Wahoo Systm (nach 6 Monaten Einsatz)

Wenn man etwas über einen längeren Zeitraum für einen Blogbeitrag testen möchte, kann es mitunter passieren, dass man überholt wird – von der Realität, vom Zeitplan oder von Neuerungen. So geschehen bei meinem Test von Wahoo Systm. Wobei die Inhalte, über die ich schreiben möchte, deswegen nicht alt oder überholt sind und sich ja eigentlich nichts Grundlegendes an der App geändert hat, seit ich begonnen habe, sie zu benützen.

Was ist in der Zwischenzeit passiert? Wahoo – bisher in erster Linie als Hersteller von Rollentrainern bekannt – hat neben SYSTM (das auf dem von Wahoo gekauften „Sufferfest“ beruht) auch noch „RGT Cycling“ in sein Portfolio aufgenommen. Und während hier also Wahoo einen Schritt vom Gerätehersteller zum Gesamtanbieter macht, bastelt dem Vernehmen nach parallel dazu der Softwareanbieter Zwift an seinem ersten Smart Trainer, möchte also von der Softwarebude auch zum Gesamtanbieter werden (nur von der anderen Richtung halt). Es werden hier also spannende Zeiten auf uns zukommen und idealerweise profitieren die Endkundin und der Endkunde ja auch von solchen – hoffentlich befruchtenden – Konkurrenzverhältnissen. Aber dazu an anderer Stelle mehr, kümmern wir uns um den eigentlichen Inhalt: Wahoo SYSTM!

Apps, Apps, Apps

Kurz zur Einordnung – es gibt derzeit ja grob drei Arten von Trainingsapps und –software, mit denen man sich die Zeit auf dem Home-Trainer spannender oder effektiver gestalten kann:

1.       echte (Real-World) Videos von Strecken, die man sich auf einen Computer oder Bildschirm streamt und nachradelt. Videos dazu gibt es in unterschiedlicher Qualität, Länge und von diversen Anbietern. Wahlweise gibt es noch einen Avatar, den man sich einblenden kann, da und dort minimale „social features“ und auch die Frage, ob Widerstand und Geschwindigkeit von der Software gesteuert werden – sich also die Anstrengung anpasst und damit der Realitätsgrad steigt (ist von Anbieter und Software abhängig).

2.       Reine Trainingsplattformen blenden auf einem Bildschirm diverse Balken, Zonen und Striche ein, die ein Trainingsprogramm vorgeben, den Widerstand der Rolle/des Trainers steuern und – idealerweise in Form eines Trainingsplans über einen längeren Zeitraum – zum Formaufbau beitragen. Hier gibt es in der Regel kein zusätzliches Video oder eine andere Art der Ablenkung. Das Training und die zu erreichenden Wattzahlen stehen im Mittelpunkt.

3.       Zwift ist wenn man so will eine dritte (eigene) Kategorie. Hier bewegt sich ein Avatar durch eine virtuelle Welt, die Gamification-Elemente sind hier definitiv am ausgeprägtesten, soziale Elemente und kleine Challenges sorgen für Zerstreuung und Abwechslung. Aufgrund der großen User-Zahlen und der guten finanziellen Ausstattung musste sich der Mitbewerb bisher immer an Zwift orientieren.

SYSTM!

Worum geht’s? Systm – ja, das ist so „richtig“ geschrieben – ist eine Plattform, die, 1. Trainings und Programme für Radfahren, Laufen, Yoga, Kraft- und Mentaltraining bietet, 2. dafür eine Vielzahl von Streckenvideos, „Pro Rides“, Filmen und Trainingsvideos bietet und 3. auf Computer (auch ohne App!), Tablet und Handy läuft. Im Details schaut das dann folgendermaßen aus:

Sportarten

Im Kern steht das Radfahren, auch wenn das Programm noch Laufen und Schwimmen als Sportarten anbietet. Für die beiden letzteren ist es aber realistischerweise vorgesehen, sich die vorgeschlagenen Trainings und Intervalle auf eine Uhr zu laden und dann außerhalb der App abzuspulen. Eine „immersive experience“, wie das oft so schön heraufbeschwört wird – also ein Hineingezogen-werden in ein realistisches und mitreißendes Trainingserlebnis – ist hier nicht wirklich zu erwarten (und stößt bei Themen wie Schwimmen naturgemäß auch irgendwie an Grenzen der Umsetzung). Beim Radfahren schaut das allerdings anders aus – hier ist es tatsächlich ein großer und sehr bunter Strauß an Möglichkeiten, die sich hier auftun und es sind viele, viele Stunden an Training und auch Spaß garantiert.

Wichtig ist in meinen Augen hingegen der Hinweis auf Yoga und Krafttraining! Traditionell ist das eines der größten Mankos von Radsportler*innen. Von 100 Radfahrer*innen wissen vermutlich rund 50, dass Rumpfstabilität und Core-Kräftigung fürs Radeln förderlich sind, 20 der 100 machen vermutlich hie und da etwas Training und 5 der 100 haben das regelmäßig in ihre Abläufe integriert. Ich gehöre hingegen zu dem hartnäckigen einen Prozent, die a) wissen, dass Coretraining sehr wichtig wäre, b) mit fast-Bandscheibenvorfällen auch schon mehrfach die (potentielle) Rechnung fürs Nichtstun präsentiert bekommen haben und es c) trotzdem nicht auf die Reihe bringen, die wenigen notwendigen Minuten aufzubringen, sich ein paar Mal zu strecken und zu kräftigen… Umso dankbarer bin ich, wenn es ein gutes und angeleitetes Training gibt, das ich auf „meiner“ Trainingsplattform gleich in der Übersicht vor den Latz geknallt bekomme und so immer wieder dezent drauf hingewiesen werden, gefälligst etwas zu machen! Dabei lassen sich Intensität, Dauer und Fokus der Trainings frei wählen, knapp 60 Einheiten stehen dafür zur Auswahl. Die Hemmschwelle ist dabei sehr niedrig: es sind keine Tools oder Geräte notwendig, oft braucht es nicht einmal eine Fitnessmatte. Und wenn am Bildschirm jemand die Übungen vormacht ist auch die Versagensangst geringer, den Arm in die falsche Richtung zu strecken oder sich irgendwo falsch zu belasten. Die einzige Challenge stellt sich, wenn man die ersten Male die Core-Trainings macht: die Abfolge der Übungen ist recht schnell und zackig, hier muss man sich erst zurechtfinden und sich „eingrooven“.

Und eine Nummer ruhiger (aber nicht zwingend weniger anstrengend) sind die Yoga-Einheiten. Auch hier gibt es die Differenzierung und Wahlmöglichkeit nach Dauer, Intensität und Yogi-Level, wiederum sind es rund 60 Videos zwischen 3 Minuten und 1 Stunde.

Von mir beim Yoga zeige ich lieber kein Foto her… da muss ein Screenshot aus der App herhalten! :)

Arten von Rad-Trainings („Channels“)

Kommen wir zum Kern der Sache und zwar den Möglichkeiten, ein Radtraining abzuspulen – und da gibt es einige, in ganzen neun unterschiedlichen Kategorien:

Sufferfest

Die Trainingsvideos von Sufferfest sind so etwas wie die Basis von Wahoo Systm. Dabei handelt es sich um Videos, die anspruchsvolle Trainingseinheiten mit Spaß und Unterhaltung verbinden. Die Zonen, Watt und Stufen des Trainings werden eingeblendet, wie man das auch von anderen Plattformen kennt, oben drauf gibt es allerdings Videos, die zumeist Ausschnitte von Profirennen wiedergeben und mit den Trainingsinhalten synchronisiert sind. Wobei „synchronisiert“ hier nicht auf Steigung oder Wattzahlen abzielt sondern eher auf eine „situative Synchronisierung“ – so wird zum Beispiel bei einem kurzen und harten Intervall eine Attacke aus der Spitzengruppe eingeblendet, oder aber man findet sich in einer Fluchtgruppe und soll mit einem hohen Tempo-Effort dem Peloton davonfahren. Genauso rollt man in Intervallpausen dann aber auch locker mit dem Feld mit, scherzt mit den anderen Fahrer*innen oder befindet sich in einer landschaftlich schönen Abfahrt. So vergeht zum einen die Zeit recht schnell, zum anderen hat der Geist auch etwas, worauf er sich einstellen kann oder aber bestimmte Situationen am Rad, die man mit dem Trainingsblock assoziieren kann. Alles in allem funktioniert das sehr gut und oft genug endet ein (hartes) Training mit dem Sieg eines Rennens oder einer Etappe im Video – die Belohnung kommt also instantly.

Fahr, du Sau!

Trainings und Intervalle machen selten Spaß – das ist ja auch nicht ihre ureigenste Aufgabe… Allerdings scheinen die Sufferfest-Videos schon eher auf der anspruchsvollen Seite zu sein, nicht umsonst steckt das Leiden schon im Titel drinnen. In diesem Licht sind viele Einheiten dann eher ein Durchbeißen und Kämpfen und auch die – teils schon fast derben – Motivationssprüche tragen ihren Teil dazu bei, dass es hier um „Glory through Suffering“ geht!

GCN

Das Global Cycling Network ist den meisten wohl bekannt, entweder von Beginn an durch den gleichnamigen Youtube-Kanal oder aber durch andere Aktivitäten, ist GCN doch mittlerweile an vielen Ecken aktiv. Bei den Trainings auf Wahoo Systm wird man von den bekannten GCN-Gesichtern nach dem Muster eines Gruppentrainings durch Einheiten geführt. Viel mehr gibt’s dazu nicht sagen. Ich persönlich bin kein immens großer Fan von GCN, daher ist für mich der Reiz dieser Videos überschaubar, wer jedoch eine entsprechende Affinität besitzt, für die oder den ist das aber vielleicht genau das richtige!

Inspiration

Hier sind tendenziell eher lockere oder ruhigere Einheiten gesammelt, während derer man mit spannenden, aufschlussreichen oder inspirierenden Videos aus der Welt des Radfahrens bei Laune gehalten wird. Es hat etwas von Youtube-Schauen mit Trainingsreizen und das Programm ist vielfältig: ganze Filme wie das großartige „A Sunday in Hell“, Dokus der Rennteams, inspirierende Radreisen mit Lael Wilcox, Making an Hour-Record mit Rohan Dennis, die „Outskirts“-Filmreihe, „Thereabouts“ oder aber Dokus und Blicke hinter die Kulissen einer Welt von Tommeke, Wout van Aert und Mark Cavendish.

Wahoo Fitness

Ehrlicherweise weiß ich nicht genau, was man mit den Trainings dieser Kategorie machen soll bzw. wo sie hingehören. Es handelt sich um jeweils vier Sets von Trainings (jeweils Endurance und Race Pace), die allesamt sehr lang sind und ohne Video daherkommen und damit wohl auch für die Ausübung draußen gedacht sind.

NoVid

Wobei genau für die Ausübung draußen gibt es dann eben auch eine eigene Kategorie von Einheiten ohne Video-Unterstützung oder –Ablenkung. Man kann diese natürlich auch am Hometrainer abspulen, bekommt dabei dann aber eben nur die Balken des Trainings und der Intervalle angezeigt. Die Möglichkeit, diese Videos auf den Radcomputer zu transferieren, legt aber nahe, dass man diese „mit raus nehmen“ sollte. Inhaltlich ist da alles dabei, was man sich nur denken kann – Intensitäten, Zonen, Längen, alles.

A Week with

Nummer eins der – in meinen Augen – spannendsten Channels machen die Trainings, in denen man eine Woche lang (5-6 Tage) einen Pro bzw. bekannten Radler „begleiten“ kann und gemeinsam mehrere Trainingsblöcke durchläuft. Zur Auswahl stehen hier derzeit Phil Gaimon, Neal Henderson und Ian Boswell. Dabei ergeben sich spannende Einblicke und das Konzept macht Freude und Laune.

ProRides

Weniger Freude und Laune als vielmehr viel Laktat und großen Respekt vor den Leistungen von Profis erzeugen die Pro Rides. Dabei kann man aus unterschiedlichen Rennen und Etappen wählen und einen Pro im Einsatz begleiten. Es werden dafür die echten Leistungsdaten dieses Fahrers bzw. dieser Fahrerin von genau dieser Stage herangezogen und auf die Leistungsstufe des Wahoo Systm-Nutzers bzw. Nutzerin runtergerechnet. Wenn also Tosh van der Sande 400 Watt tritt, sind es auf dem Home Trainer übersetzt 300, der Grad der Anstrengung sollte aber ähnlich sein. Und wie das bei einem echten Rennen ist, gibt es hier keine langen und gleichmäßigen Intervalle sondern ein stakkato-artiges Auf und Ab der Leistungskurve, je nachdem ob man gerade im Windschatten oder an der Spitze fährt, ob es bergauf geht oder bergab, ob man im Peloton mitrollt oder versucht, zur Spitzengruppe aufzuschließen. Wie schon erwähnt, erzeugt das (zumindest bei mir) einen sehr hohen Realitätseindruck, es ist als wäre man tatsächlich mitten im Rennen dabei. Zum anderen ist der Einblick in die Welt und die Leistungsfähigkeit von Profis etwas ganz besonderes und mein Respekt für die Leistungen steigt angesichts solcher Programme massiv an. Die Pro Rides sind aus meiner Sicht jedenfalls eines der großen Alleinstellungsmerkmale von Systm und sollen laut Hersteller noch weiter ausgebaut werden.

On Location

Michael Cotty ist vielen von den Youtube-Videos des Col Collective bekannt – schon dort hat er in einer schönen Mischung Radsport, Tourismus, Geografie und Geschichte vermischt und als Reiseberichte von den schönsten Radsport-Bergen der Welt ins Netz gestellt. Ähnlich läuft das nun bei den „On Location“-Videos in Systm ab: Reiseführer Cotty leitet dabei Trainingseinheiten durch wunderbare Radsportregionen wie die Pyrenäen, die Provence oder die Mittelmeerküste. Dabei läuft ein strukturiertes Training ab, das zur Topographie und zur Strecke passt, gleichzeitig erhält man in kurzen Einspielern, Informationen über Land und Leute, lokale Bräuche, Architektur und Kulinarik. Das kommt meiner persönlichen Art des Radfahrens sehr nahe – so ein Format nun auch für meine Indoor-Trainings zur Verfügung zu haben, macht mich sehr zufrieden.

Fitness Test

Zum Abschluss hier noch jene Kategorie, die eigentlich am Beginn und vor allen anderen Trainingseinheiten stehen soll – Leistungentests! Werden hier doch die Basiswerte ermittelt und festgelegt, nach denen sich die Intensitäten aller darauffolgenden Aktivitäten orientieren. Neben dem bekannten Rampentest wird man hier allerdings eines vergeblich suchen: den klassischen FTP-Test!

4DP statt FTP

Wahoo bzw. deren Head Coach Neal Henderson setzen statt FTP auf „4DP“ – Four-Dimensional Power. Die vier Superpowers sind Neuromuscular (Sprints), Anaerobic Capacity (Attacken), Maximal Aerobic Power (Klettern) und FTP (Ausdauer). Diese vier Aspekte sind beim 4DP-Fitness Test alle gleich gewichtet und werden dementsprechend auch gleichwertig ermittelt, anstelle eines FTP-Tests, der sich „nur“ auf die 20 Minuten FTP konzentriert. Der 4DP-Test ist auf den ersten Blick dann auch angsteinflößend, soll man doch neben dem bekannten 20 Minuten FTP-Test auch noch zusätzlich 5 Minuten Anaerobic, Sprints und Over-Threshold fahren. Der Test macht dann auch nicht wirklich Spaß – so ist es aber grundsätzlich bei allen diesen Tests… Am Ende hat man jedoch ein recht komplett wirkendes Profil seiner Stärken und Schwächen.

Mein persönliches Profil gibt beispielsweise aus, dass ich ein „Sprinter“ bin (wo ich doch viel lieber ein Puncheur sein wollte…). Viel spannender ist allerdings ein Blick in die detaillierteren Analysen, die Systm aus dem 4DP-Test zieht. So wird mir attestiert, dass es nicht wirklich möglich ist, meinen FTP-Wert zu erhöhen, solange mein „MAP“-Wert nicht zuerst gesteigert wurde. Ich sollte mein Trainings also zuerst auf meine Maximum Aerobic Power konzentrieren, um dann in Folge erst meinen FTP-Wert weiter steigern zu können – ein spannender Aspekt, den ich zuvor noch nicht so betrachtet habe.

Knowledge Base

Wer grundsätzlich mehr Interesse an solchen und anderen trainingswissenschaftlichen Hintergründen hat und auch inhaltlich verstehen möchte, warum er oder sie jetzt gerade so oder so viel Watt treten soll, der/die findet auf der Plattform auch recht ausführliche Artikel, Hintergrundinformationen und Blogbeiträge zum Thema Training.

Trainingsplan

Allerdings ist kein Einzeltraining effektiv, wenn es aus dem Kontext gerissen wird. Grundintention der Plattform bzw. eines gewünschten Leistungszuwachses ist daher, einen Trainingsplan zu starten. Im Ablauf schaut das so aus, dass man den oben erwähnten 4DP-Leistungstest absolviert, sein Profil erhält, gewünschte Sportarten, Zeitraum und Intensität  wählt, optional Yoga, Kraft- und Mentaltraining oben drauf packt und fertig ist der Trainingsplan. Dabei sind dem Design des Trainingsplans wenig Grenzen gesetzt, man sollte jedoch halbwegs wissen, wo die eigenen Möglichkeiten liegen – und damit meine ich weniger die individuelle Leistungsfähigkeit als die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten, den Trainingsplan auch durchzuziehen. Kann man den Trainingsplan zeitlich bewältigen? Ist die Anzahl der Einheiten richtig gewählt? Ist die Intensität eh nicht zu hoch? Solche Fragen sollte man sich selbst (kritisch) stellen oder aber mit einem Trainer oder eine Trainerin besprechen, bevor man sich in das mehrwöchige Korsett eines Trainingsplans begibt. Denn es muss auch klar sein, dass die Ergebnisse eventuell nicht die erwünschten sind, wenn man nur halbherzig jede zweite oder dritte Einheit bestreitet. Ansonsten gefällt der Modus Trainingsplan sehr gut, vor allem der Fokus auf die spezifischen Bereiche (gemäß 4DP) vermittelt den Eindruck, dass man tatsächlich bei jeder Einheit sieht, wofür das ganze gerade gut ist.

Manko – wie bei jedem (online) Trainingsplan – ist jedoch, dass man den Trainingsplan nur bedingt „mit nach draußen“ nehmen kann. Zwar lassen sich etliche Videos auch am Wahoo speichern und (als „NoVid“ sowieso) auch im Freien absolvieren. Umgekehrt fehlt aber die Möglichkeit, Einheiten von Draußen in den Trainingsplan zu integrieren oder in Systm abzubilden. Was im Winter eher weniger ein Problem ist (weil man vielleicht ohnehin lieber drinnen bleibt), ist in der Übergangszeit und im Sommer mitunter schwierig.

Der in Systm integrierte Kalender gibt eine guten Überblick über die absolvierten Trainingseinheiten, bildet aber eben „nur“ Systm-eigene Einheiten ab. Der Umweg über eine andere Plattform (z.B. Strava) gibt dann zwar ein vollständiges Bild der Trainings und Ausfahrten wieder, hat aber eben keinen Einfluss auf die Trainingsplanung.

Mein persönliches Fazit zu den Trainingsplänen ist ein gemischtes. Ich war noch nie konsequent und ehrgeizig genug, meinen Rad-Alltag einem Plan zu unterwerfen. Als Berufstätiger und Vater fehlt mir außerdem auch oft die Zeit (oder die Energie), um die Einheiten des Tages dann auch entsprechend unterzubringen. Allerdings ist es toll, im Hintergrund so etwas wie eine grobe Guideline zu haben, worauf man seine Trainingseinheiten fokussieren sollte. Und das nutze ich gerne und so oft ich kann!

Gamification

Heutzutage geht nichts mehr ohne Gamification und viele – ich auf jeden Fall! – sind da auch empfänglich dafür. (Und wenn es dabei hilft, besser auf dem Rad zu werden, dann gerne…). Es gibt auf der Plattform zahlreiche Goodies, Achievements, Badges und Belohnungen, wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei anderen Plattformen. Die soziale Gamification entfällt auf Systm, da ist man eher als Einzelkämpfer dabei. Gamification im weiteren Sinne sind dann auch die Videos und deren Aufbau, die auf spielerische Art und Weise versuchen, den User und die Userin vom harten Trainings abzulenken – sei es durch Abwechslung, Ablenkung oder Zuspruch! Die Möglichkeiten der Plattform sind groß und zahlreich genug, dass man länger dran Freude finden kann und bei der Sache bleibt.

Technisches

Systm läuft auf Windows, macOS, iOS und Android, der benötigte Speicherplatz und die restlichen Systemanforderungen sind sehr überschaubar. Zum Abspielen der Videos ist eine aktive Internetverbindung erforderlich, ist diese zu langsam werden die Videos runterskaliert oder im schlimmsten Fall „pausiert“ – das Training läuft dabei im Hintergrund weiter. Es gibt allerdings die Möglichkeit, ausgewählte Videos vorab herunterzuladen und lokal abzuspeichern, damit lässt sich die erforderliche Internetverbindung elegant umgehen. Videos müssen allerdings einzeln zum Download ausgewählt werden (bei Trainingsplänen wäre es beispielsweise toll, wenn man alle Einheiten einer Woche auf einmal runterladen könnte), außerdem steigt damit natürlich der lokale Speicherplatzbedarf (rund 1GB pro Video-Stunde) – das könnte für all jene unter uns problematisch werden, die auf dem iPhone schon 30.000 Fotos ihrer Kinder oder Katzen gespeichert haben…

Idealerweise nützt man Systm mit einem Smart Trainer, dessen Widerstand von der Software gesteuert wird. Die Geschwindigkeiten sind virtuell und mehr oder weniger willkürlich, geht es doch in erster Linie um Wattvorgaben und nicht darum, wie schnell man im Programm unterwegs ist. Ähnlich vernachlässigbar sind etwaige Climb-Funktionen wie beim Wahoo Kickr Bike.

Fazit

Ich bin ein ganz schlechter Trainierer und die Vorstellung von strukturiertem Training lässt mich erschaudern. Umso dankbarer bin ich für jeden (spielerischen) Input, der mich dazu treibt, doch mehr zu machen, als nur spazieren zu fahren oder lockere Einheiten zu absolvieren. Systm drängt mich dazu, mich aus meiner Komfortzone zu bewegen, schreit mich an, treibt mich an, hilft mir aber gleichzeitig auch, wenn es gerade hart ist. Die Videos von Sufferfest vermitteln etwas von einem vermeintlich archaischen (und in meinen Augen an sich veralteten) Heldentum, dem klassischen „Glory through Suffering“ – das mag einem ge- oder missfallen, ehrlicherweise ist es aber ein gutes Gefühl, wenn man sich erfolgreich durch eine harte Einheit gekämpft hat und den belohnenden Finish-Screen präsentiert bekommt. Mehr mein Metier sind die „On Location“-Videos mit Michael Cotty, in denen ich durch Geografie und Geschichte davon abgelenkt werde, dass mir gerade der Schweiß von der Stirn tropft. Definitiv was Neues und Spannendes sind die ProRides, da fällt mir auf die Schnelle keine andere Plattform oder Software ein, die etwas vergleichbares bieten kann – spannend und fordernd und ein toller Einblick in das, was ein Profi leistet.

Bei monatlicher Bezahlung sind für Wahoo Systm 16,49 Euro zu berappen, im Jahresabo wird es etwas günstiger. Der Preis liegt damit irgendwo zwischen Zwift und Trainerroad. Wer von Zwift kommt und etwas mehr Struktur und neue Inputs abseits der puren Gamification und den „social features“ sucht, für den ist Wahoo Systm eine spannende Option. Wer nur pures Training haben möchte – ohne Ablenkung und ohne weitere Inputs, der ist eher bei Trainerroad zuhause.

Nachdem für mich dieses Jahr einige größere Projekte auf dem Plan stehen und ich meine „Junk Miles“ zumindest eine Spur reduzieren möchte (auch wenn sie am meisten Spaß machen), kommen mir die strukturierten Trainingsoptionen von Systm genau recht. Ich persönlich werde daher auch den beginnenden Sommer über die Optionen von Systm nutzen, wenn sich ein Fenster für ein kurzes Training ergibt. Fast noch etwas wichtiger sind mir aber im Moment die Angebote des Kraft- und Rumpftrainings – hier habe ich seit jeher meine Defizite und auch hier bin ich über eine etwas spielerische Option dankbar, die mich zumindest ab und zu auf die Trainingsmatte bekommt!

Für 14 Tage kann man Systm übrigens gratis testen, macht euch gerne selbst ein Bild! Viel Spaß und „Ride On“ (oops nein, das sagt man ja auf der anderen Plattform…) ;)