Während ich diese Zeilen schreibe, esse ich mein gestern Abend angesetztes Birchermüsli. Das Mittagessen für heute habe ich schon in eine Tupperware-Dose gepackt, auch die Jause ist schon verstaut. Endlich ein adäquater Einsatzbereich für meine Musettes – die praktischen kleinen Umhängetaschen, die auch im Profi-Peloton an den Versorgungsstationen an die Fahrer gereicht werden.
Mehr als vier Monate ist es nun schon her, dass ich bei Caroline Schlinter-Maltan “Büro für Ernährung” meine Ernährungsberatung begonnen habe. Wie sich das angelassen hat, ist hier im ersten Teil zu lesen. Es ging mir von Anfang an um zwei Aspekte, die natürlich miteinander zusammenhängen aber von der Motivation her grundsätzlich schon unterschiedlich sind. Punkt 1 ist das allgemeine Wohlbefinden, die alltägliche Ernährung, die Frage nach dem „Richtig“ oder „Falsch“, dem „Gut“ und Böse“. Ich wollte Varianten und Alternativen zu meinen eingefahrenen Gewohnheiten, neue Impulse und Hinweise. Punkt 2 betrifft die sportliche Leistungsfähigkeit, speziell im Hinblick auf den Ausdauersport und – ganz persönlich – in der Vorbereitung auf meine Race Around Austria Challenge.
Wohlbefinden
Fangen wir mit dem allgemeinen Wohlbefinden an – was habe ich in den vergangenen vier Monaten gelernt? Eines gleich vorweg: Ich habe meine Ernährung nicht unbedingt grundlegend umgestellt. Ich gehe nach wie vor (aber seltener) zum Burgerbrater mit dem goldenen M, ich esse nach wie vor einen Schokoriegel, wenn ich darauf Lust habe und ich „brauche“ nach wie vor ab und zu meine Portion Chips (meistens um ein grottiges Fernsehprogramm am Hauptabend zu kompensieren). In meinem Hinterkopf war und ist noch immer irgendwie verankert, dass ich mich nicht einschränken, nicht auf Dinge verzichten möchte, die ich mag. Ob ich diese Dinge tatsächlich brauche oder ob es da nicht bessere Alternativen gibt, beginne ich übrigens nach und nach zu hinterfragen. An dieser Stelle bin ich besonders gespannt, was nach dem halben Jahr Ernährungsberatung am Schluss herauskommen wird. Der Mensch ist – gerade auch bei der Ernährung – ein Gewohnheitstier. Und so schnell man sich gewisse Dinge abgewöhnen kann (auch wenn das manchmal „weh tut“), so schnell freundet man sich auch mit neuen an.
Ein zweiter Aspekt, der für mich absolut zentral ist und der sich über die letzten Monate herauskristallisiert hat, heißt, sich bewusst zu machen, was man isst! Bei mir haben dazu in sehr großem Maße die Ernährungsprotokolle beigetragen, die ich während der ersten Monate meiner Ernährungsberatung geführt habe. Aufzuschreiben, was man isst, wieviel und wann, ist nicht nur für die Ernährungsberaterin relevant, sondern öffnet einem auch selbst die Augen. Sich zu belügen hat an dieser Stelle natürlich keinen Sinn, das würde jeglichen Verbesserungsprozess zunichtemachen. Sobald man aber – vielleicht auch noch in einem deutlichen Muster – sieht, wo etwaige Defizite in der Ernährung liegen, ist man schon einen großen Schritt weiter. Egal ob das regelmäßig schwere Mahlzeiten am späten Abend sind, Süßigkeiten oder irgendetwas anderes, was einem im Ernährungsprotokoll auffällt. Diese Dinge zu erkennen, muss noch nicht zwangsläufig heißen, diese sofort abzudrehen oder beheben zu müssen – in meinen Augen geht es vorrangig einmal darum, zu wissen, was man macht. Beim Aufzeigen entsprechender Alternativen ist dann ja glücklicherweise die Ernährungsberaterin zur Stelle.
Und wenn wir schon beim Bewusstmachen sind… Natürlich geht es in einem weiteren Schritt auch darum, welche Qualität an Lebensmitteln man zu sich nimmt. Auch dabei kann das Ernährungsprotokoll sehr hilfreich sein. Wie hoch ist der Anteil an verarbeiteten Lebensmittel, die man zu sich nimmt? Welche Zutaten stammen aus biologischem Anbau? Woher kommt mein Essen eigentlich? Ohne hier in irgendwelche dogmatischen Positionen und Anschauungen zu verfallen – es sollte ohnehin jede*r für sich entscheiden, was am besten passt -, ein paar Dinge sind schon aus purer Logik zu hinterfragen: Wie kann ein Hühnerschnitzel im Supermarkt 99 Cent kosten und unter welchen Bedingungen können Lebensmittel derartig billig produziert werden – und dann kostet auch das Katzen- oder Hundefutter mit Hühnerfleisch noch das Doppelte… Naja.
Maßnahmen
Was habe ich also konkret gemacht? Ehrlicherweise (noch) nicht allzu viel konkretes. Viele Dinge sind mir bewusst geworden (siehe oben), die tatsächlichen Änderungen in meinen Gewohnheiten waren aber bis dato vermeintlich gering.
Ich habe genau genommen sogar mehr gegessen – nämlich mehr zum Frühstück und vor allem zu Mittag. Was erst einmal paradox klingt, hat bei mir allerdings die Auswirkung gehabt, dass ich insgesamt satter war und dadurch häufig auf meine Vormittags- und/oder Nachmittagsjause verzichten konnte. Dass diese eingeschobenen Zwischen-Snacks oft Plunder oder Süßes waren, muss ich an dieser Stelle nicht extra erwähnen... Der Gusto war noch immer da aber die Notwendigkeit nicht mehr so oft. Und wenn man dann diesen klitzekleinen Moment des Schwachwerdens übertauchen kann, hat man schon gewonnen – immerhin ist es nur ein Gusto, kein Hunger! Beim Frühstück habe ich ein gewisses Maß an Variation eingeführt – das traditionelle Marmeladenbrot wird nun ab und zu durch Porridge oder Haferflocken-Mischungen mit Joghurt und Früchten ersetzt. Ehrlicherweise sättigen mich diese Dinge immer sehr unterschiedlich - speziell wenn ich am Vorabend Sport gemacht habe, stellen sich nach einem solchen Frühstück oft schon früher wieder Hungergefühle ein. Und das wars dann eigentlich auch schon für den Moment. Manche Dinge muss man sich erst langsam erarbeiten, Gewohnheiten nach und nach abbauen, sich auf Neues einlassen. Aber was das betrifft, ist meine Reise ja noch nicht zu Ende.
Die Waage
Mein keksinduziertes Wintergewicht von knapp über 90 Kilogramm ist eines, das mir bei der Bewältigung von Anstiegen mit dem Rad nicht unbedingt entgegenkommt. (Dass sich dieses Gewicht auf 1,94 Meter verteilt, lässt das Ganze vielleicht weniger plump wirken, ändert aber nichts an der grundlegenden Geschichte). Trotzdem war Gewichtsabnahme für mich kein vorrangiges Thema. Einerseits weil ich durchs Radfahren im Frühling immer recht schnell wieder bei meinem „Sommergewicht“ von rund 86 Kilogramm lande, andererseits bringt eine bewusstere Ernährung fast zwangsläufig eine kleine Gewichtsreduktion mit sich. Um das Ganze schwarz auf weiß zu haben, wurde ich im Februar bei meinem ersten Termin bei Caroline gewogen – inkl. Körperfett, viszeralem Fett, Verteilung des Fetts, Knochen- und Muskelmasse, Körperwasser und vielem mehr. Bei meiner letzten Sitzung stand wiederum die Waage da, auch um einen möglichen (und hoffentlich vorhandenen) Fortschritt zu messen und die Maßnahmen daran entsprechend auszurichten. Und siehe da: alle Werte haben sich in geringem Maß verbessert - manche schneller als gedacht, bei anderen wird noch etwas Arbeit notwendig sein. Aber ein Stoffwechselalter von 25 Jahren klingt schon mal nicht so schlecht. ;)
Leistung
Neben dem Wohlbefinden und dem guten Gewissen zählen aber auch sportliche Leistungen. Nachdem die Eckpfeiler der Ernährungsberatung durch Caroline perfekt abgesteckt waren (Ernährungsprotokolle, langsames Heranführen an Alternativen im Alltag), war der Radsport das nächste große Thema. Es gibt im Internet unzählige Artikel, Meinungen und Weltanschauungen, was ernährungstechnisch richtig, falsch, gut und böse ist. Wie immer ist es schwierig, sich in diesem Wulst an Meinungen zurechtzufinden, professionelle Hilfe daher unerlässlich. Ich zähle und verlasse mich dabei voll und ganz auf Caroline, sie hat viel Erfahrung mit AusdauersportlerInnen und außerdem: Probieren geht über Studieren.
Das große Ziel für 2019 ist das Race Around Austria. Ein 24-Stunden-Rennen stellt an den menschlichen Körper außergewöhnliche Anforderungen. Davon konnte ich mich auch noch einmal selbst überzeugen, als ich Anfang Mai Philipp Reiterits als Betreuer beim Race Around Niederösterreich begleiten durfte. Alleine schon zu sehen, wie und was er während des Rennens aß und trank, war aufschlussreich – egal ob es jetzt zu wenig oder zu viel war, ob Flüssignahrung besser oder schlechter als Riegel oder Gels ist. Mir ist jedenfalls klar, dass für ein derartiges Unterfangen die Ernährung von elementarer Bedeutung ist. Der Körper braucht Treibstoff, diesen zur Verfügung zu stellen und dann idealerweise auch noch in der richtigen und bekömmlichen Form, ist Ziel meines Unterfanges „sportliche“ Ernährungsberatung. Im Idealfall fühlt man sich während der Anstrengung nicht müde und leer sondern – im wahrsten Sinne der Wortes - immer „gut gefüllt“ und versorgt.
Super Giro Dolomiti
Doch bis zum RAA dauert es noch (wenn ich gerade darüber nachdenke eigentlich nur noch erschreckend kurze) zwei Monate. Jedenfalls Zeit genug, im Vorfeld noch ein paar Dinge auszuprobieren. Es macht ja auch wenig Sinn, bei einem 24h-Rennen erstmals etwas Neues zu versuchen – da sollte im Vorfeld schon klar sein, was funktioniert und was nicht. Das bringt uns zum Super Giro Dolomiti, der am 9. Juni im Kalender eingetragen ist. Gut 200 Kilometer und knapp 5.000 Höhenmeter sind dabei durch Osttirol, Kärnten und das benachbarte Italien zurückzulegen. Eine hervorragende Gelegenheit, einen vorher abgestimmten Ernährungsplan für das Rennen auszuprobieren.
Caro hat mir vor mehreren Wochen eine Liste mit ihrer Meinung nach wertigen Riegeln und Gels zukommen lassen. Es lag an mir, einige davon auszuwählen und bei lockeren Ausfahrten zu testen. Der Geschmack muss passen, die Konsistenz, die Handhabung – alles Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, ob man ein Produkt mag oder nicht. Dies ist keine Werbung oder Einschaltung, aber ich werde beim Super Giro Dolomiti mal mit Clif Bar Gels und Riegeln an den Start gehen, in meinen Flaschen sind Iso-Pulver von High5 und Winforce verrührt. Es gilt, diese Mischung im Rennbetrieb über rund acht Stunden auszuprobieren (vielleicht werden es auch neun…). Eine Schwierigkeit bei langen Rennen ist, dass man nur schwer die Möglichkeit hat, unterwegs auf seine eigenen Produkte zurückzugreifen. Eine Variante wäre, alles Essen in die Trikottaschen zu stopfen, aber für die Trinkflaschen ist das nicht möglich. Labestationen an der Strecke sind zwar vorhanden, manchmal aber eher unberechenbar in Bezug auf deren „Verpflegungsqualität“. Ich versteh übrigens nicht, warum immer mehr Marathons dazu übergehen, an Laben zugeschraubte 0,5 Liter Mineralwasserflaschen zu verteilen… Ist da jemals schon selbst wer mit dem Rad gefahren? Idealerweise hat man ein Team oder Freunde im Gepäck, die sich bereitwillig an die Strecke stellen und einen an geeigneten Punkten mit frischen Flaschen versorgen.
Vorbereitungswoche
Eigentlich hätte ich es mir denken können, ich war aber dennoch etwas überrascht, als mir Caro dann einen Ernährungsplan für die Woche vor dem Wettkampf schickte. Darin ist minutiös und aufs Gramm genau aufgelistet, was ich wann zu essen habe – wie zum Beispiel das Birchermüsli jetzt gerade. Mit einer derartigen Vorgabe war ich – planloses Wesen… - noch nie konfrontiert. Zwei Tage dieser Woche abgespult, kann ich nun – unzählige Einkäufe und Vorkochen später – sagen, dass ich mich zurechtfinde im Ernährungsplan, mich vorbehaltslos auf den Plan eingelassen habe und irrsinnig gespannt bin, ob und welche Wirkung diese Vorbereitungswoche am Renntag entfalten wird. Und Gott sei Dank hat Caro nichts draufgeschrieben, was ich partout nicht runterbringe…
Mahlzeit! Fortsetzung folgt!