Wahoo Systm (nach 6 Monaten Einsatz)

Wenn man etwas über einen längeren Zeitraum für einen Blogbeitrag testen möchte, kann es mitunter passieren, dass man überholt wird – von der Realität, vom Zeitplan oder von Neuerungen. So geschehen bei meinem Test von Wahoo Systm. Wobei die Inhalte, über die ich schreiben möchte, deswegen nicht alt oder überholt sind und sich ja eigentlich nichts Grundlegendes an der App geändert hat, seit ich begonnen habe, sie zu benützen.

Was ist in der Zwischenzeit passiert? Wahoo – bisher in erster Linie als Hersteller von Rollentrainern bekannt – hat neben SYSTM (das auf dem von Wahoo gekauften „Sufferfest“ beruht) auch noch „RGT Cycling“ in sein Portfolio aufgenommen. Und während hier also Wahoo einen Schritt vom Gerätehersteller zum Gesamtanbieter macht, bastelt dem Vernehmen nach parallel dazu der Softwareanbieter Zwift an seinem ersten Smart Trainer, möchte also von der Softwarebude auch zum Gesamtanbieter werden (nur von der anderen Richtung halt). Es werden hier also spannende Zeiten auf uns zukommen und idealerweise profitieren die Endkundin und der Endkunde ja auch von solchen – hoffentlich befruchtenden – Konkurrenzverhältnissen. Aber dazu an anderer Stelle mehr, kümmern wir uns um den eigentlichen Inhalt: Wahoo SYSTM!

Apps, Apps, Apps

Kurz zur Einordnung – es gibt derzeit ja grob drei Arten von Trainingsapps und –software, mit denen man sich die Zeit auf dem Home-Trainer spannender oder effektiver gestalten kann:

1.       echte (Real-World) Videos von Strecken, die man sich auf einen Computer oder Bildschirm streamt und nachradelt. Videos dazu gibt es in unterschiedlicher Qualität, Länge und von diversen Anbietern. Wahlweise gibt es noch einen Avatar, den man sich einblenden kann, da und dort minimale „social features“ und auch die Frage, ob Widerstand und Geschwindigkeit von der Software gesteuert werden – sich also die Anstrengung anpasst und damit der Realitätsgrad steigt (ist von Anbieter und Software abhängig).

2.       Reine Trainingsplattformen blenden auf einem Bildschirm diverse Balken, Zonen und Striche ein, die ein Trainingsprogramm vorgeben, den Widerstand der Rolle/des Trainers steuern und – idealerweise in Form eines Trainingsplans über einen längeren Zeitraum – zum Formaufbau beitragen. Hier gibt es in der Regel kein zusätzliches Video oder eine andere Art der Ablenkung. Das Training und die zu erreichenden Wattzahlen stehen im Mittelpunkt.

3.       Zwift ist wenn man so will eine dritte (eigene) Kategorie. Hier bewegt sich ein Avatar durch eine virtuelle Welt, die Gamification-Elemente sind hier definitiv am ausgeprägtesten, soziale Elemente und kleine Challenges sorgen für Zerstreuung und Abwechslung. Aufgrund der großen User-Zahlen und der guten finanziellen Ausstattung musste sich der Mitbewerb bisher immer an Zwift orientieren.

SYSTM!

Worum geht’s? Systm – ja, das ist so „richtig“ geschrieben – ist eine Plattform, die, 1. Trainings und Programme für Radfahren, Laufen, Yoga, Kraft- und Mentaltraining bietet, 2. dafür eine Vielzahl von Streckenvideos, „Pro Rides“, Filmen und Trainingsvideos bietet und 3. auf Computer (auch ohne App!), Tablet und Handy läuft. Im Details schaut das dann folgendermaßen aus:

Sportarten

Im Kern steht das Radfahren, auch wenn das Programm noch Laufen und Schwimmen als Sportarten anbietet. Für die beiden letzteren ist es aber realistischerweise vorgesehen, sich die vorgeschlagenen Trainings und Intervalle auf eine Uhr zu laden und dann außerhalb der App abzuspulen. Eine „immersive experience“, wie das oft so schön heraufbeschwört wird – also ein Hineingezogen-werden in ein realistisches und mitreißendes Trainingserlebnis – ist hier nicht wirklich zu erwarten (und stößt bei Themen wie Schwimmen naturgemäß auch irgendwie an Grenzen der Umsetzung). Beim Radfahren schaut das allerdings anders aus – hier ist es tatsächlich ein großer und sehr bunter Strauß an Möglichkeiten, die sich hier auftun und es sind viele, viele Stunden an Training und auch Spaß garantiert.

Wichtig ist in meinen Augen hingegen der Hinweis auf Yoga und Krafttraining! Traditionell ist das eines der größten Mankos von Radsportler*innen. Von 100 Radfahrer*innen wissen vermutlich rund 50, dass Rumpfstabilität und Core-Kräftigung fürs Radeln förderlich sind, 20 der 100 machen vermutlich hie und da etwas Training und 5 der 100 haben das regelmäßig in ihre Abläufe integriert. Ich gehöre hingegen zu dem hartnäckigen einen Prozent, die a) wissen, dass Coretraining sehr wichtig wäre, b) mit fast-Bandscheibenvorfällen auch schon mehrfach die (potentielle) Rechnung fürs Nichtstun präsentiert bekommen haben und es c) trotzdem nicht auf die Reihe bringen, die wenigen notwendigen Minuten aufzubringen, sich ein paar Mal zu strecken und zu kräftigen… Umso dankbarer bin ich, wenn es ein gutes und angeleitetes Training gibt, das ich auf „meiner“ Trainingsplattform gleich in der Übersicht vor den Latz geknallt bekomme und so immer wieder dezent drauf hingewiesen werden, gefälligst etwas zu machen! Dabei lassen sich Intensität, Dauer und Fokus der Trainings frei wählen, knapp 60 Einheiten stehen dafür zur Auswahl. Die Hemmschwelle ist dabei sehr niedrig: es sind keine Tools oder Geräte notwendig, oft braucht es nicht einmal eine Fitnessmatte. Und wenn am Bildschirm jemand die Übungen vormacht ist auch die Versagensangst geringer, den Arm in die falsche Richtung zu strecken oder sich irgendwo falsch zu belasten. Die einzige Challenge stellt sich, wenn man die ersten Male die Core-Trainings macht: die Abfolge der Übungen ist recht schnell und zackig, hier muss man sich erst zurechtfinden und sich „eingrooven“.

Und eine Nummer ruhiger (aber nicht zwingend weniger anstrengend) sind die Yoga-Einheiten. Auch hier gibt es die Differenzierung und Wahlmöglichkeit nach Dauer, Intensität und Yogi-Level, wiederum sind es rund 60 Videos zwischen 3 Minuten und 1 Stunde.

Von mir beim Yoga zeige ich lieber kein Foto her… da muss ein Screenshot aus der App herhalten! :)

Arten von Rad-Trainings („Channels“)

Kommen wir zum Kern der Sache und zwar den Möglichkeiten, ein Radtraining abzuspulen – und da gibt es einige, in ganzen neun unterschiedlichen Kategorien:

Sufferfest

Die Trainingsvideos von Sufferfest sind so etwas wie die Basis von Wahoo Systm. Dabei handelt es sich um Videos, die anspruchsvolle Trainingseinheiten mit Spaß und Unterhaltung verbinden. Die Zonen, Watt und Stufen des Trainings werden eingeblendet, wie man das auch von anderen Plattformen kennt, oben drauf gibt es allerdings Videos, die zumeist Ausschnitte von Profirennen wiedergeben und mit den Trainingsinhalten synchronisiert sind. Wobei „synchronisiert“ hier nicht auf Steigung oder Wattzahlen abzielt sondern eher auf eine „situative Synchronisierung“ – so wird zum Beispiel bei einem kurzen und harten Intervall eine Attacke aus der Spitzengruppe eingeblendet, oder aber man findet sich in einer Fluchtgruppe und soll mit einem hohen Tempo-Effort dem Peloton davonfahren. Genauso rollt man in Intervallpausen dann aber auch locker mit dem Feld mit, scherzt mit den anderen Fahrer*innen oder befindet sich in einer landschaftlich schönen Abfahrt. So vergeht zum einen die Zeit recht schnell, zum anderen hat der Geist auch etwas, worauf er sich einstellen kann oder aber bestimmte Situationen am Rad, die man mit dem Trainingsblock assoziieren kann. Alles in allem funktioniert das sehr gut und oft genug endet ein (hartes) Training mit dem Sieg eines Rennens oder einer Etappe im Video – die Belohnung kommt also instantly.

Fahr, du Sau!

Trainings und Intervalle machen selten Spaß – das ist ja auch nicht ihre ureigenste Aufgabe… Allerdings scheinen die Sufferfest-Videos schon eher auf der anspruchsvollen Seite zu sein, nicht umsonst steckt das Leiden schon im Titel drinnen. In diesem Licht sind viele Einheiten dann eher ein Durchbeißen und Kämpfen und auch die – teils schon fast derben – Motivationssprüche tragen ihren Teil dazu bei, dass es hier um „Glory through Suffering“ geht!

GCN

Das Global Cycling Network ist den meisten wohl bekannt, entweder von Beginn an durch den gleichnamigen Youtube-Kanal oder aber durch andere Aktivitäten, ist GCN doch mittlerweile an vielen Ecken aktiv. Bei den Trainings auf Wahoo Systm wird man von den bekannten GCN-Gesichtern nach dem Muster eines Gruppentrainings durch Einheiten geführt. Viel mehr gibt’s dazu nicht sagen. Ich persönlich bin kein immens großer Fan von GCN, daher ist für mich der Reiz dieser Videos überschaubar, wer jedoch eine entsprechende Affinität besitzt, für die oder den ist das aber vielleicht genau das richtige!

Inspiration

Hier sind tendenziell eher lockere oder ruhigere Einheiten gesammelt, während derer man mit spannenden, aufschlussreichen oder inspirierenden Videos aus der Welt des Radfahrens bei Laune gehalten wird. Es hat etwas von Youtube-Schauen mit Trainingsreizen und das Programm ist vielfältig: ganze Filme wie das großartige „A Sunday in Hell“, Dokus der Rennteams, inspirierende Radreisen mit Lael Wilcox, Making an Hour-Record mit Rohan Dennis, die „Outskirts“-Filmreihe, „Thereabouts“ oder aber Dokus und Blicke hinter die Kulissen einer Welt von Tommeke, Wout van Aert und Mark Cavendish.

Wahoo Fitness

Ehrlicherweise weiß ich nicht genau, was man mit den Trainings dieser Kategorie machen soll bzw. wo sie hingehören. Es handelt sich um jeweils vier Sets von Trainings (jeweils Endurance und Race Pace), die allesamt sehr lang sind und ohne Video daherkommen und damit wohl auch für die Ausübung draußen gedacht sind.

NoVid

Wobei genau für die Ausübung draußen gibt es dann eben auch eine eigene Kategorie von Einheiten ohne Video-Unterstützung oder –Ablenkung. Man kann diese natürlich auch am Hometrainer abspulen, bekommt dabei dann aber eben nur die Balken des Trainings und der Intervalle angezeigt. Die Möglichkeit, diese Videos auf den Radcomputer zu transferieren, legt aber nahe, dass man diese „mit raus nehmen“ sollte. Inhaltlich ist da alles dabei, was man sich nur denken kann – Intensitäten, Zonen, Längen, alles.

A Week with

Nummer eins der – in meinen Augen – spannendsten Channels machen die Trainings, in denen man eine Woche lang (5-6 Tage) einen Pro bzw. bekannten Radler „begleiten“ kann und gemeinsam mehrere Trainingsblöcke durchläuft. Zur Auswahl stehen hier derzeit Phil Gaimon, Neal Henderson und Ian Boswell. Dabei ergeben sich spannende Einblicke und das Konzept macht Freude und Laune.

ProRides

Weniger Freude und Laune als vielmehr viel Laktat und großen Respekt vor den Leistungen von Profis erzeugen die Pro Rides. Dabei kann man aus unterschiedlichen Rennen und Etappen wählen und einen Pro im Einsatz begleiten. Es werden dafür die echten Leistungsdaten dieses Fahrers bzw. dieser Fahrerin von genau dieser Stage herangezogen und auf die Leistungsstufe des Wahoo Systm-Nutzers bzw. Nutzerin runtergerechnet. Wenn also Tosh van der Sande 400 Watt tritt, sind es auf dem Home Trainer übersetzt 300, der Grad der Anstrengung sollte aber ähnlich sein. Und wie das bei einem echten Rennen ist, gibt es hier keine langen und gleichmäßigen Intervalle sondern ein stakkato-artiges Auf und Ab der Leistungskurve, je nachdem ob man gerade im Windschatten oder an der Spitze fährt, ob es bergauf geht oder bergab, ob man im Peloton mitrollt oder versucht, zur Spitzengruppe aufzuschließen. Wie schon erwähnt, erzeugt das (zumindest bei mir) einen sehr hohen Realitätseindruck, es ist als wäre man tatsächlich mitten im Rennen dabei. Zum anderen ist der Einblick in die Welt und die Leistungsfähigkeit von Profis etwas ganz besonderes und mein Respekt für die Leistungen steigt angesichts solcher Programme massiv an. Die Pro Rides sind aus meiner Sicht jedenfalls eines der großen Alleinstellungsmerkmale von Systm und sollen laut Hersteller noch weiter ausgebaut werden.

On Location

Michael Cotty ist vielen von den Youtube-Videos des Col Collective bekannt – schon dort hat er in einer schönen Mischung Radsport, Tourismus, Geografie und Geschichte vermischt und als Reiseberichte von den schönsten Radsport-Bergen der Welt ins Netz gestellt. Ähnlich läuft das nun bei den „On Location“-Videos in Systm ab: Reiseführer Cotty leitet dabei Trainingseinheiten durch wunderbare Radsportregionen wie die Pyrenäen, die Provence oder die Mittelmeerküste. Dabei läuft ein strukturiertes Training ab, das zur Topographie und zur Strecke passt, gleichzeitig erhält man in kurzen Einspielern, Informationen über Land und Leute, lokale Bräuche, Architektur und Kulinarik. Das kommt meiner persönlichen Art des Radfahrens sehr nahe – so ein Format nun auch für meine Indoor-Trainings zur Verfügung zu haben, macht mich sehr zufrieden.

Fitness Test

Zum Abschluss hier noch jene Kategorie, die eigentlich am Beginn und vor allen anderen Trainingseinheiten stehen soll – Leistungentests! Werden hier doch die Basiswerte ermittelt und festgelegt, nach denen sich die Intensitäten aller darauffolgenden Aktivitäten orientieren. Neben dem bekannten Rampentest wird man hier allerdings eines vergeblich suchen: den klassischen FTP-Test!

4DP statt FTP

Wahoo bzw. deren Head Coach Neal Henderson setzen statt FTP auf „4DP“ – Four-Dimensional Power. Die vier Superpowers sind Neuromuscular (Sprints), Anaerobic Capacity (Attacken), Maximal Aerobic Power (Klettern) und FTP (Ausdauer). Diese vier Aspekte sind beim 4DP-Fitness Test alle gleich gewichtet und werden dementsprechend auch gleichwertig ermittelt, anstelle eines FTP-Tests, der sich „nur“ auf die 20 Minuten FTP konzentriert. Der 4DP-Test ist auf den ersten Blick dann auch angsteinflößend, soll man doch neben dem bekannten 20 Minuten FTP-Test auch noch zusätzlich 5 Minuten Anaerobic, Sprints und Over-Threshold fahren. Der Test macht dann auch nicht wirklich Spaß – so ist es aber grundsätzlich bei allen diesen Tests… Am Ende hat man jedoch ein recht komplett wirkendes Profil seiner Stärken und Schwächen.

Mein persönliches Profil gibt beispielsweise aus, dass ich ein „Sprinter“ bin (wo ich doch viel lieber ein Puncheur sein wollte…). Viel spannender ist allerdings ein Blick in die detaillierteren Analysen, die Systm aus dem 4DP-Test zieht. So wird mir attestiert, dass es nicht wirklich möglich ist, meinen FTP-Wert zu erhöhen, solange mein „MAP“-Wert nicht zuerst gesteigert wurde. Ich sollte mein Trainings also zuerst auf meine Maximum Aerobic Power konzentrieren, um dann in Folge erst meinen FTP-Wert weiter steigern zu können – ein spannender Aspekt, den ich zuvor noch nicht so betrachtet habe.

Knowledge Base

Wer grundsätzlich mehr Interesse an solchen und anderen trainingswissenschaftlichen Hintergründen hat und auch inhaltlich verstehen möchte, warum er oder sie jetzt gerade so oder so viel Watt treten soll, der/die findet auf der Plattform auch recht ausführliche Artikel, Hintergrundinformationen und Blogbeiträge zum Thema Training.

Trainingsplan

Allerdings ist kein Einzeltraining effektiv, wenn es aus dem Kontext gerissen wird. Grundintention der Plattform bzw. eines gewünschten Leistungszuwachses ist daher, einen Trainingsplan zu starten. Im Ablauf schaut das so aus, dass man den oben erwähnten 4DP-Leistungstest absolviert, sein Profil erhält, gewünschte Sportarten, Zeitraum und Intensität  wählt, optional Yoga, Kraft- und Mentaltraining oben drauf packt und fertig ist der Trainingsplan. Dabei sind dem Design des Trainingsplans wenig Grenzen gesetzt, man sollte jedoch halbwegs wissen, wo die eigenen Möglichkeiten liegen – und damit meine ich weniger die individuelle Leistungsfähigkeit als die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten, den Trainingsplan auch durchzuziehen. Kann man den Trainingsplan zeitlich bewältigen? Ist die Anzahl der Einheiten richtig gewählt? Ist die Intensität eh nicht zu hoch? Solche Fragen sollte man sich selbst (kritisch) stellen oder aber mit einem Trainer oder eine Trainerin besprechen, bevor man sich in das mehrwöchige Korsett eines Trainingsplans begibt. Denn es muss auch klar sein, dass die Ergebnisse eventuell nicht die erwünschten sind, wenn man nur halbherzig jede zweite oder dritte Einheit bestreitet. Ansonsten gefällt der Modus Trainingsplan sehr gut, vor allem der Fokus auf die spezifischen Bereiche (gemäß 4DP) vermittelt den Eindruck, dass man tatsächlich bei jeder Einheit sieht, wofür das ganze gerade gut ist.

Manko – wie bei jedem (online) Trainingsplan – ist jedoch, dass man den Trainingsplan nur bedingt „mit nach draußen“ nehmen kann. Zwar lassen sich etliche Videos auch am Wahoo speichern und (als „NoVid“ sowieso) auch im Freien absolvieren. Umgekehrt fehlt aber die Möglichkeit, Einheiten von Draußen in den Trainingsplan zu integrieren oder in Systm abzubilden. Was im Winter eher weniger ein Problem ist (weil man vielleicht ohnehin lieber drinnen bleibt), ist in der Übergangszeit und im Sommer mitunter schwierig.

Der in Systm integrierte Kalender gibt eine guten Überblick über die absolvierten Trainingseinheiten, bildet aber eben „nur“ Systm-eigene Einheiten ab. Der Umweg über eine andere Plattform (z.B. Strava) gibt dann zwar ein vollständiges Bild der Trainings und Ausfahrten wieder, hat aber eben keinen Einfluss auf die Trainingsplanung.

Mein persönliches Fazit zu den Trainingsplänen ist ein gemischtes. Ich war noch nie konsequent und ehrgeizig genug, meinen Rad-Alltag einem Plan zu unterwerfen. Als Berufstätiger und Vater fehlt mir außerdem auch oft die Zeit (oder die Energie), um die Einheiten des Tages dann auch entsprechend unterzubringen. Allerdings ist es toll, im Hintergrund so etwas wie eine grobe Guideline zu haben, worauf man seine Trainingseinheiten fokussieren sollte. Und das nutze ich gerne und so oft ich kann!

Gamification

Heutzutage geht nichts mehr ohne Gamification und viele – ich auf jeden Fall! – sind da auch empfänglich dafür. (Und wenn es dabei hilft, besser auf dem Rad zu werden, dann gerne…). Es gibt auf der Plattform zahlreiche Goodies, Achievements, Badges und Belohnungen, wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei anderen Plattformen. Die soziale Gamification entfällt auf Systm, da ist man eher als Einzelkämpfer dabei. Gamification im weiteren Sinne sind dann auch die Videos und deren Aufbau, die auf spielerische Art und Weise versuchen, den User und die Userin vom harten Trainings abzulenken – sei es durch Abwechslung, Ablenkung oder Zuspruch! Die Möglichkeiten der Plattform sind groß und zahlreich genug, dass man länger dran Freude finden kann und bei der Sache bleibt.

Technisches

Systm läuft auf Windows, macOS, iOS und Android, der benötigte Speicherplatz und die restlichen Systemanforderungen sind sehr überschaubar. Zum Abspielen der Videos ist eine aktive Internetverbindung erforderlich, ist diese zu langsam werden die Videos runterskaliert oder im schlimmsten Fall „pausiert“ – das Training läuft dabei im Hintergrund weiter. Es gibt allerdings die Möglichkeit, ausgewählte Videos vorab herunterzuladen und lokal abzuspeichern, damit lässt sich die erforderliche Internetverbindung elegant umgehen. Videos müssen allerdings einzeln zum Download ausgewählt werden (bei Trainingsplänen wäre es beispielsweise toll, wenn man alle Einheiten einer Woche auf einmal runterladen könnte), außerdem steigt damit natürlich der lokale Speicherplatzbedarf (rund 1GB pro Video-Stunde) – das könnte für all jene unter uns problematisch werden, die auf dem iPhone schon 30.000 Fotos ihrer Kinder oder Katzen gespeichert haben…

Idealerweise nützt man Systm mit einem Smart Trainer, dessen Widerstand von der Software gesteuert wird. Die Geschwindigkeiten sind virtuell und mehr oder weniger willkürlich, geht es doch in erster Linie um Wattvorgaben und nicht darum, wie schnell man im Programm unterwegs ist. Ähnlich vernachlässigbar sind etwaige Climb-Funktionen wie beim Wahoo Kickr Bike.

Fazit

Ich bin ein ganz schlechter Trainierer und die Vorstellung von strukturiertem Training lässt mich erschaudern. Umso dankbarer bin ich für jeden (spielerischen) Input, der mich dazu treibt, doch mehr zu machen, als nur spazieren zu fahren oder lockere Einheiten zu absolvieren. Systm drängt mich dazu, mich aus meiner Komfortzone zu bewegen, schreit mich an, treibt mich an, hilft mir aber gleichzeitig auch, wenn es gerade hart ist. Die Videos von Sufferfest vermitteln etwas von einem vermeintlich archaischen (und in meinen Augen an sich veralteten) Heldentum, dem klassischen „Glory through Suffering“ – das mag einem ge- oder missfallen, ehrlicherweise ist es aber ein gutes Gefühl, wenn man sich erfolgreich durch eine harte Einheit gekämpft hat und den belohnenden Finish-Screen präsentiert bekommt. Mehr mein Metier sind die „On Location“-Videos mit Michael Cotty, in denen ich durch Geografie und Geschichte davon abgelenkt werde, dass mir gerade der Schweiß von der Stirn tropft. Definitiv was Neues und Spannendes sind die ProRides, da fällt mir auf die Schnelle keine andere Plattform oder Software ein, die etwas vergleichbares bieten kann – spannend und fordernd und ein toller Einblick in das, was ein Profi leistet.

Bei monatlicher Bezahlung sind für Wahoo Systm 16,49 Euro zu berappen, im Jahresabo wird es etwas günstiger. Der Preis liegt damit irgendwo zwischen Zwift und Trainerroad. Wer von Zwift kommt und etwas mehr Struktur und neue Inputs abseits der puren Gamification und den „social features“ sucht, für den ist Wahoo Systm eine spannende Option. Wer nur pures Training haben möchte – ohne Ablenkung und ohne weitere Inputs, der ist eher bei Trainerroad zuhause.

Nachdem für mich dieses Jahr einige größere Projekte auf dem Plan stehen und ich meine „Junk Miles“ zumindest eine Spur reduzieren möchte (auch wenn sie am meisten Spaß machen), kommen mir die strukturierten Trainingsoptionen von Systm genau recht. Ich persönlich werde daher auch den beginnenden Sommer über die Optionen von Systm nutzen, wenn sich ein Fenster für ein kurzes Training ergibt. Fast noch etwas wichtiger sind mir aber im Moment die Angebote des Kraft- und Rumpftrainings – hier habe ich seit jeher meine Defizite und auch hier bin ich über eine etwas spielerische Option dankbar, die mich zumindest ab und zu auf die Trainingsmatte bekommt!

Für 14 Tage kann man Systm übrigens gratis testen, macht euch gerne selbst ein Bild! Viel Spaß und „Ride On“ (oops nein, das sagt man ja auf der anderen Plattform…) ;)

Pläne für 2021? Pläne für 2021!

2020/2021

Noch nie war ein Ausblick auf das kommende Jahr schwieriger als dieses Mal - und wir reden hier einmal „nur“ vom Radfahren... Ich wollte mit meinem traditionellen Jahresausblick bis Mitte/Ende Jänner warten, da für diesen Zeitpunkt ein Ende des 3. Lockdowns vorhergesagt war. Nun schaut es nicht danach aus, als würde sich in nächster Zeit die gewünschte „neue Normalität“ einstellen. Nach dieser Logik wird sich auch nicht allzu schnell aufklaren, wie das Jahr 2021 in radsporttechnischer Sicht ablaufen wird - insofern starte ich einfach mal ins neue Jahr, komme was da wolle.

Veranstalter, Organisatoren, Fahrerinnen & Fahrer müssen zu einem gewissen Grad ja auch so tun, als würde alles (schnell) gut - sonst müsste man ja den Kopf in den Sand stecken und von Anfang an resignieren. Das wollen wir alle nicht!

Ich habe schon zum Ende des ersten Corona-Lockdowns im Mai 2020 geschrieben, welche Veränderungen das Virus mit sich bringt bzw. wie sich unser Verhalten und unsere Gewohnheiten in Bezug auf das Rad verändern könnten. Jetzt ist bald ein Jahr vergangen, seit Corona seinen Anfang genommen haben und es ist noch immer nicht klar, wohin die Reise gehen wird. Und wie das berühmt-berüchtigte „New Normal“ aussehen wird, traut sich auch keiner zu sagen. Das Mindeste wird sein, dass wir auf Group Rides künftig das Schnäuzen nach hinten verbieten werden... :)

Indoor

Glücklich wer einen Smart Trainer besitzt oder noch rechtzeitig ergattern konnte. Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen und Social Distancing legen nahe, zuhause zu bleiben und die Trainingseinheiten auf dem Indoor Trainer zu absolvieren. Zwift und die anderen Virtual Cycling-Plattformen haben dementsprechend massiven Zulauf. Und was jetzt noch zu einem großen Teil auch den widrigen Wetterbedingungen geschuldet ist, wird uns wohl auch noch ein Stück weit in den Frühling begleiten. Glücklicherweise ist das Fahren auf der Rolle mit Zwift & Co kurzweilig und spannend - zahlreiche Rennen, organisierte Events und Serien sorgen dabei zusätzlich für Abwechslung.

Und dann ist da noch die Geschichte mit dem „e-Cycling“. Ob Zwiften jetzt e-Sports ist oder nicht, was e-Sports bedeutet (oder nicht) und ob sich ein künftiger Zwift-Weltmeister mit professionellen World of Warcraft-Spielern vergleichen muss, lasse ich jetzt einmal ausgeklammert. Fakt ist jedoch, dass e-Cycling gekommen ist, um zu bleiben. Egal ob das die WM auf Zwift ist oder die vom Radsportverband initiierte e-Cycling Liga in Österreich. Sicher sind es andere Fähigkeiten, die erfolgreiche Fahrer*innen mitbringen müssen, sicher wird e-Sports das klassische Radrennen über Kopfsteinpflaster nicht ersetzen und auch einige Dinge rund um e-Doping und technische Rahmenbedingungen sind noch nicht restlos geklärt. Aber es wäre in meinen Augen ein Fehler, sich dem Thema vollständig zu verschließen.

Handel

Ein Wort noch zu jenen, die keinen Smart Trainer mehr ergattern konnten: 2021 wird uns wohl auch im Handel vor eine bis jetzt unbekannte Situation stellen. Der Radhandel ist zwar grundsätzlich mit einem blauen Auge durch die Corona-Krise gekommen. Viele Menschen haben Bewegung und Sport für sich entdeckt, dementsprechend wurden alle verfügbaren Räder, Helme und Teile verkauft, um diese Bedürfnisse zu stillen. Dieser enormen Nachfrage steht aber insofern ein geringeres Angebot gegenüber, als auch sämtliche Hersteller (vor allem zu Beginn der Pandemie in China) ihre Produktion einstellen oder drosseln mussten. Und dieser Rückstand wurde bis heute nicht aufgeholt. Ich bin gerade dabei, dieses Thema noch genauer aufzuarbeiten (für einen eigenen Beitrag), aber im Endeffekt werden wir 2021 keine bis wenig Teile und Räder in den Läden sehen.

Events

Der klassische Radmarathon wird es wohl auch 2021 noch schwer haben, gibt es doch weiterhin zahlreiche Unwägbarkeiten, was die Durchführbarkeit von Großveranstaltungen betrifft. Der einhellige Tenor der Veranstalter ist dennoch - natürlich! -, dass man die Events wie vorgesehen plant und vorbereitet. Dazu sind die Organisatorinnen und Organisatoren zu leidenschaftlich bei der Sache, als dass sie die Zeit tatenlos verstreichen lassen würden... Wir werden daher in den nächsten Wochen und Monaten zahlreiche Termine und Einladungen zu Radmarathons und Rennen sehen - von den großartigen Rennen der Austria Top Tour über das Race Around Austria bis hin zu King of the Lake und In Velo Veritas. Und ich für meinen Teil werde auch gerne einige dieser Rennen in meinen Kalender eintragen und mich anmelden. Ich bin optimistisch, dass wir in irgendeiner Form ab Sommer doch Rennen fahren werden, ich möchte auf der anderen Seite aber auch die Veranstalter in ihrer Anstrengung unterstützen. Neben dem klassischen Wochenendevent, in dem man - Lenker an Lenker - an der Startlinie steht, werden aber auch zahlreiche Alternativen sprießen. Die Salzkammergut-Trophy hat es im Vorjahr musterschülerartig vorgemacht und ich war nur einer von sehr, sehr vielen, die die „Trophy individuell“ in Angriff genommen haben. Veranstaltungsvarianten, in denen man auf eigene Faust eine ausgeschilderte oder vielleicht gezeitete Strecke befährt, werden zwar „richtige“ Rennen nicht ersetzen können, es gibt aber auch eine große Zahl an Radlerinnen und Radlern, die genau so ein Format bevorzugen. Toll, wenn es hier in Zukunft vielleicht immer zwei Formate gibt, aus denen man das für sich passende wählen kann.

Bucket List

Aber 2020 hat noch etwas anderes gezeigt, nämlich den Trend zu selbstorganisierten Trips, dem Erkunden der näheren Umgebung und einen gewissen Hedonismus des Radfahrens. Und so habe ich für mich eine lange „Bucket List“ verfasst. Also in Gedanken hatte ich sie schon länger, aber jetzt habe ich erstmals ein paar Dinge niedergeschrieben. Deshalb hier - ohne viel Erklärung und Tam-tam - meine unvollständige, lose, unzusammenhängende und chaotische To-Do-Liste, aus der ich 2021 nach Lust und Laune wählen kann:

- Ich habe mich 2020 in die Dolomiten verliebt. 2021 werde ich wieder Richtung Cortina und Corvara aufbrechen und mich - langsam aber voll Genuss - über zahlreiche Dolomitenpässe arbeiten. Valparola, Fedaia und Pordoi - ich komme! #WaitforIT

- Mein BMC-Gravelbike hat mich im abgelaufenen Jahr über Wege und zu Orten geführt, die ich mit dem Rad nicht wirklich am Schirm oder für möglich gehalten hatte. Auf viele verrückte, hochalpine, geländegängige und abenteuerliche Gravel-Rides mehr in 2021!

- Die „Wandrer“-App hat meine Neugier geweckt, neue Regionen und Ecken zu erkunden. So habe ich beispielsweise von 4.400 Kilometern Wegenetz in Wien bereits rund 1.400 „erfahren“ und dabei neue Facetten und Gesichter meiner Heimatstadt kennengelernt. Prädikat wertvoll.

- Ich möchte beginnen, die „Monsters of Carinthia“ zu befahren, jene einsamen und steilen asphaltierten Wege zu den KELAG-Kraftwerken und -Stauseen im Kärntner Mölltal. Was Dümmeres kann ich mir zwar nicht aussuchen - 87 Kilogramm vertragen sich eben nur schwer mit 15 Prozent durchschnittlicher Steigung auf 9 Kilometern -, aber egal... Die Ausblicke sollen schön sein :)

- Dolomiti Superbike ist so etwas wie die italienische Variante der Salzkammergut Trophy - dort möchte ich einmal starten.

- Beim King of the Lake steht ein Start im Vierer-Team auf meiner Wunschliste - idealerweise mit meinen Vereinskollegen vom PBIKE-Racing Team. Die können mir vielleicht eher verzeihen, wenn sie mich auf den letzten Kilometern Richtung Ziel ziehen müssen...

- Vrsic und Mangart stehen schon länger auf meiner Bucket List, als dieser Blog existiert. Kleines Augenzwinkern an dieser Stelle an meine Verwandtschaft in Kärnten, die mir die Begleitung auf dieser Tour zugesagt hat. ;)

- Ich möchte mein Rad mitnehmen, wenn ich in Österreich unterwegs bin, eventuell einmal am Weg stehenbleiben und irgendwo eine Runde drehen. Es gibt so viele schöne Ecken und ich denke mir so oft - egal ob aus dem Zug oder dem Auto heraus: hier würde ich gerne eine Runde fahren.

- Ich möchte mehr fotografieren und filmen - auf dem Rad, neben dem Rad, Shootings, Organisiertes und Spontanes. Wer Lust und/oder Ideen hat, immer nur her damit: martin@169k.net

- Stelvio, Ventoux, Nivolet... Ach! Die Liste könnte noch ewig weitergehen...

Bleibt gesund und hoffnungsvoll! Ich freue mich auf ein weiteres tolles Jahr, denn am Ende des Tages muss man auch anerkennen, dass wir alle gemeinsam den schönsten Sport überhaupt ausüben. Alleine das sollte uns schon eine kleine Portion Glück bescheren. Ich freu mich auf viele tolle Aktionen, Events, Ausfahrten, Fotos, Videos, Podcast, Group-Rides, Workshops und auf euch! Ride On!

8 Virtual Cycling Apps im Test

"Es ist Winter und kalt draußen und unter manchen Umständen ist es einfach angenehmer, drinnen auf der Rolle zu fahren". So oder so ähnlich würde dieser Blogpost starten, wenn nicht 2020 wäre. Dieses Jahr kommen noch diverse Lockdowns, Quarantänen und Homeoffice dazu, die dem Indoor Cycling einen massiven Schub verpasst haben. Der scharenweise Zulauf zu diversen Trainings- und Unterhaltungsplattformen hat der ganzen Branche eine neue und zusätzliche Dynamik verpasst.

Platzhirsch ist fraglos Zwift, das 2013/2014 eines der ersten umfassenden Angebote auf den Markt gebracht habt. Seitdem hat sich auf Zwift viel getan und auch zahlreiche andere Player sind aufgetaucht - manche mit ähnlichen Angeboten, andere mit eigenen (guten) Verkaufsargumenten oder Alleinstellungsmerkmalen. Dass Zwift die Nummer Eins ist, haben nicht zuletzt zwei Ereignisse aus der kürzeren Vergangenheit gezeigt: Einerseits ist da die erste Virtual Cycling Weltmeisterschaft, die Anfang Dezember 2020 auf Zwift stattgefunden hat, zum anderen ein Investment von 450 Millionen US-Dollar, das Zwift im September diesen Jahres eingesammelt hat und das wohl für die Zukunft einiges an Erwartungen schürt.

Für diesen Blogpost möchte ich Zwift jedoch außen vor lassen. Ins Scheinwerferlicht werden die Alternativen gerückt. Ich habe über die letzten Wochen hinweg acht Alternativen getestet und ausprobiert und möchte meine Erkenntnisse und Erfahrungen mit euch teilen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit - jede App auf Herz und Nieren durchzutesten, würde jeglichen Zeitrahmen sprengen. Und wie immer sind meine Eindrücke und Meinungen natürlich subjektiv und meine eigenen :)

Zu jeder App bzw. jedem Programm gibt es in Folge eine kurze Zusammenfassung, dann eine Typen- und Kaufberatung und am Ende eine tolle Tabelle mit allen Informationen und zusätzlich auch noch ein Video, schließlich soll man ja auch sehen, wie das ganze in Action aussieht. Im Video gibt es darüberhinaus als Draufgabe einen "Special Guest" - da kann sogar der DC Rainmaker einpacken ;) Und weil es etwas mehr zu erzählen gibt, hier ein Inhaltsverzeichnis:

  1. Rouvy

  2. Kinomap

  3. Fulgaz

  4. Bkool

  5. RGT Cycling (Road Grand Tours)

  6. Sufferfest

  7. Trainerroad

  8. GPX am Wahoo Elmnt

Nicht getestet habe ich die Software von Tacx, die eigene Videos zum Nachfahren anbietet. Außerdem war es nicht möglich, "Velothon" zu testen - eine vielversprechende Software, die sich allerdings seit mittlerweile schon zwei Jahren im Beta-Stadium befindet.

Rouvy

Wenn man dem Gros der Stimmen aus dem Internet glauben schenken möchte, hat Rouvy die besten Karten, der Hauptkonkurrent von Platzhirsch Zwift zu sein. Das tschechische Unternehmen hat es 2020 auch geschafft, "Austragungsort" einiger offizieller Rennen zu sein, bspw. der virtuellen Flandern-Rundfahrt.

Rouvy bietet eine große und gute Auswahl an qualitativ hochwertigen (realen) Streckenvideos, man bewegt sich also auf "echten" Straßen und nicht in einer virtuellen Spielwelt. Die Videos laufen flüssig und die Synchronisation mit dem eigenen Tempo funktioniert sehr gut.

Was man auf Zwift eventuell nie hinterfragt, einem allerdings bereits bei der ersten alternativen App auffällt, ist die "Trainer Difficulty". Auf Zwift ist es nicht ungewöhnlich, auf dem großen Blatt einen sagen wir 8-10% steilen Anstieg hinaufzufahren - in erster Linie liegt das daran, dass Zwift default-mäßig den Trainerwiderstand niedrig anlegt. Auf Rouvy (und in allen anderen Apps dieses Tests) schaut das anders aus, 10% in der App fühlen sich auch an wie 10% draußen - zumindest merkt man das an der Gangwahl. Dementsprechend ist auch das Geschwindigkeitsgefühl und die Art und Weise wie man vorankommt realistisch und nahe an der Wirklichkeit.

Die Strecken und Anstiege sind in kleinere Abschnitte unterteilt, die alle ihre jeweilige Steigung hinterlegt haben. Die Steigungswechsel sind flüssig und entsprechen im Großen und Ganzen auch dem, was man am Bildschirm vor sich sieht. Wer die unmittelbaren und flüssigen Steigungsübergänge von Zwift gewöhnt ist, könnte allerdings bei den ersten Fahrten etwas irritiert sein.

Die Fahrer schauen aus wie Football Spieler, haben einen steifen Oberkörper und bewegen sich wie Roboter. Die Bewegungen wirken unnatürlich und auch die Dynamik passt irgendwie nicht zu dem was man macht - so steht der Fahrer zum Beispiel nicht auf, wenn die Trittfrequenz sehr niedrig ist. Sie schauen auf jeden Fall nicht aus wie Radfahrer - Vicenza Nibali wäre noch mehr ein Strich in der Landschaft neben einem Rouvy-Avatar - und wenn man in Ruhe das Grödner Joch hinauf fährt, irritiert der Avatar fast ein bisschen. Praktischerweise kann man den Avatar aber auch einfach ausblenden und so einen ungestörten Blick auf die Strecke erhaschen.

Andere Fahrer sind zwar (vereinzelt) auf den gleichen Strecken unterwegs und man sieht auf der linken Seite des Bildschirms ein "Leaderboard" bzw. eine Liste der Fahrerinnen und Fahrer, Interaktion ist allerdings keine möglich.

Gamifikation oder anderen Kurzweil sucht man eher vergeblich - wenn man direkt von Zwift kommt, kann das ungewohnt sein. So gibt es zwar "Wertungsbögen" auf den Strecken bei Halbzeit, dort passiert allerdings nichts weiter als dass die eigene Zeit angezeigt wird.

Reizvoll sind hingegen der Karrieremodus, in dem man Stufe für Stufe Erfahrungen sammelt und vom Rookie zum Profis heranwächst. Badges, Challenges und organisierte Rennen bieten Herausforderungen abseits des einsamen Abfahrens von Strecken. Auch Trainingsprogramme sind im Funktionsumfang von Rouvy enthalten, wenn diese auch - für mich nicht ganz nachvollziehbar - noch einmal in einer eigenen App untergebracht sind.

169k-Testergebnis: Gute Strecken und Videos und die größte Verbreitung hinter Zwift. Die Umsetzung ist gut und die App macht Spaß, aber nur wenn den ungelenken Avatar ausblendet.

Kinomap

Auch bei Kinomap liegt der Fokus auf realen Videos, anhand derer man sich durch die ganze Welt bewegen kann. Die Auswahl an Videos ist sehr groß und man weiß im ersten Moment gar nicht, wonach man filtern oder suchen soll. Dafür ist die Suchfunktion aus meiner Sicht auch nicht wirklich ideal, das haben andere Mitbewerber etwas besser gelöst. Aber es ist definitiv für jede und jeden etwas dabei.

Während der Aktivität fährt man die Videostrecke ab, es gibt keinen Avatar der ablenkt. Es sind zwar andere Fahrer auf der gleichen Strecke unterwegs, ein Aufeinandertreffen hat allerdings keine Auswirkungen und es ist auch keine Interaktion möglich oder vorgesehen.

Zwei Dinge fallen aus meiner Sicht bei Kinomap am schlechtesten (in dieser Auswahl von Apps) aus: Einerseits ist die Anpassung der Geschwindigkeit der Videos bzw. die Synchronisierung des Videos zur gerade erbrachten Leistung am Rad am diffusesten. Manchmal scheint das Video fast etwas zu ruckeln, wie wenn das Programm nicht genau wüsste, was man auf dem Rad gerade macht. Natürlich fällt dies eher bei Videos auf, wo noch andere Fahrer, Fußgänger oder Autos unterwegs sind, aber mich persönlich irritiert es ein wenig. Und alles was "unnatürlich" aussieht, trübt bei mir recht schnell den Spaß. Auf einer anderen Strecke war ich bergab mit 75 virtuellen km/h unterwegs, während das Video im Schneckentempo abgespielt wurde.

Weiteres "Problemfeld" sind aus meiner Sicht die Steigungen in Kinomap. Diese sind nämlich auf recht große Abschnitte "ausgebreitet" - soll heißen, dass zum Beispiel im Anstieg zuerst ein 550 Meter langer Abschnitt mit 5,4 Prozent kommt, danach ein 300 Meter langer Teil mit 7,3 Prozent, danach 800 Meter mit 2,3. Alles in allem erzeugt das nicht nur eine irgendwie abgehackte Fahrt sondern auch einen unrealistischen Eindruck der realen Strecke. Ich konnte nicht herausfinden, ob das nur bei den von mir getesteten vier Strecken der Fall war oder bei allen Videos auf Kinomap. Normalerweise werden Videos mit einem dazugehörigen GPX-File eingereicht und angeboten, dementsprechend sollte eigentlich ein detailliertes und feiner unterteiltes Höhenprofil möglich sein.

Es gibt Workouts, die allerdings recht rudimentär daherkommen, einen Challenge-Mode gegen die Zeit und eine gute Mischung aus Features. Für manche mag auch ein Kriterium seien, dass bei Kinomap nur sehr wenige Strecken aus Österreich zur Auswahl stehen.

169k-Testergebnis: Leider vermiest die technische Umsetzung (vor allem die seltsame Steigungsdynamik) jeglichen Spaß am Radfahren.

Fulgaz

Öffnet man Fulgaz zum ersten Mal landet man in einem optisch wenig anspruchsvollen und irgendwie seltsam strukturierten Hauptmenü. Das war es dann aber auch schon mit den Kritikpunkten!

Es gibt einen Haufen Videos realer Strecken, die auf ein Nachfahren warten. Die Sortierung und Suchfunktion ist die beste aller Apps, die Unterteilung ist sinnvoll und man findet schnell, was man sucht oder worauf man gerade Lust hat. Neben den klassischen Kategorien "Berg", "lange Strecken" und "flach" gibt es außerdem - als einzige App - sogenannte Sightseeing-Strecken und auch eine Hand voll Mountainbike-Trails. Am anderen Ende des Regenbogens führt die Ironman Kona Strecke die Liste der "Long Runs" an. Viele Videos sind außerdem auch in 4K-Auflösung verfügbar - ein Alleinstellungsmerkmal im Strauß der Virtual Cycling Apps. (Auch wenn mir persönlich der unmittelbare Nutzen von 4K - mangels geeigneter Abspielgeräte - nicht so wichtig ist...).

Neben der hohen Qualität der Videos ist mir persönlich die gute Synchronisation mit den eigenen Leistungen am wichtigsten - und die funktioniert bei Fulgaz hervorragend. Der Widerstand ist im Mittelfeld, kann allerdings individuell angepasst werden. Die Steigungswechsel sind recht flüssig, die Übergänge gut ausgestaltet - damit ist man recht nahe an der Realität dran und das Videobild stimmt auch mit dem überein was man spürt.

Als einzige App mit realen Streckenvideos kann man bei Fulgaz einzelne Videos lokal herunterladen und damit auch offline trainieren.

Es sind keine anderen Fahrerinnen oder Fahrer auf den Strecken unterwegs - nichts verstellt den Blick auf die Straße, die man neben Video auch als Kartenansicht oder Satellitenbild von oben genießen kann.

169k-Testergebnis: Mein Favorit, wenn man reale Streckenvideos und gute technische Umsetzung haben möchte.

Bkool

Bis vor kurzer Zeit war Bkool noch Hersteller von Rollentrainern, mittlerweile dürften sich die Spanier voll und exklusiv auf ihre App konzentrieren.

Auch hier geht es auf realen Strecken zur Sache, allerdings bietet Bkool als einzige App die Möglichkeit, während der Fahrt zwischen Video, virtueller Strecke und Kartenansicht zu wechseln. Wem das Video mit der echten Strecke und dem realen Verkehr zu viel sein sollte, kann also jederzeit - sofern verfügbar - in eine virtuelle Welt entfliehen, die anhand der GPX-Daten modelliert ist. Auf diese Art und Weise kommt zusätzliche Variation und Abwechslung in die ganze Geschichte.

Bevor man jedoch in die Pedale tritt, empfängt einen die App mit einem gut gemachten und umfassenden Intro, einer Vorstellung der verfügbaren Funktionen und einer entsprechenden "Einschulung" - Pluspunkte dafür! Punkteabzug und großes Unverständnis gibt es von mir allerdings für das Video, das im Rahmen des Tutorials verwendet wird. Hier wäre man mit so gut wie jedem anderen Video besser bedient gewesen und der erste Eindruck wäre jedenfalls ein besserer gewesen.

Neben dem Einführungsvideo finden sich noch zahlreiche andere, die verwackelt oder seltsam schief daherkommen oder einfach nicht gut gefilmt sind. Hier haben alle Apps mit realen Strecken wohl unterschiedliche Herangehensweisen in Bezug auf Streckenauswahl, Videoübermittlung und Qualitätssicherung. Mich persönlich konnten die Videos auf Bkool großteils leider nicht überzeugen - vor allem wenn man Rouvy und vor allem Fulgaz als Benchmark heranzieht.

Teil der Einführung in die App ist auch ein Leistungstest, den man absolvieren muss, um die korrekte FTP anzugeben - ein direktes Eingeben des FTP-Werts ist nicht möglich. Fahren kann man natürlich trotzdem, allerdings geht der Avatar dann schon recht früh aus dem Sattel und die Bewegungen stimmen nicht mit dem überein, was man auf dem Rad macht.

Apropos Übereinstimmung - die Synchronisation zwischen Video und Leistung auf dem Trainer ist solala und eher Mittelfeld, die Steigungen sind zwar gut abgestuft stimmen aber mitunter nur so halbwegs mit dem überein, was man im Video sieht.

Andere Fahrer findet man vereinzelt auf den Strecken, eine Interaktion ist allerdings nicht vorgesehen oder möglich. Mit Trainings, “Live-Strecken” (also quasi organisierten Events) und vielen anderen Features ist für einige Stunden Unterhaltung und Trainingsvariation gesorgt.

Bkool hat übrigens den härtesten Widerstand von allen Apps. Bei 7% Steigung war ich mit 250 Watt bereits im ersten Gang unterwegs...

169k-Testergebnis: Viele Strecken und guter Funktionsumfang, allerdings sind die Videos nicht so hochwertig wie in anderen Apps.

RGT Cycling (Road Grand Tours)

In RGT habe ich persönlich die größten Hoffnungen gesetzt, einen annähernd ebenbürtigen Rivalen zu Zwift zu finden. Und die Grafik des "Spiels" enttäuscht nicht - in bester Auflösung kann man eine der realen Strecken (Stilfser Joch, Cap Formentor, und andere) unter die Räder nehmen. Auch gut gemacht sind die Steigungen und Übergänge, der Widerstand ist realistisch und passt mit dem zusammen, was man am Rad aufführt.

ABER! Was mich absolut fertig macht sind die Bewegungen des Avatars. Und daran ändern auch die ansprechenden Kameraperspektiven und Blickwinkel nichts. Wenn sich der Avatar 100 Meter vor einer Kurve beginnt nach innen zu lehnen aber noch munter geradeaus weiterfährt, dann kann das nicht "realitätsgetreu" sein. Das mag anderen egal sein, mir verdirbt so etwas den Spaß an der App - leider.

Über andere Kleinigkeiten könnte ich sonst noch hinwegsehen: den enormen Ressourcenverbrauch des Programms zum Beispiel, wo ich auf einem halbwegs aktuellen MacBook Pro die Grafikeinstellungen etwas reduzieren muss, um ein flüssiges Bild zu bekommen. Oder die umständliche Lösung mit "Screen App" (am Computer oder iPad) und verpflichtender zusätzlicher "Mobile App" am Telefon. Oder der Tatsache, dass am Ende der Strecke einfach nichts passiert - keine Wertung, keine Zusammenfassung... nur ein Umdrehen und Zurückfahren.

Auch “Magic Roads”, wo man ein eigenes GPX-File einschicken kann und RGT innerhalb von wenigen Minuten in-game eine entsprechende virtuelle Strecke bereitstellt, ist leider nicht so beeindruckend, wie ich es mir erhofft hatte. Zwar bekommt man eine virtuelle Strecke mit den "richtigen" Kurven und Gradienten aber die Landschaft ist ein bleibt eine beliebige und zufällige Insel/Palmen-Mischung. Schon klar, dass man nicht die "echte" Strecke nachgebaut bekommen kann, aber aus meiner Sicht werden hier höhere Erwartungen geschürt, als dann erfüllt werden können.

169k-Testergebnis: Vielleicht bin ich auch nur enttäuscht, weil ich mir von RGT so viel erwartet habe. Aber gute Grafik alleine reicht einfach nicht!

Sufferfest

Sufferfest gehört Wahoo und ist dementsprechend gut in das Wahoo-Universum eingebettet - man kann sich mit einem bestehenden Wahoo-Login anmelden und bei jedem Kickr Smarttrainer ist ein 60-Tage-Test inklusive. Und neben Radfahren bedient Sufferfest auch gleich noch andere Sportarten und -bereiche: Multisport, Yoga, Krafttraining und einiges mehr.

Wenn man sich einen der Trainingspläne von Sufferfest als Grundlage hernimmt, kann man sein komplettes Training inklusive Cross-Activities, Strength und Entspannung in der App absolvieren. Das Ganze ist dabei gut gelöst und einfach zu handhaben.

Bei Sufferfest verabschieden wir uns von klassischen Streckenvideos und Routen, hier geht es um Training anhand von definierten Parametern. Nachdem das eventuell nicht so einfach zugänglich ist, wie das Nachfahren von Straßen, gibt es ein toll gemachtes, unterhaltsames und aufschlussreiches Intro und Tutorial-Video. Hat man dieses absolviert, sind eigentlich alle Fragen beantwortet. Und gleichzeitig fühlt man sich richtig abgeholt und aufgenommen in den Club der "Sufferlandrians". Ein bisschen Übung erfordert es dann trotzdem, bis man die gesamte Systematik durchschaut und internalisiert hat. Für mich war zum Beispiel anfangs schwer, die Wattwechsel mitzugehen - allerdings ist das ein Thema von 2-3 Einheiten, dann geht alles gut von der Hand.

Die Videos sind hochgradig kurzweilig und unterhaltsam, von Szenen aus dem Profi-Peloton über romantische Fahrten durch den Wald bekommt man unterschiedliche Videoschnipsel eingespielt - je nachdem was gerade zum Traininigsblock passt. Anweisungen, Anleitungen und Motivationssprüche sorgen dafür, dass man 1. immer weiß, was zu tun ist und 2. gut unterhalten und motiviert ist. So vergeht die Zeit während dem Training wie im Flug.

In Homeoffice Zeiten lässt sich die App praktisch minimieren, sodass der Bildschirm noch dazu verwendet werden kann Mails zu beantworten. OK, oder Netflix zu schauen...

169k-Testergebnis: Durchdachtes Konzept, das gleichsam unterhält und motiviert. So macht Training Spaß und man bedankt sich auch noch artig, nachdem man sich durch Intervalle gequält hat.

Trainerroad

"Reduced to the max" wäre wohl eine jener Formeln, die an dieser Stelle stehen könnten. Bei Trainerroad geht es nur um eines - Training! Alles andere wird ausgeblendet bzw. existiert erst gar nicht. Nach Avataren, Strecken, Videos, Chats und Gamification sucht man hier also vergeblich - das ist eine andere Zielgruppe.

Trainerroad hat eine immense und vollständige Bibliothek an Trainingsplänen und -einheiten und diese spult man trocken und cool ab - zumindest was Aufmachung und Design angeht. Beim Treten und Trainieren wird es dann ohnehin weniger "cool" zugehen.Mir fallen noch weitere Attribute und passende Adjektive ein: trocken, technokratisch, schick, klar, no bullshit!

Auf dem Bildschirm ist ein Balken zu sehen, der die Watt vorgibt. Diesem zu folgen ist die einzige Vorgabe, die das Programm gibt. Sofern man aus seinem schweißtropfenden Gesicht noch etwas sieht, erhält man gute Anleitungen, Erklärungen, warum man gerade das tut, was man macht und sinnvolle Motivationssprüche.

Da die trockene Aufmachung einigen doch einen Tick zu langweilig sein dürfte, fährt das Gros der User mit Netflix oder TV nebenbei oder aber auch gleichzeitig mit Zwift.

169k-Testergebnis: Maximales Training? Trainerroad! Am weitesten entfernt von einem "Computerspiel" - im positiven Sinn.

GPX am Wahoo Elmnt

Etwas außer Konkurrenz läuft das Nachfahren eines GPX-Tracks auf dem Wahoo Elemnt - handelt es sich dabei doch nicht um eine App im eigentlichen Sinn. Aber auch das ist mitunter eine schöne Möglichkeit, Strecken nachzufahren oder neue kennenzulernen.

Jeder Elemnt hat eine Kickr-Datenseite, die man einmal in der App aktivieren muss und die aktiv wird, sobald ein Kickr in der Nähe zu arbeiten beginnt. Dann ist es möglich, über den Radcomputer den Widerstand des Kickrs zu regulieren oder aber eine GPX-Datei am Elemnt als Strecke auszuwählen. Dieser steuert dann den Widerstand und simuliert die Steigungen.

So kann man - ohne Mehraufwand und Ablenkung - seine Strecken nachfahren, die Auffahrt auf den Mont Ventoux versuchen oder das Zeitfahren rund um den Attersee (den tollen King of the Lake) trainieren. Dabei kann wie gewohnt zwischen Datenfeldern, Höhenprofil und Kartenansicht gewechselt werden.

Das funktioniert grundsätzlich ganz gut, allerdings nur solange man einen tatsächlich gefahrenen GPX-Track verwendet. Dieser hat genug "echte" Datenpunkte, damit die Strecke und die Steigungswechsel entsprechend geschmeidig umgesetzt werden. Nimmt man einen nur geplanten Track sind Datenpunkte und "Bread Crumbs" (also die Punkte, an denen sich der Computer orientiert) zu weit auseinander oder zu wenig und Steigungswechsel werden eher abenteuerlich als realitätsgetreu.

Das Ganze funktioniert offenbar auch mit Garmin-Computern und anderen Trainern, allerdings habe ich das nicht selbst ausprobiert.

169k-Testergebnis: Wer ein konkretes GPX-File nachfahren möchte und dabei keinerlei Training oder Ablenkung braucht, ist hier eventuell gut bedient - allerdings nur mit bereits gefahrenen GPX-Tracks!

Alle Apps im Überblick

Fazit, Typen- und Kaufberatung

Rollenfahren ist eine eigene Geschichte - nicht nur, ob man es grundsätzlich mag oder nicht, auch die Anforderungen an eine Virtual Cycling App können sehr unterschiedlich sein. Im Endeffekt kann man drei Kategorien oder Gruppen bilden: "Zwift-artige" virtuelle Welten, reale Videos oder reine Trainings-Apps.

Das Nachfahren anhand realer Streckenvideos war für mich bis jetzt kein Thema, erst dieser Test hat mir gezeigt, dass darin durchaus ein großer Reiz liegt. Auch auf diese Weise kann man neue Ecken der Welt oder des eigenen Landes kennenlernen, bekannte Strecken nachfahren oder die Landschaft in Südamerika studieren. Die technisch korrekte Umsetzung und da vor allem die Steigungssimulation ist für mich wesentlich, damit mir das Radfahren Spaß macht. Fulgaz und Rouvy bekommen das am besten hin - Fulgaz hat die schöneren Videos und die bessere technische Umsetzung, Rouvy hat dafür mehr Strecken zur Auswahl und die etwas größere Community. Kinomap überzeugt mich nicht, Bkool hat eine große Auswahl und zahlreiche Features, wirkt aber irgendwie noch nicht ganz ausgegoren.

Trainerroad und Sufferfest sind reine Trainingsprogramme, wissenschaftlich aufbereitet und auch entsprechend dargereicht. Hier hat man von Anfang an den Eindruck, ernsthaft an seiner Leistung zu schrauben - bei Sufferfest zusätzlich mit kurzweiliger Ablenkung und Unterhaltung. Auf Dauer würde mir hier aber etwas fehlen - nur vor sich verändernden Leistungsbalken zu sitzen, wäre mir über einen ganzen Winter hinweg zu wenig. Aber wer auf no-nonsense steht und den maximalen Output sucht, ist hier wohl am besten bedient.

Vom Konzept her Zwift am Ähnlichsten ist RGT Cycling, allerdings ist hinter der tollen Grafik (leider) nicht allzu viel Substanz bzw. sind viele Funktionen in meinen Augen schlicht und ergreifend noch nicht fertig.

Was bedeutet dieser Test für mich?

Zwift kann etwas, was mir bis dato gar nicht so richtig bewusst war: Nur Zwift denkt in einer "SpielWELT" und nicht in Strecken und genau dieser "Weltgedanke" ist mir in meinem Radfahren wichtig. So wie ich auch draußen oft planlos fahre und die Vielzahl der Möglichkeiten genieße, so freue ich mich auch in Zwift über die Möglichkeit, bei Kreuzungen spontan abbiegen, Routen variieren zu können und zu Beginn der Fahrt noch nicht zu wissen, wo man eventuell enden wird. Außerdem ist Zwift im Moment technisch am ausgereiftesten - von der Fahrdynamik, dem Avatar, den Steigungswechseln bis hin zur Interaktion mit anderen Fahrerinnen und Fahrern.

Ich werde daher jedenfalls mein langjähriges Zwift-Abo weiterführen - keine Frage. Zusätzlich werde ich diesen Winter eventuell Fulgaz weiter testen, die qualitativ hochwertigen Videos machen Laune und bieten eine gute Mischung aus Training und Sightseeing.

Video

Das folgende Video soll noch einen wichtigen Einblick geben, wie die Apps tatsächlich im Betrieb aussehen - sich einen eigenen Eindruck zu verschaffen ist immer wichtig. Und nachdem alle Apps Testmöglichkeiten (meistens von 14 Tagen) biete, kann man sich interessante Apps auch einfach mal runterladen und und ausprobieren.