Into the Wold

Wie soll ich anfangen… Normalerweise schreibe ich an dieser Stelle Rennberichte oder Erfahrungen von Rennen oder Ausfahrten - diesmal ist das anders. Ich war als Fotograf engagiert für “Into the Wold”, ein neues Gravelevent im Bregenzerwald. Als Fotograf ist man üblicherweise nicht bei allen Programmpunkten dabei, bekommt nicht alles mit, hat nur einen partiellen Eindruck vom Geschehen. Doch Into the Wold war anders, daher möchte ich auch an dieser Stelle meine Erlebnisse teilen, auch wenn ich nicht als Teilnehmer mit dabei war!

Konzept

Gravel boomt - darüber muss man nicht mehr diskutieren. Entsprechende Events auszurichten mag auf den ersten Blick verlockend sein, schließlich kann man sich vielleicht da und dort eine Genehmigung ersparen, die Streckenabsicherung anders lösen und hat nicht mit zehn sondern nur mit vier verschiedenen Behörden zu tun. Auf der anderen Seite möchte man als Teilnehmer natürlich ein gewisses Event-Feeling haben - Verpflegung, Side-Events, Soziales und Rahmenprogramm sind daher essentiell. Gerade im letzten Corona-Jahr hat sich gezeigt, dass es oft nicht reicht, “nur” einen GPX-Track zur Verfügung zu stellen, um die Leute zum Mitfahren zu motivieren.

Irgendwo inmitten dieses Spannungsfelds, garniert mit unklaren Corona-Vorgaben, haben die Ideengeber von Into the Wold ein feines Event hervorgezaubert. Zutaten sind eine Region, die für viele (zumindest aus dem Osten Österreichs oder aus dem Süden Deutschlands) nicht allzu bekannt ist, Gravel-, Schotter- und Forstwege en masse, eine Landschaft in einer Mischung aus alpin und hügelig sowie Menschen, die eine gewisse Grundmotivation und Bereitschaft haben, Ideen zu unterstützen und mitzutragen.

Rahmenprogramm

Und plötzlich waren da Programmpunkte geboren, die man sonst in einer Event-Beschreibung vielleicht weniger vermuten würde: Yoga-Sessions, Müsliriegel-Workshops, Burgeressen vom Haubenkoch, gemeinsamer Filmabend oder aber die Architektur-Ausfahrt mit entsprechend fachkundiger Führung. Dabei richten sich diese Programmpunkte nicht nur an aktive Fahrerinnen und Fahrer, sondern auch an deren Begleiter, Partnerinnen oder aber auch an die Einheimischen, die ja schließlich auch irgendwie Teil einer Veranstaltung sind, die vor ihrer Haustür startet oder vorbeiführt. So ein ganzheitlicher Ansatz spiegelt sich dann auch entsprechend wider, wenn jeder im Ort von der Veranstaltung weiß, beim Start- und Zielbereich vorbeischaut oder - wie der Bürgermeister von Mellau höchstpersönlich - selbst mit anpackt!

Die Strecken und die Schotterpisten

Abseits jeglicher Diskussionen, ob das Gravelbike nun eine neue Erfindung, ein Marketing-Gag oder Aushöhlung der Rennrad-Kultur ist (ja/mitunter/nein), wird einem im Bregenzerwald schnell klar, welche Vorteile ein Gravelbike in einer derartigen Umgebung bietet. Es ist die Mischung aus schnellem Vorankommen auf Asphalt oder festem Untergrund gepaart mit den Möglichkeiten, auch im Gelände Spaß zu haben. Und von allem gibt es im Bregenzerwald genug, schließlich findet man dort keine engen und abgeschlossenen Täler sondern immer noch einen Hügel, wo sich gerade noch ein Weg drüber ausgeht, einen kleinen Sattel oder einen höher gelegenen Pass - damit wachsen die Möglichkeiten. Man spürt die höhere Lage von >600 Metern sowohl in der Lunge als auch optisch - die Wiesen sind dort noch saftig grün statt verdorrt wie in den niedriger gelegenen Teilen des Landes.

Variantenreichtum ist kein Problem: es gibt die klassische Fahrt ins Tal hinein (Streckenteil: Mellental), die pittoreske Hochalm (Schönenbach), die Schotter-Höhenstraße, die sich an den Berghang schmiegt und die kleinen Hinterhofwege (rund um Andelsbuch), über die man sich am Verkehr vorbeischummeln kann.

Into the Wold hatte bei der ersten Austragung zwei Streckenvarianten zur Auswahl. Dabei waren auf rund 60 oder 100 Kilometern unterschiedliche aber durchwegs auch anspruchsvolle Abschnitte vereint. Grundsätzlich muss man seine “Gravel-Wahrnehmung” immer wieder einmal nacheichen und sich bewusst machen, dass “Gravel” ein breites Spektrum abdeckt. Im flachen Osten Österreichs ist man klassische, breite und flotte Schotterpisten gewöhnt, in den Bergen kann der Untergrund auch schon mal etwas anders ausschauen. Richtige Trails bleiben Mountainbikes vorenthalten, jedoch die Möglichkeiten des Gravelbikes sind tatsächlich riesig und oft größer als die eigenen…

Soziales und Lukullisches

Radfahren ist das eine, Essen das andere…! Into the Wold ist kein Rennen im klassischen Sinn sondern eher eine gemeinsame Ausfahrt. Möglichkeiten, die anderen Mitfahrer*innen kennenzulernen gab es bereits am Donnerstag und Freitag, wo neben dem Rahmenprogramm auch schon gemeinsame Ausfahrten ausgeschrieben waren. Und genau dieses Kennenlernen veränderte die Charakteristik der samstäglichen “Hauptausfahrt” ganz maßgeblich. Dort war es nämlich plötzlich ein Gemeinschaftserlebnis - nicht mit irgendwelchen anderen Radlerinnen und Radlern, denen man in einem riesigen Startpulk gerade mal “Hallo” gesagt oder zugenickt hat, sondern mit bekannten Gesichtern, die man vorher schon gesehen, mit denen man geplaudert oder eben auch schon ein paar Meter abgespult hat. “Wir fahren morgen eh auch gemeinsam, oder?” war einer jener Sätze, die man des öfteren hörte - nicht wegen dem Windschatten, nicht wegen der Leistung, sondern weil es gemeinsam mehr Spaß macht.

Zur Freude beigetragen haben auch die Laben, die nicht nur malerisch platziert sondern auch exzellent bestückt waren. Bei Into the Wold waren in Summe sieben Hauben involviert- da kann man sich die Stärkung unterwegs getrost schmecken lassen. “Wir fahren eh gemeinsam als Gruppe weiter, oder?” ;)

Wie komme ich dazu…??

Wie gesagt, ich war “nur” der Fotograf - beim BMC-Testride, beim Rahmenprogramm und mit einem E-MTB auf der kürzeren Strecke zum Fotografieren dabei. Und natürlich beim Essen…! Für den Rest sollen lieber die Bilder für sich sprechen. ;)

www.intothewold.at

Arlberg Giro

Aus mir wird kein Bergfahrer mehr… Vor knapp drei Wochen bin ich mit zwei Kameras zwischen den Serpentinen der Arlbergstraße auf der Lauer gelegen - wartend, bis sich der Tross der 70. Österreich Rundfahrt über die langgezogene Straße heraufbewegt, die Kehren durchfährt um anschließend auf der anderen Seite des Arlbergs nach Tirol hinunter zu rollen.

Letztes Wochenende bin ich es nun, der hier auf dem Rad sitzt und sich Tritt um Tritt hinaufarbeitet. Die Suplesse der Tour-Teilnehmer lege ich natürlich nicht an den Tag - was bei ihnen spielerisch leicht ausgesehen hat, gleicht bei mir eher einem Überlebenskampf. Dabei ist der Arlberg doch erst der Anfang - aus mir wird wohl kein Bergfahrer mehr…

Der Hochstein in Lienz über Bannberg - 1400 Höhenmetern auf 11 Kilometern

Die Woche zuvor hab ich noch ein (sehr) kurzes Trainingslager in Osttirol eingelegt. Wo sonst, wenn man Berge fahren will - kurz und steil, das Intensiv-Training quasi. Auf die Hochsteinhütte bin ich gefahren - 1400 Höhenmeter auf knapp elf Kilometern. Ich hab es hinauf geschafft, aber aus mir wird wohl kein Bergfahrer mehr. Hinunter hab ich dafür meine Bremsen beleidigt. Merke: Auch Scheibenbremsen kommen irgendwann an ihre Grenzen. Die Bremsleistung ist zwar nach wie vor da, Schleifen und Quietschen (bis hin zu einem ab und zu auftretenden ohrenbetäubenden Kreischen) sind ab diesem Zeitpunkt meine Begleiter. Scheibenbremsen-Diskussion außen vor gelassen… ein paar Dinge haben noch Optimierungspotential!

Sankt Anton am Arlberg ist den meisten wohl als Wintersportort bekannt, aber als keiner, in dem Apres Ski, „Klopfer“ und Ski-Ballermann regieren. Nach St. Anton - oder „Stanton“, wie die englischen ÖBB-Durchsagen bis heute suggerieren - kommen jene, die tatsächlich Ski-Urlaub verbringen wollen und jene, die auch tatsächlich Skifahren können. Für alles andere ist das Gelände hier zu anspruchsvoll. Wie so viele Wintersportorte versucht St. Anton, sich auch im Sommer als Destination zu etablieren. Die Voraussetzungen dafür sind dabei erdenklich gut. Wunderbare Berge laden zum Wandern ein, das hochalpine Gelände bringt jeden Besucher zum Staunen, diverse Freizeitangebote im Ort bieten Möglichkeiten zur Zerstreuung. Außerdem hat man mit der sogenannten Sommercard auch eine gute Variante gefunden, all diese Angebote leicht zugänglich zu machen und entsprechend zu bündeln. Im Unterschied zu anderen Destinationen hat es St. Anton außerdem geschafft, den Erfolg des Winters halbwegs nachhaltig in die Landschaft und das Ortsbild einzufügen. 

Und man setzt auf das Fahrrad - sowohl Mountainbike als auch Rennrad sind wesentliche Pfeiler der Sommerstrategie. Mountainbike liegt auf der Hand, die Tiroler Alpen empfangen Fahrer*innen mit offenen Armen und zahlreichen und abwechslungsreichen Strecken (auch wenn Wegerecht und Nutzungskonflikte natürlich auch hier Themen sind). Auf dem Rennrad verringert sich der Variantenreichtum der Streckenführung entsprechend - zu eng sind die Täler, zu dicht der Verkehr. Umso größere Bedeutung haben die Veranstaltungen, die man alljährlich ausrichtet, und die mittlerweile eine beträchtliche Anhängerschaft aufweisen, die jedes Jahr wieder an den Fuß des Arlbergs kommt - zum Beispiel wenn es darum geht, den Arlberg Giro zu bestreiten.

Zum achten Mal findet der Giro statt, 2018 ist er zum ersten Mal ausverkauft und mit 1.500 Starter*innen der Adoleszenz jedenfalls entwachsen. Die Strecke ist altbekannt: Von Sankt Anton über den Arlberg nach Vorarlberg, durch das Montafon, hinauf auf einen der spektakulärsten Alpenpässe - die Silvretta Hochalpenstraße, durchs das Paznauntal zurück bis Pians und nach der Wende durchs Stanzertal zurück zum Startort. 150 Kilometer und rund 2.500 Höhenmeter misst diese Runde.

Um sieben Uhr fällt der Startschuss zum Rennen. Es gibt vier Startblocks, die Zuteilung ist mit farbig codierten Startnummern zweifelsfrei erkennbar, es gibt keine Diskussionen oder Fragezeichen. Wer in den falschen Block eingeteilt wurde oder sich im letzten Moment doch noch umentscheiden möchte, der findet bei der Startnummernausgabe noch (kooperatives) Gehör bei den freundlichen Mitarbeiter*innen der Veranstaltung. Mit sechs Minuten Abstand werden die Blocks auf die Strecke gelassen - ausreichend, um ein flottes Vorankommen zu gewährleisten und gleichzeitig allzu große Fahrergruppen zu vermeiden.

Der Startbogen steht vor dem Gemeindeamt in der Fußgängerzone von Sankt Anton - zentraler geht es nicht - vorteilhaft, da auch alle Hotels praktisch in Gehweite des Startbereichs liegen. Bereits zur frühen Morgenstunde sind zahlreiche Zuschauer vor Ort, man wird angefeuert und mit den besten Wünschen auf die Strecke entlassen. In den letzten Jahren war der Start noch auf 6:00 gelegt, damals hauptsächlich aus Rücksichtnahme auf die Baustelle im Arlbergtunnel und das damit verbundenen erhöhte Verkehrsaufkommen. Sieben Uhr ist immer noch früh genug, doch auch hier wird sich später auf der Strecke herausstellen, dass es sinnvoll ist, dem Verkehr so gut wie möglich auszuweichen (auch ohne Baustellen).

Nach einer kurzen Schleife durch die Innenstadt von St. Anton geht es über die Umfahrungsstraße vorerst noch ein paar hundert Meter nahezu flach dahin, bevor es mit dem Anstieg auf den Arlbergpass unmittelbar ernst wird. Auf rund sechs Kilometern sind bis Sankt Christoph rund 500 Höhenmeter zu absolvieren - es ist ein ruhiger und vergleichsweise langsamer Start im Feld. Für mich heißt der erste Anstieg 300 Watt für gut zwanzig Minuten, nachdem es nachher recht lang bergab geht, kann man hier noch investieren.

(c) Dominik Kiss für bikeboard.at

Um 7:30 dann die Kuppe am Arlbergpass erreicht, kurz nach St. Christoph lichten sich die Wolken, die Berge sind plötzlich in goldenes Morgenlicht getaucht und der frische Wind der bevorstehenden Abfahrt fährt durch jeden Teil des Körpers - "High" nennt man das dann wohl. Doch zum Genießen bleibt nicht viel Zeit, es folgen die wunderbaren neuen Kehren auf der Vorarlberger Seite des Arlbergs und danach eine schnelle Abfahrt durch Galerien und Tunnels. Es geht gut bergab, die Straßen sind breit und leer - das Tempo ist entsprechend hoch, 80 km/h stehen auf dem Tacho. Vorsicht ist trotzdem geboten, in einem großen Feld mit anderen Amateuren und Hobbyfahrern gilt es immer, die Übersicht zu bewahren. Mein Rad meldet sich zwischendurch "zu Wort" - die Bremsen funktionieren einwandfrei, die Scheiben gleichen allerdings nach eineinhalb Wochen Bergfahren und der Abfahrt vom Arlberg eher Pringles-Chips als glatten Metallscheiben, dementsprechend "originell" ist die Geräuschentwicklung. Zumindest bekomme ich dadurch etwas mehr Platz, so schnell fahren die Leute ängstlich zur Seite, sobald von hinten meine Bremsen zu hören sind.

Kurz vor Bludenz ist der erste Wendepunkt der Strecke erreicht, es geht ins Montafon und dort zuerst gute zwanzig Kilometer recht flach ins Tal hinein. "Flach ins Tal hinein" schreit nach einer guten Gruppe zum Mitfahren, aber genau diese hat sich irgendwie kurz zuvor aufgelöst. Ein Phänomen, das ich immer wieder bei Rennen bemerke - plötzlich sind gut zehn oder sogar zwanzig Fahrer zersprengt und irgendwo verschwunden, Gruppenarbeit ist so nicht mehr möglich. So bin ich einige Kilometer nur mit einem zweiten Fahrer unterwegs, es gleicht eher einer gemütlichen Ausfahrt als einer sportlichen Großveranstaltung. Auch wenn sich dann langsam wieder andere Fahrer*innen zu uns gesellen, spätestens bei Kilometer 60 ist das ohnehin nicht mehr allzu relevant.

Da beginnt nämlich bei der Mautstelle Partenen der Anstieg zur Biehlerhöhe. Der kleine Aufkleber auf meinem Oberrohr, den alle Teilnehmer*innen im Startersackerl bekommen haben, zeigt einen langen Anstieg, ab in die niedrigen Gänge und konstant und ruhig hinaufkurbeln. Die durchschnittliche Steigung täuscht, geht es doch im oberen Bereich auch mal etwas mehr als einen Kilometer flach dahin. Die Steigungsprozente sind daher mehrheitlich zweistellig, die Beine werden schwerer und gleichzeitig leerer, auch die Sonne hat sich rechtzeitig entschieden, in ihrer vollen Kraft auf die Radler*innen herunterzuscheinen. Aus mir wird definitiv kein Bergfahrer mehr.

(c) Dominik Kiss für bikeboard.at

Wunderschön liegen die Kehren am Hang und mit jedem Höhenmeter wird der Ausblick noch spektakulärer - auch wenn für die Schönheit der Natur wenig Zeit bleibt. Teilweise ist der Verkehr auf der Strecke etwas lästig, brenzlige Situationen bleiben jedoch - zumindest für mich - aus. Leider ist es für den Veranstalter schlicht und ergreifend nicht möglich, die Strecke für einen längeren Zeitraum zu sperren, gibt es doch auf österreichischem Territorium nur diese zwei Strecken in Ost-West-Richtung.

(c) Dominik Kiss für bikeboard.at

Oben am Stausee angelangt, gönne ich mir eine Pause bei der zweiten Labe - aufgeschnittene Wurst- und Käsesemmeln, aufgeschnittenes Obst, Iso-Getränke, Wasser - außerhalb eines Rennens würde ich hier länger bleiben, eine gemütliche Jause mit grandiosem Ausblick genießen. Die folgende Abfahrt ist lang - genau genommen rund vierzig Kilometer lang. Es ist keine spektakuläre Abfahrt mit Kehren und Serpentinen - davon gibt es nur zwei im oberen Teil der Abfahrt. Die restlichen Kilometer sind anspruchsvoll, keine Zeit zum Ausruhen, nicht steil genug um es - ohne Treten - rollen zu lassen. Es bedarf also wiederum einer guten Gruppe, um diesen Streckenabschnitt erfolgreich und flott bewältigen zu können. Es dauert einige Kilometer, bis sich eine halbwegs gute Gruppe gefunden hat, auch ich habe meinen Teil an Führungsarbeit zu leisten, es gibt Diskussionen, keiner will mitführen, irgendwann funktioniert es dann doch - ein bekanntes Spiel, das jedoch in den meisten Fällen Kraft kostet.

Es geht durch Galtür, vorbei an Ischgl und hinunter nach Pians - es werden unzählige Tunnel und Gallerien durchfahren - bei höherem Tempo ein spannendes Gefühl! Um keine Langeweile aufkommen zu lassen, verirrt sich mitten während der Abfahrt ein Insekt in meinen Helm - wohlgemerkt hat der Met Manta nur drei klitzekleine Öffnungen, es gleicht also der Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns, dass mein fliegender Freund ins Innere meines Helms gelangt. Das Krabbeln auf meinen Haaren macht mich dann doch etwas nervös, also kurz Helm ab und gleich wieder auf - Problem gelöst. Und wenn wir schon von Unterhaltung sprechen - auch hier bieten sich zahlreiche Gelegenheiten, über meine schleifenden Scheibenbremsen zu plaudern, ich verweise immer wieder mit Augenzwinkern darauf, dass es sich dabei um psychologische Kriegsführung handelt...

Die Labe in Pians lasse ich aus - im Nachhinein betrachtet vielleicht nicht die intelligenteste Entscheidung, aber mit funktionierenden Gruppen möchte man ja immer gerne weiterfahren. Von Pians nach St. Anton geht es "nur noch" rund zwanzig Kilometer "nach Hause", auch die Steigung ist nominell nicht tragisch. Die schmierende Steigung (3-4 Prozent), die mittlerweile heißen Temperaturen und die dann doch recht leeren Beine ziehen bei mir den Stecker. Ich muss meine Gruppe fahren lassen, finde ein paar versprengte Fahrer*innen, die offenbar in einer ähnlichen Situation sind, werde von anderen Gruppen eingeholt, muss dieselben wieder fahren lassen. Mit drei Kollegen finde ich mich auf den letzten zehn Kilometern wieder, noch immer ansteigend und immer nach dem Talschluss mit der Ziellinie Ausschau haltend. Der Blick pendelt zwischen der Kilometeranzeige auf meinem Tacho und dem Hinterrad meines Vordermanns. Einmal noch Zähne zusammenbeissen - mein Ziel von fünfeinhalb Stunden tickt gerade vorüber, da erkenne ich nach einer Links-Rechts-Kombination die Ortseinfahrt von St. Anton - Flamme Rouge und die Zielgerade in die Innenstadt. Moderator Martin Böckle von Alpentour.tv begrüßt mich im Ziel, nachdem wir uns zuletzt bei der Ö-Tour und bei den Wachauer Radtagen oft begegnet sind - er und sein Team sorgen übrigens für die sehr erfreulichen und tollen Livestreams und Fernsehberichte von Radsportereignissen.

(c) Dominik Kiss für bikeboard.at

Die Zielverpflegung genieße ich ausgiebig, bei mittlerweile knapp dreißig Grad wollen die Flüssigkeitsspeicher wieder entsprechend aufgefüllt werden. Im Ziel freue ich mich, meine Freunde und Kollegen und einige bekannte Gesichter zu treffen - Radsport mit und bei Freunden, so macht das am meisten Spaß!

Aus mir wird also kein Bergfahrer mehr - zumindest kein guter. Aber ich werde trotzdem immer und immer wieder auf Berge hinauffahren, mich hinaufquälen. Weil Radfahren am Berg so etwas wie die Essenz des Radfahrens darstellt. Egal wie lange man braucht, das Erreichen des Gipfels, der Sieg gegen sich selbst, die Steigung und die Elemente - mit dem eigenen Körper als Antrieb, großartig! Die Faszination, die die Berge ausüben, lässt ohnehin jegliche Zeiten und vermeintliche Rückstände vergessen machen.

Und wenn wir schon bei den Bergen sind: den als Wiener zugegebenermaßen weiten und mühsamen Rückweg nicht am gleichen Tag antreten zu müssen, legt nahe, gleich ein paar Tage in St. Anton zu verbringen. Im Sommer muss man kein Vermögen sein eigen nennen, um hier auf das gesamte Urlaubsangebot zugreifen zu können. Wer sich davon selbst überzeugen möchte, dem sei eine Gondelfahrt auf die Valluga oberhalb des Orts nahegelegt - 2.809 Meter! Bis zum nächsten Mal!

Der Strava-Track zu meinem Arlberg-Giro 2018.

Die Teilnahme am Arlberg Giro 2018 und dem Rahmenprogramm erfolgte auf Einladung des Veranstalters.

Mehr Fotos im Bericht auf bikeboard.at. Titelfoto: (c) Dominik Kiss für bikeboard.at