Wer in den letzten Wochen meinen Instagram-Account verfolgt hat, konnte unter anderem bemerken, dass sich das Mountainbike langsam aber sehr nachhaltig wieder einen Platz in meinem Herzen erkämpft hat. Unsere gemeinsame Geschichte hat viele Gesichter: In meiner Jugend war das Mountainbike im Süden Wiens mein erster Kontakt mit dem sportlich(er)en Radfahren, außerdem war es nach einer längeren Schaffenspause mein Wiedereinstieg vor nunmehr sieben Jahren - noch bevor ich meinen ersten Pedaltritt mit einem Rennrad unternommen habe. Der Crosser hat in vielen Situationen - vor allem im Wienerwald - ein Mountainbike gut ersetzt, weshalb mein altes 26-Zoll Canyon im Keller der Schwiegereltern in Lienz ein Schattendasein fristen musste. Und Stichwort Lienz - bzw. auch ein Besuch in Schladming: dort hab ich erkennen müssen, dass das was ich im Wienerwald praktiziert habe, nichts mit „richtigem“ Mountainbikes zu tun hat. Ich Schladming bin ich ob der steilen Forststraßen verzweifelt, die gemeinhin leichteste MTB-Tour rund um Lienz brachte mich hingegen knapp ans Limit. Aber Dinge fliegen einem nunmal nicht zu und eine kleine Portion Ehrgeiz habe ich dann doch in mir. Und das Naturerlebnis beim Mountainbiken, die Möglichkeiten der Routenwahl, die Herausforderungen der hohen Berge und Alpen und das Techniktraining sind Aspekte, die sich in meinem Gehirn festgebrannt haben, sich über die letzten Monate sukzessive wieder in den Vordergrund gearbeitet haben und mich das Internet sowohl nach neuen MTB-Modellen als auch nach entsprechenden Veranstaltungen und Rennen durchforsten haben lassen.
Zum Thema Rad muss ich mich einstweilen noch kurz gedulden. Das bei den BMC/PBIKE-Testtagen ausprobierte BMC Fourstroke wurde prompt bestellt, aufgrund großer Begehrlichkeiten und dementsprechender Lieferengpässe findet es aber erst dieser Tage den Weg zu mir. Dazu wird es noch viel an Material und Berichten geben, sobald ich das Ding unter meinem Hintern habe - versprochen! Bei den Veranstaltungen gestaltet sich dies einfacher - ein Blick auf die einschlägigen Radsportseiten offenbart einen bunten und großen Strauß an Möglichkeiten - von kurzen Hobbyrennen über Marathon-Serien bis hin zur Königsklasse der Mountainbike-Etappenrennen. Prominentester österreichischer Vertreter dieser Kategorie ist die Alpen-Tour in und rund um Schladming, die als viertägiges Etappenrennen nun bereits in die 21. Austragung geht. Also Kontakt mit dem Veranstalter aufnehmen, Möglichkeiten abklären, Anforderungen an sich selbst kurz überfliegen… Nun schrecke ich grundsätzlich nicht vor Herausforderungen zurück, aber ich bin auch Realist. Und mit einem derzeit noch nicht allzu berauschenden Trainingszustand und dem noch nicht wiedererweckten Mountainbike-Fahrkönnen möchte ich nicht sehenden Auges in mein Verderben laufen. Glücklicherweise gibt es da aber Leute, die weitaus fitter und auch um ein Vielfaches talentierter am Rad sind - beispielsweise den großartigen Martin Rauscher, seines Zeichen Vize-Staatsmeister im Cross Country 2017. Er wird demnach von 6.-9. Juni an der diesjährigen Alpen-Tour teilnehmen und hier auf 169k darüber berichten, er wird - im Gegensatz zu mir - noch den Atem und die Energie haben, seine Erlebnisse von der Veranstaltung in Worte zu fassen!
Eine genaue Vorstellung von Martin, seinen Plänen und seiner Herangehensweise für das Rennen wird es in den nächsten Tagen geben, an dieser Stelle möchte ich aber zuerst das Rennen vorstellen, das in seiner Konzeption in Österreich recht einzigartig ist.
Alpen-Tour als Etappenrennen
Egal ob auf dem Rennrad oder dem Mountainbike - Etappenrennen stellen so etwas wie den Gipfel möglicher Veranstaltungsformate dar. In keinem anderen Modus fühlt man sich mehr wie ein Pro, ist mehr im Alltag eines Rennfahrers verhaftet. Einfach aufs Radeln konzentrieren, jeden Tag aufs Neue. Während viele Veranstaltungen größere Distanzen zurücklegen und dabei Transfers von Gepäck, Material und Betreuern notwendig werden, setzt die Alpen-Tour auf einen zentralen Ausgangsort - Schladming. Während der Ort sich selbst eher als Metropole des Skisports bezeichnet, muss sich die Region am Fuße des Dachsteins natürlich auch im Sommer nicht verstecken - im Gegenteil. Mit meiner nicht sehr ausgeprägten Ski-Affinität und meiner absolut stark ausgeprägten Aversion gegen Apres Ski und Ähnliches habe ich Schladming im Winter bis jetzt eher gemieden. Mit dem Rennrad hab ich daher eher im Frühling und Sommer die Ecken rund um Schladming, Radstadt, Bad Mitterndorf und Gröbming unsicher gemacht, dabei zahllose wunderschöne Kilo- und vor allem auch Höhenmeter abgespult und das Bergpanorama in mich aufgesaugt. Dass die Berge rundherum eine großartige Einladung zum Mountainbikes darstellen, war mir dabei immer klar - alleine die Umsetzung dieser Ideen wurde bis dato auf die lange Bank geschoben.
Zurück zur Alpen-Tour! Schladming dient an vier Tagen als Start und Ziel für unterschiedlich schwere Etappen. Die Möglichkeiten rund um die Stadt sind dabei mannigfaltig. Planai, Hochwurzen, Haus im Ennstal - all jene Namen, die man aus dem Skisport kennt, eigenen sich natürlich hervorragend als Mountainbike-Strecken. Auf der anderen Seite des Tals - unter dem Dachstein - prangt Ramsau. Auch hier ist man nicht nur im Winter Mekka für Langlaufsportler aus aller Welt sondern eben im Sommer auch perfekt geeignete Spielwiese für Mountainbiker. Dass an derartig sportaffinen Orten entsprechende Infrastrukturen (sowohl für Sport als auch für Nächtigung) vorhanden sind, spielt Veranstaltungen wie der Alpen-Tour natürlich zusätzlich in die Hände.
Herausforderungen
Ein Blick auf die Etappen der Alpen-Tour deutet darauf hin, dass man tendenziell eher in halbwegs guter Form sein sollte, um die Herausforderungen des Events bewältigen zu können. Etappen mit einer Länge von 70 Kilometern bei gleichzeitig 3.100 Höhenmetern verlangen den Fahrer*innen schon einiges ab. Dabei geht es nicht - wie bei anderen Veranstaltungen - hauptsächlich auf gemütlichen Forststraßen zur Sache sondern auch in anspruchsvollerem Gelände. Außerdem - und das spricht grundsätzlich für Formate wie dieses (anderes Beispiel ist hier die Transalp) - muss man sich nicht über die leider mittlerweile allgegenwärtigen Einschränkungen bei der Wegewahl kümmern. So führen Teile der Etappen über Streckenabschnitte, die ansonsten im Privatbesitz sind und nur für derartige Veranstaltungen geöffnet werden, ansonsten also legal nicht zu befahren wären.
Etappe 1
Es startet gleich mit einem Kracher! Von Schladming geht es über den „Lodenwalker“ - eine der schönsten Ecken zwischen Schladming und Ramsau - Richtung Langlaufzentrum hinauf. Diese ersten Höhenmeter dienen allerdings nur zum Aufwärmen, geht es doch gleich danach hinauf Richtung Dachstein. Der Berg als solches ist natürlich nicht im klassischen Sinne befahrbar, aber hinauf bis zur Station der Gletscherbergbahn kommt man, in diesem Fall der Türlwandhütte. Ich erinnere mich noch heute mit gemischten Gefühlen an den Anstieg mit dem Rennrad über die asphaltierte Straße hinauf zum Fuße des Dachsteins, zweistellige Prozente sind hier die Regel, nicht die Ausnahme. Mit dem Mountainbike ist man natürlich auf alternativen Pfaden unterwegs, einfacher wird es dadurch aber nicht unbedingt. Bei der Türlwandhütte angekommen bleibt keine Zeit für die Schönheiten des Dachsteinmassivs, wer dennoch einen kurzen Blick nach oben riskiert, wird mit einem imposanten Anblick belohnt - schließlich braucht ja jeder Anstieg seinen Gipfelsieg und irgendeine Art von Belohnung!
Über den Rittisberg geht es wieder hinunter nach Ramsau zum Langlaufzentrum, dann nach Pichl ins Ennstal bevor man über einen letzten Anstieg wieder das Zentrum von Schladming erreicht. Start und Ziel ist standesgemäß auch dort, wo im Winter zehntausende Fans den Skiläufern beim berühmten Nachtslalom zujubeln. Ganz so viele Fans werden es bei der Alpen-Tour wohl nicht sein, aber das Wissen, die erste der vier Etappen erfolgreich beendet zu haben, wird auch mit weniger Fans entsprechend wertgeschätzt werden.
Am Abend heißt es - wir befinden uns ja immerhin in einem Etappenrennen - ausruhen, regenerieren und Speicher wieder auffüllen. Die allabendliche Zusammenkunft im Zelt des Veranstalters bietet die Möglichkeit, dies in schöner Gesellschaft zu tun - Erlebnisberichte vom gerade zu Ende gehenden Tag mischen sich dort mit Ausblicken auf den nächsten.
Etappe 2
Und auch der zweite Tag hat es in sich - wer am ersten schon zu sehr an den Reserven geknabbert hat, wird dies spätestens an diesem Tag spüren. Vom Start - wiederum im Zieleinlauf des Slaloms am Fuße der Planai - geht es direkt auf die Hochwurzen, mehr als 1.000 Höhenmeter am Stück müssen dabei bewältigt werden. Bleibt die Hoffnung, dass das Frühstück nährstoffreich und kräftigend war… Nach einer kurzen Abfahrt zum Parkplatz der Talstation der Hochwurzen-Lifte geht es hinein Richtung Ursprungalm. Die Forststraße zieht sich zuerst sanft ansteigend Richtung Wald, wird dann steiler und steiler bis man bei der Ursprungalm ankommt. Wer an dieser Stelle glaubt, es sei vollbracht, der irrt leider. Ich erinnere mich an meine Ausfahrt zurück, bei der ich auf den letzten Metern vor der Ursprungalm kurz geglaubt habe, der Anstieg sei damit erledigt. Ich musste damals feststellen, dass es dort erst richtig los geht, mit Steigungsprozenten, die ich vorher noch nicht allzu oft live gesehen hatte. OK, ich war damals nicht wirklich in Form, es lag Schnee und war kalt, aber das kurze Stück nach der Urpsrungalm ist mir in Erinnerung geblieben und eines Tages werde ich dorthin zurückkehren, und dann…!
Dabei ist das, was danach kommt, eines der Highlights der Gegend und des Rennens. Die Giglachseen bilden den höchsten Punkt dieser Etappe auf einer Seehöhe knapp über 2.000 Metern. Danach geht es flott durch ein sehr spezielles Gebiet von Wiesen und Almen, die ansonsten nicht so mir nichts dir nichts befahren werden können. Wegen derartigen Möglichkeiten lohnt es sich, bei solchen Veranstaltungen dabei zu sein. Hinunter und vorbei geht es am Gasthaus Landalm in Untertal - der Apfelstrudel dort ist sehr empfehlenswert, allerdings sollte man an dieser Stelle nicht deshalb stehenbleiben, ist die Etappe doch gleich zu Ende!
61 Kilometer mit 2.800 Höhenmetern werden am Abend nach dieser Etappe auf dem Tacho stehen und die Schenkel werden sich wohl dementsprechend anfühlen. Aber mittlerweile wird man sich etwas an die tägliche Routine, den Ablauf und die Belastung gewöhnt haben und es sind ja auch schon wieder 50 Prozent des Etappenrennens geschafft.
Etappe 3
Der dritte Abschnitt ist geringfügig entspannter, bietet dieser doch auf den ersten 25 Kilometern „nur“ ein stetiges Auf und Ab aber keine längeren und kräftezehrenden Anstiege. Erst bei Kilometer 25 startet die Kletterei aufs Neue, der Hauser Kaibling will erklommen werden - die „King und Queen of the Mountain“-Wertung befindet sich auf 1.840 Metern Seehöhe, auch hier sind am Weg dorthin gut 1.000 Meter Höhendifferenz am Stück zu überwinden.
Etappe 4
Die Aufgabe am vierten Tag klingt überschaubar: hinauf auf die Planai. Als Abschluss des Vier-Tage-Rennens steht traditionellerweise ein Einzelzeitfahren auf den Schladminger Hausberg auf dem Programm. Auf 14 Kilometern Länge sind rund 1.300 Höhenmeter zu bewältigen (die Steigungsprozente sind daher verhältnismäßig moderat), gestartet wird einzeln. Ganz ohne Konkurrenten, Gruppen oder irgendeine Ablenkung kann man hier am letzten Tag noch einmal tief in sich selbst blicken und mit sich selbst ausmachen, wie die letzten Tage und Kilometer zu bewerten und einzuordnen sind. Wer Ambitionen hat, kann hier versuchen, noch ein paar Plätze im Gesamtklassement gutzumachen - Genießer können auf den letzten Metern die Veranstaltung Revue passieren lassen und den Blick ab und zu auch über das tolle steirische Bergpanorama schweifen lassen.
Starterfeld
Mit 198 Kilometer und 9.400 Höhenmeter in vier Tagen klingt es jetzt nicht gerade so, als benötige man noch zusätzliches „Salz in der Suppe“… Ein Blick auf das Starterfeld offenbart jedoch noch einen zusätzlichen Reiz, der der Alpen-Tour innewohnt. Vom Hobby-Rennfahrer bis zum Elitefahrer und nationalen (oder internationalen) Champion ist hier alles am Start. Daniel Gaismayr, Alban Lakata, Barbara Mayer - die Namen lesen sich wie das Who is Who des Mountainbikesports. Mit diesen Namen kann man sich bei der Alpen-Tour direkt messen - egal ob direkt auf der Strecke oder nach der Etappe auf den Ergebnislisten. Aus meiner Sicht sind derartige Zusammentreffen zwischen Profis und „Normalos“ ja immer von besonderem Reiz. Was man daraus macht, hängt natürlich immer von einem selbst ab, aber zu sehen, welche Leistungen Profis erbringen und diese mit den eigenen in Relation zu setzen, ist immer eine spannende Angelegenheit. Ganz abgesehen davon, wie oft hat man denn die Möglichkeit, mit den österreichischen Profis am Abend zu plaudern und sich auszutauschen?
Alleine oder im Zweierteam
Elitefahrerinnen müssen alleine starten, Amateur*innen und Hobbyfahrerinnenn steht hingegen frei, alleine oder im Zweierteam zu starten. Dabei wird - wie beim Cape Epic oder der Crocodile Trophy - gemeinsam gefahren, man sitzt quasi zu zweit in diesem Boot, macht alles gemeinsam - im Guten wie im Schlechten.
Infos
Wer also eine Challenge sucht, anspruchsvolle MTB-Strecken unter die Stollenreifen nehmen will und sich knapp eine Woche in der wunderbaren Bergwelt der Steiermark rund um den Dachstein gönnen möchte, dem sei die Alpen-Tour ans Herz gelegt. Nähere Infos zu Rennen, Anmeldung und dem Drumherum gibt es hier: https://alpen-tour.at
Für 169k wird wie schon erwähnt Martin Rauscher an den Start gehen. Er ist öfter in der Gegend rund um den Dachstein und kennt die meisten Ecken - dementsprechend bin ich auf seine Meinung zu den einzelnen Etappen und natürlich sein Abschneiden im Juni gespannt. Seine Vorstellung gibt es hier in wenigen Tagen zu lesen, die Berichterstattung vom Rennen natürlich währenddessen und in längerer Form kurz danach!