Ich habe einen Ramp Test auf Zwift absolviert, der innerhalb von 15-20 Minuten einen FTP-Wert ausgeben kann. Ob diese Art Test mit einem Stufentest in einem Labor mithalten kann, worin die Unterschiede liegen und worauf man achten muss, erklären Clemens und Matthias von HPC.
Leistungsmessung - Teil 2: Leistungsdiagnostik mit HPC
Rund um den Jahreswechsel werden gerne Pläne geschmiedet - Vorsätze, Rennen, Projekte, alles, was im Rad-Jahreskalender gut aussieht. Was jedoch gar nicht sichtbar ist oder zumindest weit weniger spektakulär aussieht, ist die Basis, die man sich über den Winter legen sollte. Denn nur auf diesem Wege kann man seine Projekte dann übers Jahr auch realisieren oder - noch besser - sie genießen! Mein großes Ziel für 2020 ist die Race Around Austria Challenge, ein Vorhaben, das man nur mit etwas Vorbereitung in Angriff nehmen sollte. Die geringen Trainingsumfänge und die mangelnde Struktur meiner Aktivitäten hat mir bereits im laufenden Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht, ein Fehler, den ich 2020 nicht wiederholen möchte.
Gleichzeitig sperrt sich innerlich aber etwas gegen strukturiertes Training und Trainingspläne. Zu groß ist meine Sorge, mich einem rigiden Plan unterjochen zu müssen, bis hin zum völligen Verlust der Selbstbestimmung. Ich möchte fahren, wenn ich Lust habe und nicht, wenn der Plan es befiehlt. Bei schlechtem Wetter mag ich aussetzen können, bei gutem Wetter auch mal länger fahren. Sollte es mich doch einmal "jucken", werde ich Vollgas fahren, ansonsten so schnell wie ich will und nicht nach Zahlen, die mir mein Wahoo anzeigt.
Seine eigenen Fähigkeiten und Grenzen zu kennen, ist dennoch von Vorteil. Wozu hat man sich denn sonst um teures Geld einen Wattmesser ans Rad geschraubt, wenn man dann trotzdem "nur" nach Herzfrequenz oder überhaupt nur "irgendwie" fährt... Ein Leistungstest muss also her!
Vorbereitung
Den (ersten) Leistungstest macht man sinnvollerweise, bevor man sich auf ein Projekt vorbereitet. Gerne kann mitten in der Vorbereitung noch ein weiterer Test eingeplant werden, um beispielsweise Fortschritte zu prüfen. Grundsätzlich sollte man aber schon den Beginn des Trainings am entsprechenden Leistungszustand ausrichten. Beliebte Zeiten für einen Test sind daher Herbst und Winter - die Sommer- und Rennsaison ist vorbei und das Wintertraining steht vor der Tür. Und Rollentraining mit Wattsteuerung stellt sicher, dass die mitunter recht eintönig und hart erkämpfte Zeit auf der Rolle zumindest effizient genützt wird.
Bevor man sich einen Termin ausmacht, sollte man gesundheitlich auf dem Damm sein, was gerade im Herbst und Winter auch problematisch sein kann. Bei mir hat eine hartnäckige Verkühlung den Testtermin mehrfach nach hinten verschoben. Umgekehrt wäre es wenig sinnvoll, verkühlt oder anderweitig beeinträchtig zum Test zu gehen. Zum einen, weil dann die Werte entsprechend niedriger liegen können, was für die Trainingssteuerung wenig zielführend wäre. Zum anderen geht man bei einem Leistungstest üblicherweise doch nahe an seine körperliche Belastungsgrenze - das ist ja auch der Sinn eines derartigen Tests. Und in dieser Ausnahmesituation nicht 100% körperlich fit zu sein, könnte im Extremfall tatsächlich auch zu Schäden führen.
Dem Testlabor bzw. dem Testleiter zuliebe klärt man vorher auch noch kurz ab, mit welchem Rad man den Test absolvieren wird. Unterschiedliche Bremssysteme und eine Vielzahl von Achsstandards stellen mitunter auch die Tester vor Herausforderungen, schließlich soll das eigene Rad optimal in den Testaufbau passen. Standardgerät ist bei den meisten Testern nach wie vor der "Cyclus 2", der akkurat und verlässlich Leistungsdaten liefert.
Einige Labore bieten im Zuge der Leistungsmessung außerdem eine Analyse der Atemluft an, das ganze nennt sich dann "Spiroergometrie". Dabei bekommt man im Stile Hannibal Lecters eine Maske aufgesetzt, die sowohl ein- und ausgeatmete Luftmenge als auch die Zusammensetzung der Atemluft misst.
Der Test
Der Morgen beginnt mit einem Vorgespräch mit dem Testleiter, in meinem Fall Clemens von HPC - High Performance Coaching, einem Firmennamen, der meine Ambitionen natürlich um Welten übersteigt... Wir besprechend den Testablauf und gehen neben meinen persönlichen Daten auch eventuelle Krankheiten, Vorbelastungen und dergleichen durch. Während wir plaudern, werden mein Rad eingespannt, die Geräte vorbereitet und kalibriert und mein Ohr desinfiziert - hier wird mir später während des Tests tröpfchenweise Blut abgenommen werden, um meine Laktatwerte zu ermitteln.
Der Test beginnt mit einer Minute Ruhe und stillhalten, damit das System einen Referenzwert hat - das schaffe ich! ;) Danach beginnt der eigentliche Test, bei Clemens kommt ein Rampentest zur Anwendung. Dabei erhöht sich die Wattleistung, die man erbringen muss alle drei Minuten um 20 Watt, beginnend bei 100 Watt. So geht es also dahin - 100 Watt, 120 Watt, 140 Watt, 160 Watt... Jeweils zum Ende der drei Minuten nimmt Clemens mir einen Tropfen Blut ab und füttert damit seine Gerätschaften. Watt, Herzfrequenz und Laktat sind die wichtigsten Werte, anhand derer später meine Auswertung in eine Leistungskurve gegossen werden wird.
Bis knapp an die 200 Watt fällt es mir leicht, die Atmung passt, der Puls ist noch unten. Ich befinde mich im Grundlagen-Ausdauerbereich, jenen Zonen, in denen ich gefühlt ewig fahren könnte. Dies sind auch jene Zonen, die ich bei meinem Race Around Austria am sinnvollsten beanspruche möchte, um würdevoll über die 24 Stunden zu kommen. Rund 200 Watt markieren gleichzeitig das Ende dieser "Wohlfühlzone" und was sich so anfühlt kann auch wissenschaftlich belegt werden, anhand der unteren Laktat-Schwelle. Dort wo die 2 mmol-Laktat-Grenze überschritten wird, fängt der Körper an zu investieren, es wird nicht mehr auf Basis der vorhandenen Ressourcen gefahren sondern man muss Energie zuführen.
220 Watt, 240 Watt, jeweils für drei Minuten. Mein Puls steigt jetzt schneller, der Schweiß tropft nicht mehr sondern rinnt an meinem Gesicht herunter. Meine Brille läuft an und mein Blickfeld verengt sich. (Die Brille abzunehmen wäre eine Option gewesen, aber ich wollte den Bildschirm und die Werte vor mir sehen. Kontaktlinsen wären die andere Option gewesen, aber daran hatte ich vor dem Test nicht mehr gedacht.) Bei 260 Watt wird es zum ersten Mal mühsam, ich beginne die Minuten zu zählen - ein untrügliches Zeichen (unter anderem bekannt von Zwift), dass man sich langsam schwer tut.
Ungefähr 280 Watt ist in den letzten Monaten meine "FTP" (Functional Threshold Power) gewesen, also jener Wert, den ich über eine Stunde erbringen kann. "FTP" ist als Schlagwort sehr präsent, wenn man sich mit Zwift und Stammtischdiskussionen beschäftigt, Leistungsdiagnostiker hören den Begriff etwas weniger gerne, weil er nur einen Ausschnitt der eigentlichen Leistungsfähigkeit wiedergibt und viele Dinge darin nicht berücksichtigt werden können. An meiner FTP angekommen beginnen die Oberschenkel zu brennen - Willkommen Laktat! Die 4mmol-Laktat-Schwelle ist da, untrüglich daran erkennbar, dass der Körper das einschießende Laktat nicht mehr restlos abbauen kann. Fährt man dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum in diesem Leistungsbereich gerät man in eine Schuld, die der Körper alleine nicht mehr ausgleichen kann - im anaeroben Bereich nämlich.
Die Laktatkurve steigt jetzt stark an, der Puls ist oben, die Beine brennen. 300 Watt gehen noch halbwegs souverän, 320 Watt tun schon richtig weh. Mein im Allgemeinen gerade recht bescheidener Energielevel und meine eben erst abgeklungene Verkühlung kündigen ein baldiges Ende des Leistungstests an. Der Schweiß tropft, das Atmen ist einem Röcheln und Stöhnen gewichen, die Uhr auf der Anzeige des Cyclus 2 scheint sich in Zeitlupe zu bewegen. Die dreiminütige Stufe bei 320 Watt möchte ich noch vollmachen, danach weiß ich, dass sehr schnell Schluss sein wird. Clemens gibt sein bestes, aus den Testpersonen noch das Letzte herauszuholen, mit Anfeuerungen und Ermunterungen motiviert er, noch einmal die eisernen Reserven zu mobilisieren. Aber auch seine besten Sprüche können nicht verhindern, dass meine Tanks bei 340 Watt leer sind und ich froh bin, mit dem Treten aufhören zu können.
Schnell etwas trinken, mit dem Handtuch die gröbsten Spuren des Kampfes beseitigen und locker auskurbeln. Während sich die Körperfunktionen und -werte langsam wieder normalisieren, macht sich Clemens bereits an die erste Auswertung.
Die Ergebnisse
Unter der Dusche kommen die ersten Gedanken zu dem, was gerade passiert ist. 340 Watt? Hätte ich mir mehr erwartet? Wie sind die letzten Wochen verlaufen? Was hätte ich besser oder anders machen können? 340 Watt für drei Minuten zu treten, stellt an sich kein Problem dar, mit den 30 Minuten Belastung davor allerdings schon - da summieren sich die einzelnen Leistungsstufen auf.
Clemens klärt mich bei einer Tasse Kaffee auf. Auf drei kompakten Seiten bekomme ich eine erste Bestandsaufnahme meiner Leistungsfähigkeit - oder auch dem, was nicht vorhanden ist...
Meine Zonen sind im Großen und Ganzen dort, wo sie schon die vergangenen Jahre waren, allerdings war es nach dem geringeren Trainingsumfang der letzten beiden Jahre gut zu sehen, dass noch eine gute Basis vorhanden ist. Mein FTP-Wert war schon einmal höher, aber auch da ist eine solide Basis vorhanden, die glücklicherweise nicht so schnell schwindet, wie das subjektiv manchmal erscheinen mag, wenn man in die Pedale tritt.
Ernüchternd ist hingegen die Schlussfolgerung, dass die Verschlechterung meiner Leistungsfähigkeit auf den viel geringeren Trainingsumfang zurückzuführen ist und darin eigentlich der Schlüssel liegt - so schwarz auf weiß wurde mir das bis jetzt noch nicht präsentiert.
Positiv jedenfalls die Analyse meiner Atmung, die eine gute Verstoffwechselung zeigt und vor allem eine gute Ökonomie - nicht ganz unwesentlich angesichts der Ziele für 2020.
Mein Plan
Was bedeutet das für mich? Clemens setzt erneut zur Erklärung an:
1. Trainingsumfänge steigern
2. Bi-polares Training
3. VO2-Max steigern
Dass meine Trainingsumfänge ausgedehnt werden müssen, war mir von Anfang an klar und dementsprechend wenig überraschendes Ergebnis der Leistungsdiagnostik. Vom jetzt sehr niedrigen Level an wöchentlicher Trainingszeit ausgehend werde ich meine Umfänge nach und nach steigern, um Richtung Sommer eine entsprechende Basis aufbauen zu können.
Clemens befürwortet den Aufbau einer soliden Ausdauer-Basis, dementsprechend sind auch große Teile des Trainings auf die Grundlagen-Zonen ausgerichtet. Demgegenüber stehen Intervalle an der zweiten Schwelle, um VO2-Max und Laktatschwelle entsprechend "nach rechts" zu verschieben.
Spannend und für mich in dieser Form neu ist der Themenkomplex Energiebedarf und -bereitstellung. Dabei ist auf einer Skala der Energiebedarf in Kalorien pro Stunden für den jeweiligen Wattwert aufgetragen. Für eine Herausforderung wie das Race Around Austria, wo die Energiebereitstellung und Nahrungszufuhr ein zentrales Element dabei ist, ob man dieses Rennen (erfolgreich) beendet oder nicht, ist eine derartige Auswertung natürlich extrem hilfreich. Auf diese Weise kann beispielsweise eine Ernährungsstrategie für ein Langstreckenrennen recht exakt an einen geplanten Leistungsoutput gekoppelt oder entsprechend daran orientiert werden.
Als erster Test nach einer längeren Zeit ohne eine derartige Diagnostik, kann ich nun mein Training an wissenschaftlich erhobenen Werten orientieren. Clemens wird mir außerdem Trainingsempfehlungen zusammenstellen, die ich möglichst einfach und unkompliziert in meinen Alltag einbauen kann. Hier bin ich froh, eine individuelle Beratung und Betreuung zu haben. Auf meinem Weg zu den Projekten des Jahres 2020 und dem Race Around Austria werde ich im Frühjahr jedenfalls noch einen weiteren Test einplanen, um Fortschritte und Potentiale messen und realisieren zu können.
Exkurs: Leistungstest auf Zwift
Der Wert einer individuellen und wissenschaftlich durchgeführten Leistungsdiagnostik steht natürlich außer Frage. Dennoch war es überraschend, dass die in Zwift ermittelten Werte jenen der "richtigen" Diagnostik in manchen Punkten sehr ähnlich waren. Dies spricht grundsätzlich für die Algorithmen und Logiken der Software und attestiert eine gewisse Verwendbarkeit der dort erzielten Werte. Zwift bietet sowohl einen 20-minütigen FTP-Test als auch - seit diesem Sommer - einen klassischen Rampentest in der Software an. In meinem Fall waren die Werte ähnlich, bei anderen Personen können diese Übereinstimmungen allerdings schon weniger groß sein, da Zwift einige Parameter entweder gar nicht erfassen kann oder nur bedingt in seine Berechnungen miteinbeziehen kann. Die individuelle Komponenten kann auf Zwift beispielsweise überhaupt nicht berücksichtigt werden. Laktatmessungen werden auch weiterhin der klassischen Leistungsdiagnostik vorbehalten bleiben und damit auch die fundierteren Eingangsdaten für eine wattbasierte Trainingssteuerung. Und auch die Analyse der Atemluft ist ein Asset, das man wohl noch längere Zeit nur im Rahmen einer sportwissenschaftlich durchgeführten Leistungsdiagnostik finden wird können.
HPC - Clemens Rumpl
Geräte sind nur so gut, wie die Person, die sie einstellt und bedient und Daten nur so viel Wert, wie die Person, die sie lesen und interpretieren kann. Clemens Rumpl ist mit HPC - High Performance Coaching schon einige Zeit "im Geschäft" und berät und versorgt mit seiner Leistungsdiagnostik und Trainingsberatung zahlreiche Sportlerinnen, Sportler und Mannschaften im Ausdauerbereich. Er war selbst Lizenzfahrer und als solcher weiß er auch, auf die (besonderen) Bedürfnisse von Radsportlerinnen und Radsportler einzugehen. In seinem feinen Büro in Pottenbrunn nahe Sankt Pölten steht neben Rad- auch eine Lauf-Spiroergometrie zur Verfügung. Und Clemens hatte während des Leistungstests noch Zeit, alle der hier gezeigten Fotos von mir zu machen! ;)
Leistungsmessung - Teil 1: Grundlagen und Notwendigkeiten
Vor zwei Wochen war ein Paket in meinem Postkasten, darin enthalten die neueste Auflage von Joe Friels „Trainingsbibel für Radsportler“. Dieser geradezu Orgie an Zahlen, Tabellen und daraus ableitbaren Möglichkeiten werde ich im Idealfall noch einen eigenen Beitrag widmen. Was jedoch auffällt, wenn man das Buch auch nur überfliegt: State of the Art in der Trainingssteuerung ist heutzutage Leistungsmessung. Rad-Industrie und Magazine haben hier natürlich mitgeholfen, sodass heutzutage kein Radfahrer mehr ohne Wattmesser leben kann. Aber Spaß beiseite… Auch aus trainingswissenschaftlicher Sicht spricht einiges für Leistungsmessung, ist der Watt-Output doch konstanter und unabhängiger von (Umwelt)Einflüssen als die Herzfrequenz.
Doch alles der Reihe nach… Wer diesen Blog regelmäßig verfolgt, weiß, dass ich nicht der ehrgeizigste Mensch der Welt bin. Zerstreuung, Spaß und entspanntes Abenteuer stehen für mich am Rad immer noch im Vordergrund. Ein gewisses Grundlevel an Fitness möchte ich mir dabei aber stets erhalten und auch abrufen können, damit die Projekte, die ich mir über das Jahr hinweg vornehme auch halbwegs würdevoll bewältigt werden können. Ansonsten bin ich aber so unterwegs, wie es mir gerade Spaß macht, Trainingsplan hatte ich noch nie einen. Ich hab mich immer dagegen gesperrt, meine Radgewohnheiten einem Plan von außen unterwerfen zu müssen - Fahren, wenn es regnet, Ruhetage bei schönstem Wetter, Grundlage, wenn man Lust auf was kurzes, schnelles hat, Inkompatibilität mit Gruppenfahrten… Alles Argumente, die für mich gegen einen Trainingsplan sprechen.
Unterstützt wurde diese These noch durch den ersten Leistungstest, den ich damals vor einigen Jahren gemacht habe. Ergebnis war, dass meine Werte verhältnismäßig gut sind, „wie ich denn genau trainierte“ war die Frage des Trainers. Meine Antwort war für ihn damals offenbar wenig befriedigend, lautete sie doch sinngemäß „ich fahre, was mir gerade Spaß macht“. Dann solle ich doch genau so weitermachen, wie bis jetzt, wenn sportliche Höchstleistungen nicht mein wichtigstes Ziel wären.
Fart…was? Fartlek!
Freies Fahren bietet fraglos viele Vorteile. Im vermeintlich flachen Osten Österreichs ist man tatsächlich mit einer schier endlosen Anzahl an kleineren Hügeln konfrontiert (außer man bewegt sich ausschließlich am Donauradweg auf und ab). Das Weinviertel mit seinen zuerst sanften, kleineren und dann auch etwas größeren Hügeln, der nahe „domestizierte“ Wienerwald für den klassischen Wiener Ausflügler, der ins Alpenvorland übergehende Wienerwald, der plötzlich etwas bergiger und wilder wird - nennen wir es einmal kupiertes Gelände. Im Trainings-Sprech gibt es den Begriff „Fartlek“ - aus dem skandinavischen kommend, bedeutet das soviel wie Fahrtenspiel. Dieses wiederum meint eine spielerische Abfolge von Geländeformen, Intensitäten und natürlichen Intervallen, die sich auch in der Trainingsintensität entsprechend niederschlagen. Für mich bedeutet dieses „Fahrtenspiel“, sich auszutoben, zu machen, was man will, „es laufen zu lassen“. Im Training fast nur Fartlek zu betreiben, erzeugt einen guten Allrounder - Spezialist wird man dadurch aber keiner.
Mit meinem Leistungsmesser am Rennrad nutze ich die Daten, die mir nach der Ausfahrt auf Strava ausgespuckt werden, bisher eher zu Unterhaltungszwecken als zur Steuerung. Ich freue mich wie ein kleines Kind vor dem Christbaum, wenn irgendwo vierstellige Wattzahlen stehen (obwohl diese überhaupt keinen Schluss auf eine Gesamtleistung zulassen), studiere meine Durchschnittsleistungen (gebe mich aber damit zufrieden, wenn sich diese einem Fenster von 30-40 Watt bewegen) und nutze die Zahlen in erster Linie dazu, das schwere Gefühl in meinen Beinen zu begründen. Im kleineren Rahmen und speziell bei Veranstaltungen und Rennen versuche ich natürlich schon, anhand der Daten meine Leistungen im Nachhinein zu bewerten und bestimmte Entwicklungen zu begründen. Drei Beispiele dazu (Achtung: es handelt sich dabei um meine Hobby-Analysen - ein Trainer wird da vermutlich andere Schlüsse daraus ziehen…):
Wachauer Radtage 2018
Nach sieben Tagen im Tross der Österreich Rundfahrt, die ich vor allem stehend oder im Auto sitzend verbracht habe, war ich nicht allzu optimistisch für dieses Rennen. Umso überraschender war, dass meine Beine recht frisch waren und die kleinen Watts nur so herausgesprudelt sind. Der FTP-Wert war damals noch etwas höher (und nicht winterbedingt so niedrig wie im Bild unten dargestellt), insofern stimmen die 99% Intensität nicht ganz. In Summe schaut das Muster für ein Rennen über 2,5 Stunden ganz gut aus, viel höher dürften die Wattwerte nicht sein, ansonsten würde ich vermutlich nicht über die Distanz kommen. Das wellige Streckenprofil der Wachauer Radtage kommt mir zugute, kurze Anstiege mit anschließender Möglichkeit, sich zu erholen und mitzurollen und längere flache Passagen entsprechen recht gut meinem Anforderungsprofil.
Arlberg Giro 2018
Jedenfalls weniger meinem Anforderungsprofil entspricht der Arlberg Giro mit seinen zwei großen Anstiegen. (Dennoch ist Bergfahren noch immer eine der schönsten Geschichten, die man machen kann - abseits jeglicher Leistungsmessung oder-bewertung!). Wie die Balken erkennen lassen, verschiebt sich das Ganze leistungstechnisch etwas nach unten, erklärbar durch die längeren Anstiege, in denen man eher haushalten muss und die Leistungsgrenze lieber etwas niedriger ansetzt. Lange Bergabfahrten bringen auch längere Phasen mit keinem oder weniger Leistungsoutput. Dafür fehlt die „goldene Mitte“, also jene Bereiche und Abschnitte, in denen man flott dahinrollt (Zone „Tempo“ wäre das dann). Aufgrund der Länge des Rennens (von in diesem Fall 5,5 Stunden) fehlen auch die Spitzen und die Werte „im Roten“ weitgehend, da geht es bei mir eher darum, konsistent über die Länge des Rennens zu kommen - Sprints und Ähnliches sind da für mich kontraproduktiv. Einzig ab und zu den Anschluss an eine Gruppe zu schaffen (oder diesen zu halten) ist es meiner Meinung nach wert, kurz „ins Rote“ zu gehen.
King of the Lake 2018
Eher ernüchternd ist die Analyse des King of the Lake 2018, den ich diesmal auf dem Rennrad in Angriff genommen habe. Der “KOTL” bezieht ja auch aus der Tatsache seinen Reiz, dass man annähernd an dieser magischen Stundengrenze unterwegs ist - dementsprechend also seinen FTP-Wert unter realen (und schmerzhaften) Bedingungen der Realitätsprüfung unterziehen kann. Dementsprechend sollte der Balken rund um 280-290 Watt durchgehen bis zum rechten Bildschirmrand, die Realität sieht aber anders aus. Praktisch zeigt die Analyse, dass ich den größten Teil des Rennens recht deutlich unter meinem FTP-Wert unterwegs war, die möglichen Erklärungen sind vielfältig, eine weiterführende Überprüfung wird auch dieses Jahr stattfinden :) Die Strecke des “KOTL” ist schwierig, einige - mitunter recht gemeine - Hügel wollen auf dem Kurs rund um den Attersee bezwungen werden , hier mit gleichmäßiger Leistung drüber zu fahren, ist an sich schon schwer. Zusätzlich scheint es mir schwer zu fallen, eine konstante Leistung über einen gewissen Zeitraum zu erbringen - vielleicht ist das normal, vielleicht sprechen andere Faktoren dafür oder dagegen, jedenfalls konnte ich bei diesem Rennen meinen Leistungsoutput nicht konstant (hoch) halten. Bei einer Dauer von gut einer Stunde würde ich mir erwarten, dass die Balken allesamt etwas weiter im Roten liegen, für aktive Regeneration hat man in diesem Fall nach dem Rennen genug Zeit.
Zwift
Bringen wir noch einen weiteren Faktor ins Spiel, der aus meiner Sicht beim Thema Wattmessung nicht fehlen sollte - zumindest in meiner Rad-Welt. Die allseits bekannte und beliebte Trainingsplattform Zwift lebt zu einem großen Teil von den Vorteilen von Smart Trainern, die notwendigerweise auch eine Leistungsmessung beinhalten. Wer also keinen Powermeter auf seinem Rennrad montiert hat, kommt eventuell in den virtuellen Welten von Zwift (erstmals) mit Leistungsmessung in Berührung. Ich möchte hier nicht über den Realitätsgrad von Zwift diskutieren, sondern nur feststellen, dass bei Verwendung der Trainingsprogramme in Zwift immer mit Leistungswerten gearbeitet wird. Und wenn man im Winter auf der Rolle nach Watt fährt (und Zwift wird die Intensitäten der Trainings und Intervalle nach Watt einteilen), dann wird man vermutlich auch im Sommer wissen wollen, wie man denn gerade unterwegs ist und eventuell auch sein Training ab diesem Zeitpunkt auf Basis eines Leistungsmessers abwickeln. Zwift ist daher aus meiner Sicht eine gute und naheliegende Möglichkeit, die Welt der Leistungsmessung und das darauf aufbauende Training auszuprobieren und sich quasi langsam „einzuleben“. Es bleiben gewisse Unschärfen zwischen der Leistungsentfaltung auf der Rolle und draußen auf dem Rad - die Angaben über die Unterschiede sind unterschiedlich - im Endeffekt ist empfehlenswert, einen Leistungstest zu Beginn der Freiluftsaison durchzuführen, um die tatsächlichen Leistungszonen feststellen zu können. Denn es ist jedenfalls kontraproduktiv, mit falschen Leistungszonen zu arbeiten und sein Training entsprechend (falsch) darauf auszurichten.
Was will ich damit jetzt sagen?
Ich habe bis jetzt getan, „was ich wollte“ - ohne wirkliches Ziel, ohne wirklichen Plan. (Und es hat gut funktioniert und Spaß gemacht). Ich verwende Zwift und bekomme dort meine Leistungsdaten ausgespielt. Ich habe einen Powermeter am Rennrad und komme auch dort in den vollen Genuss des „quantified selfs“. Irgendwie möchte ich da aber jetzt mehr daraus machen.
Es ist kein Geheimnis, dass ich 2019 am Start der Race Around Austria Challenge stehen werde - dabei geht es nonstop 560 Kilometer rund um Oberösterreich. Mein Ehrgeiz beschränkt sich momentan noch auf die „Besiegung des inneren Schweinehunds“ - ich möchte die Strecke innerhalb des Zeitlimits zurücklegen, dabei würdevoll bleiben und auch meinen Spaß haben und neue Erfahrungen sammeln. Gewinnen sollen andere! Während ich also grundsätzlich optimistisch bin, dieses Vorhaben mit meiner üblichen Vorbereitung (Stichwort „Fartlek - ungeplant“) bewältigen zu können, gibt es da in meinem Kopf eine Ecke, in der eine kleine Stimme wiederholt darauf hinweist, dass ich meinen Ars** doch etwas mehr bewegen sollte und das Privileg, bei so einer Veranstaltung dabei zu sein, besser nützen sollte.
Ich habe daher beschlossen, dieser Stimme Folge zu leisten und meine bisherigen Konventionen ein Stück weit über Bord zu werfen. Ich werde seit langem wieder einen Leistungstest machen, meinen Powermeter mit neuen Batterien versorgen und kalibrieren und mir einen Trainingsplan gönnen. Die Weichen dafür sind bereits gestellt, die Termine großteils organisiert, die notwendigen Ansprechpartner gefunden. Es handelt sich hier also um eine … *Trommelwirbel* … Serie von Blogposts. Bis Ende Mai folgen dementsprechend noch:
Teil 2: Langzeittest Garmin Vector 3
Teil 3: Leistungstest bei Flowsports
Teil 4: Training für das Race Around Austria
Ich freue mich sehr auf die nächsten Wochen - auf neue Erkenntnisse, neue Erfahrungen und eventuell ein paar Watt mehr am Ende des Tages. (Und keine Sorge: ich werden meine Hobby-Analysen auch noch vom Profi beurteilen lassen).
Jahresrückblick 2016
Das Unvermeidliche... ;) - mein Jahresrückblick!
Gehen wir chronologisch vor!
In das Jahr 2016 bin ich in kurzen Ärmeln gestartet. Zum ersten Mal bin ich über Neujahr in den Süden geflogen, genauer Lanzarote. Was als Besuch von lieben Freunden geplant war, ist schnell zu einem (kleinen) Trainingslager ausgewachsen. What a way to start the year...! Den Post zum Lanzarote-Aufenthalt und Fotos davon findet ihr hier.
Das Frühjahr hindurch konnte ich mit Zwift meine Motivation halbwegs hoch halten. Die kurzweilige Unterhaltung während man auf der Rolle seine Kilometer runterstrampelt, hat mitgeholfen, eine gute Grundlage für das Jahr aufzubauen. Zwift ist zu einem fixen Bestandteil meiner "Trainingsroutine" geworden - nicht mehr nur im Winter. Und mittlerweile gibts davon die iOS-Version, da ist der Einsatz noch flexibler möglich.
Im Februar hab ich außerdem den ersten Leistungstest meines Lebens gemacht. Zwift war dafür mit ein Grund - nachdem dort alles wattbasiert abläuft wollte ich einmal wissen, wo ich mich da einzuordnen habe. Von einem Freund wurde mir die junge Firma SPOWI empfohlen, die ich an dieser Stelle auch gerne weiterempfehlen kann - nette Menschen, die sich gut auskennen! Ich war froh, aus den Leistungsdaten zu lesen, dass mein unkoordiniertes "Ich mach was ich will" im Grunde das beste Training für mich ist - und so kann ich ohne Bedenken weiterhin das machen, was mir Spaß macht!
Mitte März - Specialized Test-Tage im Wienerwald. Mein Canyon Roadlite hat mir bis dato ausgezeichnete und treue Dienste erwiesen, ich fühle mich aber nach etwas Neuem. Auf der Suche nach geeigneten Marken und Modellen aus unterschiedlichen Preisklassen, nütze ich die Möglichkeit und teste das Specialized Tarmac und Venge VIAS. Mein erster Kontakt mit Rädern die 8.000 respektive 11.000 Euro kosten verläuft ernüchternd - irgendwie hätte ich mir da eine Art von "Sensation" als Fahrgefühl vorgestellt. Stattdessen wabern am Tarmac 120mm Bremsscheiben vor sich hin und schleifen nach kurzem Gebrauch für die folgenden zwei Minuten. Das Venge hingegen mag zwar aerodynamisch designed sein, Bremswirkung dürfte aber auf der Agenda der Entwickler nicht allzu weit oben gestanden sein. Schwamm drüber, mittlerweile ist eine neue Generation Räder da, die Entwicklung ist ja nicht aufzuhalten. Ich werde gern wieder zu Testzwecken auf einen solchen "Technologieträger" aufsteigen, aber nach diesem Erlebnis fühle ich mich in meiner Meinung bestätigt, dass weniger manchmal doch mehr ist.
Ende März einer von vielen Lienz-Besuchen. Wer die Chance hat, im Winter die Pustertaler Höhenstaße zu befahren, der nutze sie. Bei aller Anstrengung habe ich selten so schöne Ausblicke, Momente und Eindrücke erlebt.
Anfang April findet der Vienna City Marathon statt, traditionell gehe ich dort mit Arbeitskollegen als Firmenstaffel an den Start. Bis dahin hatte ich mich immer vor dem ersten Staffelteil (16,1 km) gesträubt, dieses Jahr hab ich diesen gerne übernommen und noch den Halbmarathon dazu fertiggemacht. Meine Bestzeit hab ich dabei auf 1h:57m verbessern können, für mich ein zufriedenstellendes Ergebnis - aber durchaus noch ausbaufähig :)
N+1! Das neue Rad ist da - ein Canyon Ultimate! Und es ist großartig! Mehr dazu bald in einem eigenen Blogpost!
Den Wings for Life-Run am 8. Mai überspringe ich lieber. Zu heiß, nicht fit, nicht trainiert, im Starterfeld hinten... nach 16,5 Kilometer überholt mich schon das Catcher Car. Ändert allerdings nichts daran, dass es eine großartige Veranstaltung ist (sowohl bezogen auf den Zweck als auch Organisation, usw.)
15. Mai - erste Ausgabe des VeloRun in Baden. Ein tolles und spannendes Konzept für eine neue Veranstaltung, bei der quasi gleichzeitig ein Radrennen, eine gemütlichere Rad"fahrt", ein 10k-Lauf und ein Halbmarathon stattfinden. Das Ganze gelingt außerordentlich gut und verspricht für das nächste Jahr eine tolle neue Auflage. 9. Platz in der AK - zufrieden auf jeden Fall aber da geht noch was! Leider ist am gleichen Tag auch der Leithabergmarathon sowie der Gran Fondo Vienna - Schade, dass man sich nicht teilen kann...
Mitte Juni dann die Dolomitenradrundfahrt - ich bin also zurück in Lienz. Erstes Mal bei dieser Veranstaltung, ich beginne mit der "kleinen" Runde (115km/1800hm) - die ausgewachsene Variante namens "Super Giro Dolomiti" hebe ich mir einstweilen noch auf. Gute Entscheidung, wird 2016 doch kurzerhand der Monte Zoncolan als Ersatzroute festgelegt. Ich fahre ein gut eingeteiltes Rennen, ohne die letzten Reserven anzutasten und werde 57. in meiner Altersklasse. Zu sehen, dass am Schluss noch genug Energie da war, stimmt mich optimistisch für künftige Herausforderungen!
Am 21. Juni veranstalten wir im Radsporttreff die "Sonnwend-Ausfahrt" und unglaubliche Menschenmassen stehen mit uns am Start. Bei über 50 Radlerinnen verlieren wir kurz den Überblick, um dann in mehreren Gruppen Richtung Sonnenuntergang zu fahren. Eine denkwürdige Ausfahrt, an die ich noch heute sehr gerne zurückdenke - so viele nette und fröhliche Gesichter!
In der gleichen Woche noch ein kollektiver Abschied vom Hocheck - einem Trainingsberg im Süden von Wien, der nach vielen Jahren des Trainings leider nicht mehr öffentlich zugänglich ist. Wiederum treffen sich über 50 Radlerinnen - großartig!
Juli ist Urlaubszeit und es wird naturgemäß ruhiger! Ein kurzer Kärnten-Aufenthalt und ein großartiger Guide vor Ort garantieren aber tolle Kilometer auf dem Rad. Der Gegend rund um Ferlach werde ich auch noch einen eigenen Post widmen!
Und gleich nochmal Ferlach... Mitte August vollziehe ich glücklich mein Jahresprojekt. Ein privates Brevet über 340 Kilometer von Baden nach Ferlach in knapp 14 Stunden Fahrzeit. Hier könnt ihr meine Erlebnisse nachlesen - was die Langstrecke angeht, bin ich auf jeden Fall auf den Geschmack gekommen! Da wird es 2017 sicher wieder etwas geben! :)
Im Sinne der Diversifikation und um meinen Oberkörper nicht vollends degenerieren zu lassen, absolviere ich ab Anfang Oktober einen Schwimmkurs bei Flowsports. Meine Erfahrungen dazu lest ihr hier! Große Empfehlung für alle, die neben dem Radfahren noch komplementäre Bewegung brauchen!
Ende Oktober springe ich schließlich in ein anderes kaltes Wasser. Rapha Supercross in München - mein erstes Cyclocross-Rennen. Die Strecke wurde umgestaltet und schwerer gemacht, da jetzt auch der Deutschland-Cup im Rahmen der Veranstaltung ausgefahren wird. Ich erlebe neue Grenzbereiche - in Bezug auf Maximalpuls, Leidensfähigkeit und Reifenhaftung - bin aber glücklich, diese Erfahrung zu machen. Ich komme zwar nicht ins Finale, habe aber grundsätzlich Blut geleckt und freu mich darauf, ab und zu an Cyclocross-Rennen teilzunehmen. Meine Paradedisziplin wird es allerdings eher nicht werden.
Ende November schließlich noch einmal N+1 und eine Bahnlizenz nebst Zutrittskarte zum Dusika-Stadion. Bahnradfahren empfinde ich als tolle Trainingsmöglichkeit für den Winter - als Ergänzung zu dem, was bereits vorhanden ist. Man trainiert anders, vieles wirkt spielerischer, ein Sprint hier, ein Rundengewinn da, in der Gruppe rollen dort. Macht riesigen Spaß und die Bahnorama-Veranstaltungen führen eindrucksvoll vor Augen, wohin diese Reise noch gehen könnte!
In diesem Sinne freue ich mich auf das nächste Jahr und alle Herausforderungen, Challenges und Bekanntschaften, die da am Weg warten!