36,7 Grad. Damit ist jedoch nicht die Temperatur gemeint, vielmehr ist es ein regnerischer und frischer Tag hier in Kärnten. Die Temperaturangabe blinkt - begleitet von einem wohlmeinenden Signalton - auf grünem Hintergrund auf dem Display des Fieberthermometers auf, das mir gerade an den Kopf gehalten wurde. Wir schreiben das Jahr 2020, es ist sowieso alles anders als in den Jahren zuvor, insofern wundert man sich auch nicht mehr großartig, wenn die Vitalzeichen kontrolliert werden, um ein Startpaket zu bekommen. Denn während viele Dinge gerade schwieriger sind oder sich nicht unbedingt zum Besseren verändert haben, ist eines umso wichtiger: Zusammenhalt! Und dass dieser durchaus auch freudig ausgelebt werden kann, beweist auch dieses Jahr die Tour de Franz.
Geografisches
Terminlich um ein Monat nach hinten verschoben fällt sie - zufällig? - mit der Tour de France zusammen, für eine kleine Namensverwirrung während des Frühstücks ist damit schon gesorgt. Nicht nach Frankreich geht es, sondern nach Hirt bei Michelbach. Ich bin hier schon einige Male mit dem Auto vorbeigefahren, der nördlich gelegene Neumarkter Sattel ist eine der wichtigen Nord-Süd-Verbindungen bzw. in diesem Fall eine Achse von Judenburg hinunter nach Klagenfurt. Fürs Radfahren hatte ich die Region bis dato nicht wirklich auf dem Schirm, zu abschreckend wirkt der Schwerverkehr, der sich täglich über diese Route wälzt.
Aber hier südlich von Friesach öffnen sich die Gurktaler Alpen langsam hin zum Klagenfurter Becken, damit wird die Landschaft weiter und es gibt - im Gegensatz zum Neumarkter Sattel - eine Vielzahl von kleinen Straßen und Wegen, die einen großen Variantenreichtum für Radtouren in sich bergen. Noch etwas weiter südlich durfte ich das schon bei einigen Touren mit meinem Schwager erleben.
Menschliches
Bei der Tour de Franz bin ich nach 2019 zum zweiten Mal und bereits im Vorjahr habe ich mit Freude festgestellt, welche Absichten hinter dem - auf den ersten Blick vermeintlich lustigen oder gar oberflächlich wirkenden - Projekt stehen. Viele Teilnehmer*innen, einige Prominente und teilweise auch ganz gut gefüllte Brieftaschen mögen für einen Seitenblicke-Beitrag ausreichen, hier wird aber für einen guten Zweck gearbeitet! Unter der Schirmherrschaft von Abfahrts-Olympiasieger Franz Klammer wird zwar auch vorzüglich geradelt und gespeist, aber eben auch fleissig gesammelt und gespendet. Die dabei zusammenkommenden Beträge kommen lokalen Initiativen zugute und helfen auf diese Weise mit, Einzelschicksalen entsprechend unter die Arme zu greifen. Und waren es zu Beginn der Aktion im Jahr “nur” 13.000 Euro, so konnten in den letzten Jahren großartige Beträge von über 30.000 Euro gesammelt werden, wodruch die Hilfe auf mehrere Projekte aufgeteilt werden konnte. Karin und Ronny sorgen dabei für eine großartige Organisation im Vorfeld und eine tolle Abwicklung während der veranstaltung selbst.
Sportliches
Dass nicht nur angestoßen und gegessen wird, steht außer Frage - es wird natürlich in erster Linie Rad gefahren! Startpunkt ist die Brauerei Hirt bei Micheldorf in Kärnten und bereits während des Zusammentreffens der Teilnehmer*innen öffnet der Himmel seine Pforten. Knapp 100 Freiläufe surren synchron die ersten Kilometer hinunter ins sogenannte “Krappfeld” - der historischen Kornkammer Kärntens -, wo der erste Teil der Route über eine Schleife auf Nebenstraßen führen würde. Aber der stärker einsetzende Regen und noch dünklere Wolken am Horizont bewegen die Organisatoren (die an vorderster Front auf dem Rad mit dabei sind), die Route spontan zu ändern und den ersten Teil der Strecke etwas abzukürzen. Und nicht wenige freuen sich, dass es nun bereits nach 19 Kilometern Fahrt die erste Pause und Labe gibt :)
Während sich die Fahrer*innen in Althofen stärken, wird der Regen wieder schwächer und einer Weiterfahrt sollte nichts mehr im Wege stehen. Es geht zurück Richtung Norden und beim Schloss Pöckstein hinein ins Gurktal. Das Schloss kennt man ebenfalls vom Vorbeifahren und der äußere Zustand der Fassaden spiegelt in keinster Weise die Schätze wieder, die im Inneren des Gebäudes schlummern - leider.
Das Peloton rollt auf den gut ausgebauten Radweg neben der Bundesstraße, es geht flotter dahin als im Vorjahr. Da war das Wetter aber auch besser und es war einladender, etwas zu trödeln. Hier und jetzt nieselt es da und dort noch leicht, da fährt man schon etwas zügiger. und Obwohl die Gruppe groß und der Windschatten dementsprechend reichlich vorhanden ist, muss man aufpassen, keine Lücken aufgehen zu lassen. Das Grundtempo ist flott und wieder einmal wird klar, dass hier durchaus Leute unterwegs sind, die ihre Räder auch zu fahren wissen.
Neben dem Radweg “gurgelt” der Fluss, womit auch schon die Namensgebung der “Gurk” aufgeklärt wäre. Straßburg im Gurktal sieht man schon von weitem aufgrund des riesigen Schlosses, das früher als Bischofsresidenz gedient hat, ein paar Kilometer rollt man in Gurk am berühmten Gurker Dom vorbei. Bei Sonnenschein wäre das alles hier wahrscheinlich noch um ein Vielfaches imposanter aber auch so wird einem die Relevanz dieses kleinen Tals bewusst. Gute 20 Kilometer in das Gurktal hineingerollt ist in Weitensfeld wieder Zeit für eine kurze Pause.
Während die Tour de Franz hier wieder kehrt macht und zurück Richtung Hirt rollt, merke ich mir das Gurktal jedenfalls für spätere Projekte und Touren vor. Wer hier noch weiterfährt, kann entweder Richtung Süden nach Feldkirch fahren oder aber über Deutsch-Griffen und Hochrindl in die Nockberge. Einmal geht es noch vorbei am Startpunkt der Tour in Hirt und entlang der Metnitz hinauf nach Friesach mit seinen mittelaterlichen Bauwerken. Ich erinnere mich, vor vielen, vielen Jahren einmal dort einmal bei einem Ritteressen gewesen zu sein.
Kanpp 80 Kilometer und 500 Höhenmeter stehen am Ende am Tacho, weniger als geplant aber dank der spontanen Adaptierung der Route aber trockene und entspannte Kilometer auf denen man diesen Teil Kärntens kennenlernen durfte. Für mich persönlich ist das eine großartige Art und Weise, neue Gegenden zu erkunden. Und die Art und Weise, wie die Tour de Franz organisiert ist, macht dies noch einmal zu einer schöneren Erfahrung: Guide, Begleiter, Polizeieskorte, Begleitmotorräder, Laben, Verpflegung… Vermutlich hat es ein World Tour Profi nicht so gut.
Geselliges
Apropos World Tour Profis: 2019 waren Gregor Mühlberger und Marco Haller mit von der Partie, terminlich ging sich das bei denen dieses Jahr nicht aus, waren bzw. sind sie doch schließlich bei der Tour de France im Einsatz. Auch einige andere “Promis” waren dieses Jahr nicht mit von der Partie - zum Teil vermutlich aufgrund des verschobenen Termins, zum anderen aufgrund von COVID-19. Dennoch findet sich bei der Tour de Franz immer wieder eine nette, gesellige, unterhaltsame und spannende Gruppe Menschen zusammen, die zwar alle durch das Radfahren einen gemeinsamen Nenner finden, aber alle ihre eigenen und individuellen Lebensentwürfe und -geschichten mitbringen. Und genau dieses Radfahren als gemeinsame Leidenschaft und egalisierendes Element ermöglicht es, jederzeit mit jedermann und jederfau ins Gespräch zu kommen und so gut wie jeder hat auch etwas zu sagen oder eine gute Geschichte zu erzählen.
Wohltätiges
Bei Charity-Veranstaltungen zählt am Ende des Tages natürlich auch, welche Zahl auf dem überdimensionalen Scheck steht, den man in die Kamera hält. Und da markieren die erzielten 36.850 Euro wieder einen entsprechenden Höhepunkt, mit dessen Hilfe wiederum einige Projekte umgesetzt werden können und Menschen ganz konkrete Hilfe zukommen wird. Und das ist gut so!
Fotos: Eigene und Tour de Franz/Markus Vollmeier