160 Kilometer Zwift

“Wenn du alleine zuhause bist, kommst du auf blöde Ideen”, schreibt mir Nora (alias Unicorn Cycling) kurz nachdem ich meine Aktivität auf Strava hochgeladen habe. Und ganz falsch liegt sie damit nicht…

Auf meinem Computer sind unzählige Listen abgespeichert - Listen mit möglichen Themen für den Blog, Routenvorschlägen, lose Ideen aber auch recht konkreten To-Dos. Über das Jahr schreibe ich hier alles rein, was mir so einfällt und über den Weg läuft. Zwift bietet zum Aufrechterhalten der Motivation in-game einige Herausforderungen und Missionen - von “tritt soundso viel Watt” über “fahre an soundso vielen Tagen” bis hin zu “fahre 100 bzw. 160 km”. Seit Zwift Teil meiner Winter-Trainingsroutine ist, sind daher die Zwift-Challenges auch auf meiner To-Do Liste präsent. So weit so gut…

“Masochist” ist beispielsweise erreicht, wenn man 25 Mal Alpe du Zwift gefahren ist…

Parallel dazu ist man ja Mitglied in diversen Facebook-Gruppen, die größte deutschsprachige Community in Bezug auf Zwift sind die “Zwift Riders Germany”. Scrollt man dort durch die letzten Beiträge wird einem regelrecht schwindlig, angesichts der Marathonleistungen, die da in beeindruckender als auch erschreckender Regelmäßigkeit abgeliefert werden. 100 Kilometer? Pffff… Rennen da und dort - kein Problem. 160 Kilometer am Stück? Mindestens eine*r pro Tag! Als Radler, dessen Zwift-Horizonte üblicherweise bei 40 Kilometern enden, beginnt man an dieser Stelle zu rätseln. Ist das schwer? Macht das Spaß? Ist das normal? Warum macht man das? Zeit für einen Selbstversuch!

100 Kilometer

Das “Metric Century” - wie die 100 Kilometer auf Zwift so schön heißen - habe ich schon mehrmals hinter mich gebracht - der Erstversuch ist hier nachzulesen. Die Distanz kennt man vermutlich von längeren Ausfahrt draußen und weiß daher auch grob, was da auf einen zukommt. Auf Zwift bzw. auf der Rolle ist die Dynamik natürlich eine andere - nämlich keine, und das ist die größte Herausforderung. Längere Distanzen auf der Rolle fallen in erster Linie schwerer, weil die Position auf dem Rad statischer ist - man wechselt weniger oft die Haltung, durch die fehlenden Bewegungen des Rads ist auch der eigene Körper weniger in Bewegung. Man geht weniger oft aus dem Sattel, dadurch ist das Ganze auch für die Muskulatur eintöniger (=ermüdender). Auch fehlende Umwelteinflüsse machen es mitunter schwieriger - auch der beste Ventilator kann keinen echten Fahrtwind simulieren.

Die ersten Kilometer gehen ja leicht von der Hand, man rollt entspannt durch die virtuellen Zwift-Welten. Man denkt sich: “Das wird doch ein Klacks”, so schnell springt die Kilometeranzeige am Bildschirm weiter. Bei Kilometer 20 oder 30 beginnt man allerdings zu grübeln. 45-60 Minuten im Sattel - 25 Kilometer abgespult… Unweigerlich beginnt man hochzurechnen - 20 Kilometer sind ein Fünftel von 100 Kilometer, vier Stunden im Sattel oder gar noch länger?

Hier lohnt es sich, VOR Fahrtantritt ein paar Dinge zu überlegen! Meine ersten 100 Kilometer bin ich damals quasi alleine gefahren, bis auf gelegentlichen Windschatten von anderen Fahrern auf der Strecke. Damals war ich 3:36 h unterwegs, auf dem Greater London Loop - über 1.000 Höhenmeter waren es am Ende. Aus diesen Rahmenbedingungen lassen sich unmittelbar einige Schlüsse ziehen.

Alleine oder Event?

Bei einem der vielen Events in Zwift findet man grundsätzlich immer Gleichgesinnte, die Ausfahrten des “World Bicycle Relief” bieten beispielsweise regelmäßig Fahrten über 100 Kilometer. Ist man als Teil einer derartigen Gruppe unterwegs, kann man jedenfalls am schnellsten die lange Distanz abspulen. Ich bin bei einem dieser Events mitgefahren, ausgeschrieben waren 100 Kilometer bei 2,5 Watt/Kilogramm. Das Tempo ist hoch, die Leistung muss man auf die Pedale bringen - denn ist der Windschatten der Gruppe erst einmal weg, dann bringt das Ganze nichts mehr und man ist erst recht wieder alleine unterwegs. Als Belohnung für das Leiden spult man die 100 Kilometer in guten zwei bis zweieinhalb Stunden ab. Ein Schnitt von über 40 km/h ist (für mich) natürlich völlig unrealistisch und in Bezug auf meine Leistungen draußen illusorisch aber da muss man sich bei Zwift ohnehin immer selbstkritisch und vernünftig einordnen.

Auf sich alleine gestellt dauert die Bewältigung der 100 Kilometer natürlich entsprechend länger, dafür erarbeitet man sich jeden Kilometer. Will man sich also psychisch abhärten - so wie es Rollentraining vor allem auch vor Zwift immer war, für den ist die Einzelkämpfer-Variante sicher eine gute Option.

Rad und Windschatten?

Wenn man schon alleine unterwegs ist, kann man - quasi strafverschärfend - auch das Zwift Zeitfahrrad benützen. Dieses muss nicht extra freigeschaltet werden und steht ab Beginn zur Verfügung. Angaben von Zwift zufolge ist man mit dem TT-Bike geringfügig flotter unterwegs, Nachteil ist dafür, dass man keinen Windschatten von anderen Fahrern nutzen kann. Außerdem verhalten sich Power-Ups auf dem Zeitfahrer anders: Windschatten, Federgewicht, usw. sind nicht verfügbar, stattdessen erhält man jedes mal zehn Erfahrungspunkte, wenn man ein Banner durchfährt.

Das Zwift TT-Bike

Streckenwahl?

Entscheidend über die Mühen der Herausforderung ist die Wahl der Strecke. Zehn Mal Alpe du Zwift ist eine gute Everesting-Challenge, wird die 100 Kilometer aber recht beschwerlich machen. “Flach und schnell” sollte das Motto lauten - London Loop, Flat Volcano, Richmond eignen sich dazu mit ihren moderaten Höhenmetern sehr gut.

25 Runden um den Vulkan

Wer die 100 Kilometer gleich mit einer anderen Challenge verbinden möchte, stellt sich an die Startlinie des Volcano Circuit auf Watopia. Es gibt Badges für fünf, zehn und 25 Runden durch den Vulkan. Bei 4,2 Kilometern Rundenlänge sind das rund 20, 42 oder eben 104 Kilometer. Die Höhenmeter halten sich dabei angenehm in Grenzen, die zwei kurzen Rampen kennt man nach wenigen Runden auswendig und kann sich entsprechend darauf einstellen. Gleichzeitig gibt es keine langen Bergab-Passagen, in denen man sich ausruhen kann - es heißt also, die ganze Zeit gleichmäßig weiter zu treten.

Für Experimentierfreudige ist Zwift sehr tolerant bei der Zählung der Runden - es kann zwischendurch unterbrochen werden, es kann die Route variiert werden, sogar Richtungswechsel sind möglich. Solange eine Runde beendet wird, zählt sie für die Challenge. Eine Tafel beim Runden-Banner zeigt die aktuelle Rundenzahl und sorgt dafür, dass der Überblick nicht verloren geht.

Auch hier vergehen die ersten Runden wie im Flug und man sieht sich schon am Ziel der Herausforderung. Aber es wird zäh, der Rundenzähler bewegt sich scheinbar nicht mehr so schnell, auch hier beginnt man zu grübeln, hochzurechnen, abzuschätzen. Mit dem Zwift-TT-Bike und zwischen 2,0 und 2,5 Watt/Kilogramm dauert eine Runde rund 7:20 Minuten, die 25 Runden daher ziemlich genau drei Stunden.

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Rad oder Trikot gibt es für die Erledigung der Challenge keines, lediglich die Badges für die entsprechende Rundenanzahl und die Beruhigung, etwas von der To-Do-Liste streichen zu können.

160 Kilometer

Hat man die 104 Kilometer einmal erreicht, stellt sich die Frage: Weiterfahren oder nicht? 160 Kilometer sind die größte Distanz, für die man auf Zwift belohnt wird - auf neudeutsch “Metric Century” genannt. Meistens ist man spätestens ab diesem Punkt auf sich alleine gestellt, organisierte Events über derartige Distanzen sind mir keine oder nur selten untergekommen.

Hilfreich ist an dieser Stelle, sein Gehirn entweder komplett abzuschalten oder irgendwie auszutricksen. Sobald man aber zum Nachdenken anfängt, wird es haarig. Nochmal 56 Kilometer? Weiter als man normalerweise auf Zwift unterwegs ist jetzt noch obendrauf? Und nochmal: Auf der Rolle sind die Gesetze andere als draußen. Nicht, dass das eine besser oder einfacher ist, als das andere - einfach anders!

Weitertreten also, in einem Stadium, in dem jede*r von uns wohl schon ein paar Mal war. Auf der einen Seite der Ehrgeiz und Wille, das Ding zu Ende zu bringen - auf der anderen Seite die Couch, der Kühlschrank und die Badewanne, noch dazu alles im Nebenzimmer! So kurbelt man in Trance die fehlenden Kilometer herunter.

Nach 25 Runden um den Vulkan hab ich genug von der eintönigen Strecke und biege ab - die Abwechslung bezahle ich mit zusätzlichen Höhenmetern, aber die Zerstreuung durch eine neue Umgebung und andere Fahrer hilft enorm. Man könnte an dieser Stelle auch auf ein anderes Bike wechseln und wieder den Windschatten der anderen Fahrer ausnützen. Ich entscheide mich für meine persönliche Durchhaltestrategie - ab und zu dringt dann doch der Ehrgeiz durch. Wenn ich im August 2019 die Race Around Austria Challenge fahren möchte, kann ich ruhig auch etwas für meine Kopf und meine Psyche tun…

Die letzten Kilometer vergehen plötzlich wieder wie im Flug, “Heimweh” nennt man das wohl. 157, 158, 159, 160 Kilometer - die letzten zwei nochmal Gas geben. Wäre doch schon langsam an der Zeit, dass die Geschichte ein Ende nimmt. Die “160” scheinen zentral auf dem Bildschirm auf, aber kein Achievement, kein Badge! Teile meines Gehirns beginnen bereits in Panik zu verfallen - erst während des Ausrollens, bei Kilometer 161, blinkt der Bildschirm auf und ich bekomme mein Achievement. To-Do abgehakt.

Mission Accomplished - allerdings erst bei 161 Kilometern!

Das begehrte Century-Trikot

Ausrüstung

Fünf Stunden auf der Rolle sollten zumindest halbwegs gut vorbereitet sein. Kette schmieren, Akkus von Powermeter, Di2 und Herzfrequenzgurt laden, Wasser auffüllen, Handtücher und Wechselgewand bereitlegen.

Meine BMC Roadmachine war die ganzen fünf Stunden lang sehr komfortabel - trotz der wenigen Positionswechsel hatte ich keinerlei Sitzprobleme oder Ähnliches. Wenn es zu zwicken beginnt, dann in Nacken oder Rücken. Auch der Wahoo Kickr hat die fünf Stunden Dauerseinsatz völlig unaufgeregt zur Kenntnis genommen.

Fünf Stunden und 161 Kilometer ergeben einen Schnitt von 32,3 km/h - absolut illusorisch, diesen Schnitt draußen auch nur annähernd über den halben Zeitraum halten zu können… Aber so ist der Algorithmus von Zwift - man sollte sich selbst gut genug einschätzen können, um nicht im Frühjahr an der Realität zu verzweifeln! 200 Watt waren ein grobes Ziel, 191 Watt Schnitt waren es am Ende.

Wichtig ist eine gute und regelmäßige Verpflegung. Auch wenn die Küche gleich nebenan ist, war es mir irgendwie ein Anliegen, nicht zwischendurch einfach ins Nebenzimmer zu spazieren, um mich zu verpflegen. Daher waren sieben Trinkflaschen mit Wasser bereitgestellt, zwei Packungen Powerbar Powergel Shots, ein Wingman- und ein Roobar Riegel. Die verbrauchten 3.200 Kalorien hab ich dadurch sicher nicht wieder zugeführt, aber ein kleines Kalorien-Defizit ist nach Weihnachten schon in Ordnung :)

Klare Empfehlung gibt es außerdem für eine Hose zum Wechseln - bei mir passiert nach rund 60 Kilometern. Socken und Handtuch kann man sich auch ein zweites (Paar) zurechtlegen - je nach Lust, Laune und Schweißbächen.

Würde ich es wieder tun?

Nein.

Ich habe ein gutes Durchhaltevermögen, Spaß auch an monotonen Herausforderungen und erfreue mich grundsätzlich am Training. Aber alles in allem war es am Ende doch etwas zu lang, zu monoton und zu anstrengend (so blöd das jetzt auch klingt - anstrengend ist im Sinne des Fahrens auf der Rolle zu verstehen, diese sind mit dem Fahren draußen einfach nicht vergleichbar). 100 Kilometer werden für mich in Zukunft die Grenze auf Zwift sein, mehr kann sein - für Challenges, Badges und Artikel wie diesen - muss aber nicht.

Ride On! ;)

Mein Zwift-Setup

Es wird bereits merklich früher finster und die Temperaturen an den Tagesrandzeiten sind nicht mehr ganz so kuschelig wie zuletzt gewohnt. Umso attraktiver wird nach und nach wieder das Training auf der Rolle. Wobei "attraktiv" bis vor wenigen Jahren kein Attribut war, das man mit Rollentraining im Winter in Verbindung gebracht hat - und dann kam Zwift. 

Man kann nach wie vor fabelhaft über Sinn und Unsinn, Realitätsgrad und Trainingseffekt von Zwift diskutieren - für mich war und ist Zwift im Winter eine großartige Möglichkeit, mich zu motivieren, meine Trainingseinheiten effektiv zu gestalten und auch mein Zeitbudget flexibel einzusetzen. Dinge wie virtuelle Rennen, "Missionen" oder andere Zusatzfeatures und kleine Belohnungen halten den Unterhaltungsfaktor außerdem konstant hoch. Und nicht zuletzt hat mit dem neuen WM-Kurs von Innsbruck auch noch ein Stück Österreich Eingang in die Software gefunden.

In diversen Facebook-Gruppen ist eine beliebte Beschäftigung, Fotos von der persönlichen "Pain Cave" zu posten - Schmerz und Schweiß sind als Synonyme für Rollentraining doch noch erhalten geblieben - bei aller Unterhaltung durch die Software... Interessanter als die physische Räumlichkeit ist aus meiner Sicht allerdings die Ausrüstung, die zur Verwendung kommt. Es gibt zahlreiche Varianten, wie man das Rollentraining mit Zwift angehen kann - keine davon ist falsch, manche sind besser oder realistischer als andere, alle zusammen sollten die Unterhaltung und Motivation beim Rollentraining fördern. Egal daher, ob eine Verbindung zwischen Geräten via Bluetooth oder ANT+ erfolgt, gleichgültig, ob das Rad aus Karbon oder Alu ist, egal auch ob der Bildschirm des Mobiltelefons oder jener des Fernsehers zum Einsatz kommt. Das folgende Setup ist rein exemplarisch und soll eine Idee davon geben, wie ein funktionierendes Zwift-Setup aussehen kann - Individualisierung und Ausrichtung auf die persönlichen Bedürfnisse ist ausdrücklich erwünscht.

Hardware

Zwift

Im Grunde basiert der ganze Artikel hier ja auf der magischen Software - der Kern des Setups ist demnach logischerweise Zwift selbst. Über Inhalt, Umfang und Funktionsweise muss an dieser Stelle glaube ich nicht mehr allzu viel gesagt oder geschrieben werden. Alle Infos zu Abo, Preisen, Systemvoraussetzungen und kompatiblen Geräten sind auf der Homepage von Zwift zu finden. Was sich so unterjährig an Verbesserungen und Ergänzungen ansammelt, ist beispielsweise hier zu lesen - besonders im Jahr 2017 ist ein großer Schwung an Funktionen hinzugekommen. Zwift arbeitet dabei tatsächlich mit Hochdruck daran, das Erlebnis permanent weiter zu verbessern. Gerade jetzt wird auf Facebook die kommende Erweiterung “New York” angekündigt.

Wahoo Kickr

Um das Zwift-Erlebnis "immersive" zu machen (so heißt das in der Computersprache - also "umfassend" und "eindringlich"), ist ein sogenannter Smart Trainer essentiell. Während die altbekannte Rolle sich dem Tritt des Fahrers und der Fahrerin anpasst und der Widerstand meistens proportional zur angewendeten Kraft steigt, können Smart Trainer auf Zuruf von Software, Geräten oder anderen Tools ihren Widerstand entsprechend variieren. Geht es in der virtuellen Zwift-Welt also bergauf, erhöht die Software automatisch den Widerstand des Trainers und umgekehrt - gleiches passiert beispielsweise bei Trainingsprogrammen, bei denen vorgegebene Wattwerte getreten werden sollen.

Der Markt von Smart Trainern ist in den vergangenen zwei, drei Jahren stark gewachsen, die Modellvielfalt ist groß, ebenso die Preisspanne, innerhalb derer man so ein Gerät erwerben kann. Die Speerspitze bilden die Topmodelle von Tacx und Wahoo, die Modelle "Neo" und "Kickr" unterscheiden sich im Detail (vor allem konzeptionell) deutlich voneinander und bringen jeweils andere Qualitäten ins Spiel um die Gunst des Käufers. Kompatibilität, Maße und Leistungsumfang sprechen aus meiner Sicht für den Kickr, der deswegen auch Teil meines Zwift-Setups ist. 

Für mich wesentlich ist die Kompatibilität des Trainers mit unterschiedlichen Achs-Standards - sowohl für Steckachsen (bei scheibengebremsten Rädern) als auch für Schnellspanner hält der Kickr entsprechende Adapter parat. Wer Nachbarn hat, wird sich zudem für die geringe Geräuschentwicklung begeistern - das aktuelle 2018er-Modell ist dann überhaupt schon leiser als der Ventilator daneben! Außerdem ist der Kickr (auch aufgrund der einklappbaren Standfüße) gut und klein verstaubar, er versteht sich mit sämtlichen ANT+ und Bluetooth-fähigen Gerätschaften, der maximale Widerstand von 2.000 Watt hält dem Gros der Nutzer*innen stand und die Genauigkeit des Widerstands bzw. der Leistungsmessung von 2 % ist für mich ohnehin nicht überprüfbar und eigentlich auch nicht ganz so wichtig. Sympathische oder praktische Kleinigkeiten runden das ganze Paket für mich persönlich noch ab - so ist beispielsweise kein Standfuß unter dem Vorderrad notwendig, im Zusammenspiel mit einem Wahoo Radcomputer lassen sich ohne zusätzliches Setup bereits gefahrene oder beliebige hochgeladene GPS-Tracks nachfahren.

Zur Installation sind nicht viele Worte zu verlieren. Will man die vollen Funktionen des Kickr nutzen, benötigt er eine Steckdose in der Nähe - ohne Strom verhält sich der elektromagnetische Widerstand proportional zur eingesetzten Kraft -> mehr treten = mehr Widerstand. Die Verbindung zum Computer kommt per Bluetooth Smart zustande. Diverse Kabellösungen (wie bei meinem vorherigen Smart Trainer: USB-Port des Computers -> USB-Verlängerungskabel -> ANT+ Sensor nahe der Rolle) sind damit überflüssig, die Verbindung erfolgt kabellos und bleibt stabil bestehen, was auch immer man am Rad für Kunststücke vollzieht.

Rad

Je nach Verfügbarkeit, Sauberkeit oder Lust & Laune kommt entweder die scheibengebremste BMC Roadmachine oder der Specialized Crosser zum Einsatz. Durch die leicht austauschbaren Adapter am Wahoo Kickr ist ein Wechsel zwischen Steckachsen und Schnellspannern kein Problem und schnell erledigt. Die Zeit, um das Rad einzuspannen und betriebsfertig zu bekommen, beträgt maximal ein bis zwei Minuten. 

Einen Gedanken sollte man der Wahl der geeigneten Kassette widmen. Die beim Kickr mitgelieferte Kassette konnte ich bei meinen Rädern leider nicht optimal einstellen, manche Gänge wollten nicht und nicht rund laufen. Hat man mehrere Räder mit unterschiedlichen Schaltungen im Einsatz, verstärkt sich dieses Problem naturgemäß und jedesmal die Schaltung einzustellen bzw. dann wieder umzustellen, kann keine Lösung sein. Für mich war der Ausweg, die identische Kassette auf den Kickr zu schrauben, wie jene auf meinem Laufradsatz für draußen. Bei baugleichen Kassetten gibt es keinerlei Probleme und die Gänge laufen sauber und rund. Der Crosser läuft auf SRAM, findet sich aber glücklicherweise auf der Shimano-Kassette zu 99 Prozent gut zurecht.

In Foren liest man häufig Diskussionen, dass Karbonräder bzw. -rahmen nicht fest in Trainer eingespannt werden sollten. Unvermeidlich sind dann diverse Erfahrungsberichte von gebrochenen Rahmen, geborstenem Karbon und allem Möglichen, was einem Freund einer Bekannten von der Schwägerin, die einen anderen kennt, dem was ähnliches mal vor zehn Jahren angeblich widerfahren ist... Die gleichen "Studien", Expertenmeinungen und Erfahrungen gibt es für die Gegenseite. Im Endeffekt muss jede*r für sich entscheiden, was man dem Material zumuten möchte - aus meiner Sicht muss ein hochwertiger Rahmen diesen Belastungen standhalten und die 1.200 Watt-Sprints sollte man sich ohnehin für andere Gelegenheiten aufheben.

Garmin Vector3

Wenn wir schon bei der Leistung sind... Grundsätzlich misst der Kickr selbst, wieviel Watt gerade getreten werden und meldet dies unverzüglich und laufend an Zwift. Wer jedoch in freier Wildbahn mit Powermeter unterwegs ist, möchte vermutlich auch die gleichen Wattangaben auf der Rolle bekommen. Es geht hier nicht darum, dass die einen Watt besser sind als die anderen, es geht um Konsistenz. Da ist es wie mit der Genauigkeit von Powermetern im Allgemeinen - im Grunde ist wichtig, dass die Person am Rad immer die gleichen Werte angezeigt bekommt, egal ob diese jetzt zwei Prozent unter oder vier Prozent über dem tatsächlich erbrachten Wert liegen. Statt also zwischen unterschiedlichen Systemen zu wechseln, existiert hier die Möglichkeit, den am Rad montierten Powermeter zu verwenden.

Die an meinem Rad montierten Garmin Vector 3 Pedale habe ich von Garmin für einen Langzeittest zur Verfügung gestellt bekommen - dazu gibt es hier in Kürze mehr. Mit Zwift sind diese - wie schon der Kickr - per Bluetooth verbunden.

Polar OH1

Messen, messen, messen - die Herzfrequenz gibt neben der Wattleistung einen guten Indikator für die Leistungsfähigkeit und eignet sich entsprechend gut für die Leistungs- und Trainingssteuerung. Für Zwift können grundsätzlich sämtliche Brustgurte verwendet werden, die auch draußen im Einsatz sind. Beim Modus der Datenübertragung sollten allerdings alle Geräte möglichst die gleiche Technik verwenden - Bluetooth oder ANT+. Wie schon erwähnt, kommunizieren Computer, Kickr und Garmin-Pedale bei mir via Bluetooth, da wäre es wenig sinnvoll, die Herzfrequenz erst recht wieder über ANT+ zu spielen. Herzfrequenzmessung via Bluetooth gibt es am Markt mittlerweile zur Genüge, Wahoo ist hier sowohl mit Brustgurten als auch dem Tickr-Armband vertreten. Armbänder gibt es auch von anderen Firmen - kurze Zeit vor Wahoo brachte Polar bereits ein derartiges Armband heraus, den OH-1. Ein kleiner Pod an einem elastischen Armband misst dabei verlässlich die Herzfrequenz am Oberarm und überträgt diese via Bluetooth an den Computer und die Software (der Stecker im Bild dient nur zum Aufladen).

Trittfrequenz

Ich fahre immer schon und traditionell ohne Trittfrequenzsensor - ob das gescheit ist oder nicht sei dahingestellt. Hat man keinen Smart Trainer, dann berechnet Zwift die Leistung des Avatars aus Geschwindigkeit und Trittfrequenz des Rads. Wer also keinen Smart Trainer sein eigen nennt, wird beim Zwiften jedenfalls einen Trittfrequenzsensor benötigen. Mit Smart Trainer kommt die Leistung direkt vom Trainer selbst, die Trittfrequenz ist dann nur noch für bestimmte Trainingseinheiten wichtig, bei denen z.B. explizite Trittfrequenzen trainiert werden sollen. Ach ja, und die Bewegungen des Avatars am Bildschirm orientieren sich auch an der tatsächlichen Trittfrequenz - falls das ein Argument dafür sein sollte. Ansonsten bin ich bis dato gut ohne Messung der Trittfrequenz ausgekommen.

Computer

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass für Zwift - Überraschung! - auch ein Computer notwendig ist. Je nach Darstellungsoptionen und Detailgrad der virtuellen Welt steigen die Systemanforderungen an den Rechner. Auf dem Bildschirm eines großen und halbwegs leistungsstarken iMac schaut das ganze dann schon recht gut aus. Wer in den Einstellungen die Details etwas herunterschraubt, wird nach wie vor den vollen Funktionsumfang von Zwift erleben können, allerdings geht meiner Meinung nach etwas vom Spielspaß verloren, wenn man durch eine etwas pixeligere Landschaft strampelt.

Versionen für Apple Mobilgeräte (iPhone und iPad) gibt es auch - ebenfalls mit vollem Funktionsumfang. Die Variante für AppleTV erlaubt es, vor dem Fernseher im Wohnzimmer zu zwiften. Großzügigen Bildschirmdiagonalen steht hier vermutlich nur die mangelnde Praktikabilität im Weg - wer möchte schon nach jeder Einheit das ganze Equipment wieder wegräumen und verstauen...

Vielleicht mag es ohnehin sonnenklar sein, dennoch möchte ich hier noch einen Punkt erwähnen. Ich habe - aufgrund der räumlichen Begebenheiten in meinem "Zwift-Zimmer" - monatelang schräg auf den Monitor des Computer geschaut, hatte also am Rad immer den Kopf leicht zur Seite geneigt. Im Nachhinein habe ich mir zusammengereimt, dass diese Position wohl großen Anteil an meinen Rückenbeschwerden im Frühjahr hatte. Meine Empfehlung ist daher, immer ganz gerade auf den Computerbildschirm zu schauen, die Position so geradlinig wie möglich zu gestalten. Jede Verwindung kombiniert mit Anstrengung, Luftzug, langem Sitzen und geduckter Position wird schnell zum Rückenkiller.

Ventilator

Last but not least - definitely not least! - ist ein Ventilator absolut essentiell. Schnell wird man bemerken, wie sehr man beim Radeln eigentlich schwitzt - nur dass man es draußen dank Fahrtwind nicht merkt. Sturzbäche und große Lacken an Schweiß begleiten jede Zwift-Einheit, entsprechend lohnt es sich, frühzeitig Fenster und Türen aufzumachen und den Ventilator aufzudrehen. Es ist zum Teil ein Lernprozess: anfangs denkt man sich, Stufe 1 beim Ventilator wird reichen - schnell wird man Stufe um Stufe hinaufschalten, auf der verzweifelten Suche nach Luft und Kühlung. Bei einigen Fahrer*innen sind auch mehrere Modelle gleichzeitig im Einsatz. Hier kann jede*r individuell entscheiden, was am passendsten ist. 

Ich habe einen Honeywell-Ventilator auf Amazon (Affiliate-Link) bestellt, weil dieser in einer Zwift-Facebookgruppe von vielen Leuten empfohlen wurde. Er ist klein, kompakt, leise, dreistufig einstellbar und mit rund 25 Euro auch preiswert. Aufgestellt ist er neben dem Computerbildschirm ungefähr auf Lenkerhöhe und bläst mir schön auf Oberkörper und Kopf.

Gewand

Es ist nicht allzu überraschend, dass beim Zwiften das leichte Sommergewand zum Einsatz kommt - wenn überhaupt. Besser als ein leichtes Trikot ist “kein” Trikot, diesbezügliche Versuche von mir ("Vielleicht absorbiert ein leichter Baselayer den Schweiß besser”) sind alle gescheitert. Von Rapha gibt es in der “Core”-Linie eine trägerlose Radhose, die auf der Rolle mein Favorit ist - wie gesagt, weniger ist mehr. Wenn die gerade nicht verfügbar ist - nach jeder Zwift-Session wandert alles unbedingt in die Waschmaschine! - dann nehme ich die dünne Sommerhose von Isadore zur Hand. Wer auf den Gedanken kommt, die ausgemusterte und alte Kleidung zu tragen, wird schnell bemerken, dass gerade auf der Rolle ein guter Sitzpolster und gute Materialen wichtig sind. Man bewegt sich weniger im Sattel, sitzt länger und gleichmäßiger und schwitzt eben auch mehr.

Auch ganz untenrum - der Schweiß ist einfach allgegenwärtig - lohnen sich leichte Socken und gut belüftete Schuhe. Auch hier - wie bei der Kleidung - gilt, nach der Session alles trocknen lassen, Innensohlen rausnehmen und so gut es geht reinigen. Nichts schmerzt die eigene Nase und jene der direkten Umwelt so sehr wie mehrfach angeschwitzte (Sport-)Kleidungsstücke.

Den Helm darf man auf der Rolle ausnahmsweise mal weglassen - aber auch nur hier.

Sonstiges

Handtuch

Dies sollte wohl eher ein Artikel über Schweiß sein als über Zwift… Ein Handtuch in Reichweite zu haben ist dringend notwendig, zum Trocknen des eigenen Körpers und auch des Equipments. Standardmäßig lege ich mein Handtuch über den kompletten Lenker, sodass kein Schweiß direkt dorthin tropft. Es gibt im Internet diverse Artikel und Videos, in denen zu sehen ist, wie es unter einem Lenkerband aussieht, in das man zuvor monatelang reingeschwitzt hat - no words needed…

Neben dem Lenker gilt es auch den Rest des Rades zu schützen. Auf meinem alten Alu-Canyon waren nach einer Wintersaison auf der Rolle die Züge auf der Unterseite des Oberrohrs durchgerostet - der Schweiß war über das Oberrohr nach unten geronnen und hatte die Züge entsprechend verunstaltet. Von Tacx hatte ich ein paar Mal einen Schweißfänger im Einsatz, der zwischen Lenker und Sattelstütze gespannt wird, diese Lösung war für mich aber nicht praktikabel, da man teilweise mit den Oberschenkeln daran streifte und außerdem der Schweiß seitlich vorbei tropfte.

Also Handtuch auf den Lenker und ab und zu Kopf, Gesicht und Oberkörper abwischen, dann funktioniert das ganz gut.

Wahoo Kickr Matte

Um nicht nach wenigen Wochen den wertvollen Parkettboden sanieren zu müssen, zahlt sich die Investition in eine Unterlagsmatte meiner Meinung nach jedenfalls aus. Passend zum Trainer habe ich die Matte von Wahoo im Einsatz, diese ist dünn und dämmt dabei trotzdem sehr gut die Bewegungen und damit auch einen Teil der Geräusche des Trainers, lässt sich sehr gut abwischen und sie ist breit genug, um dem vollen Equipment Platz zu bieten.

Alternativ hatte ich zuvor schon Handtücher, Turn- und Yogamatten im Einsatz. Diese sind dann entweder zu dick, zu schmal oder einfach unpraktisch.

Telefon

Die “Companion”-App ist Teil des Zwift-Universums und bietet auf dem Mobiltelefon ergänzende Informationen zur Aktivität, Einstellungs- und Steuerungsmöglichkeiten und vieles mehr. Es zahlt sich also grundsätzlich aus, nebenbei noch das Telefon zu aktivieren. Dieses muss dafür nur im gleichen Netzwerk (WLAN) sein wie der Computer, auf dem Zwift läuft.

Außerdem kann man sich - wenn man das möchte - mit den Mitfahrenden per Chat unterhalten, die Kameraeinstellungen steuern, Screenshots machen und einige andere Dinge, für die man sich sonst zur Tastatur des Computer nach vorne beugen müsste.

Und wenn man gerade nicht am Rad sitzt, dient die App als “Hub” für alle Zwift-bezogenen Informationen und Aktivitäten. Man kann die Liste der kommenden Events sehen und diesen auch gleich beitreten, sieht, was Freunde und Bekannte gerade so machen und kann auch seine persönlichen Zwift-Einstellungen bequem über die App erledigen.

Trinkflaschen

Was als Schweiß am Boden landet, wird hoffentlich gleichzeitig als Flüssigkeit wieder zugeführt. Trinken, trinken, trinken, ist das Motto. Ich starte nie ohne Trinkflasche auf der Rolle, standardmäßig sind beide Flaschenhalter mit Iso-Getränken oder Wasser munitioniert. Und praktischerweise muss man in den eigenen vier Wänden auch nicht bei zwei Flaschen Halt machen. Für längere Einheiten auf der Rolle kann man sich auch schon mal vier oder fünf Flaschen neben das Rad stellen - die im Laufe der Zeit angehäuften Flaschen von Marathons, Veranstaltungen und Werbegeschenken wollen doch auch einmal benützt werden.

Oder aber man steigt einfach zwischendurch kurz ab und geht ins Bad oder die Küche, um die Flaschen nachzufüllen - Home, sweet home!

Nahrung

Schließlich bleibt noch die Frage der Ernährung. Je nach Länge und Intensität der Einheit auf der Rolle ist auch hier eine entsprechende Ernährung notwendig. Da in meinem Fall die meisten Einheiten nicht länger als eineinhalb Stunden dauern, verzichte ich dabei meistens auf feste Nahrung. Darüberhinaus ernähre ich mich genauso, wie ich es draußen auch tun würde - Clifbars, Powerbar Shots, “Ausdauervutter” und andere Riegel. Auch davon kann man sich ja einen Vorrat neben den Trainer legen, umsonst mitschleppen muss man ja in diesem Fall nichts.

Fazit

Man kann natürlich aus allem eine Wissenschaft machen und auch an meinem persönlichen Setup scheint vielleicht manches übertrieben. So soll auch jede*r ein eigenes Setup finden, im Vordergrund soll jedenfalls die Freude am Radfahren stehen.

Wer Zwift erleben möchte, dem sei auf jeden Fall ein Smart Trainer nahegelegt, nur so kommt man in den Genuss der Steuerung des Trainers durch die Software und der damit verbundenen Funktionen.

Wer hier und jetzt denkt, ich schwitze abnormal viel, die oder der soll sich einmal für eine intensive Einheit auf die Rolle setzen und dann noch einmal beurteilen, warum ich mir hier so ausführlich über Handtücher, Ventilatoren und sommerliche Kleidung Gedanken mache. ;)

Bleibt die Erkenntnis, dass Zwift tatsächlich einen großen Beitrag dazu leistet, das Wintertraining und die Stunden auf der Rolle unterhaltsam zu gestalten. Im Frühjahr werden die Karten zwar ohnehin immer wieder neu gemischt und auch Radfahren im Winter hat absolut seinen Reiz - ich persönlich möchte diese Variante aber keinesfalls mehr missen. Ride On!