedern oder mildern, Vorbeugung und entsprechend richtige Reaktionen bei auftretenden Symptomen sind jedoch der Schlüssel, dass man diese Sportart auch über einen längeren Zeitraum ausüben kann und nicht nachhaltige Schäden davonträgt. Immerhin dauert es mehr als zwei Tage, bis nach einem RAAM der Gleichgewichtssinn wieder zu 100% funktioniert, Gefühl in Zehen und Fußsohlen kommt ebenfalls erst nach und nach zurück. Sechs Wochen dauert es insgesamt, bis der Körper wieder auf dem Leistungsniveau von vor dem Rennen angelangt ist.

Der Faktor Team

Ausführlich - und das absolut zurecht im Sinne der Bedeutung - wird die Notwendigkeit des richtigen Teams skizziert. Ein Team ist jedenfalls keine lose Ansammlung von Adjutanten sondern integraler Bestandteil des Unterfangens und laut Strasser (neben Körper und Geist) zu 34% verantwortlich für ein erfolgreiches Rennen. Die Menschen an Strassers Seite sind dort schon lange am Werken, haben ebenfalls bereits große Erfahrung bei Langstreckenrennen und wickeln eine derartige Herausforderung hochprofessionell ab. Die Aspekte, die die Crew dabei zu behandeln hat, sind mannigfaltig und für den gemeinen Beobachter von außen oft gar nicht sofort erkennbar. Neben eher offensichtlichen Aufgaben wie Nahrungsversorgung oder medizinischem Beistand kommt natürlich der „Unterhaltung“ und Motivation des Fahrers enorme Bedeutung zu. Dass dieser Fahrer diese Hilfestellungen manchmal nicht oder nur sehr unwillig annimmt steht auf einem anderen Blatt Papier und ist eine große Herausforderung für Crewmitglieder - hier passiert aber zumindest im Team Strasser nichts, was sich nicht durch ein Bier nach dem Rennen reparieren doer geradebiegen ließe.

Soziales

Natürlich nicht Teil des Teams sind die anderen Fahrer, die zumeist als Gegner, sehr oft aber auch als Freunde und gute Kollegen Teil der Geschichte sind. Hervorgehoben und im Buch auch entsprechend gewürdigt werden David Misch und Severin Zotter. Misch beendete das RAAM selbst als Rookie of the Year, bestritt mit Strasser gemeinsam einige Rennen im Team und - in seiner Funktion als Autor - interviewte er Strasser für sein zuletzt erschienenes Werk „Intensität“. Zotter gewann das RAAM als Strasser nicht zur Stelle war und gesundheitsbedingt das Rennen aufgeben musste. In Zotter wuchs ein ernstzunehmender Konkurrent für Strasser heran, dieser widmete sich jedoch nicht zu 100% dem Ultraradsport sondern behielt seinen Job als Sozialarbeiter und plante die Gründung einer Familie. Diese Episode ist ein spannender Einblick in das Leben eines Ultraradsportlers in dem Sinne, dass es jedenfalls schwer ist, auf mehreren Kirtagen gleichzeitig zu tanzen und die Entscheidung FÜR eine Sache mitunter auch eine Entscheidung GEGEN eine andere darstellt.

Race Around Austria

Das Race Around Austria ist nicht nur mir ein persönliches Anliegen und eine Freude sondern auch Christoph Strasser. Davon zeugen zahlreiche Teilnahmen und Siege und eine entsprechende Wertschätzung, die in einem eigenen Kapitel des Buchs zu lesen ist. Das von Michael Nussbaumer ins Leben gerufene Event in der heutigen Form gilt als eines der schwersten Ultra-Radrennen in Europa und der ganzen Welt. Zur Geschichte des RAA habe ich an anderer Stelle schon mehr geschrieben - Strasser war einer der beiden Protagonisten, die 2008 die ursprünglich von Manfred Guthardt erprobte Österreich-Umrundung auf deren Wiederholbarkeit testeten und das Race Around Austria in der heutigen Form ermöglichten.

Die Atmosphäre des Race Around Austria wird im Vergleich zum RAAM als unglaublich beschrieben - während im Ziel des RAAM ein Official und einige Team- oder Familienmitglieder warten, werden in Sankt Georgen im Attergau ja sämtliche Fahrer durch das gleichzeitig stattfindende Marktfest gelotst - ein Ankommen, das keiner der Teilnehmer so schnell wieder vergisst. Auch nicht vergessen wird Strasser wohl die Teilnahme als Vierer-Team im Jahr 2013 - die Geschichten dazu sind nicht ganz jugendfrei und sollten daher am besten im Buch selbst nachgelesen werden.

Sportliche Ausflüge

Es ist natürlich maßlose Untertreibung, an dieser Stelle von „Ausflügen“ zu sprechen, vielmehr ist jedes Unterfangen von Strasser verbunden mit körperlichen und geistigen Höchstleistungen, die keinerlei Ähnlichkeit mit entspannten Ausflügen aufweisen.

In Erinnerung bleibt jedenfalls der 24h-Weltrekord auf der Bahn im Schweizer Grenchen. Wenn Strasser selbst das Kapitel mit „Gschissn und Richtig Gschissn“ bezeichnet, dann soll das schon was heißen… Zuerst noch wegen einer Erkältung verschoben, spulte Strasser in 24 Stunden 941,8 Kilometer ab - gleichbedeutend mit 3.767 Runden auf der 250 Meter langen Radbahn. Für Strasser retrospektiv das „Irrste“, was er jemals gemacht hat. Die Rekord-Urkunde bekam Strasser vom vorherigen Rekordhalter Marko Baloh überreicht, mit ehrlicher Freude - ein unfehlbarer Indikator für das gute Verhältnis, das Strasser zu seinen Kollegen pflegte und pflegt.

Die Stadt Wien bekommt an dieser Stelle übrigens - zu Recht! - ihr Fett weg. Bürokratische Prügel, die dem Team Strasser im Vorfeld in den Weg gelegt wurden, verhinderten, dass der Weltrekordversuch im Wiener Ferry-Dusika-Stadion stattfindet.

Humorig - aber auch hier mit eigentlich ernstem Hintergrund - liest sich die Episode rund um den 24h-Weltrekord am Berliner Tempelhof. Die Strecke war nur sporadisch abgesperrt, das Wetter war nicht gerade einladend, der Wind bösartig. Trotzdem zog Strasser die Nummer durch, der Weltrekord betrug danach 896,2 Kilometer. Die magische Marke von 900 Kilometer hat Strasser in der Zwischenzeit übrigens pulverisiert - die 24h-Weltmeisterschaften in Borrego Springs fanden gerade erst im Oktober 2018 und damit nach Fertigstellung des Buchs statt.

Charakteristika eines “Weiradlfoaras”

Was ist notwendig, um Ultraradfahrer auf derart hohem Niveau zu sein? Das Buch kann diese Frage natürlich nicht erschöpfend beantworten - abgesehen davon, dass viele Aspekte absolut individuell sind und daher nicht von einer Person auf die andere gemünzt werden können. Strasser legt eine absolute und starke intrinsische Motivation an den Tag - dies spiegelt sich in allen seinen Aussagen, Ansichten und Taten wider. Stetige Verbesserung der eigenen Person und Leistungen steht absolut im Vordergrund, wobei - aus meiner Sicht absolut essentiell und mit ein Alleinstellungsmerkmal von Strasser - auch eine große Portion Bescheidenheit und Demut erhalten bleibt.

Strasser hat sich in den letzten Jahren an die Spitze des Ultra-Radsports hinaufgearbeitet. Konkurrenten oder Herausforderer sind Mangelware. Was auf den ersten Blick als Glücksfall erscheint, offenbart auf den zweiten Blick großen Druck, Motivationslöcher und viel notwendiges Durchhaltevermögen. Keiner spricht mehr von Durchkommen oder vom olympischen „Dabeisein ist alles“, sondern nur noch von Pflichtsiegen und verbesserten Streckenrekorden. Die Mutter sagt etwa „Super Junge, dann kann endlich ein anderer gewinnen“, als bekannt wird, dass Strasser 2016 nicht beim RAAM antreten kann. Ständig Favorit zu sein ist schön, aber kein Garant dafür, dass man diese Rolle auch weiterhin einnimmt. Positiv formuliert heißt das bei Strasser, immer weiter hart an sich zu arbeiten, um den Moment hinauszögern zu können, in dem ein Besserer kommt.

Kritiker werfen Strasser gar vor, die Gegner zu verhöhnen, in dem er Stunden und Tage Abstand zwischen sich und seinen Verfolgern herstellt. In seinen Augen ist allerdings genau das Gegenteil der Fall: Für Strasser zeugt es von Respekt gegenüber den anderen Teilnehmer*innen, dass er gut vorbereitet und top motiviert an die Startlinie kommt. Im Jahr 2018 war das beim Race Across America gut ersichtlich: Die Konkurrenz war „überschaubar“, der Druck des fünften Siegs groß, die Motivation aber schwierig aufrecht zu erhalten. Funktioniert hat es dann trotzdem, aber nicht „eh“ sondern „obwohl“!

Und außer Radfahren? Was sonst noch?

„Das Rad und ich - das ist etwas Längerfristiges“ meint Strasser und der Romantiker in mir frohlockt ob der einfachen aber so authentischen Botschaft. Völlig unromantisch allerdings (oder vielleicht gerade auch wieder romantisch!) ist allerdings, dass es im Ultraradsport im Wesentlichen keine Preisgelder gibt. Das erscheint auf den ersten Blick fatal und mag es aus wirtschaftlicher Sicht auch sein, andererseits erhält dieser Umstand eine gewisse Unschuld der Szene und der Rennen und - sehr wesentlich angesichts der erbrachten Leistungen - verleitet es weniger zur Verwendung unlauterer Mittel, um einen Sieg herbeizuführen. Tatsächlich wird dies durch bis dato fehlende positive Dopingergebnisse weitgehend untermauert.

Wie finanziert man sein Leben als Ultra-Radrennfahrer, wenn die sportlichen Erfolge keine entsprechende Entlohnung versprechen? Die Antwort liegt in Büchern und Vorträgen, ersteres zu erklären ist ob dieses Artikels glaube ich obsolet, zweiteres hat sich Strasser sukzessive erarbeitet. Vorab steht man vor einem Dilemma: Trainieren, um die sportlichen Erfolge zu garantieren oder mit Vorträgen und anderen Aktivitäten Geld verdienen (dafür aber Trainingszeit zu opfern)? Strasser hat einen erfolgreichen Mittelweg gefunden - offensichtlich!

Seine Vorträge handeln von seinen Abenteuern und dienen dazu, Motivation und Herangehensweise von Strasser bei seinen Projekten zu erläutern. Es sind keine klassischen Motivationsseminare - obwohl manch Aussage von Strasser durchaus Potential für ein Motivationsposter hätte („Wer glaubt etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden“, „Knappe Niederlagen gehören im Sport zum Motivierendsten, was es gibt“, „Wenn ich erfolgreich sein will, muss ich auch echte Leistung bringen“). Im Kontext seiner Erfahrungsberichte und gepaart mit der natürlichen Authentizität nimmt man ihm gerne ab, worüber er spricht. Ganz abgesehen davon ist ja wenig Hokuspokus an der Sache, meistens geht es doch nur darum, einen Spiegel vorgehalten zu bekommen und von anderen zu lernen. „Wollen“ wird man schon müssen, aber wer nicht „will“, wird wohl weder dieses Buch lesen noch in einen Vortrag eines Ultraradsportlers gehen (obwohl ich es ihm oder ihr wünsche).

Gewinnspiel

Es wird ein signiertes Exemplar des Buchs “Der Weg ist weiter als das Ziel” von Christoph Strasser unter allen Teilnehmenden verlost. Das Buch wurde von Christoph Strasser, Ultracyclingshop.com und Egoth Verlag zur Verfügung gestellt.

Alle Teilnehmenden werden auch für den 169k-Newsletter eingetragen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, keine Barablöse. Die Teilnahme ist bis inkl. 20.11.2018 möglich, die Bekanntgabe des Gewinners bzw. der Gewinnerin erfolgt auf der Facebook-Seite von 169k und per Mail.