Es begibt sich dieser Tage, dass ich meinen 40. Geburtstag feiere. Dabei möchte ich kein großes Fest oder irgendeine Aktion starten, dazu sind mir (meine) Geburtstage grundsätzlich nicht „feiernswert“ genug. Etwas Reflexion über sich selbst, so wie man das ohnehin regelmäßig machen sollte, ein Glas Sekt in engem Kreis vielleicht, und gut ist. Es sind eher Impulse von außen, die den bevorstehenden Jahrestag wie den Meilenstein einer fortschreitenden und unheilbaren Krankheit erscheinen lassen. „Geht es dir gut damit?“, „Wie fühlt sich das an?“ sind Fragen, die ich mir von selbst nicht stellen würde und sie verursachen mitunter, dass man in ruhigen Momenten dann doch etwas zu grübeln beginnt.
Krise
Natürlich gab es Vorzeichen! Ich wurde dieses Jahr erstmals in der Altersklasse „AK40“ gewertet - als November-Geborener ist man ja gewöhnt, dass einige Alterslogiken nicht ganz genau stimmen. Die kurze Euphorie, dass ich jetzt eventuell im Altersklassenranking ein paar Plätze gutmachen würde, hat sich beim ersten Rennen - logischerweise - auch gleich wieder in Luft aufgelöst. Schließlich werden wir alle (gleichzeitig) älter, und gerade im Ausdauersportler war es immer schon so, dass Alter nicht unbedingt etwas über Leistungsfähigkeit aussagt.
Dann war da Spotify, dessen Algorithmus einiges Tages plötzlich begann, mir Lieder aus meiner späten Jugend (man könnte schon fast sagen „alte Hadern“) in die Playlist zu legen. Wie das so ist, kippt man dann recht oft in einen Nostalgie-Trip hinein, das eine führte zum anderen - in diesem Fall zu den von mir damals und auch heute noch sehr geschätzten „Faith No More“. Musik von früher zu hören, transportiert einen immer wieder zurück in ein anderes Alter. Wer so wie ich immer gerne und intensiv Musik gehört hat, kann sich dabei auch noch etwas tiefer zurückfühlen als manch anderer. Und so geschieht es auch, dass man sich in einem schwachen Moment bewusst macht, wann genau dieses Album oder jener Song erschienen ist, man rechnet im Kopf und ist dann doch etwas überrascht, dass 1995 nicht vor 7 oder 8 Jahren war sondern vor 23! Dass einer der Songs dann auch noch „Midlife Crisis“ heißt, macht die Sache nicht einfacher.
Schließlich sprach auch noch das Buch zu mir, das gerade neben meinem Bett liegt (- keine Sorge, wir kommen gleich wieder zu etwas, das mit Radfahren zu tun hat!) Der großartige Karl Ove Knausgård schreibt im zweiten Band seines epischen Romanzyklus („Lieben“), dass „die Krise rund um den 40. Geburtstag kein Mythos“ ist.
Gut, Knausgards spielt hier auf die private Ebene an, die Beziehungen die seine Protagonisten zu Partnern und Menschen haben. Dennoch kann man in diesen wenigen Zeilen - wenn man sich vorher schon ein paar Gedanken darüber gemacht hat - einiges wiederfinden. Und schon ist der vermeintlich ruhige und ereignislose 40. Geburtstag ein aufgeladenes und bedeutungsschweres Konstrukt.
Ausweg?
Auch wenn es vor dem Fenster kalt, nass und grau ist, möchte ich dennoch nicht schwarzmalen! Es geht mir sehr gut, ich habe eine großartige Familie, Rückzugsorte und viel Freude in meinem Leben, so wie es derzeit ist. Von einer Krise bin ich daher weit entfernt und auch die Unsicherheit und das Schicksal von Knausgård wird mir wohl erspart bleiben. Mir war daher wichtiger, herauszufinden, warum ich zufrieden bin. Und nach dieser nach allen Regeln der Dramaturgie verfassten Einleitung dieses Blogbeitrags mag es langweilig oder gar enttäuschend sein, dass ich zu keinem „besseren“ Ergebnis gekommen bin.
In der Tat ist es zu einem großen Teil das Radfahren, die Beschäftigung damit, meine Radlerkolleginnen und Kollegen und natürlich auch dieser Blog hier, der in meinem Leben einen großen und wichtigen Teil einnimmt und der zu einem gewissen Grad als Ventil und Ausgleich für vieles dient, was sich in anderen Konstellationen potentiell zu einem Problem auswachsen könnte (oder gar einer Krise).
Im Sinne des Mottos von Fingerscrossed - „Thank you Cycling“ - ist es mir wichtig, auf die Glücks-, Ausgleichs- und Hygiene-Funktion von Radfahren hinzuweisen. Sich dessen bewusst zu sein, ist essentiell. Radfahren zu können und zu dürfen ist ein großes Glück - der Spitzensportler mag sich über die verlorenen Sekunden ärgern, abseits vom Leistungsgedanken kann man aber auch ab und zu einmal einen Schritt zurück machen und sich über das große Ganze freuen. Training ist anstrengend, hinauszugehen, wenn das Wetter schlecht ist ebenso - doch ich hatte in meinem Radleben erst ganz wenige Ausfahrten, bei denen ich wirklich das Gefühl hatte, „die haben überhaupt keinen Spaß gemacht“ oder „das hätte ich mir sparen können“. An einer Hand könnte ich diese Ausfahrten aufzählen und ich erinnere mich vermutlich auch noch an jede einzelne. Auf der Haben-Seite gibt es hingegen bei jeder Ausfahrt mindestens diesen einen Moment - wenn die Beine passen, wenn das Reh über das Feld läuft, wenn man die Kuppe erreicht hat, wenn man eine Bestzeit erringt, egal...
Gleiches gilt für die vielen Menschen, die ich dank des Radfahrens kennenlernen durfte - viele davon sind Freunde geworden. Sie alle bilden ein dichtes und engmaschiges Netz, das für Freude, Zerstreuung und Rückhalt steht. Wie soll man da in eine Krise geraten?
Und letztlich bin ich auch überglücklich, diesen Blog und die dazugehörigen Seiten betreiben und befüllen zu können. Über meine Erlebnisse zu berichten und diese fotografisch festzuhalten, macht einen großen Teil meines Lebens aus. Dass sich das alles zeitlich ausgeht, hab ich einem sehr geduldigen und toleranten Umfeld zu verdanken (DANKE an dieser Stelle)!
Um diesen - zugegebenermaßen ungeplanten, unkoordinierten und dementsprechend chaotischen - Blogpost zu einem Ende zu bringen: Thank you Cycling! Ich bin dankbar und demütig, freue mich auf das nächste Lebensjahr von mir selbst und 169k (der Blog feiert dann zwei Wochen nach mir Geburtstag!) und gespannt, was die Zukunft bringt! „More of the same“ klingt für mich nicht nach Wiederholung sondern eher nach vielen spannenden und unterhaltsamen Abenteuern! ;)