Weniger Plastik dank Keego

Rahmenformen werden im Mikrometerbereich auf Aerodynamik hin optimiert, Trikotärmel bekommen Golfball-ähnliche Wabenstrukturen verpasst und Antriebsstränge werden verbessert, um unnötige Reibungsverluste zu reduzieren. So gut wie alle Bereiche des Radsports und des Radfahrens werden laufend gescreent, evaluiert und mit teilweise nicht ganz unbeträchtlichem Aufwand optimiert. In diesem Sinne mutet es mitunter etwas seltsam an, dass die Trinkflasche seit Jahrzenten nahezu unverändert ihr Dasein fristet - gefertigt aus schnödem Plastik, ab Werk mit einem strengen Geruch ausgeliefert, der nur nach und nach durch Residuen unzähliger Iso-Drinks unterschiedlicher Geschmacksrichtungen übertüncht wird.

Genau dort setzt Keego an, deren Gründer sich wohl ähnliche Fragen gestellt haben: Warum geben Radlerinnen und Radler tausende Euro für Rad, Kleidung und Ausrüstung aus, machen Ernährungsberatungen, Bikefittings und andere Anaylsen auf der Suche nach mehr Körperbewusstsein und Selbstwahrnehmung, nur um dann Getränke aus billigen Plastikflaschen zu trinken? Und nicht erst aktuelle Klima-Debatten haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Themen wie Umweltverschmutzung, Nachhaltigkeit oder Mikroplastik gelenkt.

Aus meiner persönlichen Sicht liegt einer der Hauptgründe in der “Beiläufigkeit” von Trinkflaschen im Profi-Radsport. Erst vor kurzem wurden Postings der großen Profi-Teams zuerst mit Wut bedacht, nachdem bekannt gegeben wurde, wieviel Plastikflaschen pro Jahr verbraucht werden (und danach großteils im Müll landen). Geklatscht wurde kurz danach, als einige Teams Besserung gelobt hatten. Fakt ist allerdings, dass dem Profi oder der Profi-Fahrerin auf dem Rad im Rennen herzlich egal ist, ob die Flasche nachhaltig ist oder länger hält - es geht hier rein um schnelles Reichen der Trinkflaschen und ebenso schnelle Entsorgung der leeren Bidons. Anders ist das für uns, die wir großteils zur Freude im Sattel sitzen, kein Begleitfahrzeug mit frisch gefüllten Flaschen hinter uns fahren haben und die Flaschen aus unserer eigenen Tasche bezahlen müssen.

Die Idee & Kampagne

Spulen wir die Zeit zurück zum 13. März 2018, als Keego-Founder Lukas auf Kickstarter verkünden konnte, dass bereits nach sechs Stunden das geplante Investitionsziel erreicht worden war. Auf dieses Update folgten noch mehrere dieser Art und am Ende standen über 215.000 Euro als Ergebnis da und das ursprüngliche Ziel war fast um das Zehnfache übertroffen. Alleine diese Zahl soll schon als indikator dafür dienen, dass es sich auszahlen sollte, die Trinkflasche als solches zu hinterfragen und neu erfinden zu wollen.

Was ist Keego? Die Idee war, eine Trinkflasche aus Metall zu fertigen, die geschmacksneutral ist, keine Gerüche annimmt und entsprechend pflegeleicht, gleichzeitig aber “squeezable” also zusammendrückbar ist. Die scheinbare Quadratur des Kreises also, die sich jeder, der schon einmal eine Sigg-Metallfalsche oder ähnliches in der Hand hatte, schwer vorstellen konnte.

Der typische und uns allen bekannte Plastikgeruch und im schlimmsten Fall auch - geschmack entsteht, wenn sich die Bestandteile des Plastiks sukzessive herauslösen und über den Inhalt der Flasche den Weg in unsere Körper finden. Dabei ist es fast schon egal, ob es um Weichmacher (sogenannte Phtalate) oder die bekannte Abkürzung “BPA” (Bisphenol A) geht oder ob man hormonelle Veränderungen, Diabetes oder andere mögliche Auswirkungen heraufbeschwört. Fakt ist, Plastik ist nicht der ideale Aufbewahrungsort für Flüssigkeiten, umso mehr, als darüber auch entsprechende Leistung abgerufen und unterstützt werden soll. (An dieser Stelle sei außerdem noch angemerkt, dass das Prädikat “BPA-frei”, das mittlerweile viele Produkte ziert, keine Garantie für eine entsprechende Unbedenklichkeit darstellt.)

Eine Keego-Trinkflasche hingegen besteht zu 99,8 Prozent aus Titan. Dieses Material ist nicht nur beständig und leicht sondern reagiert auch nicht auf äußere Einflüsse - das ist auch der Grund, warum Titan oft für Implantate und dergleichen verwendet wird. Dazu kommen Korrosionsbeständigkeit, Schimmelresistenz und eine entsprechend leichte Reinigung!

Ein steiniger Weg

Nach der erfolgreichen Kickstarter-Kampagne kamen allerdings erstmal eine Reihe von Rückschlägen. Während Konstruktion und Materialen klar waren, konnte zuerst kein Unternehmen gefunden werden, dass die Flasche nach den Vorgaben herstellen wollte oder konnte. Spezialisierte Industrieunternehmen unterbrechen dann doch nicht so gerne ihre industriellen Regelprozesse, um Ideen kleiner Start-Ups auszuprobieren. Und um sich besser vorstellen zu können, dass nicht unbedingt der Handwerksbetrieb von nebenan in der Lage ist, eine Keego-Falsche herzustellen, sei gesagt, dass man letztendlich mit einem Unternehmen zusammenarbeitete, das üblicherweise Komponenten für den CERN-Teilchenbeschleuniger herstellt.

Neben der eigentlichen Fertigung traten zusätzlich noch Schwierigkeiten mit dem Außen-Finish der Flasche auf - der Lackierer verlangte plöotzlich den doppelten Betrag für die Fertigung und die Zeiträume konnten nicht mehr garantiert werden. Das Projektteam von Keego änderte hier kurzerhand die Zusammensetzung der Flasche und auch dieses Problem war gelöst. Gleichzeitig stiegen allerdings Druck und Erwartungen jener Kunden, die das Projekt auf Kickstarter unterstützt hatten und nun schon mehrere Monate auf ihre Flaschen warteten.

Das fertige Produkt (1.0)

Schließlich trudelten im Herbst 2018 bei mir zuhause zwei “Early-Bird”-Flaschen ein, als Ergebnis meiner Unterstützung der Kickstarter-Kampagne -in schönem Silber gehalten mit blauen Akzenten am Verschluss und den Keego-Schriftzügen. Die Lieferung erfolgte nachhaltig in Kartons, die - und das war natürlich auch der erste und wichtigste Test in der Sekunde des Auspackens! - der einzige Geruch waren, der zu vernehmen war. Die Absenz von Plastikgeruch war eine unmittelbare Bestätigung dafür, dass hier offensichtlich jemand etwas richtig gemacht hat.

Beim Blick in die Flasche schimmert das Metall, es handelt sich um eine mehrschichtige Konstruktion von dünnen Titanplatten, die außen mit einer dünnen Kunststoffschicht überzogen sind. Metall auch an der Außenseite hätte für die Trinkflasche nicht die gewünschte Widerstandsfähigkeit geboten. Außerdem sichert der Kunststoff außen auch den sicheren Halt in Flaschenhaltern am Rad. Die Form weicht von bekannten Trinkflaschen etwas ab. Keego liegt etwas größer in der Hand, die Dimensionen sind allerdings den besonderen Materialeigenschaften geschuldet - Druckverteilung, Materialspannung und der Wunsch, Metall zusammendrücken zu können haben hier zu “form follows function” geführt.

Verschluss und Ventil sind aus Kunststoff bzw. Silikon gefertigt, hier gibt es leider keine Alternativen. Ist das Mundstück hineingedrückt, kann die Flasche völlig auslaufsicher transportiert, geschüttelt und auf den Kopf gestellt werden. Beim Radeln oder vor der körperlichen Aktivität zieht man das Mundstück heraus - sobald man dann die Flasche zusammendrückt, öffnet sich das Ventil. Im Umkehrschluss tropfen und spritzen die Flaschen nicht, wenn es einmal etwas holpriger zugehen sollte.

750 Milliliter fasst die Keego-Trinkflasche und damit genau so viel, wie eine große Plastikflasche - die Unterscheidung dort lautet meist klein (=500 ml) oder groß (750 ml). Und trotz des vermeintlich schwereren Materials wiegt Keego nur 92 Gramm und damit nur wenige Gramm mehr als die vergleichbare Plastikflasche.

Serie 1 der Keego-Flaschen hatte allerdings ein gröberes Problem: Man musste unverhältnismäßig viel Kraft aufwenden, um die Flaschen zusammenzudrücken. Und ohne den notwendigen Druck - und das war ja auch am Mundstück so beabsichtigt -, kam keine Flüssigkeit aus der Flasche. Nun habe ich vergleichsweise große Hände und hatte dahingehend schon leichte Vorteile, die große Flasche entsprechend zu quetschen. Dennoch möchte man sich auf Ausfahrten oder gar in Rennen nicht sonderlich intensiv mit dem Zusammendrücken der Flasche befassen, das sollte schon nebenbei und ohne große Anstrengung vonstatten gehen können.

Der Hauptgrund, warum man sich eine Flasche aus Metall zulegt, konnte von Keego allerdings voll und ganz erfüllt werden. In mehreren Monaten der Verwendung konnte sich zu keinem Zeitpunkt irgendein Geruch oder Geschmack festsetzen, die Reinigung ging leicht von der Hand und bis auf ein paar Kratzer an der Außenseite (die üblichen Abnützungserscheinungen vom Flaschenhalter) war der Keego nichts anzusehen.

Die Evolution (2.0)

Ende 2019 fand schließlich eine - diesmal schwarze - Flasche aus der neuen Charge den Weg zu mir (ich nenne sie hier mal Version 2.0). An den grundsätzlichen Eigenschaften hat sich nichts geändert, allerdings schaffte es die Keego-Crew, die Flasche leichter quetschbar zu machen. Und diese Änderung ist deutlich spürbar - man muss nun nicht mehr sämtliche Kraft dafür aufwenden sondern einfach und normal zudrücken, wie man es bei jeder anderen Flasche auch tun würde. Womit der größte bisherige Kritikpunkt an Keego aus meiner Sicht souverän ausgeräumt ist.

Ah, Moment - da war noch ein Kritikpunkt! Eine Keego-Flasche ist mit einem ambitionierten Preis von 59 Euro veranschlagt. Das ist rund das Dreifache einer Standard-Plastiktrinkflasche aus dem Handel, rund das Zehnfache einer gesponserten Trinkflasche, die man zu einem Set Riegel und Pulver dazubekommt und um ein unendliches mehr als eine Gratis-Trinkflasche, die man häufig in einem Startbeutel eines Radmarathons findet. Nun wird dieser stolze Preis für viele ein Dealbreaker sein und trotz Liebe zum eigenen Körper, Gesundheitsbewußtsein, Leistungsgedanken und anderen Argumenten für ein neutrales Material wird man schlucken. In meinen Augen wird es eine bewusste Kaufentscheidung sein, für Nachhaltigkeit und Gesundheit. Wer - so wie ich - kein sonderlich pedantischer Reiniger seiner Trinkflaschen ist, wird die Einfachheit der Reinigung hoch schätzen. Wer einmal selbst erlebt hat, was es bedeutet, wenn die Flasche überhaupt nicht nach Plastik riecht oder schmeckt, wird das nicht mehr missen wollen. Wer einen nachhaltigen Lebensstil pflegt und vielleicht auch für den Alltag eine Trinkflasche aus Metall verwendet (die dann vermutlich auch rund 40-50 Euro gekostet hat) wird die Sinnhaftigkeit einer derartigen Investition auch im Sport verstehen. Und schließlich geht es - so wie immer - auch ein bisschen um Individualität und darum, eben nicht mit der Gratis-Trinkflasche vom letzten Marathon herumzufahren.

Das Fazit

Ich hatte nun insgesamt drei Keego-Flaschen im Einsatz, zwei davon über ein Jahr lang. Die versprochene Geschmacks- und Geruchsneutralität kann Keego jedenfalls einlösen. Auch mit wenig oder nicht sehr gründlicher Pflege sind die Flaschen innen in einem makellosen Zustand, nichts haftet, nichts klebt, nichts ist zerkratzt. Auch der Geschirrspüler, der von Keego an sich nicht zur Pflege empfohlen wird, konnte meinen Flaschen bis jetzt nichts anhaben.

Ich habe die Flaschen mit purem Wasser verwendet, mit Iso-Drinks, mit Isodrinks, in die noch zusätzlich Gels reingedrückt waren und dann wieder mit purem Wasser mit einer Messerspitze Salz. Trinken aus dem Bidon wird nie ein kulinarisches Fünf-Sterne-Erlebnis sein, aber zu wissen, dass Wasser wirklich nur nach Wasser schmeckt, ist für mich schon großartig genug. Wer viel unterwegs ist, eventuell unterschiedliche Produkte in die Flaschen füllt oder zur Reinigung nur kurz ausspülen möchte, wird mit Keego glücklich werden. Was in keinem Test und auf keiner Homepage steht, ist, dass Flüssigkeiten in der Keego-Flasche gefühlt etwas länger kühl bleiben. (Vielleicht steht es aber auch nur nirgends, weil ich es mir nur einbilde…)

Die Haltbarkeit wird von Keego mit mindestens drei Jahren angegeben. Wenn ich überlege, wie meine Plastikflaschen nach einem halben Jahr intensiven Gebrauchs aussehen, reicht mir diese Lebensdauer auf jeden Fall aus, wenn die Keego-Flaschen ihre guten Produkteigenschaften über diesen Zeitraum erbringen können.

Die schlechte “Quetschbarkeit” ist seit Version 2.0 kein gültiges Argument mehr gegen eine Keego, bis auf den Formfaktor gibt es keine wesentlichen Unterschiede zu einer herkömmlichen Plastikflasche. Es werden mittlerweile mehrere Farb-Varianten angeboten, für Firmen und Vereine gibt es außerdem die Möglichkeit, Keego-Flaschen entsprechend branden zu lassen.

Bleibt der Preis als letzter potentieller Dealbreaker. Dieser ist nicht schönzureden oder wegzudiskutieren, wer allerdings die Geschichte hinter dem Produkt kennt, den Produkteigenschaften entsprechende Wertigkeit einräumt und sein reines Wasser aus einem nachhaltigen und in Europa gefertigten Produkt konsumieren will, der schaut sich Keego am besten mal etwas genauer an.

PS: Für meine “Race Around Austria Challenge Unsupported” habe ich vor, mit Keego-Flaschen an den Start zu gehen. 1. bieten mir diese mit in Summe 1,5 Litern ein größeres Volumen als meine bisherigen Flaschen und 2. werde ich in diesen 24 Stunden so viele Pulver, Gels und was auch immer in diese Flaschen füllen, dass es nur gut ist, wenn man diese mit einem Schwapp Wasser schnell und einfach ausspülen kann!

Leistungsmessung - Teil 2: Leistungsdiagnostik mit HPC

Rund um den Jahreswechsel werden gerne Pläne geschmiedet - Vorsätze, Rennen, Projekte, alles, was im Rad-Jahreskalender gut aussieht. Was jedoch gar nicht sichtbar ist oder zumindest weit weniger spektakulär aussieht, ist die Basis, die man sich über den Winter legen sollte. Denn nur auf diesem Wege kann man seine Projekte dann übers Jahr auch realisieren oder - noch besser - sie genießen! Mein großes Ziel für 2020 ist die Race Around Austria Challenge, ein Vorhaben, das man nur mit etwas Vorbereitung in Angriff nehmen sollte. Die geringen Trainingsumfänge und die mangelnde Struktur meiner Aktivitäten hat mir bereits im laufenden Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht, ein Fehler, den ich 2020 nicht wiederholen möchte.

Gleichzeitig sperrt sich innerlich aber etwas gegen strukturiertes Training und Trainingspläne. Zu groß ist meine Sorge, mich einem rigiden Plan unterjochen zu müssen, bis hin zum völligen Verlust der Selbstbestimmung. Ich möchte fahren, wenn ich Lust habe und nicht, wenn der Plan es befiehlt. Bei schlechtem Wetter mag ich aussetzen können, bei gutem Wetter auch mal länger fahren. Sollte es mich doch einmal "jucken", werde ich Vollgas fahren, ansonsten so schnell wie ich will und nicht nach Zahlen, die mir mein Wahoo anzeigt.

Seine eigenen Fähigkeiten und Grenzen zu kennen, ist dennoch von Vorteil. Wozu hat man sich denn sonst um teures Geld einen Wattmesser ans Rad geschraubt, wenn man dann trotzdem "nur" nach Herzfrequenz oder überhaupt nur "irgendwie" fährt... Ein Leistungstest muss also her!

Vorbereitung

Den (ersten) Leistungstest macht man sinnvollerweise, bevor man sich auf ein Projekt vorbereitet. Gerne kann mitten in der Vorbereitung noch ein weiterer Test eingeplant werden, um beispielsweise Fortschritte zu prüfen. Grundsätzlich sollte man aber schon den Beginn des Trainings am entsprechenden Leistungszustand ausrichten. Beliebte Zeiten für einen Test sind daher Herbst und Winter - die Sommer- und Rennsaison ist vorbei und das Wintertraining steht vor der Tür. Und Rollentraining mit Wattsteuerung stellt sicher, dass die mitunter recht eintönig und hart erkämpfte Zeit auf der Rolle zumindest effizient genützt wird.

Bevor man sich einen Termin ausmacht, sollte man gesundheitlich auf dem Damm sein, was gerade im Herbst und Winter auch problematisch sein kann. Bei mir hat eine hartnäckige Verkühlung den Testtermin mehrfach nach hinten verschoben. Umgekehrt wäre es wenig sinnvoll, verkühlt oder anderweitig beeinträchtig zum Test zu gehen. Zum einen, weil dann die Werte entsprechend niedriger liegen können, was für die Trainingssteuerung wenig zielführend wäre. Zum anderen geht man bei einem Leistungstest üblicherweise doch nahe an seine körperliche Belastungsgrenze - das ist ja auch der Sinn eines derartigen Tests. Und in dieser Ausnahmesituation nicht 100% körperlich fit zu sein, könnte im Extremfall tatsächlich auch zu Schäden führen.

Dem Testlabor bzw. dem Testleiter zuliebe klärt man vorher auch noch kurz ab, mit welchem Rad man den Test absolvieren wird. Unterschiedliche Bremssysteme und eine Vielzahl von Achsstandards stellen mitunter auch die Tester vor Herausforderungen, schließlich soll das eigene Rad optimal in den Testaufbau passen. Standardgerät ist bei den meisten Testern nach wie vor der "Cyclus 2", der akkurat und verlässlich Leistungsdaten liefert.

Einige Labore bieten im Zuge der Leistungsmessung außerdem eine Analyse der Atemluft an, das ganze nennt sich dann "Spiroergometrie". Dabei bekommt man im Stile Hannibal Lecters eine Maske aufgesetzt, die sowohl ein- und ausgeatmete Luftmenge als auch die Zusammensetzung der Atemluft misst.

Der Test

Der Morgen beginnt mit einem Vorgespräch mit dem Testleiter, in meinem Fall Clemens von HPC - High Performance Coaching, einem Firmennamen, der meine Ambitionen natürlich um Welten übersteigt... Wir besprechend den Testablauf und gehen neben meinen persönlichen Daten auch eventuelle Krankheiten, Vorbelastungen und dergleichen durch. Während wir plaudern, werden mein Rad eingespannt, die Geräte vorbereitet und kalibriert und mein Ohr desinfiziert - hier wird mir später während des Tests tröpfchenweise Blut abgenommen werden, um meine Laktatwerte zu ermitteln.

Der Test beginnt mit einer Minute Ruhe und stillhalten, damit das System einen Referenzwert hat - das schaffe ich! ;) Danach beginnt der eigentliche Test, bei Clemens kommt ein Rampentest zur Anwendung. Dabei erhöht sich die Wattleistung, die man erbringen muss alle drei Minuten um 20 Watt, beginnend bei 100 Watt. So geht es also dahin - 100 Watt, 120 Watt, 140 Watt, 160 Watt... Jeweils zum Ende der drei Minuten nimmt Clemens mir einen Tropfen Blut ab und füttert damit seine Gerätschaften. Watt, Herzfrequenz und Laktat sind die wichtigsten Werte, anhand derer später meine Auswertung in eine Leistungskurve gegossen werden wird.

Bis knapp an die 200 Watt fällt es mir leicht, die Atmung passt, der Puls ist noch unten. Ich befinde mich im Grundlagen-Ausdauerbereich, jenen Zonen, in denen ich gefühlt ewig fahren könnte. Dies sind auch jene Zonen, die ich bei meinem Race Around Austria am sinnvollsten beanspruche möchte, um würdevoll über die 24 Stunden zu kommen. Rund 200 Watt markieren gleichzeitig das Ende dieser "Wohlfühlzone" und was sich so anfühlt kann auch wissenschaftlich belegt werden, anhand der unteren Laktat-Schwelle. Dort wo die 2 mmol-Laktat-Grenze überschritten wird, fängt der Körper an zu investieren, es wird nicht mehr auf Basis der vorhandenen Ressourcen gefahren sondern man muss Energie zuführen.

220 Watt, 240 Watt, jeweils für drei Minuten. Mein Puls steigt jetzt schneller, der Schweiß tropft nicht mehr sondern rinnt an meinem Gesicht herunter. Meine Brille läuft an und mein Blickfeld verengt sich. (Die Brille abzunehmen wäre eine Option gewesen, aber ich wollte den Bildschirm und die Werte vor mir sehen. Kontaktlinsen wären die andere Option gewesen, aber daran hatte ich vor dem Test nicht mehr gedacht.) Bei 260 Watt wird es zum ersten Mal mühsam, ich beginne die Minuten zu zählen - ein untrügliches Zeichen (unter anderem bekannt von Zwift), dass man sich langsam schwer tut.

Ungefähr 280 Watt ist in den letzten Monaten meine "FTP" (Functional Threshold Power) gewesen, also jener Wert, den ich über eine Stunde erbringen kann. "FTP" ist als Schlagwort sehr präsent, wenn man sich mit Zwift und Stammtischdiskussionen beschäftigt, Leistungsdiagnostiker hören den Begriff etwas weniger gerne, weil er nur einen Ausschnitt der eigentlichen Leistungsfähigkeit wiedergibt und viele Dinge darin nicht berücksichtigt werden können. An meiner FTP angekommen beginnen die Oberschenkel zu brennen - Willkommen Laktat! Die 4mmol-Laktat-Schwelle ist da, untrüglich daran erkennbar, dass der Körper das einschießende Laktat nicht mehr restlos abbauen kann. Fährt man dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum in diesem Leistungsbereich gerät man in eine Schuld, die der Körper alleine nicht mehr ausgleichen kann - im anaeroben Bereich nämlich.

Die Laktatkurve steigt jetzt stark an, der Puls ist oben, die Beine brennen. 300 Watt gehen noch halbwegs souverän, 320 Watt tun schon richtig weh. Mein im Allgemeinen gerade recht bescheidener Energielevel und meine eben erst abgeklungene Verkühlung kündigen ein baldiges Ende des Leistungstests an. Der Schweiß tropft, das Atmen ist einem Röcheln und Stöhnen gewichen, die Uhr auf der Anzeige des Cyclus 2 scheint sich in Zeitlupe zu bewegen. Die dreiminütige Stufe bei 320 Watt möchte ich noch vollmachen, danach weiß ich, dass sehr schnell Schluss sein wird. Clemens gibt sein bestes, aus den Testpersonen noch das Letzte herauszuholen, mit Anfeuerungen und Ermunterungen motiviert er, noch einmal die eisernen Reserven zu mobilisieren. Aber auch seine besten Sprüche können nicht verhindern, dass meine Tanks bei 340 Watt leer sind und ich froh bin, mit dem Treten aufhören zu können.

Schnell etwas trinken, mit dem Handtuch die gröbsten Spuren des Kampfes beseitigen und locker auskurbeln. Während sich die Körperfunktionen und -werte langsam wieder normalisieren, macht sich Clemens bereits an die erste Auswertung.

Die Ergebnisse

Unter der Dusche kommen die ersten Gedanken zu dem, was gerade passiert ist. 340 Watt? Hätte ich mir mehr erwartet? Wie sind die letzten Wochen verlaufen? Was hätte ich besser oder anders machen können? 340 Watt für drei Minuten zu treten, stellt an sich kein Problem dar, mit den 30 Minuten Belastung davor allerdings schon - da summieren sich die einzelnen Leistungsstufen auf.

Clemens klärt mich bei einer Tasse Kaffee auf. Auf drei kompakten Seiten bekomme ich eine erste Bestandsaufnahme meiner Leistungsfähigkeit - oder auch dem, was nicht vorhanden ist...

Meine Zonen sind im Großen und Ganzen dort, wo sie schon die vergangenen Jahre waren, allerdings war es nach dem geringeren Trainingsumfang der letzten beiden Jahre gut zu sehen, dass noch eine gute Basis vorhanden ist. Mein FTP-Wert war schon einmal höher, aber auch da ist eine solide Basis vorhanden, die glücklicherweise nicht so schnell schwindet, wie das subjektiv manchmal erscheinen mag, wenn man in die Pedale tritt.

Ernüchternd ist hingegen die Schlussfolgerung, dass die Verschlechterung meiner Leistungsfähigkeit auf den viel geringeren Trainingsumfang zurückzuführen ist und darin eigentlich der Schlüssel liegt - so schwarz auf weiß wurde mir das bis jetzt noch nicht präsentiert.

Positiv jedenfalls die Analyse meiner Atmung, die eine gute Verstoffwechselung zeigt und vor allem eine gute Ökonomie - nicht ganz unwesentlich angesichts der Ziele für 2020.

Mein Plan

Was bedeutet das für mich? Clemens setzt erneut zur Erklärung an:

1. Trainingsumfänge steigern

2. Bi-polares Training

3. VO2-Max steigern

Dass meine Trainingsumfänge ausgedehnt werden müssen, war mir von Anfang an klar und dementsprechend wenig überraschendes Ergebnis der Leistungsdiagnostik. Vom jetzt sehr niedrigen Level an wöchentlicher Trainingszeit ausgehend werde ich meine Umfänge nach und nach steigern, um Richtung Sommer eine entsprechende Basis aufbauen zu können.

Clemens befürwortet den Aufbau einer soliden Ausdauer-Basis, dementsprechend sind auch große Teile des Trainings auf die Grundlagen-Zonen ausgerichtet. Demgegenüber stehen Intervalle an der zweiten Schwelle, um VO2-Max und Laktatschwelle entsprechend "nach rechts" zu verschieben.

Spannend und für mich in dieser Form neu ist der Themenkomplex Energiebedarf und -bereitstellung. Dabei ist auf einer Skala der Energiebedarf in Kalorien pro Stunden für den jeweiligen Wattwert aufgetragen. Für eine Herausforderung wie das Race Around Austria, wo die Energiebereitstellung und Nahrungszufuhr ein zentrales Element dabei ist, ob man dieses Rennen (erfolgreich) beendet oder nicht, ist eine derartige Auswertung natürlich extrem hilfreich. Auf diese Weise kann beispielsweise eine Ernährungsstrategie für ein Langstreckenrennen recht exakt an einen geplanten Leistungsoutput gekoppelt oder entsprechend daran orientiert werden.

Als erster Test nach einer längeren Zeit ohne eine derartige Diagnostik, kann ich nun mein Training an wissenschaftlich erhobenen Werten orientieren. Clemens wird mir außerdem Trainingsempfehlungen zusammenstellen, die ich möglichst einfach und unkompliziert in meinen Alltag einbauen kann. Hier bin ich froh, eine individuelle Beratung und Betreuung zu haben. Auf meinem Weg zu den Projekten des Jahres 2020 und dem Race Around Austria werde ich im Frühjahr jedenfalls noch einen weiteren Test einplanen, um Fortschritte und Potentiale messen und realisieren zu können.

Exkurs: Leistungstest auf Zwift

Der Wert einer individuellen und wissenschaftlich durchgeführten Leistungsdiagnostik steht natürlich außer Frage. Dennoch war es überraschend, dass die in Zwift ermittelten Werte jenen der "richtigen" Diagnostik in manchen Punkten sehr ähnlich waren. Dies spricht grundsätzlich für die Algorithmen und Logiken der Software und attestiert eine gewisse Verwendbarkeit der dort erzielten Werte. Zwift bietet sowohl einen 20-minütigen FTP-Test als auch - seit diesem Sommer - einen klassischen Rampentest in der Software an. In meinem Fall waren die Werte ähnlich, bei anderen Personen können diese Übereinstimmungen allerdings schon weniger groß sein, da Zwift einige Parameter entweder gar nicht erfassen kann oder nur bedingt in seine Berechnungen miteinbeziehen kann. Die individuelle Komponenten kann auf Zwift beispielsweise überhaupt nicht berücksichtigt werden. Laktatmessungen werden auch weiterhin der klassischen Leistungsdiagnostik vorbehalten bleiben und damit auch die fundierteren Eingangsdaten für eine wattbasierte Trainingssteuerung. Und auch die Analyse der Atemluft ist ein Asset, das man wohl noch längere Zeit nur im Rahmen einer sportwissenschaftlich durchgeführten Leistungsdiagnostik finden wird können.

HPC - Clemens Rumpl

Geräte sind nur so gut, wie die Person, die sie einstellt und bedient und Daten nur so viel Wert, wie die Person, die sie lesen und interpretieren kann. Clemens Rumpl ist mit HPC - High Performance Coaching schon einige Zeit "im Geschäft" und berät und versorgt mit seiner Leistungsdiagnostik und Trainingsberatung zahlreiche Sportlerinnen, Sportler und Mannschaften im Ausdauerbereich. Er war selbst Lizenzfahrer und als solcher weiß er auch, auf die (besonderen) Bedürfnisse von Radsportlerinnen und Radsportler einzugehen. In seinem feinen Büro in Pottenbrunn nahe Sankt Pölten steht neben Rad- auch eine Lauf-Spiroergometrie zur Verfügung. Und Clemens hatte während des Leistungstests noch Zeit, alle der hier gezeigten Fotos von mir zu machen! ;)

Ernährung (Teil II)

Während ich diese Zeilen schreibe, esse ich mein gestern Abend angesetztes Birchermüsli. Das Mittagessen für heute habe ich schon in eine Tupperware-Dose gepackt, auch die Jause ist schon verstaut. Endlich ein adäquater Einsatzbereich für meine Musettes – die praktischen kleinen Umhängetaschen, die auch im Profi-Peloton an den Versorgungsstationen an die Fahrer gereicht werden.

Mehr als vier Monate ist es nun schon her, dass ich bei Caroline Schlinter-Maltan “Büro für Ernährung” meine Ernährungsberatung begonnen habe. Wie sich das angelassen hat, ist hier im ersten Teil zu lesen. Es ging mir von Anfang an um zwei Aspekte, die natürlich miteinander zusammenhängen aber von der Motivation her grundsätzlich schon unterschiedlich sind. Punkt 1 ist das allgemeine Wohlbefinden, die alltägliche Ernährung, die Frage nach dem „Richtig“ oder „Falsch“, dem „Gut“ und Böse“. Ich wollte Varianten und Alternativen zu meinen eingefahrenen Gewohnheiten, neue Impulse und Hinweise. Punkt 2 betrifft die sportliche Leistungsfähigkeit, speziell im Hinblick auf den Ausdauersport und – ganz persönlich – in der Vorbereitung auf meine Race Around Austria Challenge.

Wohlbefinden

Fangen wir mit dem allgemeinen Wohlbefinden an – was habe ich in den vergangenen vier Monaten gelernt? Eines gleich vorweg: Ich habe meine Ernährung nicht unbedingt grundlegend umgestellt. Ich gehe nach wie vor (aber seltener) zum Burgerbrater mit dem goldenen M, ich esse nach wie vor einen Schokoriegel, wenn ich darauf Lust habe und ich „brauche“ nach wie vor ab und zu meine Portion Chips (meistens um ein grottiges Fernsehprogramm am Hauptabend zu kompensieren). In meinem Hinterkopf war und ist noch immer irgendwie verankert, dass ich mich nicht einschränken, nicht auf Dinge verzichten möchte, die ich mag. Ob ich diese Dinge tatsächlich brauche oder ob es da nicht bessere Alternativen gibt, beginne ich übrigens nach und nach zu hinterfragen. An dieser Stelle bin ich besonders gespannt, was nach dem halben Jahr Ernährungsberatung am Schluss herauskommen wird. Der Mensch ist – gerade auch bei der Ernährung – ein Gewohnheitstier. Und so schnell man sich gewisse Dinge abgewöhnen kann (auch wenn das manchmal „weh tut“), so schnell freundet man sich auch mit neuen an.

Ein zweiter Aspekt, der für mich absolut zentral ist und der sich über die letzten Monate herauskristallisiert hat, heißt, sich bewusst zu machen, was man isst! Bei mir haben dazu in sehr großem Maße die Ernährungsprotokolle beigetragen, die ich während der ersten Monate meiner Ernährungsberatung geführt habe. Aufzuschreiben, was man isst, wieviel und wann, ist nicht nur für die Ernährungsberaterin relevant, sondern öffnet einem auch selbst die Augen. Sich zu belügen hat an dieser Stelle natürlich keinen Sinn, das würde jeglichen Verbesserungsprozess zunichtemachen. Sobald man aber – vielleicht auch noch in einem deutlichen Muster – sieht, wo etwaige Defizite in der Ernährung liegen, ist man schon einen großen Schritt weiter. Egal ob das regelmäßig schwere Mahlzeiten am späten Abend sind, Süßigkeiten oder irgendetwas anderes, was einem im Ernährungsprotokoll auffällt. Diese Dinge zu erkennen, muss noch nicht zwangsläufig heißen, diese sofort abzudrehen oder beheben zu müssen – in meinen Augen geht es vorrangig einmal darum, zu wissen, was man macht. Beim Aufzeigen entsprechender Alternativen ist dann ja glücklicherweise die Ernährungsberaterin zur Stelle.

Und wenn wir schon beim Bewusstmachen sind… Natürlich geht es in einem weiteren Schritt auch darum, welche Qualität an Lebensmitteln man zu sich nimmt. Auch dabei kann das Ernährungsprotokoll sehr hilfreich sein. Wie hoch ist der Anteil an verarbeiteten Lebensmittel, die man zu sich nimmt? Welche Zutaten stammen aus biologischem Anbau? Woher kommt mein Essen eigentlich? Ohne hier in irgendwelche dogmatischen Positionen und Anschauungen zu verfallen – es sollte ohnehin jede*r für sich entscheiden, was am besten passt -, ein paar Dinge sind schon aus purer Logik zu hinterfragen: Wie kann ein Hühnerschnitzel im Supermarkt 99 Cent kosten und unter welchen Bedingungen können Lebensmittel derartig billig produziert werden – und dann kostet auch das Katzen- oder Hundefutter mit Hühnerfleisch noch das Doppelte… Naja.

Maßnahmen

Was habe ich also konkret gemacht? Ehrlicherweise (noch) nicht allzu viel konkretes. Viele Dinge sind mir bewusst geworden (siehe oben), die tatsächlichen Änderungen in meinen Gewohnheiten waren aber bis dato vermeintlich gering.

Ich habe genau genommen sogar mehr gegessen – nämlich mehr zum Frühstück und vor allem zu Mittag. Was erst einmal paradox klingt, hat bei mir allerdings die Auswirkung gehabt, dass ich insgesamt satter war und dadurch häufig auf meine Vormittags- und/oder Nachmittagsjause verzichten konnte. Dass diese eingeschobenen Zwischen-Snacks oft Plunder oder Süßes waren, muss ich an dieser Stelle nicht extra erwähnen... Der Gusto war noch immer da aber die Notwendigkeit nicht mehr so oft. Und wenn man dann diesen klitzekleinen Moment des Schwachwerdens übertauchen kann, hat man schon gewonnen – immerhin ist es nur ein Gusto, kein Hunger! Beim Frühstück habe ich ein gewisses Maß an Variation eingeführt – das traditionelle Marmeladenbrot wird nun ab und zu durch Porridge oder Haferflocken-Mischungen mit Joghurt und Früchten ersetzt. Ehrlicherweise sättigen mich diese Dinge immer sehr unterschiedlich - speziell wenn ich am Vorabend Sport gemacht habe, stellen sich nach einem solchen Frühstück oft schon früher wieder Hungergefühle ein. Und das wars dann eigentlich auch schon für den Moment. Manche Dinge muss man sich erst langsam erarbeiten, Gewohnheiten nach und nach abbauen, sich auf Neues einlassen. Aber was das betrifft, ist meine Reise ja noch nicht zu Ende.

Die Waage

Mein keksinduziertes Wintergewicht von knapp über 90 Kilogramm ist eines, das mir bei der Bewältigung von Anstiegen mit dem Rad nicht unbedingt entgegenkommt. (Dass sich dieses Gewicht auf 1,94 Meter verteilt, lässt das Ganze vielleicht weniger plump wirken, ändert aber nichts an der grundlegenden Geschichte). Trotzdem war Gewichtsabnahme für mich kein vorrangiges Thema. Einerseits weil ich durchs Radfahren im Frühling immer recht schnell wieder bei meinem „Sommergewicht“ von rund 86 Kilogramm lande, andererseits bringt eine bewusstere Ernährung fast zwangsläufig eine kleine Gewichtsreduktion mit sich. Um das Ganze schwarz auf weiß zu haben, wurde ich im Februar bei meinem ersten Termin bei Caroline gewogen – inkl. Körperfett, viszeralem Fett, Verteilung des Fetts, Knochen- und Muskelmasse, Körperwasser und vielem mehr. Bei meiner letzten Sitzung stand wiederum die Waage da, auch um einen möglichen (und hoffentlich vorhandenen) Fortschritt zu messen und die Maßnahmen daran entsprechend auszurichten. Und siehe da: alle Werte haben sich in geringem Maß verbessert - manche schneller als gedacht, bei anderen wird noch etwas Arbeit notwendig sein. Aber ein Stoffwechselalter von 25 Jahren klingt schon mal nicht so schlecht. ;)

Leistung

Neben dem Wohlbefinden und dem guten Gewissen zählen aber auch sportliche Leistungen. Nachdem die Eckpfeiler der Ernährungsberatung durch Caroline perfekt abgesteckt waren (Ernährungsprotokolle, langsames Heranführen an Alternativen im Alltag), war der Radsport das nächste große Thema. Es gibt im Internet unzählige Artikel, Meinungen und Weltanschauungen, was ernährungstechnisch richtig, falsch, gut und böse ist. Wie immer ist es schwierig, sich in diesem Wulst an Meinungen zurechtzufinden, professionelle Hilfe daher unerlässlich. Ich zähle und verlasse mich dabei voll und ganz auf Caroline, sie hat viel Erfahrung mit AusdauersportlerInnen und außerdem: Probieren geht über Studieren.

Das große Ziel für 2019 ist das Race Around Austria. Ein 24-Stunden-Rennen stellt an den menschlichen Körper außergewöhnliche Anforderungen. Davon konnte ich mich auch noch einmal selbst überzeugen, als ich Anfang Mai Philipp Reiterits als Betreuer beim Race Around Niederösterreich begleiten durfte. Alleine schon zu sehen, wie und was er während des Rennens aß und trank, war aufschlussreich – egal ob es jetzt zu wenig oder zu viel war, ob Flüssignahrung besser oder schlechter als Riegel oder Gels ist. Mir ist jedenfalls klar, dass für ein derartiges Unterfangen die Ernährung von elementarer Bedeutung ist. Der Körper braucht Treibstoff, diesen zur Verfügung zu stellen und dann idealerweise auch noch in der richtigen und bekömmlichen Form, ist Ziel meines Unterfanges „sportliche“ Ernährungsberatung. Im Idealfall fühlt man sich während der Anstrengung nicht müde und leer sondern – im wahrsten Sinne der Wortes - immer „gut gefüllt“ und versorgt.

Super Giro Dolomiti

Doch bis zum RAA dauert es noch (wenn ich gerade darüber nachdenke eigentlich nur noch erschreckend kurze) zwei Monate. Jedenfalls Zeit genug, im Vorfeld noch ein paar Dinge auszuprobieren. Es macht ja auch wenig Sinn, bei einem 24h-Rennen erstmals etwas Neues zu versuchen – da sollte im Vorfeld schon klar sein, was funktioniert und was nicht. Das bringt uns zum Super Giro Dolomiti, der am 9. Juni im Kalender eingetragen ist. Gut 200 Kilometer und knapp 5.000 Höhenmeter sind dabei durch Osttirol, Kärnten und das benachbarte Italien zurückzulegen. Eine hervorragende Gelegenheit, einen vorher abgestimmten Ernährungsplan für das Rennen auszuprobieren.

Caro hat mir vor mehreren Wochen eine Liste mit ihrer Meinung nach wertigen Riegeln und Gels zukommen lassen. Es lag an mir, einige davon auszuwählen und bei lockeren Ausfahrten zu testen. Der Geschmack muss passen, die Konsistenz, die Handhabung – alles Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, ob man ein Produkt mag oder nicht. Dies ist keine Werbung oder Einschaltung, aber ich werde beim Super Giro Dolomiti mal mit Clif Bar Gels und Riegeln an den Start gehen, in meinen Flaschen sind Iso-Pulver von High5 und Winforce verrührt. Es gilt, diese Mischung im Rennbetrieb über rund acht Stunden auszuprobieren (vielleicht werden es auch neun…). Eine Schwierigkeit bei langen Rennen ist, dass man nur schwer die Möglichkeit hat, unterwegs auf seine eigenen Produkte zurückzugreifen. Eine Variante wäre, alles Essen in die Trikottaschen zu stopfen, aber für die Trinkflaschen ist das nicht möglich. Labestationen an der Strecke sind zwar vorhanden, manchmal aber eher unberechenbar in Bezug auf deren „Verpflegungsqualität“. Ich versteh übrigens nicht, warum immer mehr Marathons dazu übergehen, an Laben zugeschraubte 0,5 Liter Mineralwasserflaschen zu verteilen… Ist da jemals schon selbst wer mit dem Rad gefahren? Idealerweise hat man ein Team oder Freunde im Gepäck, die sich bereitwillig an die Strecke stellen und einen an geeigneten Punkten mit frischen Flaschen versorgen.

Vorbereitungswoche

Eigentlich hätte ich es mir denken können, ich war aber dennoch etwas überrascht, als mir Caro dann einen Ernährungsplan für die Woche vor dem Wettkampf schickte. Darin ist minutiös und aufs Gramm genau aufgelistet, was ich wann zu essen habe – wie zum Beispiel das Birchermüsli jetzt gerade. Mit einer derartigen Vorgabe war ich – planloses Wesen… - noch nie konfrontiert. Zwei Tage dieser Woche abgespult, kann ich nun – unzählige Einkäufe und Vorkochen später – sagen, dass ich mich zurechtfinde im Ernährungsplan, mich vorbehaltslos auf den Plan eingelassen habe und irrsinnig gespannt bin, ob und welche Wirkung diese Vorbereitungswoche am Renntag entfalten wird. Und Gott sei Dank hat Caro nichts draufgeschrieben, was ich partout nicht runterbringe…

Mahlzeit! Fortsetzung folgt!

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Ernährung (Teil I)

„Nummer 81. Nummer 81!“ ruft der junge Mann mit dem karierten Halstuch und ich trete vor an die Theke, um mein Essen entgegenzunehmen. Es sind Hüttenwochen bei McDonalds und ich mittendrin - ab nach Hause, auspacken, essen, fertig. Dass ich mich danach weder gesättigt noch besonders gut versorgt fühle hat Tradition, war aber bis jetzt kein dringender Grund, McDonalds links liegen zu lassen. Ist doch eh heimisches Fleisch, Gemüse ist auch drinnen, die Kalorienzahlen lesen sich nicht allzu dramatisch. Aber ist das der Weisheit letzter Schluss? Und was ist mit dem Schokoriegel zwischendurch, der Topfengolatsche nach dem Mittagessen und warum bin ich jetzt schon wieder aufgebläht?

Die Pläne für 2019 sind teilweise groß, die sportlichen Herausforderungen werden beträchtlich und auch wenn kein allzu großer Leistungsdruck da ist, es wäre doch schade, wenn man nicht 100% seiner Leistung abrufen kann. Bis jetzt habe ich mir keine allzu großen Gedanken über meine Ernährung gemacht, obwohl mir natürlich immer klar war, dass hier (großes) Potential schlummert, besser zu werden. Ich habe nur aus den Augenwinkeln diverse Ernährungstrends mitverfolgt - Veganismus, Paleo, Keto-Irgendwas, High Carb, Low Carb - und mir bei den meisten gedacht, dass diese keinen Bestand haben werden. Außerdem habe ich nie besonderen Leidensdruck verspürt, an meiner Ernährung etwas verändern zu müssen - ich bin kein Risikopatient, habe keine hervorstechenden Blut-, Zucker- oder Cholesterin-Werte, mein Bauch wächst - keksbedingt - über den Jahreswechsel an und wird wieder kleiner, wenn im Frühjahr die Zahl der abgespulten Radkilometer steigt.

Für 2019 habe ich mir allerdings vorgenommen, mich mit meiner Ernährung näher zu beschäftigen. Mein einjähriger Sohn bekommt jeden Tag feinstes Bio-Gemüse, hochwertige Hafer- und andere Getreideflocken, beste Zutaten von überall - und es schmeckt ihm hervorragend! Damit also ich ein Vorbild sein kann, muss ich mir ihn als Vorbild nehmen. Es geht demnach um Wohlbefinden und Gesundheit - ganz unsportlich gesehen. Weniger Zucker, bessere Inhaltsstoffe, bewusstere Entscheidungen. Zweiter Grund ist aber natürlich der Sport und die mögliche Leistungssteigerung, die man durch eine Optimierung der Ernährung erzielen kann. Dazu habe ich mir professionelle Hilfe geholt.

Anamnese im „Büro für Ernährung“

Caroline Schlinter-Maltan führt in Wien das „Büro für Ernährung“. Neben der Ausbildung als Ernährungsberaterin ist sie auf Ausdauersportler spezialisiert, genau die richtige Kombination für meine Anforderungen. Das Kennenlernen ist herzlich, Vertrauen sofort da - dieses ist aus meiner Sicht auch deshalb wichtig, weil es sich schon um eine recht intime Angelegenheit handelt, nicht im medizinischen Sinn sondern eher im Sinne einer Beichte. Sich selbst gegenüber sollte man natürlich auch ehrlich sein bzw. sein wollen und können - wer den Schokoriegel zwischendurch verheimlicht und verleugnet, wird nur bedingt erfolgreich sein.

Es beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Das Gewicht, dass die Hightech-Waage ausspuckt, ist dabei nicht die einzig wesentliche Messgröße. Es werden Körperfett, Muskel- und Flüssigkeitsanteil, die Verteilung auf die einzelnen Extremitäten und viele andere Werte ermittelt, am Ende sieht man sich einer recht profunden Analyse des eigenen Körpers gegenüber. An dieser Stelle gibt es möglicherweise schon erste Erkenntnisse - beispielsweise wenn einer der ermittelten Werte tatsächlich weit außerhalb einer Norm oder Empfehlung liegt. Ansonsten aber sind diese Werte als Ausgangsposition zu sehen, möglicherweise als Arbeitsauftrag, jedenfalls aber als Grundlage für die weiteren Schritte. Es ist ähnlich wie mit wattgesteuertem Training - wer von einem falschen FTP-Wert ausgeht, wird permanent in den falschen Leistungsbereichen trainieren und damit wenig bis nichts erreichen. Ebenso ist es wichtig, grundlegende Werte wie den täglichen Kalorienumsatz zu kennen, um die Ernährung entsprechend darauf einstellen zu können.

Neben der Vermessung und Verwiegung dient ein ausführlicher Fragebogen der Ermittlung der mitunter lieb gewonnenen Gewohnheiten. „Süß“ mag ich, „Linsen und Bohnen“ mag ich, kommen aber in meinem Speiseplan nicht vor, „wieviel Kaffee trinkst du täglich“ - alle Bereiche und Segmente der Ernährung werden sukzessive abgeklopft. Auch mögliche Allergien und Unverträglichkeiten werden an dieser Stelle vorgebracht - bei mir sind diese glücklicherweise nicht vorhanden, andere leiden darunter recht massiv.

Dritter Puzzleteil - neben Waage und Fragebogen - sind die Ernährungsprotokolle. Als erste Hausaufgabe ist man angehalten, seine täglichen Mahlzeiten aufzuzeichnen. „Frühstück, Vormittag, Mittag, Nachmittag, Abendessen, später Abend“ - dazu sind möglichst detaillierte Angaben (in Gramm, Stücken, Portionen oder Kalorien) zu machen. Ehrlichkeit ist dabei - wie schon erwähnt - sehr wichtig, schlechtes Gewissen nicht angebracht. Umgekehrt sagt Caroline Schlinter-Maltan, dass Ernährungsprotokolle sehr oft schon eine erste Verbesserung mit sich bringen - die Bewusstmachung der täglichen Mahlzeiten, lässt einen schon viel differenzierter an die Sache herangehen, Schokoriegel werden mitunter schon alleine deswegen weggelassen, weil man sie ansonsten aufschreiben und damit dokumentieren müsste.

Ernährungsprotokolle

Ich habe also von nun an einen Pack Zettel in meiner Hand - immer und überall. Im Büro, zuhause, vor dem Computer - jede Mahlzeit, jeder Snack wird protokolliert. Am zweiten Tag stelle ich beim Frühstück eine Küchenwaage neben mich und beginne Brot, Butter und Marmelade zu wiegen. Klingt pedantisch und übertrieben? Möglicherweise, aber wer ist sich schon bewusst, wie viel 100 Gramm oder 100 Kalorien sind. Davon eine Idee zu bekommen, hilft dabei, Mahlzeiten und Mengen besser einschätzen zu können. (Nach dem zweiten Tag kann man die Waage getrost wieder in der Küche stehen lassen, es geht ja nur darum, ein Gefühl dafür zu bekommen). Mein direktes Umfeld zeigt sich übrigens schnell interessiert, das Thema Ernährung lässt offenbar keinen locker, betrifft jede und jeden. Einige schließen sich mir an und beginnen auch für sich mitzuschreiben, was sie den ganzen Tag so zu sich nehmen - rein aus Interesse.

Nach zwei Wochen Ernährungsprotokoll wird recht schnell klar, wo man ansetzten könnte. Mein Frühstück ist immer das Gleiche, Variation und andere Inhaltsstoffe können mir hier helfen, besser durch den Tag zu kommen. Es ist kein hochwissenschaftliches Geheimnis, wo die Unterschiede zwischen einfachem Zucker und langkettigen Kohlenhydraten liegen. Dass man nach der Marmelade-Semmel am Morgen spätestens um 10 Uhr vormittag wieder Hunger bekommt, ist biologisch recht einfach darstellbar - warum man es dann trotzdem nicht von selbst macht, weiß ich nicht… Schmeckt halt auch gut so ein Honigbrot! Mit mehr (=nachhaltigerer) Energie vom Frühstück erspare ich mir dann vielleicht auch meine Vormittagsjause, esse später zu Mittag und auch der Snack am Nachmittag wird vielleicht nicht mehr so wichtig und notwendig sein wie im Moment. Ich bin sehr gespannt, wie sich das die nächsten Wochen und Monate entwickeln wird.

Denn klar ist auch, dass eine derartige Entwicklung nicht von heute auf morgen passieren wird bzw. kann. Ebenso auf der Hand liegt, dass Ernährung eine sehr individuelle Geschichte ist und man deshalb nicht blindlings auf vorgefertigte oder standardisierte Pläne und Konzepte aufsetzen sollte. Mein Entwicklungshorizont ist ein moderates Abnehmen bis Juni - wobei „Abnehmen“ im Sinne des Wohlbefindens zu verstehen ist - und danach eine Optimierung meiner Nahrungsaufnahme während des Sports.

Auf dem Rad

Denn ist man oft und viel auf dem Rad unterwegs, beeinflusst das den Energiehaushalt natürlich entsprechend. Es macht keinen Sinn mit einem Ruhe-Kalorienverbrauch von 1.950 Kalorien zu rechnen, wenn man beim Training auf dem Rad noch zusätzliche 1.000 Kalorien verbrennt. Trainingshäufigkeit und -intensitäten müssen daher bei einem Ernährungsplan und einer Optimierung der Ernährung entsprechend berücksichtigt werden. Es werden auch sportliche Aktivitäten ins Ernährungsprotokoll eingetragen - sobald man seinen Puls misst, erhält man über Zwift, Strava und dergleichen auch einen (annäherungsweise richtigen) Kalorienverbrauch für ebendiese Aktivität. Auch hier ist ein großer Teil die Bewusstmachung - bei meiner 160k-Tour auf Zwift habe ich beispielsweise 3.200 Kalorien verbraucht - interessant, diesen Wert zu kennen und für andere Aktivitäten einschätzen zu können.

Neben dem Einfluss des Sports auf die allgemeine Ernährung und den Energiebedarf geht es für mich auch ganz stark um die Ernährung auf dem Rad bzw. vor und nach dem Training. Das beste Training hat keinen (oder weniger) Sinn, wenn man hungrig oder vollgestopft aufs Rad steigt, die Leistung wird nicht passen, wenn man von den falschen Lebensmitteln aufgebläht ist und wer schon einmal ein Müsli direkt vor dem Radfahren gegessen hat, weiß, dass der Körper sich dann nicht ausschließlich aufs Radeln konzentrieren wird können. Während der Aktivität gibt es mit der großen Auswahl an Nahrungsmitteln (Shots, Gels, Riegel) natürlich großen Spielraum und Variationsmöglichkeiten - aber auch hier gibt es „natürlichere“ oder „bessere“ Produkte. Und schließlich ist da noch das Essen nach dem Heimkommen - und das soll nicht in einen „Fress-Flash“ ausarten, in dem man wahllos alles in sich reinstopft, was man findet, um seine Speicher wieder zu füllen, sondern idealerweise kommen auch hier „sinnvolle“ und hochwertige Inhaltsstoffe und Produkte zur Verwendung, die einem die Weiterentwicklung ermöglichen und nicht den ganzen Trainingseffort gleich wieder zunichte machen.

Im Hinblick auf mein Race Around Austria im August stellt sich außerdem die Frage, wie man sich am Rad für eine Belastung über 24 Stunden am besten versorgt. Dabei sind die Anforderungen wiederum andere als bei kurzen Trainings auf der Rolle oder den klassischen zwei- bis dreistündigen Ausfahrten. Aber dazu kann ich im Sommer mehr sagen, schließlich läuft mein Projekt Ernährungsberatung über die nächsten Monate. Mehr dazu also im nächsten Teil der Serie - voraussichtlich wird das Ende Mai/Anfang Juni der Fall sein. Ich habe außerdem bereits in den ersten Tagen einige Nachrichten zu diesem Thema bekommen, mit Vorschlägen, Anregungen und weiteren Inputs - diese möchte ich auch in den nächsten Teilen gerne mitbehandeln.

Bis dahin: Mahlzeit!

Link:

Büro für Ernährung - Mag. Caroline Schlinter-Maltan