Einen Bericht über einen Helm zu schreiben, beinhaltet eine grundlegende Schwierigkeit: man kann den vordergründigen Zweck des Helms nicht testen - und soll und will das auch nicht! Es ist also eine Art Versicherung, um die es hier geht - der Mitgliedsbeitrag ist überschaubar, das Risiko eher unkalkulierbar, der Ernstfall tritt hoffentlich nicht ein. Wassermelonen oder ähnliches in einen Helm zu stecken und diese Kombination dann aus unterschiedlichen Höhen auf einen harten Untergrund fallen zu lassen, mag jene beglücken, die sich anhand von Normen, Schulnoten und Vergleichswerten in Sicherheit wiegen wollen. In diesem Test passiert so etwas allerdings nicht, und dies hat drei Gründe:
Ich möchte nicht eine Reihe von Helmen auf den Boden werfen und zerschellen lassen (und möchte mir das auch nicht leisten…)
Schulnoten oder andere Laborbewertung können maximal ein subjektives Sicherheitsgefühl suggerieren, allerdings keine tatsächliche Aussage über irgendeine Sicherheit oder den Ausgang eines Unfalls geben.
Nicht zuletzt - und das ist eigentlich der wichtige und damit springende Punkt - möchte ich mich auf die „positiven“ Seiten konzentrieren. Alle Helme - vor allem jene der renommierteren Hersteller - durchlaufen zahlreiche Test, Zertifizierungen und Prüfverfahren. Ich vertraue hier also einfach und gehe davon aus, dass alle Helme im sportlichen und gehobenen Preissegment eine gewisse Grundsicherheit gewährleisten. Ob das Schulnote 2,3 oder 1,9 ist, kann aus meiner Sicht vernachlässigt werden.
Die positiven Seiten des Helms an sich…
Eines vorweg - auch wenn es in meinen Augen nicht mehr notwendig sein sollte, das laut auszusprechen: Sportliches Radfahren ohne Helm geht gar nicht! Punkt. Keine Helmdiskussionen wie beim Radeln in der Stadt, keine Argumentationsketten mit „Wahrnehmung der Autofahrer“ oder „Vermittlung eines falschen Sicherheitsgefühls“ oder Ähnliches. Wer am Rennrad unterwegs ist, sollte - auch in völliger Abwesenheit von Autos oder anderen Verkehrsteilnehmern - einen Helm auf seinem Kopf tragen.
Machen wir also das Beste daraus! Der Helm ist auch Sonnen- und Witterungsschutz, Statement, Farbklecks, Werbefläche, was auch immer man will. Für mich persönlich ist der Helm ein wichtiges Accessoire. Das mag dumm oder abgehoben klingen, bei mir ist es allerdings passiert, dass sich mehrere Helme angesammelt haben - alle mit einem eigenen Zweck, einer eigenen Charakteristik und einer eigenen Geschichte.
Mein weißer POC Octal wird für immer einer meiner Favoriten bleiben - zu sehr mag ich es, wie ein Pilz aus Super Mario Brothers auszusehen. Nachdem ich mich beim Urlaub in Lienz allerdings einmal etwas zu wenig geduckt und mir am Garagentor eine dicke Kerbe in den Helm geschlagen habe, fristet er nur noch ein Dasein als stiller Zuschauer und befindet sich nicht mehr im aktiven Einsatz. Es ist immer eine Grauzone, wie lange oder nach welchen Ereignissen man einen Helm noch weiter verwenden soll, kann oder darf - ich bin hier eher auf der vorsichtigen Seite zuhause und lasse ihn lieber hängen. (Ihn wegzuschmeissen, habe ich allerdings noch nicht übers Herz gebracht). Dann gibt es noch einen Kask Protone in mattschwarz, der gut belüftet und damit gut für den Sommer oder die Bahn geeignet ist. Auch dieser hat eine kleine Abschürfung erlitten, als ich mich einmal langsam (aber dann offenbar doch schnell genug) auf die Seite gelegt habe. Und schließlich ist da noch der Met Manta mit seinen wenigen und kleinen Belüftungsschlitzen, den ich mir in leichter Panik noch kurz vor dem King of the Lake 2017 zugelegt habe, damit ich dort zumindest ein klitzekleines Stück weit aerodynamischer unterwegs bin.
Vor wenigen Monaten ist dann noch einmal Zuwachs ins Haus gekommen. Helme von Giro sind ja auf dem Markt schon lange präsent - sehr präsent, um genau zu sein. Wer sich ab und zu ein Radrennen im Fernsehen ansieht, wird um den Anblick des markanten Giro Synthe nicht herumgekommen sein. Der Nachfolger mit dem Namen „Aether“ ist seit letztem Herbst auf dem Markt und tritt in diese großen Fußstapfen. Im Profipeloton teilt sich der Aether die Einsätze mit dem Vanquish, je nachdem ob die Fahrer*innen Belüftung oder Aerodynamik vorziehen.
Style
Der wesentliche Stil des Synthe findet sich auch im Aether wieder. Die markanten Längsstreben ziehen sich von der Stirn bis zum hinteren Ende. Auf den ersten Blick fast unheimlich scheinen die Querverbindungen zwischen diesen Längsstreben, sind diese doch erst auf den zweiten Blick so richtig erkennbar bzw. sucht man zuerst noch vergeblich massivere Querträger. Stattdessen sind es durchsichtige Kunststoffbrücken, die sich an der Außenhülle des Helms quer über den Kopf ziehen und so den „Schutzhelm“ erst vollständig machen.
Angenehm ist die leichte Bauart im Stirnbereich, da ragt kein Material ins Gesicht, das Blickfeld ist nach vorne hin absolut frei - man merkt nichts vom Helm, hat man ihn erst einmal an die richtige Stelle gebracht. Am Hinterkopf bzw. im Nacken reicht der Helm weit genug herunter, um subjektiv als auch objektiv genug Schutz zu bieten. Der Synthe war hier gefühlt noch etwas filigraner und „leichter“, allerdings hatte man da auch ab und zu den Eindruck - vor allem wenn man andere Fahrer damit sah - als wäre da nur einen kleinen Deckel auf dem Kopf. Während bei meinem schwarzen Modell die obere Hälfte des Helms in mattem Finish ausgeführt ist, glänzen die beiden unteren Streben schwarz. Diese optische Unterscheidung ist auch der dezente Hinweis auf das Hauptfeature des Helms und die magischen vier Buchstaben „MIPS“.
MIPS
„MIPS“ steht für „Multi-Directional Impact Protection System“ und wurde vor einigen Jahren in Schweden erfunden. Überlegung dabei ist, dass die meisten Helme einen guten Schutz bei einem „linearen“ Aufprall bieten. Wir erinnern uns an die Melone, die man gerade auf den Boden fallen lässt? In der Praxis ist es allerdings eher unwahrscheinlich, dass man bei einem Sturz gerade auf ein Objekt zu oder eben in normalem Winkel auf den Boden zufällt. Für das menschliche Gehirn besteht allerdings speziell dann große Gefahr, wenn es zu einem schrägen Aufprall kommt und dadurch starke Rotationskräfte auf den Körper und eben das Gehirn wirken.
MIPS soll in genau diesen Fällen Abhilfe schaffen. Dies soll durch eine Zweiteilung des Helms geschehen - die Trennlinie auf der Oberfläche des Aether zwischen matt und glänzend ist genau diese Schnittstelle zwischen den beiden Hälften. Durch eine Entkoppelung der Helmhälften kommt es bei einem schrägen Aufprall zu einer Verschiebung der beiden Hüllen gegeneinander und somit zu einer (teilweisen) Absorption jener Kräfte, die sonst auf den Kopf oder das Gehirn wirken würden. Augenscheinlich wird diese Funktionsweise auch, wenn man am Helm einfach die beiden Teile gegeneinander bewegt - die Verschiebung der beiden Hälften ist klar ersichtlich und spürbar.
Die Kehrseite der Medaille - sofern zusätzlicher Schutz auch einen Nachteil haben kann: Das System schlägt mit einem Mehrgewicht von gut 50 Gramm zu Buche - verkraftbar in meinen Augen. Zweitens will die zusätzliche Sicherheit auch bezahlt werden. Auch wenn die Preisunterschiede zwischen MIPS und Nicht-MIPS nicht mehr so drastisch sind wie zur Einführung des Systems, man wird ein bisschen tiefer in die Tasche greifen müssen.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass MIPS keiner Marke oder Firma zugehörig ist - die schwedische Herkunft wurde und wird oft mit POC in Verbindung gebracht, allerdings besteht hier kein Zusammenhang. Eher im Gegenteil, setzt POC doch seit 2019 nicht mehr auf MIPS sondern hat mit der „SPIN“-Technologie ein ähnliches Konzept im Einsatz (das allerdings auf strategisch platzierte Polster setzt anstelle von schwimmend gelagerten Helmschalen).
Passform
Die Anpassung an den eigenen Kopf - so groß, klein, rund oder eckig er auch sein mag - sollte heutzutage keinen Helmhersteller mehr vor allzu große Herausforderungen stellen. Grundsätzlich die richtige Größe zu kaufen, sollte eine Frage des Hausverstands sein. Vorheriges Probieren und Vergleichen von Modellen und Größen sprechen im Fall von Helmen klar für eine Beratung und einen Kauf im Geschäft und nicht online. Gerade auch bei Helmen mit der MIPS-Technologie - wo es doch auch darum geht, dass Kräfte am und rund um den Kopf möglichst gut abgebaut werden sollen - ist die richtige Größe und Passform noch einmal wichtiger als bei einem Helm ohne diese Technologie.
Die Einstellmöglichkeiten bewegen sich beim Giro Aether im üblichen Ausmaß. Am Hinterkopf findet man ein gut verarbeitetes und haptisch ansprechendes Drehrad, mit dem der Umfang des Innenlebens des Helms an den Kopf angepasst wird. Die Einstellung verläuft dabei sehr fein und in kleinen Stufen. Das Innenleben kann herausgenommen, adaptiert, ausgetauscht und gewaschen werden, auch der Kinnriemen lässt sich in unterschiedlichen Varianten einstellen. Aus für mich unerfindlichen Gründen verzichten manche Hersteller (mittlerweile wieder?) auf eine Verstellbarkeit der Riemen unter den Ohren, also die Möglichkeit, das Dreieck um die Ohren zu vergrößern oder zu verkleinern. Beim Aether ist glücklicherweise auch das einfach möglich. Genau so filigran und leicht, wie der Helm aussieht, so fühlt er sich auch an, wenn man ihn erst einmal richtig an den eigenen Kopf angepasst hat.
Belüftung
Nach dem oben Gesagten sollte schon klar sein, wie es mit der Belüftung aussieht. Große Abstände zwischen Längsstreben und viel Platz unter den Querstreben sorgen dafür, dass der Fahrtwind hervorragend zum Kopf gelangt und damit auch für erstklassige Belüftung gesorgt sein sollte. Ehrlicherweise sei an dieser Stelle gesagt, dass ich während meiner Testfahrten in den letzten Monaten eher danach getrachtet habe, alle möglichen Öffnungen zu verschließen, um die kalte Winterluft möglichst von meinem Kopf fernzuhalten - aber die Bauform lässt mich sehr zuversichtlich auf den nächsten Sommer warten.
Mögliche Nachteile der großen Freiflächen betreffen auf der einen Seite natürlich Wettereinflüsse - jene, die ihr Haar gerne sehr, sehr, sehr kurz tragen, sollten für ausreichend Sonnenschutz oder eine adäquate Kopfbedeckung unter dem Helm sorgen. Ein anderes Thema sind Insekten und anderes Flugvieh, das sich schon mal unter den Helm verirren kann - hier sind meine Befürchtungen allerdings verschwindend gering. Aufgrund der schieren Größe der Öffnungen wird jedes Insekt im Nu wieder aus dem Helmbereich geweht und wird sich daher nicht lange dort aufhalten. Wie ich allerdings beim Arlberg Giro 2018 leicht panisch feststellen musste, finden Insekten ohnehin immer einen Weg, wenn sie wirklich wollen ;)
Fazit
Auf den eigentlichen Test - nämlich den Sturz - verzichten wir also. Umso mehr erfreuen wir uns an der neuen Version des Technologieträgers Aether aus dem Hause Giro. Was für die Profis im Peloton gut genug ist, wird auch für die Feierabend-Runde entlang der Donau ausreichen (vermute ich…). Im Sommer freue ich mich auf die gute Belüftung, der Helm sieht sehr schick aus und die paar Gramm Mehrgewicht des MIPS-Systems bin ich gerne bereit, „mitzuschleppen“. Schließlich sollen auf 169k ja noch längere Zeit Blogbeiträge und Fotos erscheinen!
Wie oben erwähnt, sei jeder und jedem ein Besuch des Radgeschäfts ihres/seines Vertrauens nahegelegt - Helmkauf sollte meines Erachtens nach vor Ort erfolgen. Mein Helm hat mit freundlicher Unterstützung von Pbike und Grofa Action Sports zu mir gefunden. Wer nicht die volle Breitseite von 250-350 Euro für eine MIPS-Version oder das Top-Modell Aether ausgeben möchte, findet im Sortiment von Giro ausreichend Möglichkeiten und Varianten, auch der bewährte Synthe ist nach wie vor erhältlich.
Fotos: Martin Granadia, Nora Turner, Aurel Stehmann