Race Around Niederösterreich 2019

Weitra, 19 Uhr, die Frisur hält schon lange nicht mehr. Der Regen hat gerade etwas nachgelassen, seit mehreren Stunden streifen wir bereits durch die Stadt, im Hintergrund dumpf hörbar eine Lautsprecherstimme, die nach und nach Rennfahrer auf die Strecke schickt. Warum Weitra, wer sind „wir“ und welches Rennen ist hier im Gang?

Ich kenne Philipp Reiterits jetzt schon mehrere Jahre - wir lernten uns vor dem Race Around Austria 2017 zufällig auf der Großglockner Hochalpenstraße kennen, ich fotografierte ihn beim RAA 2017, im Jahr darauf wiederholte sich das Ganze. Ich verfolgte mit Interesse, dass er sich für die Premiere des Race Around Niederösterreich anmeldete, als er dafür noch einen zusätzlichen Betreuer suchte, schlug ich zu. Die Entscheidung war spontan getroffen - oft sind das ja sowieso die besten, der Termin in meinem Kalender blockiert und die Motivation da! Auch im Hinblick auf meine eigene Teilnahme an der diesjährigen Race Around Austria Challenge war der Gedanke naheliegend, mir das Ganze auch aus Sicht eines Betreuers vorab anschauen zu können - jeder Aspekt, der mir hilft, ein derartiges Rennen zu verstehen und zu durchschauen, ist mir recht und hilfreich.

Wer weder Race Around Austria Challenge noch Race Around Niederösterreich kennt… Die Rennen ähneln sich (und dann doch wieder nicht - aber dazu später mehr). Beim Race Around Niederösterreich geht es laut Veranstalter über eine Distanz von 600 Kilometern mehr oder weniger die Grenzen von Niederösterreich entlang, dabei werden ganz nebenbei noch rund 6.000 Höhenmeter unter die Räder genommen. Start und Ziel ist in der Braustadt Weitra, eine willkommene Abwechslung - für die Radler*innen, die sonst vielleicht nicht in dieses Eck Österreichs kommen, aber auch für die Stadt und die Region, die aufgrund der jahrzehntelangen geografischen Randlage ruhig etwas mehr ins Zentrum der Ereignisse gerückt werden darf.

#ran

Es ist die Premiere des Race Around Niederösterreich, man hat sich einige Dinge beim Race Around Austria abgeschaut. Positiverweise - warum sollte man funktionierende Systeme nicht teilweise übernehmen. Womit die Veranstalter allerdings nicht gerechnet haben, ist, wieviele Enthusiasten sich an diesem Tag in Weitra versammelt haben. Es sind insgesamt fast 100 aktive Sportler*innen involviert, weit über den Erwartungen für ein Eventformat, bei dem manche nach wie vor nur den Kopf schütteln, ob der Anforderungen und Eckdaten. Neben Solostartern machen sich auch Zweier- und Dreierteams bereit, letztere sollen vor allem die Eintrittsschwelle senken und derartige Bewerbe leichter für eine größere Masse zugänglich machen.

Jetzt stehen wir also zu viert hinter dem Rathaus von Weitra und warten darauf, in der Startreihenfolge vorzurücken. Im Begleiterauto von Startnummer 53 sitzen Michael und Silvia. Michael ist - so wie ich - Neuling in einem Betreuerteam bei einem derartigen Rennen, Silvia - Philipps Mutter - hat hingegen schon mehrfache Race Around Austria-Navigationserfahrung. Allzu viel haben wir uns im Vorfeld eigentlich nicht ausgemacht, jede*r ist für alles zuständig, jede*r schaut auf alles, im Notfall macht jede*r alles. Möglichst unbelastet von diesen scheinbar nebensächlichen Fragen streunt Philipp vor dem Betreuerauto rund um sein Rad, streckt sich, dehnt sich, schaut zum Himmel - wohin die Wolken sich gerade bewegen, geht auf die Toilette, schaut sich seine Konkurrenten an, geht noch eine Runde um das Auto. Er wird gleich auf die Bühne und Startrampe des Rennens gerufen werden, einen ersten Tritt in die Pedale tun und die darauffolgenden rund 24 Stunden nicht mehr damit aufhören. Und plötzlich öffnet sich die Wolkendecke, die Sonne blendet uns in den Augen und eine wunderschöne Abendstimmung läutet ein einmaliges Erlebnis für uns alle ein.

Und schon ist Philipp im Sattel seines Cervelo, fährt durch das Tor des Stadtplatzes Weitra und weiter auf die hügeligen Landstraßen des Waldviertels. Ich springe nach ein paar Fotos vom Start in die offene Tür des Betreuerautos und wir reihen uns hinter Philipp ein. Es ist kurz nach 20:00, in der Sprache des Race Around Niederösterreich bedeutet das „Nacht“ - das wiederum heißt, dass bis zum Beginn des nächsten Tages um 6:30 das Betreuerauto hinter dem Fahrer zu bleiben hat bzw. umgekehrt der Radler sich immer im Lichtkegel des Betreuerautos befinden muss. Das heißt, möglichst nicht stehenzubleiben, denn eine Pause des Autos bedeutet auch eine für den Fahrer. Außerdem - und das ist schon die erste Erkenntnis für uns Neulinge im Betreuerauto - ist es keineswegs ganz trivial, knapp hinter einem Radfahrer herzufahren. Nicht zu viel Abstand aber auch nicht den Radler mit dem Auto überfahren, Tempowechsel antizipieren, aufmerksam bleiben.

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Die Strecke des Rennens ist grob in vier Teile gegliedert. Die Nacht verbringen wir im hügelig-kurvigen Waldviertel entlang der tschechischen Grenze, ab Retz wird es hingegen flach und gerade. Über kleinere Landes- und Bundesstraßen kämpft sich Philipp durch den Regen - die romantische Abendstimmung beim Start ist relativ schnell wieder dem Tiefdruckgebiet gewichen, dass uns auch zuvor schon den ganzen Tag begleitet hat. Im Auto ist die Stimmung gut, auf den ersten Kilometern versucht jeder für sich in seine Rolle hineinzufinden. Ohne so etwas zuvor schon gemacht zu haben, bin ich auf der Suche nach Anhaltspunkten, Aufgaben, einer Mission - fotografiert hab ich am Start, jetzt im Dunklen hinter dem Fahrer sind die Möglichkeiten endenwollend. Michael sitzt am Lenkrad, Silvia navigiert - ich fühle mich kurzzeitig etwas nutzlos auf der Rückbank. Ich erinnere mich an die Bücher von Christoph Strasser und David Misch, in denen auch die Betreuerteams und deren Aufgaben immer wieder Thema sind - auch dass der Radler serviciert werden muss, die Crew an Dinge denken sollte, um die sich der Fahrer nicht kümmern müssen soll. Meine Mission soll ab diesem Zeitpunkt lauten, mich um Philipps Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zu kümmern. Es ist kalt und regnerisch - kein Wetter, bei dem man bereitwillig und viel trinken möchte. Dementsprechend muss Philipp nicht nur daran erinnert werden, stündlich eine Portion Ensure zu sich nehmen sondern auch, regelmäßig zu trinken. Nach vorne funken, Flaschen vorbereiten und aus dem Auto reichen - schon hat mein Betreuerleben wieder einen Sinn.

Laa an der Thaya, Poysdorf und Hohenau an der March bieten wenig landschaftliche Abwechslung, zwischen Mitternacht und 3:00 früh stehen diese Faktoren aber nicht unbedingt im Vordergrund. Kurz vor Hohenau fahren wir durch Hausbrunn, wo wir auf die eingefleischte Fanbasis von Philipp stoßen. Er kommt aus Hausbrunn und die Tatsache, dass das Rennen vor seiner Haustüre vorbeifährt, war mit ein Grund für seine Teilnahme. Während sich Philipp einen Motivationsschub von seiner Frau abholt, nützt das Betreuerteam die wenigen Minuten für eine Fahrerwechsel, ein kurzes Radservice, neue Flaschen und eine Portion „Ensure“.

Ensure“ ist ein wichtiges Stichwort, steht dieser Name doch für eine der möglichen Verpflegungsstrategien bei derartigen Herausforderungen. Eigentlich ein Flüssignahrungsmittel für Patienten nach Kiefer- und Zahnbehandlungen, schwören viele Ausdauersportler auf die einfach Verabreichung, Verdauung und Handhabung der kleinen Plastikflaschen. Einzig die bescheidene Auswahl zwischen nur zwei Geschmacksrichtungen und die mehr oder weniger Einseitigkeit der Nahrung kann man als Nachteil ins Feld führen. Auf der anderen Seite ist das “Verspeisen” von einem Gel pro Stunde nicht weniger einseitig und für die Verdauung eine ebenso große Herausforderung. Hier wird man vermutlich immer darauf hinweisen müssen, dass Ernährung bei so einem Event immer schwierig und jedenfalls immer eine individuelle Angelegenheit sein wird, die man idealerweise mehrmals ausprobiert und über einen längeren Zeitraum für sich entwickelt.

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Der Regen hat aufgehört, es ist das, was man im Allgemeinen als „stille Nacht“ bezeichnet. Es ist finster, ruhig und die Menschen, die in den unbeleuchteten Häusern entlang der Straße schlafen, merken nichts von dem, was vor ihrer Haustüre vorgeht. Bei Hohenau ist das Rennen knapp 200 Kilometer alt, mehr als viele von uns in ihrem Leben als längste Ausfahrt vorweisen können. Immer wenn man im Betreuerauto von Müdigkeit übermannt wird, blickt man kurz durch die Windschutzscheibe und sieht vor sich Philipp, wie er ruhig aber ohne Unterlass in die Pedale tritt. Die Konsequenz und Beständigkeit, mit der er nach und nach die Kilometer abspult, ist beeindruckend und dieses Gefühl wird sich im Laufe des Rennens noch verstärken.

Von Hohenau geht es Richtung Süden, wobei sich auch entlang dieser Bundesstraße die landschaftlichen Reize eher in Grenzen halten. Sierndorf, Dürnkrut, Mannersdorf an der March und Marchegg vermögen nicht, die Monotonie der Nacht zu durchbrechen - einzig die bevorstehende Donauüberquerung bei Bad Deutsch-Altenburg und die langsam beginnende Morgendämmerung versprechen Abwechslung. Für Bruck an der Leitha wird uns per WhatsApp von der Rennleitung eine kurze Kontrolle des Rads und des Betreuerautos angekündigt. Nachdem alle Teams von dieser kurzen Anhaltung betroffen sind, hat keiner davon einen Nachteil zu befürchten und Sicherheitsaspekte stehen hier jedenfalls im Vordergrund. Eine richtige Kennzeichnung der Teilnehmer*innen ist sowohl für die Sicherheit der beteiligten Personen wichtig als auch für die Genehmigungsfähigkeit (und damit den Fortbestand) von Veranstaltungen wie dem Race Around Niederösterreich.

Ich bin in und rund um Baden aufgewachsen und habe dort auch einige Kilometer am Rennrad abgespult. Gemieden habe ich dabei möglichst immer die Bundesstraße 60, die von Götzendorf über Weigelsdorf und Pottendorf Richtung Wiener Neustadt führt. Meistens dicht bevölkert von PKW- und LKW-Lenkern, die eine bedrohlich niedrige Toleranzschwelle gegenüber Radfahrenden aufweisen, hat man in der Regel versucht, auf niederrangige Landstraßen oder andere Route auszuweichen. Während der Morgenstunden dieses Samstags ist dieses Thema glücklicherweise weniger dramatisch, die Kilometer bis nach Wiener Neustadt verlaufen ruhig und auch wenn sich statt Sonne wiederum Wolken breit machen, der neue Tag bringt auch neue Energien bei Fahrer und Crew. Durch Wiener Neustadt plagen wir uns an mehreren (roten!) Ampeln vorbei auf die längste Gerade des Race Around Niederösterreich (und vielleicht sogar Österreichs?) - die Neunkirchner Allee. Gut neun Kilometer gerade wie ein Strich liegt die B17 vor uns, Motivation bieten jedoch gelbe Blinklichter, die einige hundert Meter vor uns aufblitzen und nicht weniger als ein bevorstehendes Überholmanöver und damit einen gewonnen Platz im Rennen bedeuten.

Was wir im Betreuuerauto fast übersehen haben - es ist nach 6:30, gemäß Regelbuch ist also die Nacht vorüber und wir müssen nicht mehr wie ein Schatten hinter dem Fahrer unterwegs sein. Sogenanntes „Leapfrogging“ ist ab jetzt angesagt, also Vorfahren und auf den Fahrer warten, anfeuern, gegebenenfalls verpflegen - und weiter vorfahren. Wir nützen diese Möglichkeit auf dem Weg Richtung Semmering, der nächsten Timestation und Labe, außerdem so etwas wie der Wendepunkt des Rennens. Es schüttet mittlerweile - dass am Tag nach dem Rennen im Süden Niederösterreichs leichter Schneefall herrschen wird, hilft Philipp und uns in diesem Moment auch nicht weiter. Der Anstieg auf den Semmering ist nominell nicht der schwierigste, einzig auf einer Länge von knapp einem Kilometer liegt die Steigung bei rund 10%. Während sich Philipp Meter für Meter zur Timestation vor dem Hotel Panhans bei KM 376 vorarbeitet, stoppen wir kurz in Maria Schutz - ein (oder zwei) Krapfen vom Klosterwirt gehen immer! ;)

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Ab dem Semmering geht es in die niederösterreichischen Voralpen - Adlitzgräben (mit der berüchtigten „Kalten Rinne“), Reichenau, Höllental, Kalte Kuchl, Sankt Aegyd. Motorradfahrer, die ansonsten das Leben eines Radenthusiasten in dieser Region nicht unbedingt einfacher machen, bleiben bei diesen Wetterverhältnissen aus - der Regen hat zwar wieder einmal aufgehört aber „freundlich“ geht anders und die nassen Straßen sorgen dafür, dass es in diesem Fall eben „von unten“ nass bleibt.

Philipp ist nach wie vor gut drauf, spult seine Kilometer ab, tritt seine Watt. Silvia hat noch keine Minute geschlafen, kontrolliert gewissenhaft das Routebook und wacht über jede mögliche Streckenabweichung, Michael sitzt seit dem Semmering wieder hinter dem Lenkrad. Bei einer kurzen Pause (Richtig: Ensure und neue Trinkflasche) plaudere ich mit Philipp über seinen Zustand und die bevorstehende Strecke. Er ist vorab fast die komplette Strecke in irgendeiner Form abgefahren, die Prüfung namens „Gscheid“, die nun vor uns liegt, sagt ihm allerdings zu meiner Überraschung nichts. Mir schwant Böses, bin ich doch schon einmal gröber an diesem Anstieg gescheitert (mit weit weniger Kilometern in den Beinen als Philipp jetzt). Die Sorge ist allerdings unbegründet, auch diese Prüfung wird scheinbar problemlos abgespult. Mir fällt anscheinend innerlich ein Stein von Herzen, sodass mir - zurück im Auto - innerhalb von wenigen Sekunden und nach ca. 36 Stunden Wachsein die Äuglein zufallen. Mein Schlaf wird jäh von den Worten unterbrochen: „Trinkflasche, Ensure und frische Handschuhe!“ Ich greife zur Seite, springe aus dem Auto, erledige den Job, steige zurück ins Auto und bin in der Sekunde wieder eingeschlafen - ein gewisser Automatismus schein eingekehrt zu sein.

Ich wache bei einer Tankstelle in Ybbs wieder auf, muss mich kurz orientieren, Philipp fährt nach wie vor wie eine Maschine durchs Land. Das Auto wird getankt, Verpflegung für die Crew gekauft, die Strecke gecheckt - Philipp hat uns in der Zwischenzeit überholt und die Tatsache, dass wir (bei „normalem Autofahr-Tempo) mehrere Kilometer brauchen, um ihn wieder einzuholen, unterstreicht einmal mehr seine Leistungsfähigkeit (und natürlich auch die jeder/s anderen Sportler*in in diesem Rennen).

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Nach meiner Stunde Schlaf sind wir in Ybbs wieder an der Donau angekommen, haben mehrere Regionen Niederösterreichs durchquert, unterschiedliche Landschaften gesehen und kommen nun in noch eine neue Ecke. Alleine die Tatsache, welche Vielfalt sich in 600 Kilometern Strecke verpacken lässt, birgt einen Großteil der Magie solcher Veranstaltungen. Gut, etwas ähnliches ist grundsätzlich auch schon bei 150 oder 200 Kilometer-Runden möglich aber auf einer derartigen Länge, bei der zum Beispiel vier unterschiedliche Viertel eines ganzen Bundeslands durchmessen werden können, gehen sich schon einige Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse aus. Der Abschnitt von Ybbs Richtung Norden (und damit zurück Richtung Weitra im Waldviertel) ist zusätzlich reizvoll, weil es einen normalerweise nicht so schnell in diese Gegend verschlägt - keine größeren Städte, keine Verkehrsachsen, viel Landschaft, viel zu Entdecken.

Das Yspertal beginnt lieblich, die letzten 80 Kilometer bis zum Ende der Runde scheinen machbar und keine großen Fragezeichen aufzugeben. Philipp wirkt zuversichtlich, freut sich über das trockene Wetter und den damit versöhnlichen scheinenden Endspurt. Worte, die nicht ohne Folgen bleiben - das beginnende Waldviertel begrüßt uns mit kurzen aber unerbittlichen Anstiegen, nach jedem Hügel folgt zwar eine Abfahrt, die allerdings nur darauf wartet, durch den nächsten Anstieg abgelöst zu werden. Die Wege sind schmal, die Kurven eng - bei uns fährt die Sorge mit, was nach dem nächsten Hügel auf uns warten mag. Zu allem Überfluss und wie als Strafe für Philipps Zuversicht, öffnen sich auch wieder die Schleusen des Himmels und es schüttet die letzten 2,5 Stunden des Rennens wie aus Kübeln.

Man merkt Philipp die Anstrengung an, man könnte auch vermuten, „es freut ihn nicht mehr wirklich“… Seine Beine sind seit gut 22 Stunden in Bewegung, die verbleibenden 30-40 Kilometer klingen nach „schnell mal zu Ende fahren“, bedeuten aber im Grunde gleich viel, wie eine flotte Greifenstein-Runde. Und wieder versuche ich, mich an die Lektüre meiner Strasser-Bücher und die darin enthaltenen Pflichten der Begleit-Crew zu erinnern. Die für das Rennen eingerichtete WhatsApp-Gruppe mit Philipps Familie und Freunden versorgt uns mit Motivationsbotschaften aber es ist augenscheinlich, dass drastischere Maßnahmen notwendig sind. Stichwort „Christoph Strasser“: Der erfolgreichste (und gleichzeitig sympathischste) Ultra-Radler der Gegenwart ist nicht nur eines meiner Vorbilder sondern auch ein sehr großes für Philipp. Nach einer kurzen Nachricht vibriert mein Handy und eine Audiobotschaft von Christoph trudelt via WhatsApp ein. Fenster auf, Handy raus und auf Play drücken - Philipps Augen weiten sich, eine derartige Reaktion hätten wir mit unseren Anfeuerungen nie erreichen können. Für die letzten 10-15 Kilometer ist offenbar wieder etwas Energie gefunden. Philipp weist uns an, vorzufahren - er meint, damit wir ihn an der Ziellinie erwarten können, ich glaube eher, er möchte die letzten Kilometer alleine „genießen“. Das Schloss Weitra erscheint am Horizont, die letzten Meter rollt man bergab darauf zu.

Die Ziellinie zwischen Kreisverkehr und Raiffeisen Bank weist wenige prunkvolle Elemente auf, aber wie auch die Leistung auf der Strecke zu einem Großteil im Kopf passiert, ist auch die Ziellinie in erster Linie eine symbolische. Runter vom Rad, abklatschen, Decke über den durchnässten Fahrer, Tee. Wir wissen nicht, wie lange wir im Endeffekt gebraucht haben oder welche Platzierung Philipp erzielt hat. Es ist aber auch egal - bei Philipp und auch den anderen Fahrern, die sich im Zielbereich aufhalten, ist erkennbar, dass hier mehr passiert ist, als das profane Überfahren einer aufgemalten Ziellinie.

Meine Geschichte/Philipps Geschichte

Eine kurze Beichte: Nachdem ich nun diese Zeilen (wie immer recht planlos und ungeordnet) niedergeschrieben habe, überkommt mich das Gefühl, dass ich hier „meine“ Geschichte erzählt habe, obwohl ich eigentlich über Philipps Rennen schreiben wollte. Das stimmt zu einem gewissen Grad, als dies die einzige Perspektive ist, die ich zweifellos und wahrheitsgetreu wiedergeben kann. Was in einem Menschen vorgeht - sowohl physisch als auch psychisch, der eine derartige Distanz in einem runterkurbelt, kann ich beim besten Willen nicht wiedergeben. Es war für mich absolut beeindruckend, Philipp beim Erbringen seiner Leistung zuzuschauen, ihm zu helfen und ihn - im Rahmen meiner sehr begrenzten Möglichkeiten - zu unterstützen. Die Tatsache, dass ich zwischendurch einmal völlig weggeknickt bin und einfach nicht wach bleiben konnte und Philipp in dieser Zeit munter und fleissig weitergetreten hat, weckt in mir tiefe Gefühle des Respekts.

Es tut mir leid, aber ich bin nicht qualifiziert, hier Philipps Geschichte zu erzählen - dazu muss sich wohl jede*r selbst in den Sattel setzen und sich in ein derartiges Unterfangen begeben. Ich für meinen Teil, der ich ja laut Homepage des Race Around Austria für die Challenge im August angemeldet bin, „freue“ mich schon darauf, diese Erfahrung selbst sammeln zu können. Lernen konnte ich beim RAN einiges - vom Organisatorischen über Ernährungsfragen bis hin zu ganz elementaren Erkenntnissen wie zum Beispiel, dass 24 Stunden wirklich, wirklich lang sein können.

Veranstaltung

Das Race Around Austria (mit der Challenge rund um Oberösterreich) hat nun über mehrere Jahre vorgemacht, wie das Format erfolgreich umgesetzt werden kann. Georg und Christian haben mit dem Race Around Niederösterreich dieses Konzept mehr als erfolgreich auf ein weiteres Bundesland übertragen, einiges Neues hinzugefügt und ein absolut überzeugendes Gesamtpaket geschnürt, das bereits im ersten Jahr der Austragung eine große Meute an Radler*innen angezogen hat. Der Erfolg der Veranstaltung spricht auch für den Erfolg des Formas im Allgemeinen, den Hunger der Radfahrenden nach spannenden, herausfordernden und vielleicht auch etwas abenteuerlichen Formaten. Bei allen Marathons und Rennen, die es übers Jahr verteilt gibt, verstehe und teile ich auch den Wunsch, etwas „Anderes“ zu machen, weit statt schnell zu fahren, die Grenzen des Landes und des eigenen Körpers und Geists auszuloten.

Das Race Around Niederösterreich ist also gekommen, um zu bleiben und das ist gut so. Wer möchte als nächstes Bundesland einsteigen? ;)

Was bringt 2019

Wie der Keks-Teller meiner Schwiegermutter füllen sich dieser Tage auch wieder laufend jene Listen mit Vorsätzen und Plänen, die man sich fürs anlaufende Jahr vornimmt, auf die Fahnen heftet oder gar lauthals in die Welt hinausschreit (auf dass diese Verbindlichkeit nicht zum Verhängnis wird). Neben rein keks-induzierten Vorsätzen - bei mir dauert die “Reparatur” der weihnachtlichen Gewichtszunahme erfahrungsgemäß mehrere Wochen - möchte ich wie jedes Jahr einige meiner Ideen für 2019 formulieren, wie immer ohne Reihung, Wertigkeit und endgültige Verbindlichkeit. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich viele Dinge erst unterjährig und meistens auch recht spontan ergeben, einige davon stellen sich dann als die besten Unternehmungen heraus - besser als man sie je hätte planen können…

Zwift

Mit ein paar Ausdauereinheiten auf der Rolle werde ich erst einmal die überzähligen Kilos beseitigen, die sich zuletzt angesammelt haben. Ich setze hier wie gehabt auf Zwift, die Trainingsplattform bietet aus meiner Sicht den besten Mix aus Leistung, Abwechslung und Spaß. Um den virtuellen Welten allerdings auch einmal einen Offline-Anstrich zu verpassen, freue ich mich besonders darauf, dass die alljährliche “Zwift x Wahoo-Tour” 2019 auch in Wien Halt machen wird. Am 18. Jänner 2019 bin ich daher im “WeXelerate” zu finden, gemeinsam mit ein paar anderen Verrückten, Begeisterten und Fans.

Weitradln

Es geht chronologisch weiter und gleichzeitig bildet der Februar so etwas wie einen Startschuss in die “ernste” Saisonplanung. Ich habe mir einen Vortrag von Christoph Strasser am 16. Februar im Audimax in Wien ausgesucht, der für mich symbolisch als Startpunkt für mein größtes Vorhaben 2019 dienen soll - mein persönliches Race Around Austria. Wer soll mich geistig und psychologisch besser auf ein derartiges Projekt einstimmen, als Mr. Weitradlfoarn Christoph Strasser.

Nach zwei Jahren, die ich das Race Around Austria mit der Kamera begleitet habe, kann ich 2019 nicht mehr anders, als selbst in die Pedale zu treten. Zu verlockend war und ist das Gefühl bei jedem Starter, der die Rampe in St. Georgen verlässt, mich selbst auf den Weg zu machen. Es wird die Einsteigervariante werden - die Race Around Austria Challenge, bei der 560 Kilometer rund um Oberösterreich zurückzulegen sind. Wie das funktioniert, haben Tini und Andi von geradeaus.at im vergangenen Jahr eindrucksvoll vorgemacht. Ich hoffe, dass sie mich mit wertvollen Tipps unterstützen, genauso wie ich jede und jeden ausfragen und ausquetschen werde, der mir in den letzten Jahren beim RAA begegnet ist und mir sachdienliche Hinweise geben kann. Die Vorbereitung macht jedenfalls schon einmal Spaß, hab ich doch schon während der Weihnachtsfeiertage etwas Zeit gehabt, mir über ein paar Dinge Gedanken zu machen und Pläne zu schmieden.

Wie genau die Vorbereitung für das RAA aussehen wird, ist noch nicht fixiert. Es gibt hier weder einen Trainingsplan noch irgendwelche anderen Vorgaben, einziger Plan ist derzeit, möglichst viele Kilometer auf dem Rad zu verbringen. Der Rest ergibt sich auf der Reise dorthin - wer an dieser Stelle ob dieses Auswuchses an Chaos und Planlosigkeit die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, der sei beruhigt… Bis jetzt bin ich so ganz gut gefahren und habe auch vor, das so weiterzuführen. Mir ist nun einmal wichtig, dass auch der Weg zum Ziel Freude bereiten soll und nicht nur die Zieleinfahrt… Da wird sich aber bestimmt noch einiges tun in den nächsten Monaten und ich werde natürlich entsprechend berichten - hier und auf allen anderen Kanälen!

Rennkalender

Damit bis zum “D-Day” Mitte August auch sicher einige längere und flottere Einheiten dabei sind , hab ich den Rennkalender durchstöbert, um mir folgende Veranstaltungen vorzumerken: Osttirol im Juni bleibe ich treu, allerdings ist der Plan, statt der Dolomitenradrundfahrt auf die längere Strecke des Super Giro Dolomiti zu wechseln. Auch auf die längere Strecke wechseln werde ich bei den Wachauer Radtagen im Juli. Hier wird mein Verein - PBIKE - wohl wieder die inoffiziellen Vereinsmeisterschaften austragen, außerdem ist die Veranstaltung vor den Toren Wiens mittlerweile zu einem Fixtermin in meinem Radjahr geworden.

Wachauer Radtage (c) Sportograf

Offen ist, ob derzeit kursierende Ideen (Verbindlichkeit irgendwo zwischen Schnapsidee und Hirngespinst) Realität werden, und wir als Verein bei einem der Langstreckenrennen an den Start gehen, die Juni und Juli in den Rennkalendern zu finden sind. Glocknerman am 20. Juni oder Kaindorf am 20. Juli sind zwei dieser Möglichkeiten. Ein Start dort würde eine gute Vorbereitung auf das Race Around Austria bedeuten, außerdem nimmt das Team wohl etwas den Schrecken vor der Herausforderung. Kaindorf bietet neben dem klassischen 24h-Rennen auch die Möglichkeit eines 6h- oder 12h-Rennens, also auch eine Einstiegsmöglichkeit “light”. Hier müssen allerdings noch einige Vereinsabende vergehen, bis diese Ideen endgültig spruchreif sind und danach möglicherweise Realität werden.

Mitunter etwas gemütlicher geht es bei zwei anderen Veranstaltungen zur Sache, die ich mir ebenfalls einmal mit Bleistift in meinen Kalender eingetragen habe. Nummer 1 ist die In Velo Veritas, die Fahrt mit klassischen Stahlrennern durchs niederösterreichische Weinviertel. In den letzten Jahren stand ich vor dem schier unlösbaren Problem, dass In Velo Veritas und Dolomitenradrundfahrt immer am gleichen Wochenende stattfanden, und ich dabei (auch familienbedingt) immer Osttirol den Vorzug gegeben habe. 2019 finden die beiden Veranstaltungen an unterschiedlichen Terminen statt, Gelegenheit also, endlich wieder einmal mein Select “Weltrekordrad” auszumotten, mein Wolltrikot anzuziehen und von einer weingetränkten Labe zur nächsten zu radeln. Die gleichen Akteure sind auch beim zweiten Vorhaben am Werk, einer Fernfahrt von Wien nach Hamburg, die zur Feier des 150-jährigen Bestehens des ABC Altonaer Bicycle Club anhebt.

Mit ein paar mehr Trainingskilometern und der absolvierten Race Around Austria Challenge stehen im September schließlich noch zwei weitere Aufgaben an. Beim Velorun in meiner ehemaligen Heimatstadt Baden gilt es wieder, auf meinen damaligen Hausrunden einige “Personal Bests” in die Höhe zu heben. Und auch beim King of the Lake - dem Zeitfahren rund um den Attersee - ist eine neue Bestzeit fällig, wieder auf dem Zeitfahrer nämlich, nachdem ich ja dieses Jahr mit den Rennrad unterwegs war.

Bucket-List

Abseits von Rennen und organisierten Veranstaltungen harren auch unzählige Projekte auf meiner ganz persönlichen Rad-Bucketlist ihrer Erfüllung. Je nachdem, wann sich was und wie ausgeht, besteht die Speisekarte aus Vrsic und Mangart als Vorspeise, Stelvio als Hauptgang und ein paar Dolomitenpässen als Dessert. Auch der Mont Ventoux übt einen großen Reiz aus, hier ist aber die Anreise einfach sehr, sehr, sehr weit…

Fotos

Neben aktiver Zeit im Sattel ist mir auch Zeit hinter der Kamera wichtig. Ich bin jedenfalls wieder mit Kamera und Telefon bei der Österreich-Rundfahrt im Juli mit von der Partie - es waren tolle Erfahrungen, die ich bei meiner Premiere in diesem Jahr sammeln konnte, das möchte ich fortsetzen.

Aber auch beim Wiener Bahnorama im Dusika-Stadion, den VICC-Rennen auf der Donauinsel und wann immer es die Zeit erlaubt, werde ich mich mit der Kamera auf die Lauer legen, um den einen oder anderen Schnappschuss zu erhaschen.

Fotos werden demnach auch ein wesentlicher Pfeiler der Inhalte von 169k bleiben. Daneben möchte ich aber noch andere Bereich erschließen - erste Videos sind in Arbeit, Interviews ebenso. Für 2019 sind hier einige Neuerungen und Schmankerl vorgesehen, dranbleiben lohnt sich also!

N+1?

“Brauchen” wäre in diesem Zusammenhang sowieso das falsche Wort, “wollen” passt auch nicht so wirklich, hab ich doch für fast jeden Einsatzzweck geeignetes Gerät. Ein Zeitfahrer steht immer wieder mal auf der Wunschliste, für Race Around Austria und King of the Lake wäre so ein Rad außerdem schon ganz praktisch. Meinen Crosser habe ich hingegen ein bisschen auf “Adventure-Bike” umgebaut (näheres hier in Kürze) - die Idee dahinter ist, ein Rad für alle Einsatzzwecke zu haben (Straße, Cross und MTB light). Hier bin ich noch etwas am Tüfteln, da diese Einsatzbereiche einfach unterschiedliche Anforderungen mit sich bringen, die mitunter nicht ganz einfach unter einen Hut zu bringen sind. Abhängig davon, ob ich mit meiner derzeitigen Plattform (dem alten Crosser) das Auslangen finde oder nicht, wird es hier vielleicht ein N+1-Aufbau-Projekt geben.

So irgendwie “N+0,5” wird es im Frühjahr aber jedenfalls geben. Damit der Nachwuchs auch Radluft schnuppern kann und gleichzeitig die Trainings-Zeiteinteilung etwas effektiver wird, ist ein Radanhänger in Anschaffung - nicht für Gran Fondos, sehr wohl aber für kurze Ausfahrten auf der Donauinsel oder ähnliches. N+0,1 hingegen wird das erste Laufrad für den Junior - fast so schön, wie ein Rad für sich selbst zu kaufen!

Laufen

Sowohl aufgrund des Trainingseffekts als auch aus Zeitgründen, werde ich 2019 auch wieder öfters die Laufschuhe schnüren. Mit ein paar Kollegen wird es eine Staffel beim Vienna City Marathon im April geben, darüber hinaus möchte ich abseits ausgetretener Pfade mit Rucksack und GPS höher hinaus - in die Berge nämlich. Ob das dann Trailrunning ist oder Wandern oder schnelles Spazieren ist nebensächlich, das Naturerlebnis und die Berge stehen dabei im Vordergrund,

Neben allen Leistungen soll nämlich auch 2019 wieder die Freude als wesentlicher Antriebsgrund im Vordergrund stehen. Platzierungen sind mir seit jeher relativ egal, Rekorde sowieso - wichtiger das Erlebnis, die Erfahrung und die Erkenntnis, was man alles leisten kann und möchte (und leisten kann, WENN man es denn möchte).

In diesem Sinne einen schönen Start ins neue Jahr. Ich hoffe, den einen oder die andere (wieder) zu treffen - egal ob an einer Startlinie, bei einer Ausfahrt oder bei einer anderen Gelegenheit. Ich freu mich!