Nora & Michael beim Neusiedlersee Radmarathon 2019

Während ich es mir beim Zeitfahren am Samstag und beim Marathon am Sonntag mit der Kamera gemütlich gemacht habe, waren Nora und Michael beim Neusiedlersee Radmarathon mittendrin dabei - bei Wind, Wind und noch mehr Wind!

Nora Turner (vlg. “Unicorn Cycling”)

Statt #WinterIsComing könnte man dem letzten Wochenende eher den Tag #WindIsComing geben: typisch burgenländisch präsentierte sich der Neusiedler See Radmarathon am 28.5.2019 bei traumhaftem Sonnenschein und“leichten”Windböen.

Aber fangen wir mal ganz von vorne an: meine Saison startete gut und ich hatte bei der Online-Anmeldung schon knapp 3000 Trainingskilometer und einen Knorpelschaden im Knie hinter mir gelassen. Insofern war für mich klar, dass ich den vollen Marathon fahren würde und nicht die kurze Strecke bis Illmitz. So schön es sein mag, mit der Fähre nach getaner Arbeit im Rennen über den Neusiedler See zurück zu tuckern: noch schöner ist es, im Peloton über die Straßen zu jagen, zu schauen, “was nach 100 km noch drinnen ist”, im Rummel ins Ziel zu düsen!

Die Startnummer konnte ich mir schon am Donnerstag in der Mall bei Wien Mitte holen - dabei war natürlich auch ein prall gefülltes Start-Sackerl! Das fand ich natürlich sehr praktisch: statt einer langen Ausfahrt am Vortag oder extra früher Anreise am Renntag und Schlange stehen, wenn man sich eigentlich warmfahren sollte, lief so alles sehr stressbefreit ab. Man merkte einfach sofort, dass hier der Veranstalter auch bemüht ist, den Bewohnern der Bundeshauptstadt den Renntag so angenehm wie möglich zu gestalten. Schließlich ist der Neusiedler See Radmarathon für viele Wiener so etwas wie der “offizielle Saisonauftakt”.

In einer Fahrgemeinschaft mit zwei Vereinskollegen brach ich am Renntag selbst um 7:30 in Richtung Mörbisch auf. Man kann zwar auch ganz unkompliziert mit der S-Bahn nach Wulkaprodersdorf fahren und sich auf den weiteren 20 km zum Start die Beine warmfahren - aber wenn sowieso jemand fährt, nahm ich das Angebot gerne an. Auf der Hinfahrt nahm ich noch einmal ganz genau das Streckenprofil unter die Lupe. Am ersten Berg alles geben, dann eine gute Gruppe suchen, in Ungarn eher in der Mitte bzw. der linken Seite unserer Spur fahren, bei den Kreisverkehren aufpassen, dann kommt der Gegenwind. Ganz zum Schluss geht es noch einmal eine kleine Rampe hoch. Nicht demoralisieren lassen, noch ein paar Körner über haben, dann all out nach Mörbisch.

So weit, so gut: beim Aufwärmen ging es gleich den ersten Hügel hoch und meine Herzfrequenz machte mal wieder, was sie so gerne macht… Sie war sofort auf 180. Oder zumindest fühlte es sich so an, ich hatte nämlich vergessen, meinen Herzfrequenzgurt unter zu ziehen. Ja, ich weiß, klassischer Anfängerfehler, zurück zum Auto, Brustgurt unter Baselayer friemeln, und dann sah ich es auf dem Display: schon im Stehen pochte mein Herz im GA2 Bereich. Ich rollte noch ein bisschen herum, atmete tief durch, und mit der Nervosität legte sich auch langsam wieder die Herzfrequenz. Na dann, nichts wie rein in den Startblock!

PENG - los gings! Wir rollten durch Mörbisch und dann lag auch schon die kleine Rampe, die in die Weingärten führte vor uns. Es sah wirklich beeindruckend aus, die Menge an Trikots in allen erdenklichen Farben zu sehen, die sich dort hinauf wand. Zack, da war ich auch schon oben, weiter ging es durch die Weingärten, rein in ein kleines Wäldchen: die Straße war zwar recht schmal, aber in einem guten Zustand und der Hügel hatte das Feld auch schon etwas auseinander gerissen. Insofern war die kleine Abfahrt sehr angenehm und nicht zu technisch, genau nach meinem Geschmack. Weiter ging es in Richtung Ungarn: nach der Grenze erwartete uns dort eine komplett gesperrte Straße, auf der wir mit etwas Rückenwind in der Gruppe mit 50 Sachen entlang düsten. Das Wummern der Carbon-Räder um mich, die gesperrte Straße, der Blick auf den Wahoo, der über 50 Sachen anzeigte, ohne dass ich viel dafür machen musste: das war ein fantastisches Gefühl!

Natürlich blieben die Straßen, wie bei anderen RTFs auch üblich, nicht gänzlich gesperrt, allerdings war grade in Ungarn kaum bis gar kein Verkehr auf “unserer” Spur und der Gegenverkehr wartete stehend, bis das Feld vorbei war. Auch war die Straße in einem deutlich besseren Zustand, als ich nach den Erzählungen erwartet hatte. Mit meinen 28er 4-Seasons hatte ich zu jedem Zeitpunkt das Gefühl, sicher unterwegs zu sein. Vielleicht hatten die Freunde von demjenigen, der vor mir mit seinem Crosser mit Gravel-Reifen unterwegs war, etwas übertrieben…

Der ungarische Teil zog sich dann etwas, zumindest dachte ich das, und konnte die österreichische Grenze kaum erwarten. Kaum durch Pamhagen durch, stürzten vor mir etliche Leute. Ich konnte grade noch bremsen, rollte vorsichtig an ihnen vorbei, alle rührten sich und bis auf ein paar Kratzer und Prellungen dürfte nicht zu viel passiert sein. Als ich aufsah, war meine Gruppe weg - und dafür der Gegenwind da. Der wichtigste Tipp, den ich bekommen hatte war: Such dir eine Gruppe in deinem Tempo, bevor du auf die laaaaange Grade im Gegenwind kommst! Mit Gegenwind meine ich Windböen mit bis zu 60 km/h, mit langer Grade meine ich eine größtenteils kurvenlose Straße durch gänzlich flache, burgendländische Felder.

Nach und nach schafften wir es immer wieder, Gruppen mit 2 bis 4 Fahrern hinzubekommen. Wir waren mit 18 km/h unterwegs, obwohl ich an der FTP-Schwelle fuhr. Wenn ich alleine war, begann ich mit mir zu reden: ich fühlte mich ein wenig wie Tom Hanks in Cast Away, so allein auf weiter Fluhr. “Wind formt den Charakter… Wind ist der Berg des kleinen Mannes…” - wenn das so ist, ist mein Charakter seit letzter Woche stromlinienförmig und ich bin den Großglockner hochgefahren. ;)

Endlich kamen wir in die Gegend bei Neusiedl, ich hatte auch wieder eine größere Gruppe, inzwischen 4 Gels intus, Flasche 1 leer und war eigentlich ganz guter Dinge. Ab hier kannte ich die Strecke, zwar üblicherweise mit Wind aus der anderen Richtung, aber immerhin: die Gegend gefällt mir wirklich gut und es macht immer wieder Spaß, duch Jois, Purbach und Co zu radeln. Außerdem gibt es in Purbach in der Kellergasse die weltbesten mit Pfeffer ummantelnten Würste - ja, sowas esse ich bei Ausfahrten. Allerdings hatte scheinbar auch die halbe Bevölkerung grade den Plan, mit dem Auto durch diese Gegend zu fahren und obwohl die Polizei bei den Kreisverkehren den Verkehr für uns aufhielt, fuhren wir hier zwischen Autos. Das und ein Platten von einem Leidensgenossen, mit dem ich schon auf der langen Gegenwind-Grade zusammen fuhr, zersprengte unsere Gruppe wieder. Vor mir hatte ich aber eine Frau gesehen, und ich wusste, dass ich sie einholen musste, um eine gute Platzierung zu bekommen.

Foto: Sportphoto

Ich sah auf meinen Wahoo, meine Herzfrequenz, die bei 178 bpm im Schnitt lag, brüllte mich an: TUS NICHT! Ich spürte in meine Beine, das Ziehen im rechten Bein und das zweite Rennen dieser Saison 3 Tage später brüllten: TUS NICHT! Ich fühlte an meiner fast leeren zweiten Flasche, die mich anbrüllte: TUS NICHT! Natürlich tat ich es und ich fuhr alleine von “meiner” Gruppe weg und holte die Gruppe mit der anderen Dame ein. Kurz erholen, weiter gings: da waren noch genug Energiereserven und bis ins Ziel waren es nur noch um die 25 km. Auf meiner Navigation sah ich, dass irgendwo vor mir eine Jennifer fuhr. Also schmiedete ich erneut den Plan, diese einzuholen. Auf den kommenden Kilometern fuhr ich auch an einer Menge Teilnehmer vorbei, allerdings war keiner davon weiblich. Dann bog ich links ab, wo die Strecke in Richtung Stich vor Rust ging. Raus aus dem Sattel und rüber da! Und tatsächlich überholte ich eine Frau - aber laut meinem Compter war es nicht Jennifer.

Die kleine Abfahrt nach Rust runter war so unfassbar schön. Freie Straßen, Rückenwind, ich hatte keine Angst, wie sonst häufig bei Abfahrten und vor mir lag der Neusiedlersee und ein malerisches Dorf. Ich begann fast zu heulen, weil es einfach so geil war, hier runter zu fahren. Das mag für die Kopf-Nach-Unten-Fraktion bei Rennen etwas irritierend klingen, aber ich schau mir gerne an, wo ich lang fahre, und genieße es sehr, wenn es so schön ist, wie es dort war. Die Schönheit wurde nur von einer Sache getrübt: Entgegen meiner Annahme war das nicht das Dorf in dem das Ziel war. Und: Jennifer war noch vor mir.

Also ging es noch ein paar Kilometer weiter, einmal fand ich sogar noch ein Hinterrad, musste es dann aber ziehen lassen, die restlichen Teilnehmer waren mir zu langsam. Es war nicht mehr weit, ich hatte noch Energie über und ich wollte mir im Ziel nicht sagen müssen: Hätti wari wäri… Also all out Richtung Mörbisch! Ganz weit vor mir tauchte eine Silhouette auf. War das die mysteriöse Jennifer, die mir mein Wahoo immer wieder anzeigte, dann wieder nicht mehr, als hätte ich sie überholt? Vielleicht war das auch nur eine Strategie von meinem Radcomputer, um mich zu motivieren? Wie auch immer: ich wollte da ran kommen! Meine Herzfrequenz war bei 195 bpm, als ich nach Mörbisch rein fuhr, hier warteten noch 2 fiese Abzweigungen vor dem Ziel auf mich. Alles ging gut, ich sprintete noch einen Typen aus, der bereits aufgehört hatte, zu treten (Sorry, falls du das liest!) und dann war ich im Ziel. Der Moderator kündigte meine Ankunft als 8. der Altersklasse an, aber ich war zu fertig, um mich darüber zu freuen oder zu ärgern. Jennifer hatte gewonnen. Zumindest mein mentales Rennen im Kopf.

Als ich mich wieder gefasst hatte, genoss ich es sehr, mein Rad ganz unkompliziert und sicher bewacht abzugeben und meinen verdienten Finisher-Radler zu trinken. Auch einen kleinen Snack gab es sehr flott, generell war im Zelt alles schnell und unkompliziert organisiert und es gab genug Platz für alle. Aufs Podium hatte ich es zwar dieses Mal nicht geschafft, dafür hatte ich ein wirklich tolles Rennen. Vor allem die letzten paar Kilometer, als ich nicht gedacht hätte, dass da noch viel drinnen ist aber ich noch richtig Gas geben konnte waren ein richtiger Ego-Push für mich! Außerdem habe ich einen wunderschönen Tag in der Sonne genossen. Und vielleicht klappt es ja nächstes Mal, zumindest in die Top 5 der AK zu kommen? Wir sehen uns wieder, Neusiedler See Radmarathon!

Michael Knoll (vlg Starbike-Mastermind)

Neusiedlersee Radmarathon, eine Cycloklops-Premiere

Jetzt steh ich also am Start. Zum ersten Mal ein Rennen. Vorne am Rad eine Startnummer, hinten am Trikot eine Startnummer, außerdem die Jersey-Taschen voll mit Gels. Vor mir eine ziemliche Menschenmenge, ich steh in Startblock 3 und hab auch ein wenig verpasst, mich nach vorne zu quetschen. Ich dreh mich gar nicht um, aber hinter mir stehen nochmal ziemlich viele Leute.

Was habe ich in den letzten Wochen und Tagen darüber nachgedacht, über dieses Rennen, das erste Rennen meines Lebens. Wenn man mit deutlichem Übergewicht und im Alter von fast 35 Jahren beschließt, sowas zu machen, muss man sich bissl vorbereiten. Die Distanz von 125 Kilometer in Verbindung mit ca. 600 Höhenmetern macht mir keine Angst. Der Wind, die Rennsituation, die Ernährung, die Strecke, das sind Dinge, die mich beschäftigen. Ich quatsche mit Leuten, die schon den Neusiedler gefahren sind, traditionellerweise das erste Rennen der Saison. Aufpassen soll ich, weils (Über)Motivierte gibt und es öfter mal kracht. Am Anfang soll ich beissen und möglichst schnell über die ersten Hügel drüber, schnell eine Gruppe finden, sonst fahr ich allein, und das ist im Wind nicht angenehm. Ungefähr alle 30 Minuten soll ich dran denken, mir ein Gel reinzuschieben, der Körper braucht Sprit. Und ich solls genießen. Gut.

## "Am Anfang musst all out gehen!"

Um 10.00 Uhr gehts los, die Karawane beginnt langsam zu rollen. Ich hab ein paar Kilometer Warm-Up in den Beinen, bin den Anfangsberg einmal raufgefahren, bin wach und der Körper fühlt sich gut an. Ich habe eine Woche davor den Streckenanfang gescoutet, bin den Anfangsanstieg ein paar Mal gefahren und es war furchtbar. Die Angst, gleich einmal in den ersten Minuten gedropped zu werden, ist groß, dementsprechend fokusiert bin ich. Ja nicht abreissen.

Aber die Nerven hätte ich mir sparen können. Die ersten 10, 15 Minuten haben etwas von einem Spaziergang, bergauf staut es sich, man fährt mit wirklich niedriger Pace in die Weinberge Richtung ungarischer Grenze und zu meiner großen Überraschung gelingt es mir, viele Leute zu überholen. Das habe ich so nicht erwartet. Nach dem ersten Gupf gehts recht schnell und eng dahin, auch hier kann ich Plätze gut machen und beginne mich zu fragen, wie weit das Feld vor mir schon weg ist. Die Antwort auf diese Frage folgt prompt, als der Radweg kurz neben einem Feldweg aufmacht und sagen wir so: Mit der Gruppenspitze werde ich an diesem Tag keinen Kontakt mehr haben. Egal.

Es geht nochmal bergauf, bei Klingenbach gehts über die Grenze und dann in feschem Tempo Richtung Sopron und die Südseite vom Neusiedler. Der Rückenwind drückt an, ich mache wieder einige viele Plätze gut, finde eine ca. 40-köpfige Gruppe, mit der ich bis Pamhagen im Pulk fetzen kann. Und zum ersten Mal darf ich erleben, wie es sich anfühlt, in einer (für meine Verhältnisse) schnellen, großen Gruppe im Rennmodus zu fahren. Die Endorphine blocken jegliche Schmerzsensorik, ich fahre wie die Leute um mich herum hochkonzentriert, die nur in Fahrtrichtung gesperrte Straße lässt gar nicht so viel Platz für Fehler zu, aber es ist einfach nur ein geiles Gefühl. Von Ungarn krieg ich de facto nichts mit, die Umgebung zieht im Geschwindigkeitsrausch vorbei, als ich das erste Mal auf die Uhr am Wahoo schaue, sind schon 1,5 Stunden seit dem Start vergangen und wir biegen wieder in Richtung Grenze ab.

Und in Richtung Wind.

Und in Richtung Schmerz.

Foto: Sportphoto

Foto: Sportphoto

## "Such dir ein Packerl und bleib in dem Packerl"

Und oh Gott ändert sich die Wahrnehmung des Rennens. Der Wind bläst heftig, wie mir ein Mörbischer später sagen wird so heftig, wie er sonst selten bläst. Er kommt von Links-Vorne, die Gruppe streckt sich, die linke Seite wird immer unbeliebter und immer mehr Leute versuchen, sich rechts in der Windkante zu verstecken. Ich bin Altruist und in dem Fall Trottel und fahre viel Zeit links vorne, in der Hoffnung, dass auch andere ihren Anteil an der Arbeit übernehmen. Sagen wir so: Ein Rennen ist nicht der richtige Ort für Altruismus und Hoffnung ist eh schön.

Aber gut, bis Illmitz fahren wir schön im Pack, leiden, aber alle leiden ungefähr gleich. Das Tempo ist auf bissl über 20km/h gefallen, die Herrlichkeit ist vorbei. In Illmitz wartet die erste Labe und auch die Möglichkeit, den Marathon bereits hier zu beenden und mit der Fähre wieder nach Mörbisch zu fahren. Ich spiele mit dem Gedanken, mir auf der Fähre ein Elekrolytgetränk anzuzünden, ein halbes Runderl um den See ist ja auch ok, aber ich fahre weiter. Von der Gruppe, in der ich gerade noch war, sind aber viele bei der Labe stehengeblieben, oder zur Fähre abgebogen, und die Leute, die jetzt um mich herum sind, sind mir zu schnell. Fuck.

Auf den nächsten Kilometern rauscht es dann ordentlich im Kopf. "Wieso tust du dir das an? Magst nicht umdrehen? Die Fähre ist noch nicht weit weg?", das sind so Fragen, die im Kopf herumschwirren. Das Flattergeräusch meiner Startnummer geht mir mittlerweile ziemlich auf die Nerven, das Dauerrauschen im linken Ohr ebenso. Ein Gel zu konsumieren ist solo im Wind auch nicht so leicht, ein paar Mal verreisst es mir den Lenker und der Wahoo zeigt irgendwas zwischen 16 und 18 km/h an. Das ist keine Renngeschwindigkeit, das ist ein Zustand und die Laune geht nach unten. Solche Momente nutze ich gerne, um a bissl ins Land einizuschauen, mich Kraft der Natur auf andere Umgebung auf andere Gedanken zu bringen, aber ohne der Ostseite des Neusiedlersees zu Nahe treten zu wollen: Die Umgebung hilft nicht. Eintönig geht es dahin, aber ich finde zum Glück in einen Tunnel, in dem ich einfach kurble. Irgendwann werde ich schon den Schwenk in Richtung Neusiedl erreichen, irgendwann geht dieser Wind weg.

Und in diesem Tunnel erwischt mich eine Gruppe von hinten und das Tempo dieser Gruppe kann ich halten. Knapp vor Podersdorf bin ich nicht mehr allein, die Lebensgeister kehren zurück. Ein Starbike-Kunde erkennt mich, möchte sich unterhalten, ich bin leider zu keiner Konversation fähig, aber das hole ich im Ziel nach.

## "In Neusiedl kommen die Krämpfe"

Um Neusiedl herum wird der Straßenverkehr ein Faktor, die Strecke ist nur teilweise gesperrt, die Exekutive macht einen hervorragenden Job, um uns den Rücken und die Strecke freizuhalten, aber ein paar Trotteln gibts immer. Mein Puls geht aus Wut nach oben, aber zum Glück nur kurz. Nach Neusiedl fällt vom oben erwähnten Mörbischer der Satz "Wirst sehen, nach der Kurve ists mim Wind vorbei", ein paar Sekunden später muss ich ihn der Lüge bezichtigen. Der Wind bläst immer noch, jetzt halt von rechts, aber leider noch immer nicht wirklich von hinten. Aber wenigstens gehts tendenziell eher bergab.

Mein ursprünglicher Plan war es, beide Laben auszulassen, in Breitenbrunn mach ich aber dann doch einen kurzen Stopp. Und merke beim Absteigen vom Fahrrad, dass meine Muskulatur doch einigermaßen angestrengt ist, ich war bis jetzt scheinbar so konzentriert, dass ich das gar nicht so mitbekommen habe. Die paar Meter, die ich bei der Labe zu Fuss zurücklege, sind furchtbar und ich schwinge mich wieder aufs Rad. Sonst bleib ich dort stehen. Kurz nach der Labe fragt der Mörbischer, ob er sich bei mir im Windschatten dranhängen kann, bei ihm sind die Körner leer. Ich sage ihm, dass das bei mir eh auch nicht anders ist, aber zu zweit leidet sichs besser, als allein. Und es geht ja eigentlich quasi nur noch bergab.

Purbach kommt und geht, und ich frage mich, ob die nächste Ortschaft schon Donnerskirchen ist. Weil die Strecke von Donnerskirchen zum Ziel kenn ich sehr gut, die kann ich mir visualisieren. Und ich falle nochmal kurz in ein Loch, weil ich mir auf einmal nicht sicher bin, ob der nächste Ort tatsächlich Donnerskirchen ist. Und zu allem Überfluss drängt der Kehrwagen von hinten, vom Gas gehen ist also nicht. Aber Donnerskirchen ist Donnerskirchen, ich hau nochmal ein Gel rein und zünde die letzten Reserven. In meinem Windschatten haben sich mittlerweile ein paar Leute angeschlichen, ich schaffe es auch, ein paar Leute vor mir wieder einzuholen, bis Oslip fühlt sichs hervorragend an, auch, weil der Wind jetzt fast schon wieder von hinten kommt. Allein, ich weiß, es wartet noch ein Anstieg auf mich, und der wird nicht schön. Auch der Mörbischer hat diesen Anstieg als Endgegner auserkoren, erzählt, wie er letztes Jahr die letzten Meter schieben musste, weil die Krämpfe ihn erwischt haben. Passt schon, geht schon.

## Finale halb-grande

Und dann ist er da, der letzte Gupf, bei den Römerstreinbrüchen zwischen St. Margarethen und Rust. Er ist nicht steil, er ist nicht lang, er ist nicht hoch, aber er ist da. Und als Cycloklops ist jeder Höhenmeter schwierig, aber ich weiß, dahinter kommt das Paradies, dahinter kommen ein paar Kilometer bergab und all-out und dann Mörbisch und das Ziel und Bier.

Und so passiert es auch. Auf der Abfahrt kann ich nochmal ein paar Leute einholen, unter anderem einen ähnliche statuierten Fahrer im Irland-Jersey, mit dem ich mich schon die ganze Runde gematched habe. Richtung Mörbisch geb ich nochmal alles, aber die Beine wollen nicht mehr wirklich. Links hinten im Oberschenkel beginnt ein Krampf, rechts unten in der Wade, rechts vorne im Oberschenkel. Ich krieg nicht mehr viel Power aufs Pedal, kann aber auch nicht rollen. Der "Ire" holt mich wieder ein und fährt vorbei, Punkt für ihn. Der Mörbischer sagt, wir können jetzt ruhig langsamer, aber ich sag ihm, wir sind ja doch noch in einem Rennen und es geht schon noch. Beim Ortstaferl verabschieden wir uns, er muss seinen Heimatsort begrüßen, wird gefeiert, und auch ich werde von meiner Frau und meinen Eltern jubeld empfangen. Und ich muss sagen: Das Überfahren der Ziellinie fühlt sich richtig, richtig gut an.

Ich schlage mit dem Iren ab, mit seinem Partner, versuche, den Zeitnehmtransponder vom Fahrrad zu schneiden, ohne mir wehzutun. Im Zelt sind mittlerweile schon ziemlich Finisher, haben Speis und Trank vor sich, ich versuche, mich im Halbdelirium zu orientieren und mir Futter zu suchen.

Knapp unter 5 Stunden habe ich gebraucht, als 709er (oder so ähnlich) bin ich im Ziel angekommen, der Schnitt um den See herum waren letzten Endes 26km/h, ich bin mit meiner Leistung extrem zufrieden. Bier und Grillhuhn schmecken köstlich, bissl besser als sonst, die Beine zucken unmotiviert vor sich und es machen sich wieder Endorphine breit. Ich bin fertig und müde, aber im Ziel und happy. So soll es sein.

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Giro Aether MIPS im Dauertest

Einen Bericht über einen Helm zu schreiben, beinhaltet eine grundlegende Schwierigkeit: man kann den vordergründigen Zweck des Helms nicht testen - und soll und will das auch nicht! Es ist also eine Art Versicherung, um die es hier geht - der Mitgliedsbeitrag ist überschaubar, das Risiko eher unkalkulierbar, der Ernstfall tritt hoffentlich nicht ein. Wassermelonen oder ähnliches in einen Helm zu stecken und diese Kombination dann aus unterschiedlichen Höhen auf einen harten Untergrund fallen zu lassen, mag jene beglücken, die sich anhand von Normen, Schulnoten und Vergleichswerten in Sicherheit wiegen wollen. In diesem Test passiert so etwas allerdings nicht, und dies hat drei Gründe:

  1. Ich möchte nicht eine Reihe von Helmen auf den Boden werfen und zerschellen lassen (und möchte mir das auch nicht leisten…)

  2. Schulnoten oder andere Laborbewertung können maximal ein subjektives Sicherheitsgefühl suggerieren, allerdings keine tatsächliche Aussage über irgendeine Sicherheit oder den Ausgang eines Unfalls geben.

  3. Nicht zuletzt - und das ist eigentlich der wichtige und damit springende Punkt - möchte ich mich auf die „positiven“ Seiten konzentrieren. Alle Helme - vor allem jene der renommierteren Hersteller - durchlaufen zahlreiche Test, Zertifizierungen und Prüfverfahren. Ich vertraue hier also einfach und gehe davon aus, dass alle Helme im sportlichen und gehobenen Preissegment eine gewisse Grundsicherheit gewährleisten. Ob das Schulnote 2,3 oder 1,9 ist, kann aus meiner Sicht vernachlässigt werden.

Die positiven Seiten des Helms an sich…

Eines vorweg - auch wenn es in meinen Augen nicht mehr notwendig sein sollte, das laut auszusprechen: Sportliches Radfahren ohne Helm geht gar nicht! Punkt. Keine Helmdiskussionen wie beim Radeln in der Stadt, keine Argumentationsketten mit „Wahrnehmung der Autofahrer“ oder „Vermittlung eines falschen Sicherheitsgefühls“ oder Ähnliches. Wer am Rennrad unterwegs ist, sollte - auch in völliger Abwesenheit von Autos oder anderen Verkehrsteilnehmern - einen Helm auf seinem Kopf tragen.

Machen wir also das Beste daraus! Der Helm ist auch Sonnen- und Witterungsschutz, Statement, Farbklecks, Werbefläche, was auch immer man will. Für mich persönlich ist der Helm ein wichtiges Accessoire. Das mag dumm oder abgehoben klingen, bei mir ist es allerdings passiert, dass sich mehrere Helme angesammelt haben - alle mit einem eigenen Zweck, einer eigenen Charakteristik und einer eigenen Geschichte.

Mein weißer POC Octal wird für immer einer meiner Favoriten bleiben - zu sehr mag ich es, wie ein Pilz aus Super Mario Brothers auszusehen. Nachdem ich mich beim Urlaub in Lienz allerdings einmal etwas zu wenig geduckt und mir am Garagentor eine dicke Kerbe in den Helm geschlagen habe, fristet er nur noch ein Dasein als stiller Zuschauer und befindet sich nicht mehr im aktiven Einsatz. Es ist immer eine Grauzone, wie lange oder nach welchen Ereignissen man einen Helm noch weiter verwenden soll, kann oder darf - ich bin hier eher auf der vorsichtigen Seite zuhause und lasse ihn lieber hängen. (Ihn wegzuschmeissen, habe ich allerdings noch nicht übers Herz gebracht). Dann gibt es noch einen Kask Protone in mattschwarz, der gut belüftet und damit gut für den Sommer oder die Bahn geeignet ist. Auch dieser hat eine kleine Abschürfung erlitten, als ich mich einmal langsam (aber dann offenbar doch schnell genug) auf die Seite gelegt habe. Und schließlich ist da noch der Met Manta mit seinen wenigen und kleinen Belüftungsschlitzen, den ich mir in leichter Panik noch kurz vor dem King of the Lake 2017 zugelegt habe, damit ich dort zumindest ein klitzekleines Stück weit aerodynamischer unterwegs bin.

Vor wenigen Monaten ist dann noch einmal Zuwachs ins Haus gekommen. Helme von Giro sind ja auf dem Markt schon lange präsent - sehr präsent, um genau zu sein. Wer sich ab und zu ein Radrennen im Fernsehen ansieht, wird um den Anblick des markanten Giro Synthe nicht herumgekommen sein. Der Nachfolger mit dem Namen „Aether“ ist seit letztem Herbst auf dem Markt und tritt in diese großen Fußstapfen. Im Profipeloton teilt sich der Aether die Einsätze mit dem Vanquish, je nachdem ob die Fahrer*innen Belüftung oder Aerodynamik vorziehen.

Style

Der wesentliche Stil des Synthe findet sich auch im Aether wieder. Die markanten Längsstreben ziehen sich von der Stirn bis zum hinteren Ende. Auf den ersten Blick fast unheimlich scheinen die Querverbindungen zwischen diesen Längsstreben, sind diese doch erst auf den zweiten Blick so richtig erkennbar bzw. sucht man zuerst noch vergeblich massivere Querträger. Stattdessen sind es durchsichtige Kunststoffbrücken, die sich an der Außenhülle des Helms quer über den Kopf ziehen und so den „Schutzhelm“ erst vollständig machen.

Angenehm ist die leichte Bauart im Stirnbereich, da ragt kein Material ins Gesicht, das Blickfeld ist nach vorne hin absolut frei - man merkt nichts vom Helm, hat man ihn erst einmal an die richtige Stelle gebracht. Am Hinterkopf bzw. im Nacken reicht der Helm weit genug herunter, um subjektiv als auch objektiv genug Schutz zu bieten. Der Synthe war hier gefühlt noch etwas filigraner und „leichter“, allerdings hatte man da auch ab und zu den Eindruck - vor allem wenn man andere Fahrer damit sah - als wäre da nur einen kleinen Deckel auf dem Kopf. Während bei meinem schwarzen Modell die obere Hälfte des Helms in mattem Finish ausgeführt ist, glänzen die beiden unteren Streben schwarz. Diese optische Unterscheidung ist auch der dezente Hinweis auf das Hauptfeature des Helms und die magischen vier Buchstaben „MIPS“.

MIPS

„MIPS“ steht für „Multi-Directional Impact Protection System“ und wurde vor einigen Jahren in Schweden erfunden. Überlegung dabei ist, dass die meisten Helme einen guten Schutz bei einem „linearen“ Aufprall bieten. Wir erinnern uns an die Melone, die man gerade auf den Boden fallen lässt? In der Praxis ist es allerdings eher unwahrscheinlich, dass man bei einem Sturz gerade auf ein Objekt zu oder eben in normalem Winkel auf den Boden zufällt. Für das menschliche Gehirn besteht allerdings speziell dann große Gefahr, wenn es zu einem schrägen Aufprall kommt und dadurch starke Rotationskräfte auf den Körper und eben das Gehirn wirken.

MIPS soll in genau diesen Fällen Abhilfe schaffen. Dies soll durch eine Zweiteilung des Helms geschehen - die Trennlinie auf der Oberfläche des Aether zwischen matt und glänzend ist genau diese Schnittstelle zwischen den beiden Hälften. Durch eine Entkoppelung der Helmhälften kommt es bei einem schrägen Aufprall zu einer Verschiebung der beiden Hüllen gegeneinander und somit zu einer (teilweisen) Absorption jener Kräfte, die sonst auf den Kopf oder das Gehirn wirken würden. Augenscheinlich wird diese Funktionsweise auch, wenn man am Helm einfach die beiden Teile gegeneinander bewegt - die Verschiebung der beiden Hälften ist klar ersichtlich und spürbar.

Die Kehrseite der Medaille - sofern zusätzlicher Schutz auch einen Nachteil haben kann: Das System schlägt mit einem Mehrgewicht von gut 50 Gramm zu Buche - verkraftbar in meinen Augen. Zweitens will die zusätzliche Sicherheit auch bezahlt werden. Auch wenn die Preisunterschiede zwischen MIPS und Nicht-MIPS nicht mehr so drastisch sind wie zur Einführung des Systems, man wird ein bisschen tiefer in die Tasche greifen müssen.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass MIPS keiner Marke oder Firma zugehörig ist - die schwedische Herkunft wurde und wird oft mit POC in Verbindung gebracht, allerdings besteht hier kein Zusammenhang. Eher im Gegenteil, setzt POC doch seit 2019 nicht mehr auf MIPS sondern hat mit der „SPIN“-Technologie ein ähnliches Konzept im Einsatz (das allerdings auf strategisch platzierte Polster setzt anstelle von schwimmend gelagerten Helmschalen).

Passform

Die Anpassung an den eigenen Kopf - so groß, klein, rund oder eckig er auch sein mag - sollte heutzutage keinen Helmhersteller mehr vor allzu große Herausforderungen stellen. Grundsätzlich die richtige Größe zu kaufen, sollte eine Frage des Hausverstands sein. Vorheriges Probieren und Vergleichen von Modellen und Größen sprechen im Fall von Helmen klar für eine Beratung und einen Kauf im Geschäft und nicht online. Gerade auch bei Helmen mit der MIPS-Technologie - wo es doch auch darum geht, dass Kräfte am und rund um den Kopf möglichst gut abgebaut werden sollen - ist die richtige Größe und Passform noch einmal wichtiger als bei einem Helm ohne diese Technologie.

Die Einstellmöglichkeiten bewegen sich beim Giro Aether im üblichen Ausmaß. Am Hinterkopf findet man ein gut verarbeitetes und haptisch ansprechendes Drehrad, mit dem der Umfang des Innenlebens des Helms an den Kopf angepasst wird. Die Einstellung verläuft dabei sehr fein und in kleinen Stufen. Das Innenleben kann herausgenommen, adaptiert, ausgetauscht und gewaschen werden, auch der Kinnriemen lässt sich in unterschiedlichen Varianten einstellen. Aus für mich unerfindlichen Gründen verzichten manche Hersteller (mittlerweile wieder?) auf eine Verstellbarkeit der Riemen unter den Ohren, also die Möglichkeit, das Dreieck um die Ohren zu vergrößern oder zu verkleinern. Beim Aether ist glücklicherweise auch das einfach möglich. Genau so filigran und leicht, wie der Helm aussieht, so fühlt er sich auch an, wenn man ihn erst einmal richtig an den eigenen Kopf angepasst hat.

Belüftung

Nach dem oben Gesagten sollte schon klar sein, wie es mit der Belüftung aussieht. Große Abstände zwischen Längsstreben und viel Platz unter den Querstreben sorgen dafür, dass der Fahrtwind hervorragend zum Kopf gelangt und damit auch für erstklassige Belüftung gesorgt sein sollte. Ehrlicherweise sei an dieser Stelle gesagt, dass ich während meiner Testfahrten in den letzten Monaten eher danach getrachtet habe, alle möglichen Öffnungen zu verschließen, um die kalte Winterluft möglichst von meinem Kopf fernzuhalten - aber die Bauform lässt mich sehr zuversichtlich auf den nächsten Sommer warten.

Mögliche Nachteile der großen Freiflächen betreffen auf der einen Seite natürlich Wettereinflüsse - jene, die ihr Haar gerne sehr, sehr, sehr kurz tragen, sollten für ausreichend Sonnenschutz oder eine adäquate Kopfbedeckung unter dem Helm sorgen. Ein anderes Thema sind Insekten und anderes Flugvieh, das sich schon mal unter den Helm verirren kann - hier sind meine Befürchtungen allerdings verschwindend gering. Aufgrund der schieren Größe der Öffnungen wird jedes Insekt im Nu wieder aus dem Helmbereich geweht und wird sich daher nicht lange dort aufhalten. Wie ich allerdings beim Arlberg Giro 2018 leicht panisch feststellen musste, finden Insekten ohnehin immer einen Weg, wenn sie wirklich wollen ;)

Fazit

Auf den eigentlichen Test - nämlich den Sturz - verzichten wir also. Umso mehr erfreuen wir uns an der neuen Version des Technologieträgers Aether aus dem Hause Giro. Was für die Profis im Peloton gut genug ist, wird auch für die Feierabend-Runde entlang der Donau ausreichen (vermute ich…). Im Sommer freue ich mich auf die gute Belüftung, der Helm sieht sehr schick aus und die paar Gramm Mehrgewicht des MIPS-Systems bin ich gerne bereit, „mitzuschleppen“. Schließlich sollen auf 169k ja noch längere Zeit Blogbeiträge und Fotos erscheinen!

Wie oben erwähnt, sei jeder und jedem ein Besuch des Radgeschäfts ihres/seines Vertrauens nahegelegt - Helmkauf sollte meines Erachtens nach vor Ort erfolgen. Mein Helm hat mit freundlicher Unterstützung von Pbike und Grofa Action Sports zu mir gefunden. Wer nicht die volle Breitseite von 250-350 Euro für eine MIPS-Version oder das Top-Modell Aether ausgeben möchte, findet im Sortiment von Giro ausreichend Möglichkeiten und Varianten, auch der bewährte Synthe ist nach wie vor erhältlich.

Johannes trägt den Giro Synthe

Fotos: Martin Granadia, Nora Turner, Aurel Stehmann

Ernährung (Teil I)

„Nummer 81. Nummer 81!“ ruft der junge Mann mit dem karierten Halstuch und ich trete vor an die Theke, um mein Essen entgegenzunehmen. Es sind Hüttenwochen bei McDonalds und ich mittendrin - ab nach Hause, auspacken, essen, fertig. Dass ich mich danach weder gesättigt noch besonders gut versorgt fühle hat Tradition, war aber bis jetzt kein dringender Grund, McDonalds links liegen zu lassen. Ist doch eh heimisches Fleisch, Gemüse ist auch drinnen, die Kalorienzahlen lesen sich nicht allzu dramatisch. Aber ist das der Weisheit letzter Schluss? Und was ist mit dem Schokoriegel zwischendurch, der Topfengolatsche nach dem Mittagessen und warum bin ich jetzt schon wieder aufgebläht?

Die Pläne für 2019 sind teilweise groß, die sportlichen Herausforderungen werden beträchtlich und auch wenn kein allzu großer Leistungsdruck da ist, es wäre doch schade, wenn man nicht 100% seiner Leistung abrufen kann. Bis jetzt habe ich mir keine allzu großen Gedanken über meine Ernährung gemacht, obwohl mir natürlich immer klar war, dass hier (großes) Potential schlummert, besser zu werden. Ich habe nur aus den Augenwinkeln diverse Ernährungstrends mitverfolgt - Veganismus, Paleo, Keto-Irgendwas, High Carb, Low Carb - und mir bei den meisten gedacht, dass diese keinen Bestand haben werden. Außerdem habe ich nie besonderen Leidensdruck verspürt, an meiner Ernährung etwas verändern zu müssen - ich bin kein Risikopatient, habe keine hervorstechenden Blut-, Zucker- oder Cholesterin-Werte, mein Bauch wächst - keksbedingt - über den Jahreswechsel an und wird wieder kleiner, wenn im Frühjahr die Zahl der abgespulten Radkilometer steigt.

Für 2019 habe ich mir allerdings vorgenommen, mich mit meiner Ernährung näher zu beschäftigen. Mein einjähriger Sohn bekommt jeden Tag feinstes Bio-Gemüse, hochwertige Hafer- und andere Getreideflocken, beste Zutaten von überall - und es schmeckt ihm hervorragend! Damit also ich ein Vorbild sein kann, muss ich mir ihn als Vorbild nehmen. Es geht demnach um Wohlbefinden und Gesundheit - ganz unsportlich gesehen. Weniger Zucker, bessere Inhaltsstoffe, bewusstere Entscheidungen. Zweiter Grund ist aber natürlich der Sport und die mögliche Leistungssteigerung, die man durch eine Optimierung der Ernährung erzielen kann. Dazu habe ich mir professionelle Hilfe geholt.

Anamnese im „Büro für Ernährung“

Caroline Schlinter-Maltan führt in Wien das „Büro für Ernährung“. Neben der Ausbildung als Ernährungsberaterin ist sie auf Ausdauersportler spezialisiert, genau die richtige Kombination für meine Anforderungen. Das Kennenlernen ist herzlich, Vertrauen sofort da - dieses ist aus meiner Sicht auch deshalb wichtig, weil es sich schon um eine recht intime Angelegenheit handelt, nicht im medizinischen Sinn sondern eher im Sinne einer Beichte. Sich selbst gegenüber sollte man natürlich auch ehrlich sein bzw. sein wollen und können - wer den Schokoriegel zwischendurch verheimlicht und verleugnet, wird nur bedingt erfolgreich sein.

Es beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Das Gewicht, dass die Hightech-Waage ausspuckt, ist dabei nicht die einzig wesentliche Messgröße. Es werden Körperfett, Muskel- und Flüssigkeitsanteil, die Verteilung auf die einzelnen Extremitäten und viele andere Werte ermittelt, am Ende sieht man sich einer recht profunden Analyse des eigenen Körpers gegenüber. An dieser Stelle gibt es möglicherweise schon erste Erkenntnisse - beispielsweise wenn einer der ermittelten Werte tatsächlich weit außerhalb einer Norm oder Empfehlung liegt. Ansonsten aber sind diese Werte als Ausgangsposition zu sehen, möglicherweise als Arbeitsauftrag, jedenfalls aber als Grundlage für die weiteren Schritte. Es ist ähnlich wie mit wattgesteuertem Training - wer von einem falschen FTP-Wert ausgeht, wird permanent in den falschen Leistungsbereichen trainieren und damit wenig bis nichts erreichen. Ebenso ist es wichtig, grundlegende Werte wie den täglichen Kalorienumsatz zu kennen, um die Ernährung entsprechend darauf einstellen zu können.

Neben der Vermessung und Verwiegung dient ein ausführlicher Fragebogen der Ermittlung der mitunter lieb gewonnenen Gewohnheiten. „Süß“ mag ich, „Linsen und Bohnen“ mag ich, kommen aber in meinem Speiseplan nicht vor, „wieviel Kaffee trinkst du täglich“ - alle Bereiche und Segmente der Ernährung werden sukzessive abgeklopft. Auch mögliche Allergien und Unverträglichkeiten werden an dieser Stelle vorgebracht - bei mir sind diese glücklicherweise nicht vorhanden, andere leiden darunter recht massiv.

Dritter Puzzleteil - neben Waage und Fragebogen - sind die Ernährungsprotokolle. Als erste Hausaufgabe ist man angehalten, seine täglichen Mahlzeiten aufzuzeichnen. „Frühstück, Vormittag, Mittag, Nachmittag, Abendessen, später Abend“ - dazu sind möglichst detaillierte Angaben (in Gramm, Stücken, Portionen oder Kalorien) zu machen. Ehrlichkeit ist dabei - wie schon erwähnt - sehr wichtig, schlechtes Gewissen nicht angebracht. Umgekehrt sagt Caroline Schlinter-Maltan, dass Ernährungsprotokolle sehr oft schon eine erste Verbesserung mit sich bringen - die Bewusstmachung der täglichen Mahlzeiten, lässt einen schon viel differenzierter an die Sache herangehen, Schokoriegel werden mitunter schon alleine deswegen weggelassen, weil man sie ansonsten aufschreiben und damit dokumentieren müsste.

Ernährungsprotokolle

Ich habe also von nun an einen Pack Zettel in meiner Hand - immer und überall. Im Büro, zuhause, vor dem Computer - jede Mahlzeit, jeder Snack wird protokolliert. Am zweiten Tag stelle ich beim Frühstück eine Küchenwaage neben mich und beginne Brot, Butter und Marmelade zu wiegen. Klingt pedantisch und übertrieben? Möglicherweise, aber wer ist sich schon bewusst, wie viel 100 Gramm oder 100 Kalorien sind. Davon eine Idee zu bekommen, hilft dabei, Mahlzeiten und Mengen besser einschätzen zu können. (Nach dem zweiten Tag kann man die Waage getrost wieder in der Küche stehen lassen, es geht ja nur darum, ein Gefühl dafür zu bekommen). Mein direktes Umfeld zeigt sich übrigens schnell interessiert, das Thema Ernährung lässt offenbar keinen locker, betrifft jede und jeden. Einige schließen sich mir an und beginnen auch für sich mitzuschreiben, was sie den ganzen Tag so zu sich nehmen - rein aus Interesse.

Nach zwei Wochen Ernährungsprotokoll wird recht schnell klar, wo man ansetzten könnte. Mein Frühstück ist immer das Gleiche, Variation und andere Inhaltsstoffe können mir hier helfen, besser durch den Tag zu kommen. Es ist kein hochwissenschaftliches Geheimnis, wo die Unterschiede zwischen einfachem Zucker und langkettigen Kohlenhydraten liegen. Dass man nach der Marmelade-Semmel am Morgen spätestens um 10 Uhr vormittag wieder Hunger bekommt, ist biologisch recht einfach darstellbar - warum man es dann trotzdem nicht von selbst macht, weiß ich nicht… Schmeckt halt auch gut so ein Honigbrot! Mit mehr (=nachhaltigerer) Energie vom Frühstück erspare ich mir dann vielleicht auch meine Vormittagsjause, esse später zu Mittag und auch der Snack am Nachmittag wird vielleicht nicht mehr so wichtig und notwendig sein wie im Moment. Ich bin sehr gespannt, wie sich das die nächsten Wochen und Monate entwickeln wird.

Denn klar ist auch, dass eine derartige Entwicklung nicht von heute auf morgen passieren wird bzw. kann. Ebenso auf der Hand liegt, dass Ernährung eine sehr individuelle Geschichte ist und man deshalb nicht blindlings auf vorgefertigte oder standardisierte Pläne und Konzepte aufsetzen sollte. Mein Entwicklungshorizont ist ein moderates Abnehmen bis Juni - wobei „Abnehmen“ im Sinne des Wohlbefindens zu verstehen ist - und danach eine Optimierung meiner Nahrungsaufnahme während des Sports.

Auf dem Rad

Denn ist man oft und viel auf dem Rad unterwegs, beeinflusst das den Energiehaushalt natürlich entsprechend. Es macht keinen Sinn mit einem Ruhe-Kalorienverbrauch von 1.950 Kalorien zu rechnen, wenn man beim Training auf dem Rad noch zusätzliche 1.000 Kalorien verbrennt. Trainingshäufigkeit und -intensitäten müssen daher bei einem Ernährungsplan und einer Optimierung der Ernährung entsprechend berücksichtigt werden. Es werden auch sportliche Aktivitäten ins Ernährungsprotokoll eingetragen - sobald man seinen Puls misst, erhält man über Zwift, Strava und dergleichen auch einen (annäherungsweise richtigen) Kalorienverbrauch für ebendiese Aktivität. Auch hier ist ein großer Teil die Bewusstmachung - bei meiner 160k-Tour auf Zwift habe ich beispielsweise 3.200 Kalorien verbraucht - interessant, diesen Wert zu kennen und für andere Aktivitäten einschätzen zu können.

Neben dem Einfluss des Sports auf die allgemeine Ernährung und den Energiebedarf geht es für mich auch ganz stark um die Ernährung auf dem Rad bzw. vor und nach dem Training. Das beste Training hat keinen (oder weniger) Sinn, wenn man hungrig oder vollgestopft aufs Rad steigt, die Leistung wird nicht passen, wenn man von den falschen Lebensmitteln aufgebläht ist und wer schon einmal ein Müsli direkt vor dem Radfahren gegessen hat, weiß, dass der Körper sich dann nicht ausschließlich aufs Radeln konzentrieren wird können. Während der Aktivität gibt es mit der großen Auswahl an Nahrungsmitteln (Shots, Gels, Riegel) natürlich großen Spielraum und Variationsmöglichkeiten - aber auch hier gibt es „natürlichere“ oder „bessere“ Produkte. Und schließlich ist da noch das Essen nach dem Heimkommen - und das soll nicht in einen „Fress-Flash“ ausarten, in dem man wahllos alles in sich reinstopft, was man findet, um seine Speicher wieder zu füllen, sondern idealerweise kommen auch hier „sinnvolle“ und hochwertige Inhaltsstoffe und Produkte zur Verwendung, die einem die Weiterentwicklung ermöglichen und nicht den ganzen Trainingseffort gleich wieder zunichte machen.

Im Hinblick auf mein Race Around Austria im August stellt sich außerdem die Frage, wie man sich am Rad für eine Belastung über 24 Stunden am besten versorgt. Dabei sind die Anforderungen wiederum andere als bei kurzen Trainings auf der Rolle oder den klassischen zwei- bis dreistündigen Ausfahrten. Aber dazu kann ich im Sommer mehr sagen, schließlich läuft mein Projekt Ernährungsberatung über die nächsten Monate. Mehr dazu also im nächsten Teil der Serie - voraussichtlich wird das Ende Mai/Anfang Juni der Fall sein. Ich habe außerdem bereits in den ersten Tagen einige Nachrichten zu diesem Thema bekommen, mit Vorschlägen, Anregungen und weiteren Inputs - diese möchte ich auch in den nächsten Teilen gerne mitbehandeln.

Bis dahin: Mahlzeit!

Link:

Büro für Ernährung - Mag. Caroline Schlinter-Maltan

160 Kilometer Zwift

“Wenn du alleine zuhause bist, kommst du auf blöde Ideen”, schreibt mir Nora (alias Unicorn Cycling) kurz nachdem ich meine Aktivität auf Strava hochgeladen habe. Und ganz falsch liegt sie damit nicht…

Auf meinem Computer sind unzählige Listen abgespeichert - Listen mit möglichen Themen für den Blog, Routenvorschlägen, lose Ideen aber auch recht konkreten To-Dos. Über das Jahr schreibe ich hier alles rein, was mir so einfällt und über den Weg läuft. Zwift bietet zum Aufrechterhalten der Motivation in-game einige Herausforderungen und Missionen - von “tritt soundso viel Watt” über “fahre an soundso vielen Tagen” bis hin zu “fahre 100 bzw. 160 km”. Seit Zwift Teil meiner Winter-Trainingsroutine ist, sind daher die Zwift-Challenges auch auf meiner To-Do Liste präsent. So weit so gut…

“Masochist” ist beispielsweise erreicht, wenn man 25 Mal Alpe du Zwift gefahren ist…

Parallel dazu ist man ja Mitglied in diversen Facebook-Gruppen, die größte deutschsprachige Community in Bezug auf Zwift sind die “Zwift Riders Germany”. Scrollt man dort durch die letzten Beiträge wird einem regelrecht schwindlig, angesichts der Marathonleistungen, die da in beeindruckender als auch erschreckender Regelmäßigkeit abgeliefert werden. 100 Kilometer? Pffff… Rennen da und dort - kein Problem. 160 Kilometer am Stück? Mindestens eine*r pro Tag! Als Radler, dessen Zwift-Horizonte üblicherweise bei 40 Kilometern enden, beginnt man an dieser Stelle zu rätseln. Ist das schwer? Macht das Spaß? Ist das normal? Warum macht man das? Zeit für einen Selbstversuch!

100 Kilometer

Das “Metric Century” - wie die 100 Kilometer auf Zwift so schön heißen - habe ich schon mehrmals hinter mich gebracht - der Erstversuch ist hier nachzulesen. Die Distanz kennt man vermutlich von längeren Ausfahrt draußen und weiß daher auch grob, was da auf einen zukommt. Auf Zwift bzw. auf der Rolle ist die Dynamik natürlich eine andere - nämlich keine, und das ist die größte Herausforderung. Längere Distanzen auf der Rolle fallen in erster Linie schwerer, weil die Position auf dem Rad statischer ist - man wechselt weniger oft die Haltung, durch die fehlenden Bewegungen des Rads ist auch der eigene Körper weniger in Bewegung. Man geht weniger oft aus dem Sattel, dadurch ist das Ganze auch für die Muskulatur eintöniger (=ermüdender). Auch fehlende Umwelteinflüsse machen es mitunter schwieriger - auch der beste Ventilator kann keinen echten Fahrtwind simulieren.

Die ersten Kilometer gehen ja leicht von der Hand, man rollt entspannt durch die virtuellen Zwift-Welten. Man denkt sich: “Das wird doch ein Klacks”, so schnell springt die Kilometeranzeige am Bildschirm weiter. Bei Kilometer 20 oder 30 beginnt man allerdings zu grübeln. 45-60 Minuten im Sattel - 25 Kilometer abgespult… Unweigerlich beginnt man hochzurechnen - 20 Kilometer sind ein Fünftel von 100 Kilometer, vier Stunden im Sattel oder gar noch länger?

Hier lohnt es sich, VOR Fahrtantritt ein paar Dinge zu überlegen! Meine ersten 100 Kilometer bin ich damals quasi alleine gefahren, bis auf gelegentlichen Windschatten von anderen Fahrern auf der Strecke. Damals war ich 3:36 h unterwegs, auf dem Greater London Loop - über 1.000 Höhenmeter waren es am Ende. Aus diesen Rahmenbedingungen lassen sich unmittelbar einige Schlüsse ziehen.

Alleine oder Event?

Bei einem der vielen Events in Zwift findet man grundsätzlich immer Gleichgesinnte, die Ausfahrten des “World Bicycle Relief” bieten beispielsweise regelmäßig Fahrten über 100 Kilometer. Ist man als Teil einer derartigen Gruppe unterwegs, kann man jedenfalls am schnellsten die lange Distanz abspulen. Ich bin bei einem dieser Events mitgefahren, ausgeschrieben waren 100 Kilometer bei 2,5 Watt/Kilogramm. Das Tempo ist hoch, die Leistung muss man auf die Pedale bringen - denn ist der Windschatten der Gruppe erst einmal weg, dann bringt das Ganze nichts mehr und man ist erst recht wieder alleine unterwegs. Als Belohnung für das Leiden spult man die 100 Kilometer in guten zwei bis zweieinhalb Stunden ab. Ein Schnitt von über 40 km/h ist (für mich) natürlich völlig unrealistisch und in Bezug auf meine Leistungen draußen illusorisch aber da muss man sich bei Zwift ohnehin immer selbstkritisch und vernünftig einordnen.

Auf sich alleine gestellt dauert die Bewältigung der 100 Kilometer natürlich entsprechend länger, dafür erarbeitet man sich jeden Kilometer. Will man sich also psychisch abhärten - so wie es Rollentraining vor allem auch vor Zwift immer war, für den ist die Einzelkämpfer-Variante sicher eine gute Option.

Rad und Windschatten?

Wenn man schon alleine unterwegs ist, kann man - quasi strafverschärfend - auch das Zwift Zeitfahrrad benützen. Dieses muss nicht extra freigeschaltet werden und steht ab Beginn zur Verfügung. Angaben von Zwift zufolge ist man mit dem TT-Bike geringfügig flotter unterwegs, Nachteil ist dafür, dass man keinen Windschatten von anderen Fahrern nutzen kann. Außerdem verhalten sich Power-Ups auf dem Zeitfahrer anders: Windschatten, Federgewicht, usw. sind nicht verfügbar, stattdessen erhält man jedes mal zehn Erfahrungspunkte, wenn man ein Banner durchfährt.

Das Zwift TT-Bike

Streckenwahl?

Entscheidend über die Mühen der Herausforderung ist die Wahl der Strecke. Zehn Mal Alpe du Zwift ist eine gute Everesting-Challenge, wird die 100 Kilometer aber recht beschwerlich machen. “Flach und schnell” sollte das Motto lauten - London Loop, Flat Volcano, Richmond eignen sich dazu mit ihren moderaten Höhenmetern sehr gut.

25 Runden um den Vulkan

Wer die 100 Kilometer gleich mit einer anderen Challenge verbinden möchte, stellt sich an die Startlinie des Volcano Circuit auf Watopia. Es gibt Badges für fünf, zehn und 25 Runden durch den Vulkan. Bei 4,2 Kilometern Rundenlänge sind das rund 20, 42 oder eben 104 Kilometer. Die Höhenmeter halten sich dabei angenehm in Grenzen, die zwei kurzen Rampen kennt man nach wenigen Runden auswendig und kann sich entsprechend darauf einstellen. Gleichzeitig gibt es keine langen Bergab-Passagen, in denen man sich ausruhen kann - es heißt also, die ganze Zeit gleichmäßig weiter zu treten.

Für Experimentierfreudige ist Zwift sehr tolerant bei der Zählung der Runden - es kann zwischendurch unterbrochen werden, es kann die Route variiert werden, sogar Richtungswechsel sind möglich. Solange eine Runde beendet wird, zählt sie für die Challenge. Eine Tafel beim Runden-Banner zeigt die aktuelle Rundenzahl und sorgt dafür, dass der Überblick nicht verloren geht.

Auch hier vergehen die ersten Runden wie im Flug und man sieht sich schon am Ziel der Herausforderung. Aber es wird zäh, der Rundenzähler bewegt sich scheinbar nicht mehr so schnell, auch hier beginnt man zu grübeln, hochzurechnen, abzuschätzen. Mit dem Zwift-TT-Bike und zwischen 2,0 und 2,5 Watt/Kilogramm dauert eine Runde rund 7:20 Minuten, die 25 Runden daher ziemlich genau drei Stunden.

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Rad oder Trikot gibt es für die Erledigung der Challenge keines, lediglich die Badges für die entsprechende Rundenanzahl und die Beruhigung, etwas von der To-Do-Liste streichen zu können.

160 Kilometer

Hat man die 104 Kilometer einmal erreicht, stellt sich die Frage: Weiterfahren oder nicht? 160 Kilometer sind die größte Distanz, für die man auf Zwift belohnt wird - auf neudeutsch “Metric Century” genannt. Meistens ist man spätestens ab diesem Punkt auf sich alleine gestellt, organisierte Events über derartige Distanzen sind mir keine oder nur selten untergekommen.

Hilfreich ist an dieser Stelle, sein Gehirn entweder komplett abzuschalten oder irgendwie auszutricksen. Sobald man aber zum Nachdenken anfängt, wird es haarig. Nochmal 56 Kilometer? Weiter als man normalerweise auf Zwift unterwegs ist jetzt noch obendrauf? Und nochmal: Auf der Rolle sind die Gesetze andere als draußen. Nicht, dass das eine besser oder einfacher ist, als das andere - einfach anders!

Weitertreten also, in einem Stadium, in dem jede*r von uns wohl schon ein paar Mal war. Auf der einen Seite der Ehrgeiz und Wille, das Ding zu Ende zu bringen - auf der anderen Seite die Couch, der Kühlschrank und die Badewanne, noch dazu alles im Nebenzimmer! So kurbelt man in Trance die fehlenden Kilometer herunter.

Nach 25 Runden um den Vulkan hab ich genug von der eintönigen Strecke und biege ab - die Abwechslung bezahle ich mit zusätzlichen Höhenmetern, aber die Zerstreuung durch eine neue Umgebung und andere Fahrer hilft enorm. Man könnte an dieser Stelle auch auf ein anderes Bike wechseln und wieder den Windschatten der anderen Fahrer ausnützen. Ich entscheide mich für meine persönliche Durchhaltestrategie - ab und zu dringt dann doch der Ehrgeiz durch. Wenn ich im August 2019 die Race Around Austria Challenge fahren möchte, kann ich ruhig auch etwas für meine Kopf und meine Psyche tun…

Die letzten Kilometer vergehen plötzlich wieder wie im Flug, “Heimweh” nennt man das wohl. 157, 158, 159, 160 Kilometer - die letzten zwei nochmal Gas geben. Wäre doch schon langsam an der Zeit, dass die Geschichte ein Ende nimmt. Die “160” scheinen zentral auf dem Bildschirm auf, aber kein Achievement, kein Badge! Teile meines Gehirns beginnen bereits in Panik zu verfallen - erst während des Ausrollens, bei Kilometer 161, blinkt der Bildschirm auf und ich bekomme mein Achievement. To-Do abgehakt.

Mission Accomplished - allerdings erst bei 161 Kilometern!

Das begehrte Century-Trikot

Ausrüstung

Fünf Stunden auf der Rolle sollten zumindest halbwegs gut vorbereitet sein. Kette schmieren, Akkus von Powermeter, Di2 und Herzfrequenzgurt laden, Wasser auffüllen, Handtücher und Wechselgewand bereitlegen.

Meine BMC Roadmachine war die ganzen fünf Stunden lang sehr komfortabel - trotz der wenigen Positionswechsel hatte ich keinerlei Sitzprobleme oder Ähnliches. Wenn es zu zwicken beginnt, dann in Nacken oder Rücken. Auch der Wahoo Kickr hat die fünf Stunden Dauerseinsatz völlig unaufgeregt zur Kenntnis genommen.

Fünf Stunden und 161 Kilometer ergeben einen Schnitt von 32,3 km/h - absolut illusorisch, diesen Schnitt draußen auch nur annähernd über den halben Zeitraum halten zu können… Aber so ist der Algorithmus von Zwift - man sollte sich selbst gut genug einschätzen können, um nicht im Frühjahr an der Realität zu verzweifeln! 200 Watt waren ein grobes Ziel, 191 Watt Schnitt waren es am Ende.

Wichtig ist eine gute und regelmäßige Verpflegung. Auch wenn die Küche gleich nebenan ist, war es mir irgendwie ein Anliegen, nicht zwischendurch einfach ins Nebenzimmer zu spazieren, um mich zu verpflegen. Daher waren sieben Trinkflaschen mit Wasser bereitgestellt, zwei Packungen Powerbar Powergel Shots, ein Wingman- und ein Roobar Riegel. Die verbrauchten 3.200 Kalorien hab ich dadurch sicher nicht wieder zugeführt, aber ein kleines Kalorien-Defizit ist nach Weihnachten schon in Ordnung :)

Klare Empfehlung gibt es außerdem für eine Hose zum Wechseln - bei mir passiert nach rund 60 Kilometern. Socken und Handtuch kann man sich auch ein zweites (Paar) zurechtlegen - je nach Lust, Laune und Schweißbächen.

Würde ich es wieder tun?

Nein.

Ich habe ein gutes Durchhaltevermögen, Spaß auch an monotonen Herausforderungen und erfreue mich grundsätzlich am Training. Aber alles in allem war es am Ende doch etwas zu lang, zu monoton und zu anstrengend (so blöd das jetzt auch klingt - anstrengend ist im Sinne des Fahrens auf der Rolle zu verstehen, diese sind mit dem Fahren draußen einfach nicht vergleichbar). 100 Kilometer werden für mich in Zukunft die Grenze auf Zwift sein, mehr kann sein - für Challenges, Badges und Artikel wie diesen - muss aber nicht.

Ride On! ;)

Was bringt 2019

Wie der Keks-Teller meiner Schwiegermutter füllen sich dieser Tage auch wieder laufend jene Listen mit Vorsätzen und Plänen, die man sich fürs anlaufende Jahr vornimmt, auf die Fahnen heftet oder gar lauthals in die Welt hinausschreit (auf dass diese Verbindlichkeit nicht zum Verhängnis wird). Neben rein keks-induzierten Vorsätzen - bei mir dauert die “Reparatur” der weihnachtlichen Gewichtszunahme erfahrungsgemäß mehrere Wochen - möchte ich wie jedes Jahr einige meiner Ideen für 2019 formulieren, wie immer ohne Reihung, Wertigkeit und endgültige Verbindlichkeit. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich viele Dinge erst unterjährig und meistens auch recht spontan ergeben, einige davon stellen sich dann als die besten Unternehmungen heraus - besser als man sie je hätte planen können…

Zwift

Mit ein paar Ausdauereinheiten auf der Rolle werde ich erst einmal die überzähligen Kilos beseitigen, die sich zuletzt angesammelt haben. Ich setze hier wie gehabt auf Zwift, die Trainingsplattform bietet aus meiner Sicht den besten Mix aus Leistung, Abwechslung und Spaß. Um den virtuellen Welten allerdings auch einmal einen Offline-Anstrich zu verpassen, freue ich mich besonders darauf, dass die alljährliche “Zwift x Wahoo-Tour” 2019 auch in Wien Halt machen wird. Am 18. Jänner 2019 bin ich daher im “WeXelerate” zu finden, gemeinsam mit ein paar anderen Verrückten, Begeisterten und Fans.

Weitradln

Es geht chronologisch weiter und gleichzeitig bildet der Februar so etwas wie einen Startschuss in die “ernste” Saisonplanung. Ich habe mir einen Vortrag von Christoph Strasser am 16. Februar im Audimax in Wien ausgesucht, der für mich symbolisch als Startpunkt für mein größtes Vorhaben 2019 dienen soll - mein persönliches Race Around Austria. Wer soll mich geistig und psychologisch besser auf ein derartiges Projekt einstimmen, als Mr. Weitradlfoarn Christoph Strasser.

Nach zwei Jahren, die ich das Race Around Austria mit der Kamera begleitet habe, kann ich 2019 nicht mehr anders, als selbst in die Pedale zu treten. Zu verlockend war und ist das Gefühl bei jedem Starter, der die Rampe in St. Georgen verlässt, mich selbst auf den Weg zu machen. Es wird die Einsteigervariante werden - die Race Around Austria Challenge, bei der 560 Kilometer rund um Oberösterreich zurückzulegen sind. Wie das funktioniert, haben Tini und Andi von geradeaus.at im vergangenen Jahr eindrucksvoll vorgemacht. Ich hoffe, dass sie mich mit wertvollen Tipps unterstützen, genauso wie ich jede und jeden ausfragen und ausquetschen werde, der mir in den letzten Jahren beim RAA begegnet ist und mir sachdienliche Hinweise geben kann. Die Vorbereitung macht jedenfalls schon einmal Spaß, hab ich doch schon während der Weihnachtsfeiertage etwas Zeit gehabt, mir über ein paar Dinge Gedanken zu machen und Pläne zu schmieden.

Wie genau die Vorbereitung für das RAA aussehen wird, ist noch nicht fixiert. Es gibt hier weder einen Trainingsplan noch irgendwelche anderen Vorgaben, einziger Plan ist derzeit, möglichst viele Kilometer auf dem Rad zu verbringen. Der Rest ergibt sich auf der Reise dorthin - wer an dieser Stelle ob dieses Auswuchses an Chaos und Planlosigkeit die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, der sei beruhigt… Bis jetzt bin ich so ganz gut gefahren und habe auch vor, das so weiterzuführen. Mir ist nun einmal wichtig, dass auch der Weg zum Ziel Freude bereiten soll und nicht nur die Zieleinfahrt… Da wird sich aber bestimmt noch einiges tun in den nächsten Monaten und ich werde natürlich entsprechend berichten - hier und auf allen anderen Kanälen!

Rennkalender

Damit bis zum “D-Day” Mitte August auch sicher einige längere und flottere Einheiten dabei sind , hab ich den Rennkalender durchstöbert, um mir folgende Veranstaltungen vorzumerken: Osttirol im Juni bleibe ich treu, allerdings ist der Plan, statt der Dolomitenradrundfahrt auf die längere Strecke des Super Giro Dolomiti zu wechseln. Auch auf die längere Strecke wechseln werde ich bei den Wachauer Radtagen im Juli. Hier wird mein Verein - PBIKE - wohl wieder die inoffiziellen Vereinsmeisterschaften austragen, außerdem ist die Veranstaltung vor den Toren Wiens mittlerweile zu einem Fixtermin in meinem Radjahr geworden.

Wachauer Radtage (c) Sportograf

Offen ist, ob derzeit kursierende Ideen (Verbindlichkeit irgendwo zwischen Schnapsidee und Hirngespinst) Realität werden, und wir als Verein bei einem der Langstreckenrennen an den Start gehen, die Juni und Juli in den Rennkalendern zu finden sind. Glocknerman am 20. Juni oder Kaindorf am 20. Juli sind zwei dieser Möglichkeiten. Ein Start dort würde eine gute Vorbereitung auf das Race Around Austria bedeuten, außerdem nimmt das Team wohl etwas den Schrecken vor der Herausforderung. Kaindorf bietet neben dem klassischen 24h-Rennen auch die Möglichkeit eines 6h- oder 12h-Rennens, also auch eine Einstiegsmöglichkeit “light”. Hier müssen allerdings noch einige Vereinsabende vergehen, bis diese Ideen endgültig spruchreif sind und danach möglicherweise Realität werden.

Mitunter etwas gemütlicher geht es bei zwei anderen Veranstaltungen zur Sache, die ich mir ebenfalls einmal mit Bleistift in meinen Kalender eingetragen habe. Nummer 1 ist die In Velo Veritas, die Fahrt mit klassischen Stahlrennern durchs niederösterreichische Weinviertel. In den letzten Jahren stand ich vor dem schier unlösbaren Problem, dass In Velo Veritas und Dolomitenradrundfahrt immer am gleichen Wochenende stattfanden, und ich dabei (auch familienbedingt) immer Osttirol den Vorzug gegeben habe. 2019 finden die beiden Veranstaltungen an unterschiedlichen Terminen statt, Gelegenheit also, endlich wieder einmal mein Select “Weltrekordrad” auszumotten, mein Wolltrikot anzuziehen und von einer weingetränkten Labe zur nächsten zu radeln. Die gleichen Akteure sind auch beim zweiten Vorhaben am Werk, einer Fernfahrt von Wien nach Hamburg, die zur Feier des 150-jährigen Bestehens des ABC Altonaer Bicycle Club anhebt.

Mit ein paar mehr Trainingskilometern und der absolvierten Race Around Austria Challenge stehen im September schließlich noch zwei weitere Aufgaben an. Beim Velorun in meiner ehemaligen Heimatstadt Baden gilt es wieder, auf meinen damaligen Hausrunden einige “Personal Bests” in die Höhe zu heben. Und auch beim King of the Lake - dem Zeitfahren rund um den Attersee - ist eine neue Bestzeit fällig, wieder auf dem Zeitfahrer nämlich, nachdem ich ja dieses Jahr mit den Rennrad unterwegs war.

Bucket-List

Abseits von Rennen und organisierten Veranstaltungen harren auch unzählige Projekte auf meiner ganz persönlichen Rad-Bucketlist ihrer Erfüllung. Je nachdem, wann sich was und wie ausgeht, besteht die Speisekarte aus Vrsic und Mangart als Vorspeise, Stelvio als Hauptgang und ein paar Dolomitenpässen als Dessert. Auch der Mont Ventoux übt einen großen Reiz aus, hier ist aber die Anreise einfach sehr, sehr, sehr weit…

Fotos

Neben aktiver Zeit im Sattel ist mir auch Zeit hinter der Kamera wichtig. Ich bin jedenfalls wieder mit Kamera und Telefon bei der Österreich-Rundfahrt im Juli mit von der Partie - es waren tolle Erfahrungen, die ich bei meiner Premiere in diesem Jahr sammeln konnte, das möchte ich fortsetzen.

Aber auch beim Wiener Bahnorama im Dusika-Stadion, den VICC-Rennen auf der Donauinsel und wann immer es die Zeit erlaubt, werde ich mich mit der Kamera auf die Lauer legen, um den einen oder anderen Schnappschuss zu erhaschen.

Fotos werden demnach auch ein wesentlicher Pfeiler der Inhalte von 169k bleiben. Daneben möchte ich aber noch andere Bereich erschließen - erste Videos sind in Arbeit, Interviews ebenso. Für 2019 sind hier einige Neuerungen und Schmankerl vorgesehen, dranbleiben lohnt sich also!

N+1?

“Brauchen” wäre in diesem Zusammenhang sowieso das falsche Wort, “wollen” passt auch nicht so wirklich, hab ich doch für fast jeden Einsatzzweck geeignetes Gerät. Ein Zeitfahrer steht immer wieder mal auf der Wunschliste, für Race Around Austria und King of the Lake wäre so ein Rad außerdem schon ganz praktisch. Meinen Crosser habe ich hingegen ein bisschen auf “Adventure-Bike” umgebaut (näheres hier in Kürze) - die Idee dahinter ist, ein Rad für alle Einsatzzwecke zu haben (Straße, Cross und MTB light). Hier bin ich noch etwas am Tüfteln, da diese Einsatzbereiche einfach unterschiedliche Anforderungen mit sich bringen, die mitunter nicht ganz einfach unter einen Hut zu bringen sind. Abhängig davon, ob ich mit meiner derzeitigen Plattform (dem alten Crosser) das Auslangen finde oder nicht, wird es hier vielleicht ein N+1-Aufbau-Projekt geben.

So irgendwie “N+0,5” wird es im Frühjahr aber jedenfalls geben. Damit der Nachwuchs auch Radluft schnuppern kann und gleichzeitig die Trainings-Zeiteinteilung etwas effektiver wird, ist ein Radanhänger in Anschaffung - nicht für Gran Fondos, sehr wohl aber für kurze Ausfahrten auf der Donauinsel oder ähnliches. N+0,1 hingegen wird das erste Laufrad für den Junior - fast so schön, wie ein Rad für sich selbst zu kaufen!

Laufen

Sowohl aufgrund des Trainingseffekts als auch aus Zeitgründen, werde ich 2019 auch wieder öfters die Laufschuhe schnüren. Mit ein paar Kollegen wird es eine Staffel beim Vienna City Marathon im April geben, darüber hinaus möchte ich abseits ausgetretener Pfade mit Rucksack und GPS höher hinaus - in die Berge nämlich. Ob das dann Trailrunning ist oder Wandern oder schnelles Spazieren ist nebensächlich, das Naturerlebnis und die Berge stehen dabei im Vordergrund,

Neben allen Leistungen soll nämlich auch 2019 wieder die Freude als wesentlicher Antriebsgrund im Vordergrund stehen. Platzierungen sind mir seit jeher relativ egal, Rekorde sowieso - wichtiger das Erlebnis, die Erfahrung und die Erkenntnis, was man alles leisten kann und möchte (und leisten kann, WENN man es denn möchte).

In diesem Sinne einen schönen Start ins neue Jahr. Ich hoffe, den einen oder die andere (wieder) zu treffen - egal ob an einer Startlinie, bei einer Ausfahrt oder bei einer anderen Gelegenheit. Ich freu mich!

Jahresrückblick 2018

Es mag unorthodox erscheinen, den Jahresrückblick mit einem Einblick in familiäre Gewohnheiten von Jungeltern zu beginnen. Dennoch hat die Geburt meines Sohnes Ende 2017 den größten Einfluss auf mein abgelaufenes Rad(sport)jahr 2018 gehabt. Es soll an dieser Stelle keinesfalls abgewägt werden, welche Wertigkeiten Radfahren und Familie jeweils haben und ob oder wie diese gegeneinander zu werten sind (diese Reihung steht für mich außer Frage!). Es war schnell klar - und liegt irgendwie auch auf der Hand - dass Elternsein Zeit benötigt, Zeit, die für andere Dinge nicht zur Verfügung steht.

Dementsprechend steht das Jahr 2018 unter dem - zugegebenermaßen etwas abgedroschenen - Motto Qualität statt Quantität. Aus den jedes Jahr grundsätzlich vorgenommenen 10.000 Kilometern am Rad haben zu Jahresbeginn 8.000 als Jahresziel eine Festlegung auf Strava erfahren. Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass es nunmehr mit Ach und Krach 6.000 werden. Weniger als geplant, anders in ihrer Charakteristik, anders verteilt aber trotz allem sehr unterhaltsam und sinnstiftend.

Es wurden weniger lange Ausfahrten - auch logisch, benötigen diese doch am meisten Zeit. Die angestrebten Brevets, Radreisen und Erkundungsfahrten quer durch Österreich nehme ich daher mit ins nächste Jahr. Die längste Ausfahrt war dieses Jahr 150 Kilometer lang und noch dazu ein Rennen. Außerdem war ich sehr viel auf der Rolle und in den virtuellen Tiefen von Zwift unterwegs. Keine Angst, die Sorgen eines „Second Life“ sind unbegründet, die Vorteile der Zeiteinteilung und der kurzfristigen Verfügbarkeit liegen aber im Familienalltag auf der Hand - eine Stunde Zeit? Kurz auf die Rolle!

Und dann war da noch mein Rücken, der mir im Februar und März einen Strich durch etwaige Ambitionen gemacht hat. Verspannt, verkühlt, verkürzt, schlechtes und viel Sitzen, keine Core-Muskulatur - so ungefähr geht die Geschichte. Die Lehren daraus waren nachhaltig, konnte ich mich doch mehrere Wochen gar nicht bis wenig bewegen, geschweige denn Radfahren. Rückenübungen, Stabilisations- und Bewegungstraining sowie Yoga stehen auf dem Speiseplan - die Überwindung wertvolle „Radzeit“ für derartige Ergänzungen zu “opfern”, hält sich zwar naturgemäß in Grenzen, der nachhaltige Nutzen und damit verbunden die körperliche Gesundheit haben allerdings einen weitaus höheren Wert. Die entsprechenden Übungen dazu werde ich hier noch an anderer Stelle vorstellen.

Das eigentlich Jahr hat demnach Anfang April begonnen, mit einem Ausflug nach Istrien mit Tini & Andi von geradeaus.at, den ich nur dank einiger Zwift-Einheiten im Vorfeld halbwegs würdevoll absolvieren konnte. Trainingslager als solches sind bei mir irgendwie nicht so verankert oder etabliert, ich war eigentlich immer gerne (und meistens auch gut) zuhause unterwegs. Allerdings sehe ich den Nutzen und Mehrwert eines Trainingslagers absolut ein und werde dies auch in Zukunft einplanen. Kroatien als wertvolle Alternative zu den Klassikern wie Mallorca steht bei mir hoch im Kurs.

Entgegengekommen ist mir - und jeder anderen Radlerin und jedem anderen Radler - wohl der Umstand, dass der Sommer bereits im April begonnen hat (und bis Ende Oktober gedauert hat). April, Mai und Juni standen daher im Zeichen sonniger, unterhaltsamer und entspannter Ausfahrten auf den Wiener Standard-Routen. Spaß war wichtiger als Trainingseffekt, mehr als zwei Ausfahrten pro Woche waren sowieso nicht drinnen.

Anfang Juli dann die Österreich-Rundfahrt als Fotograf und am Wochenende danach die Wachauer Radtage recht am Anschlag. Tief vergraben war da doch noch etwas Ausdauer und Kondition vorhanden, sich ab und zu etwas zu quälen macht mir ja - trotz eigentlich fehlendem Ehrgeiz - doch Spaß. Nach einem kurzen Berg-Trainingslager in Osttirol führte der Weg noch weiter in den Westen - zum Arlberg Giro. Ich werde wohl kein Bergfahrer mehr, die Höhenmeter hinauf auf die Bielerhöhe waren zwar wunderschön - Kehre für Kehre, aber auch anstrengend - Kehre für Kehre. Es ist ein Dilemma - bei meiner Größe und meinem Gewicht wird es wohl immer anstrengend sein, einen Berg hinaufzufahren, gleichzeitig ist ein erarbeiteter Pass aber mit das Schönste, was man auf dem Rad erleben kann. Glücklicherweise ruiniere ich mir alle Segment-Zeigen ohnehin durch unzählige Foto-Pausen, damit kann ich die Auffahrt dann auch entsprechend genießen - ganz ohne Druck.

Mitte August steht traditionell das Race Around Austria auf dem Programm und - Achtung Spoiler! - das wird es auch im nächsten Jahr. Zwischen Fotografieren und den Fahrern auf ihrer Runde um Österreich nachjagen, war noch etwas Zeit, die wunderbaren Hügel des Attergau zu erkunden. Güterwege wie dort findet man sonst nur selten, die Routenvarianten sind zahlreicher als die zur Verfügung stehende Zeit und Kraft in den Beinen. Nicht nur aufgrund des RAA habe ich die Gegend rund um den Attersee sehr lieb gewonnen und dort auch Freunde gefunden, die ich nicht mehr missen möchte. „Rund um den Attersee“ ist dann auch das Stichwort für ein weiteres Highlight, den King of the Lake. 2018 auf dem Rennrad - statt wie im Jahr zuvor auf dem wackligen Zeitfahrer - war ich mit meiner Leistung zufrieden, Luft nach oben bleibt aber immer. Das Event an sich ist aber ein Erlebnis, das jede*r Radler*in in seinem/ihrem Palmarés stehen haben sollte.

Der restliche September war durch die UCI Straßen-WM in Innsbruck geprägt. Es war ein großer Spaß, mit der Kamera mitten im Getümmel zu sein, die Fahrer*innen, die Rennen und die Stimmung live mitzuerleben. Die Fotos schaue ich mir noch heute gerne an und erlebe dabei jeden Moment der Weltmeisterschaften intensiv wieder. Das Rad war in Innsbruck mit dabei, mehr als eine kurze Ausfahrt im Regen vor einem der Profirennen war allerdings zeitlich nicht möglich. Ergiebiger war da der kurzfristig nach der WM anberaumte Besuch bei den Organisatoren des Sportful Dolomiti Race in Feltre, obwohl bei Minusgraden am Passo Manghen die Knie zu schlottern begonnen haben.

Der beginnende Winter bringt Zwift wieder ins Spiel. Knappe zeitliche Ressourcen, tiefe Temperaturen und Dunkelheit lassen mich hauptsächlich auf der Rolle überwintern. Wichtig dabei ist, sich und die Leistungen auf Zwift richtig (und kritisch) einzuschätzen. Rollentraining ist Rollentraining und die erste Ausfahrt im Frühling ist dann noch einmal ganz was anderes. Jeder der glaubt, dass er - wie Zwift manchmal suggerieren würde - im Frühjahr mit 150 Watt mit 34 km/h Schnitt Bäume ausreissen wird, irrt und sollte sich selbst einmal sanft hinterfragen. Der Schlüssel liegt in einer realistischen Einschätzung und der Erkenntnis, dass Rollentraining zwar ein wichtiger Beitrag zur Form des kommenden Jahres sein kann - ein guter Platz bei einem Zwift-Rennen macht einen allerdings noch nicht zum Anwärter auf den nächsten Ötzi-Sieg.

Zum Jahresausklang zieht es mich meistens aus der Stadt. Silvestergeballere, Trinkgelage und Lärm werden weit in den Hintergrund verdrängt - Ruhe, Erdung und (wenn man so will) Andacht sind mir da wichtiger. Wo lässt sich dies besser erfahren als in den Bergen oder in der Natur. Dort relativieren sich dann auch wieder alle (vermeintlichen) Ansprüche und Ziele, die man sich Monate zuvor gestellt hat und erhält für dich selbst, was zählt und wichtig ist.

UCI WM Innsbruck 2018

Jetzt ist sie auch schon wieder vorbei, die UCI Straßenrad-WM in Innsbruck und Tirol. Ich hatte das große Glück, als Fotograf eine Woche mitten im Trubel mit dabei zu sein und dabei auch das österreichische Nationalteam zu begleiten. Die Eindrücke und Erfahrungen, die ich in dieser Woche sammeln konnte sind so vielfältig, dass es schwer ist, diese in einem banalen Blogpost zusammenzufassen. Traditionellerweise werde ich daher Bilder sprechen lassen :)

Aus österreichischer (sportlicher) Sicht war die Goldmedaille von Laura Stigger - zwei Tage nach ihrem 18. Geburtstag und wenige Wochen nach ihrem Weltmeistertitel am Mountainbike! - sicher das Highlight. Bei den Juniorinnen und Junioren gab es einige Ausrufezeichen, in den Eliterennen lief es leider nicht ganz so, wie sich das manche im Vorfeld vielleicht erwartet hätten.

Auch eine Erkenntnis dieser Woche ist für mich die Gnadenlosigkeit von Ergebnislisten. Durch meine Nähe zum österreichischen Team und Betreuerstab konnte ich recht nah mitverfolgen, warum ein Einzelner oder eine Einzelne diese oder jene Platzierung erreicht hat oder eben nicht. In der Ergebnisliste und der darauffolgende Berichterstattung geht aber unter, ob ein Fahrer mit Sitzproblemen, eine Fahrerin Schmerzen von den Bandscheiben oder aber jemand einen technischen Defekt hatte. Dass diese Athletinnen jedoch ihre bestmögliche Leistung abgerufen haben, gerät in Vergessenheit und so erscheint so manche Kritik ungerechtfertigt. Diesbezüglich zolle ich allen Sportler*innen großen Respekt, damit muss man auch erst mal umgehen können.

Bei den Zeitfahren konnte man den Sportler*innen - vor allem am Start - sehr nahe kommen. Fototechnisch natürlich eine große Gelegenheit aber auch einer der tollen Aspekte des Radsports - in keiner anderen Sportart kommt man den Akteuren derart nahe und auch dementsprechend (oder trotzdem?) bodenständig sind die meisten von ihnen.

Bei den Betreuern im Auto mitzufahren eröffnet neue Perspektiven auf den Sport, ein Rennen und die Abläufe, die man normalerweise nicht mitbekommt, wenn man an der Strecke steht oder vor dem Fernseher sitzt. Auch die Autokolonne hinter den Fahrer*innen ist so etwas wie ein eigener Organismus, bestimmt von offiziellen Regeln aber auch ungeschriebenen Gesetzen, von nervösen und mitfiebernden Betreuerteams, haarigen Verkehrssituationen, Hektik, Gnadenlosigkeit aber auch Empathie.

Keine Großveranstaltung ohne Fans! Was entlang der Strecken während der WM-Woche los war, ist schwer in Worte zu fassen. Vor allem zum Wochenende hin waren sämtliche Straßen mit Menschen gesäumt, auf dem Olympia-Kurs rund um Innsbruck war vor jedem Wirtshaus, vor jedem Geschäft und vor jedem Hotel eine Fanzone inklusive Getränken, Fernseher und Sitzgelegenheiten aufgestellt. Fans aus aller Welt machten Innsbruck zu einem bunten Fahnenmeer. Die kolportierten Zahlen von rund 250.000 Fans entlang der Strecke beim Herrenrennen am Sonntag glaub ich sofort. Hoffentlich geht mit dem Bejubeln der Fahrer*innen auch eine weiterer Ruck durch die Welt, der die Akzeptanz für den Radsport weiter hebt und die positiven Aspekte derartiger Veranstaltung hervorhebt.

Und zu guter letzt: Ja, es war steil. Ja, es war hart. Ob es die schwerste WM aller Zeiten war - wie die Veranstalter sich auf die Fahnen heften - ist eigentlich unerheblich. Die Fahrerinnen wurden jedenfalls gut gefordert, die 28% steile “Höttinger Höll” hätte es dazu gar nicht gesondert gebraucht, schon auf dem Olympiakurs war den Fahrer*innen das Leiden aus dem Gesicht abzulesen. Dass es landschaftlich ein Schmankerl war, brauche ich hier wohl nicht extra zu erwähnen.

Nächstes Jahr geht es in Yorkshire weiter, der einzige Anstieg und damit höchste Punkt der Rennen misst dort 510 Meter. ;)

Fokus vor dem Zeitfahren

Aus dem Auto heraus

Fans

Mehr Fotos von der WM gibt es auf Instagram und Facebook!

King of the Lake 2018

Ich bin auf dem Weg zu einem Familientreffen. Es ist Samstag Abend und ich parke mein Auto bei der Marina in Schörfling, um meine Startunterlagen für den 8. King of the Lake abzuholen. Quer über die Straße entdecke ich den ersten Teil meiner “Familie” - Michael Nussbaumer, seines Zeichens Organisator des großartigen Race Around Austria und seine Mediencrew. Erst vor einem Monat hab ich mein Zelt ein paar Kilometer weiter in Sankt Georgen im Attergau aufgeschlagen gehabt, um die Radler*innen auf ihrer Langstrecke rund um (Ober)Österreich zu begleiten. Zehn Minuten später habe ich mein Starterpaket in der Hand und Erwin Mayer - Mastermind des King of the Lake - gesellt sich zu uns. Er ist frohen Mutes - gutes Wetter, gefüllte Teilnehmerlisten und zufriedene Mitarbeiter sind Dinge, die einen Rennorganisator glücklich machen.

Zur Familie gesellen sich “Freunde” - egal ob beim gemeinsamen Abendessen am Freitag oder am Renntag. Alle sind sie gekommen, um selbst eine Runde um den Attersee zu drehen oder jene anzufeuern, die sich anschicken, es zu tun. Die Gesellschaft ist eine illustre, die tägliche Facebook-Timeline materialisiert sich zu realen Personen, die sich alle rund um den Start-Zielbereich des “KOTL” drängen. Egal ob Radbundesliga, Profis, Vereine aus ganz Österreich, Vorjahressieger, Vertriebspartner, Medienmenschen, Blogger, Fotografen, Freunde und Nachbarn aus Wien, Hersteller, Sponsoren - wenn nicht Familientreffen dann zumindest Klassentreffen. Würde nicht in wenigen Minuten ein Rennen stattfinden, das Kommen hätte sich trotzdem ausgezahlt. Ein entspannter Nachmittag am schönen Attersee…

Die Idylle trügt allerdings, es liegt etwas in der Luft - Adrenalin, Laktat, Schmerzen. Immerhin gilt es Queen und King of the Lake zu eruieren. Dazu sind die bereits bekannten rund 47 Kilometer um den Attersee zurückzulegen. 47 Kilometer sind viel für ein Zeitfahren - üblicherweise bewegen sich die klassischen Zeitfahrdistanzen bei rund 20-30 Kilometer. Ein paar Höhenmeter kommen auch noch dazu - perfide versteckt in einigen kurzen aber nerven- und kräftezehrenden Anstiegen auf der Westseite des Sees. Die Strecke ist gesperrt - rund sechs Stunden sind die Anrainer des Sees (mehr oder weniger) bereit, “ihre” Straße den Radfahrer*innen zu überlassen. Feuerwehren, Polizei und freiwillige Helfer stellen sicher, dass sich trotz Beschilderung und Infos keine Autos auf die Strecke verirren.

Die Sperre ist eines - wenn nicht DAS - Alleinstellungsmerkmal des King of the Lake, nirgendwo anders in Europa (und vermutlich auch weltweit) gibt es etwas Vergleichbares. Die 1.275 Teilnehmer - und die vielen hundert mehr, die nur mehr einen Wartelistenplatz ergattert haben - danken es dem Veranstalter mit Treue und positiver Rückmeldung. Die Tatsache, dass die Startplätze im Einzel in diesem Jahr innerhalb von wenigen Tagen restlos ausverkauft waren, machen weitere Kommentare dazu überflüssig - bei den Teams waren die Startplätze ähnlich schnell vergriffen.

Was macht den KOTL außerdem noch besonders? Die Landschaft Österreichs hat traditionell einen hohen Stellenwert in allen meinen Blogbeiträgen und besonders die Gegend rund um den Attersee hat es mir angetan - hier also ein Rennen zu veranstalten, trifft genau meinen Nerv und ich denke es geht auch vielen anderen so. Auch wenn man während des Rennens vermutlich keine allzu große Muße hat, sich an der Landschaft zu erfreuen, sie ist da! - spätestens am Abend beim gemeinsamen Feiern wird der Blick über die Marina Richtung See wandern, man wird kurz den Trubel rund um sich herum ausblenden und erkennen, was für einen schönen Fleck man hier vorfindet. Kleiner Tipp für das Rennen übrigens: Solange der See rechts ist, stimmt die Richtung!

Und noch ein Aspekt spielt dem KOTL in die Hände. Unromantisch wie wir leider immer alle mehr werden, dreht sich auch im Training oft alles nur noch um Wattwerte, Leistungszahlen und Abkürzungen von FTP über NP bis CP. Der King of the Lake bietet mit seiner Strecke die Möglichkeit, diese manchmal eher theoretischen Werte in die Realität zu übertragen. Die FTP (Functional Threshold Power) ist jener Wert, den man über die Dauer von einer Stunde erbringen kann - zur Bestimmung dieses Werts fährt man aber nie eine Stunde, der Wert von bspw. 20 Minuten wird meistens hochgerechnet, um die FTP zu ermitteln. Am Attersee bietet der Rundkurs nun eine potentielle Fahrzeit von - je nach Ambition - 1:00 bis 1:20. Eine gute Gelegenheit also, Leistungswerte der “hour of power” auf ihren Realitätswert zu prüfen und die eigene Leistung “in echt” auszureizen. Auf die ehrlichste und gleichzeitig schonungsloseste Art und Weise - alleine im Wind!

Der Renntag startet mit der Rad-Bundesliga und deren Mannschaftszeitfahren. Letztes Jahr als Premiere eingeführt, bieten die Bundesligateams einen zusätzliche Anreiz für alle Zuschauer, eine weitere Vergleichsmöglichkeit mit den Profis und auch die Fahrer selbst werden wohl froh sein, ein derartiges Rennen in ihrem Kalender zu haben. War letztes Jahr noch die Mannschaft von Hrinkow vorne, konnten 2018 die Fahrer von Felbermayr-Wels das Rennen für sich entscheiden. Für die bevorstehende Weltmeisterschaft in Tirol eine perfekte Vorbereitung und Generalprobe, gibt es doch bei der WM zum letzten Mal den Titel des Mannschaftszeitfahrens in der derzeitigen Form zu gewinnen.

Danach wird es ernst für die zahlreichen Vierer-Teams, die sich für den KOTL gemeldet haben. Wer die erste Hürde - die doch recht hohe und steile Startrampe - gemeistert hat, wird von zahlreichen Zuschauern und Fans ins Rennen geschrien - ein Start wir bei einem Profirennen. Vier Fahrerinnen bilden ein Team, die Zeit des oder der Dritten zählt, eine*n Fahrer*in kann man quasi auf der Strecke “opfern”. Die Taktiken sind dabei unterschiedlich - Teams kommen zu dritt oder viert an, manche haben die Ablösungen im Vorfeld schon akribisch einstudiert, haben als Zug trainiert oder fahren einfach drauf los.

Während die Viererteams wieder Richtung Ziel kommen, bin ich gerade am Rückweg in mein Hotel in Moos (ich bin ja neben dem Fotografieren auch zum Fahren angereist). Der Litzlberger Keller (mein Hotel) liegt bei der 2-Kilometer-Marke und genau hier baut sich der letzte Schupfer auf, der zwischen den Fahrer*innen und dem Zielstrich liegt. Und genau hier ist es auch, wo Teams gesprengt werden, Kräfte am Ende sind, Anweisungen nur noch diffus durch die Gegend gerufen werden und sich bei manchen Teilnehmer*innen nur noch der Tunnelblick breitmacht.

Ich ziehe mich am Balkon meines Zimmers für mein persönliches Rennen um und beobachte dabei das Spektakel auf der Uferstraße unter mir. Es ist eine Prozession von Erlösung Suchenden - in Auflösung befindliche Viererteams, durcheinander gewürfelte Windstaffeln, Grüppchen von verlorenen gegangenen Teammitgliedern und die ersten Einzelfahrer, die mit einem Wummern von der montierten Vollkarbon-Scheibe durch das Feld pflügen. Die leicht chaotische Szenerie passt so gar nicht zur idyllischen Seenlandschaft an diesem ruhigen und sonnigen Samstagnachmittag.

Zwanzig Minuten vor meiner Startzeit - die Einzelfahrer starten in 15-Sekunden-Intervallen - stehe ich im Startbereich in der Schlange zur Startrampe, lächelnd, freudig wartend auf mein Startsignal, dass mir mit Sicherheit Schmerzen verursachen wird. Aber irgendwie scheint sich auch jede*r um mich herum darauf zu freuen, sich quälen zu dürfen. Es ist eines der Mysterien der Menschheit und des Sports, warum wir uns das immer wieder antun… - aber es ist nicht genug Zeit, sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Auf die Rampe, die Sekunden laufen herunter und schon geht es los.

Ein kleiner Hügel direkt nach dem Start sorgt für den ersten Peak in der Leistungs- und Herzfrequenzkurve, danach rollt es am Ostufer des Sees erstmal “gemütlich” dahin. Eines der Rezepte für einen erfolgreichen KOTL ist, sich in der ersten Hälfte etwas aufzusparen. Wie das genau funktionieren soll oder ob man auch schafft, das umzusetzen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Man wird überholt und fühlt sich dann natürlich doch jedesmal etwas im Stolz verletzt, man durchfährt Fanzonen und will sich gerade dort natürlich keine Blöße geben, und so weiter - so viel zum Thema “ruhig angehen”.

Die Zwischensteigungen entlang des Südufers dürfte ich letztes Jahr verschlafen haben, jedenfalls bin ich überrascht, als ich auf den ersten Anstieg zufahre, den hatte ich jedenfalls nicht eingeplant. Den Anstieg bei Unterach kurz vor der Wende habe ich mir allerdings vom Vorjahr gemerkt. Bei der Halbzeit geht es hier ordentlich bergauf, die meisten Rennradfahrer tun sich hier sichtlich leichter als viele auf ihren Zeitfahrern.

Ich bin 2018 mit dem Rennrad unterwegs,. Wer meinen Blogbeitrag vom Vorjahr noch in Erinnerung hat (oder ihn hier kurz nachlesen möchte), weiß, dass ich 2017 meine Premiere auf dem Zeitfahrrad gefeiert habe, wobei mir die Sitzposition, mangelnde Nacken- und Rückenmuskulatur und zuwenig Vorbereitung auf dem Zeitfahrer (drei “Versuchsfahrten”) einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Für 2018 habe ich mir daher als Ziel genommen, auf dem Rennrad die Zeit vom Vorjahr einzustellen oder zu unterbieten. Nach meinen Rückenproblemen im Frühjahr war der Zeitfahrer für dieses Jahr keine wirkliche Option.

Auf der Westseite des Sees wird es dann spannend. Insgesamt sind es drei oder vier kleinere Hügel - die genauen Ausmaße und Dimensionen sind schwer zu beschreiben bzw. würden sie lächerlich wirken wenn man sich frisch und ausgeruht auf die Straße stellt und locker die paar Meter hinauffährt. Im Rennmodus des KOTL - bis obenhin voll mit Adrenalin, Laktat und “Will-nicht-mehr” - werden diese kleinen Hügel allerdings zu Bergen monumentalen Ausmaßes. Die Wahl pendelt zwischen “Drübertreten” - und dem Risiko, sich totzufahren und das Laktat bis zum Ziel nicht mehr aus den Beinen zu bekommen - oder aber langsam hinaufkurbeln und sich gleichsam im Anstieg verenden sehen. Zu allem Überfluss ist im steilsten Abschnitt auch noch eine Fanzone des Race Around Austria aufgebaut (siehe oben - “Familie”), da muss man irgendwie ohne Gesichtsverlust durchkommen.

1500 Meter vor dem Ziel ist aber auch der letzte “Gipfel” bezwungen, es geht flott bergab zurück Richtung Ziel. Vor der Agerbrücke wartet noch eine 90-Grad Kurve, danach kann man getrost nochmal alles aus den Beinen rausholen, die Ziellinie ist in Sicht und damit unendlicher Ruhm und Genugtuung. Ob auf der Anzeigetafel 1:05 steht (in diesem Fall tiefe Verneigung) oder 1:21 (wie in meinem Fall) ist völlig nebensächlich - sage ich, dem es in erster Linie um den Sieg über den inneren Schweinehund geht. Wer hier im Ziel ausrollt, nach Luft schnappt und Krämpfe zu vermeiden versucht, kann stolz sein - stolz auf das, was in den letzten Minuten passiert ist, was man geleistet hat, wie man gesiegt hat.

Während ich über mein Oberrohr gebeugt im Zielkanal schnaufe, wird im Hintergrund der Start von Georg Preidler angekündigt. Er hat 2017 - als amtierender Zeitfahrer-Staatsmeister - eine Fabelzeit und einen neuen Streckenrekord von 55 Minuten in den Asphalt der Attersee-Uferstraße gebrannt. Eine knappe Stunde später wird Georg mit einem neuerlichen (und unfassbaren) Rekord von 53 Minuten wieder im Ziel sein. Das ist mir im Moment aber egal, die eingangs erwähnten Freunde und Familienmitglieder stehen bei mir, man trifft sich wieder, gratuliert sich, fragt nach dem Erlebten, tauscht sich aus. Und auch die eigene Freude ist noch einmal intensiver, wenn man sie mit jemandem teilen kann.

Für Georg Preidler freue ich mich übrigens sehr, er ist einer der nettesten und bodenständigsten Fahrer im Zirkus. Am Morgen des Renntags waren wir gemeinsam mit seiner Freundin “einfahren” - während er eine lockere Runde um den ganzen See gefahren ist, war das für mich schon die erste Belastung des Tages ;) Ich bin jedenfalls gespannt, welche Leistung Preidi im Zeitfahren der WM bringen kann und freue mich schon, auch dort dabei sein zu können.

Gratulation an Marcus Baranski (den King of the Lake), Adelheid Schütz (die Queen), Babsi Mayer, Christoph Strasser, alle, die neue Bestzeiten erzielt haben, sich aus der Komfortzone bewegt haben, ins Ziel gekommen sind oder einfach Spaß hatten. Dank und Glückwünsche auch an Erwin Mayer und das ganze Team der Atterbiker, die wiederum eine großartige Veranstaltung auf die Beine gestellt und abgewickelt haben. Ich freue mich auf 2019!

Meine Teilnahme am Rennen und die Übernachtung am Attersee erfolgten auf Einladung des Veranstalters. Fotos wurden selbstgemacht oder vom Sportograf.

Race Around Austria 2018

Zehn Mal Race Around Austria - die Geschichte des Rennens war in Sankt Georgen allgegenwärtig. Auf dem riesigen Screen im Startbereich waren die Meilensteine der bisherigen Historie zu sehen - die Erstbefahrung von Manfred Guthardt, die Jungfernfahrt des Rennens in der heutigen Form von Christoph Strasser vor zehn Jahren und die Sieger*innen der letzten Austragungen. Das Geburtstagsgeschenk machte man sich schließlich selbst - Österreichische Meisterschaften auf der Langstrecke und damit Meistertrikots, auf die viele der Teilnehmer hofften.

Die Veranstaltung selbst ist mittlerweile großartig eingespielt. Die Impressionen und Eindrücke, die ich beim RAA 2017 sammeln konnte, haben sich dieses Jahr bestätigt bzw. noch einmal verstärkt. Eine professionelle Organisation, die auch gleichzeitig eine der nettesten und sympathischsten im Veranstaltungskalender ist, entspannte und geerdete Teilnehmer, eine Gemeinde, die das RAA mit Haut und Haar mitträgt und damit insgesamt eine positive Stimmung, die sich auf alle Beteiligten überträgt - egal ob man die 2.200 Kilometer lange Extrem-Strecke fährt, entlang der Strecke fotografiert oder als Zuschauer das Spektakel genießt.

Ich habe mein RAA 2018 anders organisiert als im Vorjahr. War ich 2017 noch alleine mit dem Auto unterwegs - immer "auf der Jagd" nach Fahrern, um diese an möglichst spektakulären Orten abzulichten - war das Motto für dieses Jahr "Weniger ist Mehr". Weniger Kilometer im Auto, weniger Stress, weniger unterschiedliche Locations - mehr Überblick, mehr Kontrolle, mehr produktive Zeit. Die daraus entstandenen Fotos und Geschichten können daher immer nur Momentaufnahmen sein, Kurzberichte vom Start, von unterwegs und aus dem Ziel, fragmentarisch, punktuell aufgenommen aber dennoch (hoffentlich) einen recht umfassenden Eindruck des Race Around Austria vermittelnd.

Die Extrem-Strecke

Die Extrem-Strecke verläuft über eine Distanz von rund 2.200 Kilometern entlang der Grenzen Österreichs, dabei werden ganz nebenbei auch noch rund 30.000 Höhenmeter abgespult. Keine einfache Herausforderung - dementsprechend sind hier die Könner des Ultracycling-Fachs versammelt und all jene, die schon eine erkleckliche Anzahl an Kilometern in ihrem Radler-Leben gesammelt haben, um diese Herausforderung absolvieren zu können. Das Jahr 2018 war klimatisch und wettertechnisch deutlich besser als das Vorjahr - 2017 war das Rennen noch von Hitze, Unwettern, Hagel, Sturm, Regen und Schnee geprägt. Entsprechend schneller waren die Teilnehmer diesmal unterwegs, die erbrachten Leistungen damit allerdings um keine Deut geringer!

Anna Bachmann

Als Rookie am Start sprintete Anna geradezu vom Start weg auf die lange Strecke. Die erste Nacht wurde noch bei starkem Regen absolviert, das tat dem spannende Zweikampf mit Isabel Pulver allerdings keinen Abbruch. Wenn man das Tracking am Computer oder auf dem Smartphone verfolgte, so lagen die zwei Punkte der Fahrerinnen fast immer neben- oder sogar übereinander. Am Ende konnte sich Anna aber doch deutlich durchsetzen und rollte mit neuem Streckenrekord bei den Damen ins Ziel zurück in Sankt Georgen.

Markus Hager

Markus konnte im Vorjahr das Rennen für sich entscheiden und war dementsprechend mit der Startnummer "1" am Start in Sankt Georgen. Ich hatte das Glück, Markus im Sommer besser kennenzulernen und fieberte daher mit ihm mit, als er die Startrampe herunterrollte und auch jedes Mal, wenn ich ihm und seinem Team auf der Strecke begegnete. Seinen Vorjahressieg konnte er 2018 trotz besserer Fahrzeit nicht verteidigen. Der Zeitgewinn ist übrigens auch zu einem guten Teil auf den Umstand zurückzuführen, dass Markus (nach bereits atemberaubenden 40 Minuten im Vorjahr) dieses Mal "0" (in Worten: "NULL") Minuten geschlafen hat - in mehr als drei Tagen!  

Patric Grüner

Patric begleitete der Nimbus des ewigen Zweiten beim Race Around Austria, finishte er doch 2014, 2015 und 2016 jeweils "nur" auf dem zweithöchsten Treppchen. Auch bei der Ausgabe 2018 sah es längere Zeit nach einem guten aber eben nicht ersten Platz aus, sogar eine Beendigung des Rennens stand im Raum. Dann sah Patric den bis dahin Führenden - Rainer Steinberger - am Straßenrand stehen und aufgeben, sagte sich "Gegen den Markus Hager verliere ich nicht noch einmal" und riskierte. In einem Höllentempo durchquerte er sein Heimatland Tirol und machte sich als Führender auf in Richtung Ziel. Der Fluch des Zweiten war also gebrochen, Patric überglücklicher Sieger des Race Around Austria 2018. 2019 steht beim ihm das Race Across America am Programm - mit einem RAA-Titel in der Tasche macht die Vorbreitung darauf sicher noch mehr Spaß!

Philipp Reiterits

Immer wieder denke ich gerne an das Kennenlernen mit Philipp zurück, als Jan und ich im Mai 2016 am Glockner auf einen Radler mit RAA-Kapperl gestoßen sind. Seitdem durfte ich letztes Jahr seine Premiere auf der 1.500er-Strecke bewundern, ihn besser kennenlernen und auch seine Vorbereitungen auf den diesjährigen Start auf der Extrem-Strecke mitverfolgen. Philipp hat das Rennen stark gestartet, musste in Vorarlberg jedoch aufgrund eines sogenannten "Shermers Neck" absteigen. Dabei ermüdet die Nackenmuskulatur dermaßen, dass man den Kopf nicht mehr hochhalten kann. Philipp hat allerdings bereits nach wenigen Tagen seinen Start beim RAA 2019 angekündigt - ich freue mich schon jetzt, ihn wieder auf der Startrampe und auf der Strecke zu treffen.

4er-Teams

Die Viererteams waren 2018 zahlreich vertreten, war dies doch eine der Kategorien, in denen ein Meistertrikot zu gewinnen war. Glamour erhielt die Startbühne durch den Start des "Hill Racing Teams", sportlich konkurrierte dieses das ganze Rennen über mit dem Team "CLR Sauwald Cofain 699" - letzteres konnte am Ende den Bewerb für sich entscheiden.

Die Challenge

Die 560 Kilometer rund um Oberösterreich gelten als "Einstiegsdroge" in den Ultra-Radsport und bieten eine gute Gelegenheit, das Ganze einmal auszuprobieren. Dementsprechend ist viel los auf der "kurzen" Strecke und es tummeln sich zahlreiche - auch bekannte - Gesichter auf der Startrampe. Zu allem Überfluss dürfte ich Michi Nussbaumer - dem Veranstalter des RAA höchstpersönlich - meine Teilnahme im nächsten Jahr zugesagt haben - so sehr lässt man sich von der tollen Stimmung am Start mitreissen.

Christoph Strasser

Über "Straps" braucht man nicht mehr allzu viele Worte verlieren - er ist der Großmeister des "Weitradlfoarns" (wie es einer seiner Hashtags ausdrückt). Mit nach eigenen Angaben noch etwas müden Beinen ist er von seinem fünften Race Across America-Sieg nach Oberösterreich gekommen, um das Staatsmeistertrikot auf der Langdistanz zu gewinnen. Fragen nach Sieg und auch Streckenrekord spielte Christoph zu Beginn noch herunter - tatsächlich kann auf der kurzen Strecke der Challenge schon ein falsches Abbiegen oder ein technischer Defekt über den Sieg entscheiden. Am Ende war es dann der erwartete Sieg auf der Challenge mit einer fabelhaften neuen Rekordzeit, die wohl in den nächsten Jahren keiner knacken wird können. Und jedes Mal, wenn ich Christoph treffe, bin ich wieder positiv überrascht, wie normal, geerdet und sympathisch er ist - trotz oder gerade wegen seiner Erfolge. In Kürze wird es übrigens auf 169k mehr von Christoph und seiner gerade erschienenen Biographie "Der Weg ist weiter als das Ziel" zu lesen geben.

Barbara Mayer

Im Palmarés von Babsi leuchtet 2018 alles bronze, silber und golden - egal ob Staatsmeisterschaften Straße, Zeitfahren, Mountainbike, Salzkammergut-Trophy... Alles was Barbara angeht, endet erfolgreich - und die WM im September kommt ja erst noch. In fabelhafter Rekordzeit umrundete sie Oberösterreich und sicherte sich damit das Staatsmeistertrikot. Und dabei war immer ein Lächeln auf ihren Lippen zu sehen - so vermittelt man Freude am Sport und an der Leistung! Meine tiefe Verneigung!

geradeaus.at

Tina und Andy bloggen gemeinsam als geradeaus.at über ihre Erlebnisse, denen sie mit der RAA-Challenge im Jahr 2018 ein großes Kapitel hinzugefügt haben. Das ganze Jahr über konnte man auf ihrem Blog alles über Training, Equipment, Vorfreude aber auch die Schattenseiten der Rennvorbereitung lesen. Am Tag X lieferten die beiden dann eine großartige Leistung ab und bewiesen am meisten sich selbst, was alles möglich ist. Ein erster emotionaler Rückblick ist auf der Seite geradeaus.at nachzulesen.

Team Chase

2017 waren sie noch als Team Chase gemeinsam am Challenge-Start, für 2018 hatte man sich ein Rennen Mann gegen Mann - Felix gegen Berni - zurechtgelegt. Die Vorbereitung verlief jedoch nicht ganz so (gleichmäßig) wie geplant, dementsprechend wurde es nicht das Rennen gegeneinander sondern "nur" gegen die Zeit und die anderen Teilnehmer. Felix konnte sich - mit einer Zielankunft an seinem Geburtstag - zudem den großartigen vierten Platz sichern. 

Die 1500er

Die mittlere Runde führt über 1.500 Kilometer entlang der Grenzen des Landes, spart aber den Westteil Österreichs aus. Logistisch und vom Timing her war das Fotografieren der 1.500er eine Herausforderung, vor die Linse bekam ich großteils nur das Führungsduo Franz Scharler und Christian Gammer. Letzterer konnte das Rennen für sich entscheiden und wurde in Sankt Georgen als Sieger gefeiert.

Lesachtal

Großglockner

Exkurs: Rennradfahren rund um Sankt Georgen

Wer so wie ich etwas früher Richtung Attersee reist, kommt außerdem noch in den Genuss großartiger Rennradstrecken. Entlang der wunderschönen Seeufer (Atter-, Mond-, Wolfgang- und Fuschlsee) ist der Verkehr zugegebenermaßen ein kleiner bis mittelgroßer Spaßhemmer, wer sich aber "eine Reihe nach hinten" begibt, kommt in den Genuss menschen- und autoleerer Güterwege, pittoresker Landschaften und herausfordernder Höhenmeter. Als Abschluss hier ein paar Bilder zur Inspiration - Oberösterreich, Attergau, Race Around Austria, wir sehen uns spätestens im August 2019!

Arlberg Giro

Aus mir wird kein Bergfahrer mehr… Vor knapp drei Wochen bin ich mit zwei Kameras zwischen den Serpentinen der Arlbergstraße auf der Lauer gelegen - wartend, bis sich der Tross der 70. Österreich Rundfahrt über die langgezogene Straße heraufbewegt, die Kehren durchfährt um anschließend auf der anderen Seite des Arlbergs nach Tirol hinunter zu rollen.

Letztes Wochenende bin ich es nun, der hier auf dem Rad sitzt und sich Tritt um Tritt hinaufarbeitet. Die Suplesse der Tour-Teilnehmer lege ich natürlich nicht an den Tag - was bei ihnen spielerisch leicht ausgesehen hat, gleicht bei mir eher einem Überlebenskampf. Dabei ist der Arlberg doch erst der Anfang - aus mir wird wohl kein Bergfahrer mehr…

Der Hochstein in Lienz über Bannberg - 1400 Höhenmetern auf 11 Kilometern

Die Woche zuvor hab ich noch ein (sehr) kurzes Trainingslager in Osttirol eingelegt. Wo sonst, wenn man Berge fahren will - kurz und steil, das Intensiv-Training quasi. Auf die Hochsteinhütte bin ich gefahren - 1400 Höhenmeter auf knapp elf Kilometern. Ich hab es hinauf geschafft, aber aus mir wird wohl kein Bergfahrer mehr. Hinunter hab ich dafür meine Bremsen beleidigt. Merke: Auch Scheibenbremsen kommen irgendwann an ihre Grenzen. Die Bremsleistung ist zwar nach wie vor da, Schleifen und Quietschen (bis hin zu einem ab und zu auftretenden ohrenbetäubenden Kreischen) sind ab diesem Zeitpunkt meine Begleiter. Scheibenbremsen-Diskussion außen vor gelassen… ein paar Dinge haben noch Optimierungspotential!

Sankt Anton am Arlberg ist den meisten wohl als Wintersportort bekannt, aber als keiner, in dem Apres Ski, „Klopfer“ und Ski-Ballermann regieren. Nach St. Anton - oder „Stanton“, wie die englischen ÖBB-Durchsagen bis heute suggerieren - kommen jene, die tatsächlich Ski-Urlaub verbringen wollen und jene, die auch tatsächlich Skifahren können. Für alles andere ist das Gelände hier zu anspruchsvoll. Wie so viele Wintersportorte versucht St. Anton, sich auch im Sommer als Destination zu etablieren. Die Voraussetzungen dafür sind dabei erdenklich gut. Wunderbare Berge laden zum Wandern ein, das hochalpine Gelände bringt jeden Besucher zum Staunen, diverse Freizeitangebote im Ort bieten Möglichkeiten zur Zerstreuung. Außerdem hat man mit der sogenannten Sommercard auch eine gute Variante gefunden, all diese Angebote leicht zugänglich zu machen und entsprechend zu bündeln. Im Unterschied zu anderen Destinationen hat es St. Anton außerdem geschafft, den Erfolg des Winters halbwegs nachhaltig in die Landschaft und das Ortsbild einzufügen. 

Und man setzt auf das Fahrrad - sowohl Mountainbike als auch Rennrad sind wesentliche Pfeiler der Sommerstrategie. Mountainbike liegt auf der Hand, die Tiroler Alpen empfangen Fahrer*innen mit offenen Armen und zahlreichen und abwechslungsreichen Strecken (auch wenn Wegerecht und Nutzungskonflikte natürlich auch hier Themen sind). Auf dem Rennrad verringert sich der Variantenreichtum der Streckenführung entsprechend - zu eng sind die Täler, zu dicht der Verkehr. Umso größere Bedeutung haben die Veranstaltungen, die man alljährlich ausrichtet, und die mittlerweile eine beträchtliche Anhängerschaft aufweisen, die jedes Jahr wieder an den Fuß des Arlbergs kommt - zum Beispiel wenn es darum geht, den Arlberg Giro zu bestreiten.

Zum achten Mal findet der Giro statt, 2018 ist er zum ersten Mal ausverkauft und mit 1.500 Starter*innen der Adoleszenz jedenfalls entwachsen. Die Strecke ist altbekannt: Von Sankt Anton über den Arlberg nach Vorarlberg, durch das Montafon, hinauf auf einen der spektakulärsten Alpenpässe - die Silvretta Hochalpenstraße, durchs das Paznauntal zurück bis Pians und nach der Wende durchs Stanzertal zurück zum Startort. 150 Kilometer und rund 2.500 Höhenmeter misst diese Runde.

Um sieben Uhr fällt der Startschuss zum Rennen. Es gibt vier Startblocks, die Zuteilung ist mit farbig codierten Startnummern zweifelsfrei erkennbar, es gibt keine Diskussionen oder Fragezeichen. Wer in den falschen Block eingeteilt wurde oder sich im letzten Moment doch noch umentscheiden möchte, der findet bei der Startnummernausgabe noch (kooperatives) Gehör bei den freundlichen Mitarbeiter*innen der Veranstaltung. Mit sechs Minuten Abstand werden die Blocks auf die Strecke gelassen - ausreichend, um ein flottes Vorankommen zu gewährleisten und gleichzeitig allzu große Fahrergruppen zu vermeiden.

Der Startbogen steht vor dem Gemeindeamt in der Fußgängerzone von Sankt Anton - zentraler geht es nicht - vorteilhaft, da auch alle Hotels praktisch in Gehweite des Startbereichs liegen. Bereits zur frühen Morgenstunde sind zahlreiche Zuschauer vor Ort, man wird angefeuert und mit den besten Wünschen auf die Strecke entlassen. In den letzten Jahren war der Start noch auf 6:00 gelegt, damals hauptsächlich aus Rücksichtnahme auf die Baustelle im Arlbergtunnel und das damit verbundenen erhöhte Verkehrsaufkommen. Sieben Uhr ist immer noch früh genug, doch auch hier wird sich später auf der Strecke herausstellen, dass es sinnvoll ist, dem Verkehr so gut wie möglich auszuweichen (auch ohne Baustellen).

Nach einer kurzen Schleife durch die Innenstadt von St. Anton geht es über die Umfahrungsstraße vorerst noch ein paar hundert Meter nahezu flach dahin, bevor es mit dem Anstieg auf den Arlbergpass unmittelbar ernst wird. Auf rund sechs Kilometern sind bis Sankt Christoph rund 500 Höhenmeter zu absolvieren - es ist ein ruhiger und vergleichsweise langsamer Start im Feld. Für mich heißt der erste Anstieg 300 Watt für gut zwanzig Minuten, nachdem es nachher recht lang bergab geht, kann man hier noch investieren.

(c) Dominik Kiss für bikeboard.at

Um 7:30 dann die Kuppe am Arlbergpass erreicht, kurz nach St. Christoph lichten sich die Wolken, die Berge sind plötzlich in goldenes Morgenlicht getaucht und der frische Wind der bevorstehenden Abfahrt fährt durch jeden Teil des Körpers - "High" nennt man das dann wohl. Doch zum Genießen bleibt nicht viel Zeit, es folgen die wunderbaren neuen Kehren auf der Vorarlberger Seite des Arlbergs und danach eine schnelle Abfahrt durch Galerien und Tunnels. Es geht gut bergab, die Straßen sind breit und leer - das Tempo ist entsprechend hoch, 80 km/h stehen auf dem Tacho. Vorsicht ist trotzdem geboten, in einem großen Feld mit anderen Amateuren und Hobbyfahrern gilt es immer, die Übersicht zu bewahren. Mein Rad meldet sich zwischendurch "zu Wort" - die Bremsen funktionieren einwandfrei, die Scheiben gleichen allerdings nach eineinhalb Wochen Bergfahren und der Abfahrt vom Arlberg eher Pringles-Chips als glatten Metallscheiben, dementsprechend "originell" ist die Geräuschentwicklung. Zumindest bekomme ich dadurch etwas mehr Platz, so schnell fahren die Leute ängstlich zur Seite, sobald von hinten meine Bremsen zu hören sind.

Kurz vor Bludenz ist der erste Wendepunkt der Strecke erreicht, es geht ins Montafon und dort zuerst gute zwanzig Kilometer recht flach ins Tal hinein. "Flach ins Tal hinein" schreit nach einer guten Gruppe zum Mitfahren, aber genau diese hat sich irgendwie kurz zuvor aufgelöst. Ein Phänomen, das ich immer wieder bei Rennen bemerke - plötzlich sind gut zehn oder sogar zwanzig Fahrer zersprengt und irgendwo verschwunden, Gruppenarbeit ist so nicht mehr möglich. So bin ich einige Kilometer nur mit einem zweiten Fahrer unterwegs, es gleicht eher einer gemütlichen Ausfahrt als einer sportlichen Großveranstaltung. Auch wenn sich dann langsam wieder andere Fahrer*innen zu uns gesellen, spätestens bei Kilometer 60 ist das ohnehin nicht mehr allzu relevant.

Da beginnt nämlich bei der Mautstelle Partenen der Anstieg zur Biehlerhöhe. Der kleine Aufkleber auf meinem Oberrohr, den alle Teilnehmer*innen im Startersackerl bekommen haben, zeigt einen langen Anstieg, ab in die niedrigen Gänge und konstant und ruhig hinaufkurbeln. Die durchschnittliche Steigung täuscht, geht es doch im oberen Bereich auch mal etwas mehr als einen Kilometer flach dahin. Die Steigungsprozente sind daher mehrheitlich zweistellig, die Beine werden schwerer und gleichzeitig leerer, auch die Sonne hat sich rechtzeitig entschieden, in ihrer vollen Kraft auf die Radler*innen herunterzuscheinen. Aus mir wird definitiv kein Bergfahrer mehr.

(c) Dominik Kiss für bikeboard.at

Wunderschön liegen die Kehren am Hang und mit jedem Höhenmeter wird der Ausblick noch spektakulärer - auch wenn für die Schönheit der Natur wenig Zeit bleibt. Teilweise ist der Verkehr auf der Strecke etwas lästig, brenzlige Situationen bleiben jedoch - zumindest für mich - aus. Leider ist es für den Veranstalter schlicht und ergreifend nicht möglich, die Strecke für einen längeren Zeitraum zu sperren, gibt es doch auf österreichischem Territorium nur diese zwei Strecken in Ost-West-Richtung.

(c) Dominik Kiss für bikeboard.at

Oben am Stausee angelangt, gönne ich mir eine Pause bei der zweiten Labe - aufgeschnittene Wurst- und Käsesemmeln, aufgeschnittenes Obst, Iso-Getränke, Wasser - außerhalb eines Rennens würde ich hier länger bleiben, eine gemütliche Jause mit grandiosem Ausblick genießen. Die folgende Abfahrt ist lang - genau genommen rund vierzig Kilometer lang. Es ist keine spektakuläre Abfahrt mit Kehren und Serpentinen - davon gibt es nur zwei im oberen Teil der Abfahrt. Die restlichen Kilometer sind anspruchsvoll, keine Zeit zum Ausruhen, nicht steil genug um es - ohne Treten - rollen zu lassen. Es bedarf also wiederum einer guten Gruppe, um diesen Streckenabschnitt erfolgreich und flott bewältigen zu können. Es dauert einige Kilometer, bis sich eine halbwegs gute Gruppe gefunden hat, auch ich habe meinen Teil an Führungsarbeit zu leisten, es gibt Diskussionen, keiner will mitführen, irgendwann funktioniert es dann doch - ein bekanntes Spiel, das jedoch in den meisten Fällen Kraft kostet.

Es geht durch Galtür, vorbei an Ischgl und hinunter nach Pians - es werden unzählige Tunnel und Gallerien durchfahren - bei höherem Tempo ein spannendes Gefühl! Um keine Langeweile aufkommen zu lassen, verirrt sich mitten während der Abfahrt ein Insekt in meinen Helm - wohlgemerkt hat der Met Manta nur drei klitzekleine Öffnungen, es gleicht also der Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns, dass mein fliegender Freund ins Innere meines Helms gelangt. Das Krabbeln auf meinen Haaren macht mich dann doch etwas nervös, also kurz Helm ab und gleich wieder auf - Problem gelöst. Und wenn wir schon von Unterhaltung sprechen - auch hier bieten sich zahlreiche Gelegenheiten, über meine schleifenden Scheibenbremsen zu plaudern, ich verweise immer wieder mit Augenzwinkern darauf, dass es sich dabei um psychologische Kriegsführung handelt...

Die Labe in Pians lasse ich aus - im Nachhinein betrachtet vielleicht nicht die intelligenteste Entscheidung, aber mit funktionierenden Gruppen möchte man ja immer gerne weiterfahren. Von Pians nach St. Anton geht es "nur noch" rund zwanzig Kilometer "nach Hause", auch die Steigung ist nominell nicht tragisch. Die schmierende Steigung (3-4 Prozent), die mittlerweile heißen Temperaturen und die dann doch recht leeren Beine ziehen bei mir den Stecker. Ich muss meine Gruppe fahren lassen, finde ein paar versprengte Fahrer*innen, die offenbar in einer ähnlichen Situation sind, werde von anderen Gruppen eingeholt, muss dieselben wieder fahren lassen. Mit drei Kollegen finde ich mich auf den letzten zehn Kilometern wieder, noch immer ansteigend und immer nach dem Talschluss mit der Ziellinie Ausschau haltend. Der Blick pendelt zwischen der Kilometeranzeige auf meinem Tacho und dem Hinterrad meines Vordermanns. Einmal noch Zähne zusammenbeissen - mein Ziel von fünfeinhalb Stunden tickt gerade vorüber, da erkenne ich nach einer Links-Rechts-Kombination die Ortseinfahrt von St. Anton - Flamme Rouge und die Zielgerade in die Innenstadt. Moderator Martin Böckle von Alpentour.tv begrüßt mich im Ziel, nachdem wir uns zuletzt bei der Ö-Tour und bei den Wachauer Radtagen oft begegnet sind - er und sein Team sorgen übrigens für die sehr erfreulichen und tollen Livestreams und Fernsehberichte von Radsportereignissen.

(c) Dominik Kiss für bikeboard.at

Die Zielverpflegung genieße ich ausgiebig, bei mittlerweile knapp dreißig Grad wollen die Flüssigkeitsspeicher wieder entsprechend aufgefüllt werden. Im Ziel freue ich mich, meine Freunde und Kollegen und einige bekannte Gesichter zu treffen - Radsport mit und bei Freunden, so macht das am meisten Spaß!

Aus mir wird also kein Bergfahrer mehr - zumindest kein guter. Aber ich werde trotzdem immer und immer wieder auf Berge hinauffahren, mich hinaufquälen. Weil Radfahren am Berg so etwas wie die Essenz des Radfahrens darstellt. Egal wie lange man braucht, das Erreichen des Gipfels, der Sieg gegen sich selbst, die Steigung und die Elemente - mit dem eigenen Körper als Antrieb, großartig! Die Faszination, die die Berge ausüben, lässt ohnehin jegliche Zeiten und vermeintliche Rückstände vergessen machen.

Und wenn wir schon bei den Bergen sind: den als Wiener zugegebenermaßen weiten und mühsamen Rückweg nicht am gleichen Tag antreten zu müssen, legt nahe, gleich ein paar Tage in St. Anton zu verbringen. Im Sommer muss man kein Vermögen sein eigen nennen, um hier auf das gesamte Urlaubsangebot zugreifen zu können. Wer sich davon selbst überzeugen möchte, dem sei eine Gondelfahrt auf die Valluga oberhalb des Orts nahegelegt - 2.809 Meter! Bis zum nächsten Mal!

Der Strava-Track zu meinem Arlberg-Giro 2018.

Die Teilnahme am Arlberg Giro 2018 und dem Rahmenprogramm erfolgte auf Einladung des Veranstalters.

Mehr Fotos im Bericht auf bikeboard.at. Titelfoto: (c) Dominik Kiss für bikeboard.at

20. Wachauer Radtage - Rennbericht

Die Wachauer Radtage feiern Geburtstag - die 20. Ausgabe des Klassikers durch das Weltkulturerbe. Zur Feier des Tages hat man sich die drei Strecken nochmal genau angeschaut und für die 2018er-Ausgabe ein Best Of der bisherigen Streckenvarianten zusammengemischt. Dadurch ändern sich die Distanzen und Höhenmeter - genauso aber auch die Anforderungen, die Renneinteilung und der Rennverlauf. Wie die Strecken genau ausschauen, habe ich im Vorfeld der Radtage schon einmal zusammengefasst - hier der Überblick.

Raiffeisen Power Marathon

Ich stehe am Start des Raiffeisen Power Marathon, die Eckdaten: 85 Kilometer und rund 800 Höhenmeter durch die Wachau.

Start

Ich bin früher als letztes Jahr in Mautern beim Startgelände. Ich habe mir gemerkt, dass ich 2017 spät dran war und nur mehr den allerletzten Platz in der Startaufstellung ergattert habe. Die Zugänge zu den Startblöcken sind dieses Jahr etwas verbessert worden, trotzdem staut es sich an den Zugängen und es findet nicht mehr jeder den Platz, den er möchte. Ich bin einer von denen, die leicht außerhalb der Bande stehen und erst beim tatsächlichen Start einen Platz auf der Straße finden.

Dafür geht ab diesem Zeitpunkt alles sehr flott und reibungslos. Das Feld kommt schnell in Bewegung, keine der oft vorkommenden Stop-and-Go-Wellen, die ja auch ein gewisses Gefahrenpotential mit sich bringen. Schnell also über die Brücke bei Mautern auf die Nordseite der Donau und ab durch das Weltkulturerbe Wachau Richtung Spitz. 

Ein paar Meter vor mir blitzt ein Trikot des Continental-Teams MyBike Stevens aus der Menge. Nach einer Woche bei der Österreich-Rundfahrt bin ich quasi schon konditioniert auf die Trikots der Profis. Bei der Ö-Tour wurde das Team leider von einem Magen-Darm-Virus heimgesucht, von Tag zu Tag waren weniger Fahrer des Teams am Start, bis am Ende nur noch ein Fahrer den Startbogen unterschreiben konnte. Einer derer, die da quasi vom Rad geholt wurden, war Maximilian Kuen. Nach einer tollen Performance bei den ÖSTM am Kahlenberg wäre er für die Rundfahrt in guter Verfassung gewesen. Die Wachauer Radtage sind seine erste "Ausfahrt" am Rad nach der Ö-Tour, er fährt außer Konkurrenz mit. Praktischerweise liegt sein Grundlagen-/Gemütlichkeitslevel irgendwo nahe bei meinem FTP-Wert - das ergibt eine gute Mitfahrgelegenheit durch die Wachau auf den ersten zwanzig flachen Kilometern.

Kurz vor Spitz zeigt mein Tacho einen Schnitt von gut 45 km/h an, das wird wohl nicht mehr lange so bleiben, steht doch der erste Hügel auf dem Programm. Das Feld hat sich schon etwas gelichtet, zum einen weil wenige Kilometer vorher die Feldtrennung stattgefunden hat - die Teilnehmer des Champion Marathons sind dort auf ihre lange Runde abgebogen, aber auch weil das Tempo eben recht hoch war.

Von Spitz steigt die Strecke nun leicht an. Ich bin diesen Streckenabschnitt vorab nicht gefahren und liege mit meinen Erwartungen daher etwas daneben. Statt dem befürchteten großen Anstieg geht es rollend über mehrere Hügel dahin, entsprechend hoch ist das Tempo. Im letzten Jahr ging es hier steiler und auch langsamer zur Sache (hinauf nach Nöhagen). Der Großteil der Gruppe, die im Flachen miteinander gefahren ist, bleibt auch hier zusammen. Die Labe am höchsten Punkt dieses Streckenabschnitts lasse ich aus - mit meinen zwei Flaschen komme ich locker über die Distanz, außerdem ist mir das Handling der Mineralwasserflaschen zu kompliziert, die man (zugeschraubt) in die Straße gereicht bekommt.

Trotzdem spüre ich langsam aber doch meine Beine. Ich bin gerade erst acht Tage lang im Auto gesessen, um mit der Kamera die Österreich-Rundfahrt zu begleiten. Acht Tage ohne Aktivität, acht Tage, in denen ich mich nur vermeintlich ausgeruht habe vom Radeln. Aber spätestens jetzt spüre ich, wie meine "Haxn aufgehen" - so hat es Rudi Massak, der Generalsekretär des Radsportverbands, beim gemeinsamen Abendessen zwei Tage zuvor vorhergesagt.

Die Donaubrücke bei Melk markiert ungefähr die Hälfte des Rennens. Genauso wie jeder Teilnehmer am Vienna City Marathon schmerzlich feststellen muss, dass die Reichsbrücke eigentlich ein kleiner "Berg" ist, so ist auch diese Donaubrücke mehr als nur ein kleiner "Schupfer", vor allem wenn man mit flottem Tempo auf die andere Seite gelangen will.

2017 ist es ab hier "nur noch" flach Richtung Ziel gegangen, in diesem Jahr geht es nur ein kurzes Stück die Donau entlang. In Aggsbach biegt man rechts in Richtung Dunkelsteiner Wald. Während der Ironman St. Pölten hier geradeaus hinauf nach Gansbach verläuft, biegen wir links Richtung Maria Langegg ab. Es wartet ein kurzer aber knackiger Anstieg mit bis zu 12 % Steigung auf ein paar Metern. Ich nehme mir vor, meine Komfortzone zu verlassen, und drücke den Anstieg hinauf. Oben angekommen durchfährt die mittlerweile stark zerfallene Gruppe einen Bogen und das Werk erscheint vollbracht. Ich habe meine Reserven so eingeteilt, dass ich hier leer bin - für die Abfahrt und die restlichen paar Kilometer ins Ziel brauche ich nicht mehr viel. 

Erkenntnis 1 stellt sich ein - nämlich, dass sich die Woche im Auto doch stärker auswirkt als erwartet. Erkenntnis 2 betrifft die mangelnde Streckenkenntnis, kommen doch nach dem Bogen der Bergwertung noch drei oder vier kleine Anstiege - mit hundert bis zweihundert Metern Länge eigentlich nicht der Rede wert, aber im jetzigen Zustand nicht mehr sehr unterhaltsam. Ich verliere den Anschluss an die letzten Mitfahrer. Nur ein Kollege bleibt über, irgendwie kommen wir gemeinsam über die letzten Höhenmeter.

Die anschließende Abfahrt ist rasant, wie alle Teile des Marathons sind aber sämtliche Gefahrenstellen gut und deutlich gekennzeichnet. Während die meisten Marathons sich darauf beschränken, die Teilnehmer unzählige Haftungsausschlüsse und Verzichtserklärungen unterschreiben zu lassen, wird bei den Wachauer Radtagen zusätzlich dazu noch gute Vorarbeit geleistet - mit Videos der Strecke, Erklärungen der Gefahrenstellen und eben einer guten Kennzeichnung sowohl auf der Strecke als auch durch die vielfachen Streckenposten. Dennoch bleibt mir in der Abfahrt eine kurze Schrecksekunde nicht erspart. In einer schnellen Linkskurve liegt plötzlich am rechten Straßenrand ein Rad am Boden - ohne Vorderrad und dahinter ein steiler Abhang in den Wald hinunter. Ich schaue verdutzt um mich herum, bleibe stehen und erkenne einen Radler mit Laufrad in der Hand rund zehn Meter weiter unten im Wald stehen. Meine Frage, ob alles in Ordnung sei, wird glücklicherweise mit einem "Ja, danke" quittiert, so steht meiner Weiterfahrt nichts im Wege. Die dabei "verlorenen" Sekunden können für einen gestürzten Mitfahrer entscheidend sein, insofern nehme ich das gerne in Kauf. Und schon zu oft hat man Geschichten gehört, dass Radler nicht stehen bleiben, wenn rund um sie Stürze geschehen, obwohl es ja um wenig bis gar nichts geht...

Nach der Abfahrt folgen die letzten fünf Kilometer ins Ziel, wieder auf der Bundesstraße die Donau entlang. Gruppe ist keine mehr in Sicht, ich versuche noch einmal, aufs Tempo zu drücken, merke aber schnell, dass meine Beine leer sind. Meine Arbeit für heute ist getan, ich rolle gemütlich über die Ziellinie in Mautern.

Der 104. Rang steht später in der Ergebnisliste, Strava bestätigt mir in Zahlen den positiven Eindruck, den ich während des Rennens hatte. Zufrieden kann ich also im Ziel meine Erstverpflegung genießen - die Beine leer, der Erfahrungsschatz um ein Erlebnis reicher.

P.bike Vereinsmeisterschaften

Umso schöner ist es, dass im Ziel bereits meine Vereinskollegen vom PBIKE.AT-Racing Team auf mich warten. Die Tatsache, dass sie vor mir da sind, bedeutet zwar eine Niederlage in unseren internen Vereinsmeisterschaften, aber ich kenne ihre Leistungen zu gut - da hätte ich ohnehin keine Chance... Johannes ist am Schluss der Schnellste aus dem PBIKE-Stall - Gratulation nochmal an dieser Stelle.

Erwähnenswert jedenfalls auch der dritte Platz von Christoph im Rennen auf der langen Strecke!

2019?

Wir sehen uns jedenfalls im nächsten Jahr wieder. Schöne Strecke, tolle Organisation, kurze Anreise und ein tolles Teilnehmerfeld werden auch nächstes Jahr einen guten Rahmen bieten.

Das Copyright aller Fotos in diesem Blogpost (ausgenommen jenes von Christoph) liegt bei Sportograf.

Österreichische Staatsmeisterschaften 2018

Zum ersten Mal seit über 30 Jahren wurden in Wien Österreichische Staatsmeisterschaften auf der Straße ausgetragen. Trotz relativ später Bekanntmachung war der Andrang der Fans groß, wenn sich quasi vor der eigenen Haustüre die Stars der österreichischen Radsportszene auf den Sattel schwingen, um das begehrte Meistertrikot zu ergattern. 

Strecke

Die Höhenstraße ist bekannt für ihr Kopfsteinpflaster - kein Pavé wie in Roubaix, aber auf Dauer trotzdem hart, vor allem wenn der bei Ausbesserungen aufgetragene Asphalt noch ruppiger ist, als das Stöckelpflaster selbst... Dafür ist der Blick über ganz Wien allgegenwärtig und inklusive!

Damenrennen

Gut zwanzig Damen stehen am Start des Rennens über fünf Runden und 100 Kilometer. Das Feld wird früh in die Länge gezogen und zerreißt bereits in der Startphase. Fahrerinnen werden nacheinander aus dem Rennen genommen, wenn der Rückstand auf das Hauptfeld zu groß wird.

Sarah Rijkes

Eine Vierergruppe bestreitet den Großteil des Rennens vor einem immer kleiner werdenden Hauptfeld, es ist klar - die Siegerin wird aus dieser Gruppe kommen. Die Vorhersage ist schwierig, die Stärken der Fahrerinnen unterschiedlich. Sarah Rijkes setzt sich - im Ziel wirkt es so, als wäre auch sie überrascht - gegen Barbara Mayer, Angelika Tazreiter und die Favoritin Martina Ritter durch.

Herrenrennen

Gut 80 Fahrer rittern um das rot-weiß-rote Meistertrikot auf neun Runden auf der Wiener Höhenstraße. Die 180 Kilometer und massig Höhenmeter sind eine gute Einstimmung auf die nächste Woche startende Österreich-Rundfahrt und natürlich auch die im September stattfindende Straßen-Weltmeisterschaft in Innsbruck.

Auch hier bildet sich recht bald eine Spitzengruppe, die den längsten Teil des Rennens vorne unterwegs ist. Das letzte Renndrittel wird dann nochmal spannend, die Favoriten versuchen, das Rennen noch einmal zu öffnen - auf der anderen Seite fordert der selektive Kurs seine Opfer und das Feld wird Runde um Runde dezimiert.

#pöstipower

Lukas Pöstlberger ist seit Beginn bei den Ausreißern bzw. der Führungsgruppe dabei. Georg Preidler Stephan Rabitsch versuchen noch einen letzten Versuch, den Anschluss zu finden, während sich Felix Großschartner mittragen lässt. Auch Riccardo Zoidl wirft alles in den Topf und holt sich dabei den KOM auf der Steigung hinauf auf den Kahlenberg. Am Ende trägt jedoch die Attacke von Lukas Pöstlberger Früchte, seine Attacke sitzt, der Vorsprung recht sogar noch für einen schnellen Radwechsel nach einem technischen Defekt kurz vor der Einfahrt zur Steigung auf den Kahlenberg.

Podium

Hinter Lukas Pöstlberger kommen Felix Großschartner, Georg Preidler und Riccardo Zoidl ins Ziel - geschlagen.

Fans

Die wachsende Wiener Rennrad-Community hat sich gesammelt am Kahlenberg eingefunden - große Gruppen, kleine Gruppen, Ausfahrt mit der ÖSTM als Ziel, Ausflügler, Fanzonen, Alt & Jung. Es war großartig, den Kahlenberg mit Radler*innen und Fans bevölkert zu sehen und weckt die Hoffnung, dass derartige Veranstaltungen in Wien doch nicht die Ausnahme darstellen.

Race Around Austria 2018 - II

Es geht weiter mit der Vorberichterstattung zum extremen Rennen rund um Österreich bzw. entlang der österreichischen Grenzen. Waren beim ersten Posting die Mannen vom Team Chase im Schweinwerferkegel, so geht es in diesem Beitrag um die Ursprünge des "RAA", die Organisation und einen Teil der Strecke. Da aber ohne Fahrer*innen bekanntlich gar nichts geht und das beste Rennen erst durch seine Teilnehmer*innen zu wahrem Leben erwacht, kommen natürlich auch diesmal die Menschen nicht zu kurz. Aber der Reihe nach...

Zeitmaschine - 1988 

Foto: Race Around Austria

Genau vor 30 Jahren wurde dieses Bild aufgenommen. Es zeigt Manfred Guthardt am höchsten Punkt der Strecke - dem Hochtor am Großglockner. Er war zu diesem Zeitpunkt dabei, sein Projekt "Rund um Österreich" zu realisieren. Er nahm sich dabei neun Tage Zeit, teilte die Strecke in entsprechende Etappen und nahm sich damals noch etwas mehr Zeit für die Nachtruhe. Dafür fuhr er penibel jede Grenzstraße Österreichs ab - während das heutige Race Around Austria "nur" mehr die grenznahen Straßen befährt und auf Sackgassen und Umwege weitgehend verzichtet. Nach etwas mehr als 2.600 Kilometern war Guthardts Projekt vollendet, der Grundstein für das Race Around Austria gelegt.

2008 wurde die Idee wieder aufgenommen, Christoph Strasser begab sich auf die Spuren des Jahres 1988 und umrundete Österreich in knapp 100 Stunden. 2018 - zehn Jahre später - steht nun die zehnte Ausgabe des RAA auf dem Programm, in voller Blüte und mit den Strecken, wie wir sie seit einigen Jahren kennen und lieben. Und bei Manfred Guthardt schließt sich dabei wieder der Kreis. Wenn einer die Idee für ein derartiges Projekt hat und sich dafür dermaßen akribisch an die Routenplanung macht, dann ist er prädestiniert dafür, Streckenchef des Race Around Austria zu sein! Wer also im August in Sankt Georgen am Attergau auf Manfred trifft, sollte sich jedenfalls einige seiner Geschichten anhören und staunen.

Mühlviertel

Standortwechsel nach Schöneben im Mühlviertel. Der Tag beginnt auf 920 Metern Höhe - wenige Meter weiter die tschechische Grenze, über uns der Aussichtsturm mit Blick auf den Moldaustausee und angenehme Temperaturen. Das Hotel Innsholz steht für Urlaub, Ausflug, Radfahren und allerlei Annehmlichkeiten im wunderschönen Böhmerwald. Die Leidenschaft fürs Weit-Radeln wird hier gelebt - Inhaber Peter Gruber ist der einzige Radler, der bis dato alle unterschiedlichen Strecken des Race Around Austria bestritten hat. Dass er dabei fast durchwegs auf dem Stockerl gestanden ist, sollte man ihm sehr hoch anrechnen und ihn dementsprechend nicht unterschätzen, wenn er in Radmontur neben einem steht. Als Sponsor des Race Around Austria trägt er außerdem auch abseits seiner sportlichen Leistungen zum Gelingen des Rennens bei. 

Schöneben klingt schön und eben - schön ist es, wunderschön sogar. Der Eiserne Vorhang war hier jahrzehntelang quasi vor der Haustür, von der einstigen Randlage in Österreich ist man aber geografisch ins Zentrum Europas gerückt. Erhalten blieb aber eine gewisse Unschuld und eine wild-romantische Landschaft. Gemeinsam mit den angrenzenden Alm- und Wiesengebieten Tschechiens, dem hügeligen Mühlviertel, pittoresken Stauseen und kleinen Ortschaften fällt es schwer, sich hier nicht wohl zu fühlen. "Eben" ist es allerdings nicht in Schöneben, bzw. braucht es einiges an Energie und Leidensfähigkeit, zum Hotel Innsholz zu kommen. Knapp 400 Höhenmeter auf gut drei Kilometern muss man von Ulrichsberg aus hinter sich bringen, bevor man sich wohlverdient auf die Hotelterrasse fallen lassen kann. 

Stiche wie diese waren es, die Manfred Guthardt auf seiner RAA-Erstbefahrung durchwegs mitgenommen hat - anstrengend aber der Mission geschuldet, die grenzen des Landes auszuloten. Heute fährt das RAA "unten" in Ulrichsberg durch - auch wenn derartige Prüfungen nicht mehr am Programm des Rennens stehen, stellt das Mühlviertel doch die erste große Prüfung des Rennens dar. Auf der langen Strecke des RAA werden hier die ersten paar tausend Höhenmeter gesammelt. Michael Nußbaumer - Organisator des Race Around Austria - erzählt oft und gerne von Teilnehmern, die sich im Glauben in Sicherheit wiegen, dass die ersten Anstiege beim Großglockner kommen. 

RAA-Weekend

Bleibt noch der Grund warum sich hier im Innsholz in Schöneben ein paar verrückte Radler*innen treffen - es ist quasi ein Feriencamp für RAA-Teilnehmer und Freunde, das hier stattfindet und die Besetzung lässt wenig zu wünschen übrig.

Darunter Markus Hager aus Bayern, der im Jahr 2017 bei seiner dritten Teilnahme den Sieg auf der Extrem-Strecke einfahren konnte. In spannenden Erzählungen und einem Vortrag am Abend teilt er gerne seine Erfahrungen, Erkenntnisse und Tipps mit Interessierten und Aspiranten. Lernen kann man dabei einiges, sich abschauen auch ein paar Dinge. Ob man allerdings auch alles so machen kann und will ist die andere Sache. Hager fuhr bei seinem Sieg rund 90 Stunden rund um Österreich, dabei legte er ganze drei Schlafpausen ein - diese dauerten jeweils unfassbare zehn Minuten. Während sich also meinereiner in der Früh noch einmal umdreht und wartet, bis das Telefon oder der Wecker erneut zu klingeln beginnt, hat sich Markus Hager in dieser Zeitspanne dermaßen erholt, dass er wieder fit genug ist, ein paar hundert Kilometer weiter zu radeln. 

Bewundernswerter ist aus meiner Sicht aber noch die Herangehensweise von Markus. Training erfolgt bei ihm regelmäßig aber verhältnismäßig unstrukturiert - ohne Trainingsplan, ohne Wattmessung, dafür mit Freude an der Bewegung und Spaß an der Sache. Das soll natürlich kein Freibrief sein, nur so vor sich hin zu fahren oder zu leben, aber zumindest für mich persönlich ist es irgendwie beruhigend, zu wissen, dass es auch ohne überbordendes "Zerdenken" und mit Spaß an der Sache geht.

2018 ist Markus wieder am Start, bereit für die Titelverteidigung des Race Around Austria. Hier bekommt er dieses Jahr allerdings Konkurrenz von Philipp Reiterits. Jan und ich waren im Mai 2017 auf dem Weg zum Hochtor, als wir auf den leeren Straßen auf einen anderen Radler trafen, der sich knapp vor uns die Straße hocharbeitete. Das Race Around Austria-Cap unter seinem Helm interpretierten wir als Einladung, über Radfahren, das RAA und unser aller Projekte zu plaudern. Wir machten ein paar Fotos als Erinnerung und wenig später trennten uns unsere Wege wieder. Jan und ich fuhren wieder zurück, Philipp setzt seine RAA-Streckenerkundung fort. Ich traf Philipp am Start des RAA im August wieder, auf der Startbühne, bereit seinen Traum umzusetzen. Philipp fuhr 2017 die 1.500 Kilometer lange Strecke, lernte dabei "Ultracycling" aus der ersten Reihe kennen - Hagel und Unwetter inklusive. 2018 geht er auf die 2.200 Kilometer lange Reise des RAA Extrem, gut vorbereitet und überlegt.

Tina und Andy sind den meisten am besten bekannt als "geradeaus.at" - dort betreiben sie einen Radblog und bieten Einblicke in ihre Touren, ihr Leben auf und neben dem Rad und garnieren das ganze mit großartigen Fotos. Die beiden haben sich Anfang des Jahres dafür entschieden, als Paar die RAA Challenge zu bestreiten - gut 560 Kilometer rund um Oberösterreich. Die Challenge stellt im Allgemeinen die Einstiegsdroge ins RAA-Universum dar - legal und in der Regel auch nicht ungesund. Auf ihrem Blog kann man alles über die intensiven Vorbereitungen für ein derartiges Vorhaben erfahren, eine Vorstellung vom notwendigen Trainingspensum bekommen, aber auch viele organisatorische Fragen (und die Antworten darauf) finden. 

169k beim Race Around Austria

Mich fasziniert seit jeher die Bewältigung längerer Strecken mit dem Rad. Letztes Jahr hatte ich die Möglichkeit, als fliegender Reporter mit Kamera und Laptop durchs Feld zu pflügen, die Protagonisten kennenzulernen und die Stimmung in mich aufzusaugen. Und ich für meinen Teil kann jedenfalls behaupten, mit dem RAA-Virus infiziert zu sein. Sobald ich im Raum mit Teilnehmer*innen bin, bekomme ich Lust darauf, mich anzumelden. Auch wenn ich Geschichten über Schlafentzug, lange Nachtschichten oder Schlechtwetter höre, mindert das nicht meine Motivation, in der Sekunde aufs Rad zu steigen. 

Nächstes Jahr werd ich dem Ruf wohl folgen. Dieses Jahr greife ich aber zuvor nochmal zur Kamera. Im August, im wunderschönen Attergau - mit hunderten anderen, deren Adrenalin und Enthusiasmus wieder auf mich überschwappen und ich werde wieder mit jedem und jeder einzelnen mitfiebern, als wenn es mein eigenes Rennen wäre! Ich freu mich schon!

Lesetipps - Covadonga

Mittlerweile liegen so viele spannende und schöne (Rad)Bücher bei mir zuhause, dass es nicht mehr ausreicht, nur den traditionellen vor-weihnachtlichen Ex Libris-Blogbeitrag zu schreiben. Hier also eine kleine Auswahl von neuen und nicht mehr ganz so neuen Büchern - diesmal aus dem Covadonga Verlag.

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Der Radfahrer und sein Schatten - Olivier Haralambon

Ein ruhiges, entschleunigtes und philosophisches Buch legt der Franzose Olivier Haralambon vor. In vierzehn Kapitel arbeitet er sich durch das Dasein als Radfahrer, die Wahrnehmung während des Fahrens, die Intensität von Rennen und die Dynamik des Pelotons. Auch wenn manchen Stellen des Textes schon fast etwas zu viel Pathos anhaftet, die Sprache des Autors beruhigt und führt gemächlich durch die Welt des Radfahrens und des Radsports. Dinge, über die man sich wahrscheinlich noch nie so richtig Gedanken gemacht hat, werden hier zum ersten Mal formuliert. Früher oder später findet sich jede*r in diesem Buch wieder - egal ob es die ersten Tritte in die Pedale als Kind sind, das erste Rennen, das man - wenn auch nur für ganz kurze Zeit - an der Spitze des Pelotons anführt oder die Erhabenheit der Fortbewegung auf dem Rad als solche.

Das Rad schmiegt sich dem unnützen Körper an, baut ihn auf und gibt ihm eine Bestimmung. Allein die Tatsache, aufs Rad zu steigen, erhöht augenblicklich den unbedeutenden Fußgänger, erleuchtet verwachsene Körper, die sich als lebende Kathedralen errichten, wodurch auch kleine unscheinbare, in ihrer Straßenkluft unbeholfen wirkende Männer plötzlich alles um sich überragen. Die Haltung des Radfahrers entkleidet und offenbart ihn. Ob der Champion sein Dress trägt oder nicht, nackt ist er immer.

Wer also herausfinden möchte, warum stark zu sein und schnell zu fahren zwei grundverschiedene Dinge sind, wie vermeintliche "Rohlinge in Wahrheit empfindsam sind wie Tänzerinnen" oder ein Rad nicht erwählt wird, sondern sich ganz natürlich aufdrängt, dem seien die vierzehn Kapiteln nahegelegt. Es ist ein willkommener Kontrapunkt zu Leselisten und Bücherregalen, die vollgestopft sind mit Watt, Pulsschlägen und Ernährungsstrategien.

Olivier Haralambon - "Der Rennradfahrer und sein Schatten", Eine kleine Philosophie des Straßenradsports. 166 Seiten - EUR 16,80 - Covadonga Verlag

Velominati - Die Regeln

Seit vielen Jahren schon schwirren sie durch den Äther der Radsportwelt - "The Rules". Du sollst nicht..., du darfst nicht…, 10 Gebote? Nein, 95 Regeln sollte der Radfahrer kennen. Ob er immer alle befolgt, ist eine andere Geschichte. Ein Augenzwinkern hie und da und eine gewisse Portion Selbstironie sind wohl auch angebracht, wenn man sich durch den Codex der Velominati durcharbeitet. Wer frei von Schuld sei, werfe den ersten Stein. Das Rad schon mal auf den Kopf gestellt? Die Beine nicht rasiert? Den "Local Bike Shop" hintergangen? Ja, ja und ja. Außerdem sind meine Brillenbügel immer über den Helmriemen (und nicht darunter - Regel #37), ich fahre bei Rennen mit, ohne jegliche Chance zu gewinnen (verstößt gegen #70) und bei mir kommt die Familie dann meistens doch vor dem Radfahren (und nicht danach, wie das Regel #11 postuliert).

Aber eigentlich ist es egal, ob es um das Rad geht, die Ästhetik oder das Leiden (so die Einteilung der Kapitel) - es ist gut, sich zurechtzufinden und die Regeln zu kennen. Neben einigen Regeln, die tatsächlich nur mit Augenzwinkern zu lesen sind, findet man doch auch viele nützliche und wertvolle Hinweise. Ob man dadurch sein Verhalten ändert oder nicht, Dinge vielleicht anders angeht als sonst oder einfach nur die Mitfahrer*innen und Vereinskolleg*innen besser versteht, ist natürlich freigestellt. Und dann gibt es da natürlich jene Regeln, die mittlerweile in allgemeines Kultur- und Sprachgut übergegangen sind: die berühmte N+1 Regel für die ideale Anzahl an Rädern, die vielzitierte Regel #5: Harden the f*** up! oder auch Greg Lemonds Ausspruch "Es wird nicht einfacher, du wirst nur schneller" (#10).

Was den Mehrwert des Buches ausmacht, sind die Erklärungen und Hintergrundinformationen zu den einzelnen Regeln. Hier wird auf mehreren Seiten ausgeführt, wie manche Dinge historisch gewachsen sind, wie der Radsport früherer Jahre bis heute sein Erbe verteidigt oder aber warum es einfach keinen Sinn macht, weiße Radhosen zu tragen.

Das Buch ist also als Enzyklopädie zu sehen, voll mit Informationen und Tipps, die das Leben am Rad entweder schöner oder schneller, sicher aber unterhaltsamer machen. Und auch wer nicht selbst am Rad sitzt, wird in diesem Buch viele wertvolle Erkenntnisse finden - und manche Verhaltensweisen von Freund*innen und Partner*innen erscheinen dann vielleicht nicht mehr ganz so skurril.

Velominati - "Die Regeln", 312 Seiten - EUR 14,80 - Covadonga Verlag

Walter Jungwirth - Tausend Kilometer Süden

Die Mille du Sud ist ein mythenbehaftetes Brevet in den französischen Alpen. Insider haben schon von der Prüfung gehört, die hier auf trainierte Radlerbeine wartet. Auf - wie der Name schon sagt - tausend Kilometern werden hier berühmte Berge unter die Räder genommen, es ist eine Fernfahrt - kein Rennen, Selbstversorgung ist das Gebot der Stunde. Außerdem sind alle Teilnehmer gleich - es gibt ein Limit von 100 Stunden für den Randonneur, die Strecke zu bewältigen, darüberhinaus gibt es aber keine Zeitnehmung, keine Wertung und keine Ergebnisse.

Der Autor arbeitet sich in dem Buch über die Strecke der Mille du Sud - intensive Erlebnisse, Freundschaften, stille Momente und - unvermeidlich - Leiden säumen seinen Weg. Es ist kein klassischer Rennbericht, der hier abgefasst wurde. Es sind vielmehr Momentaufnahmen, Beobachtungen und Eindrücke des Fahrers, die sich zu einem spannenden und nicht zuletzt auch romantischen Gesamtbild zusammenfügen. Als Leser ist man als Passagier dabei, sitzt quasi am Gepäckträger des Autors - man passt sich an den Takt des Radfahrens an, lebt mit dem Fahrer mit, fühlt sich, wie wenn man selbst dabei wäre.

Auch die Einblicke in die Strapazen, die Motivation des Autors und sein Weg zum Radfahren und zur Mille du Sud sind absolut lesenswert, bieten die Möglichkeit, über die eigenen Motive zu reflektieren, machen am Ende aber einfach Lust darauf, selbst in die Pedale zu treten. Es müssen ja nicht gleich 1.000 Kilometer und 16.000 Höhenmeter durch den südlichen Alpenbogen sein...

Walter Jungwirth - "Tausend Kilometer Süden - Eine Erzählung vom Radfahren in den Bergen", 160 Seiten - EUR 14,80 - Covadonga Verlag