Lesetipps - Covadonga

Mittlerweile liegen so viele spannende und schöne (Rad)Bücher bei mir zuhause, dass es nicht mehr ausreicht, nur den traditionellen vor-weihnachtlichen Ex Libris-Blogbeitrag zu schreiben. Hier also eine kleine Auswahl von neuen und nicht mehr ganz so neuen Büchern - diesmal aus dem Covadonga Verlag.

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Der Radfahrer und sein Schatten - Olivier Haralambon

Ein ruhiges, entschleunigtes und philosophisches Buch legt der Franzose Olivier Haralambon vor. In vierzehn Kapitel arbeitet er sich durch das Dasein als Radfahrer, die Wahrnehmung während des Fahrens, die Intensität von Rennen und die Dynamik des Pelotons. Auch wenn manchen Stellen des Textes schon fast etwas zu viel Pathos anhaftet, die Sprache des Autors beruhigt und führt gemächlich durch die Welt des Radfahrens und des Radsports. Dinge, über die man sich wahrscheinlich noch nie so richtig Gedanken gemacht hat, werden hier zum ersten Mal formuliert. Früher oder später findet sich jede*r in diesem Buch wieder - egal ob es die ersten Tritte in die Pedale als Kind sind, das erste Rennen, das man - wenn auch nur für ganz kurze Zeit - an der Spitze des Pelotons anführt oder die Erhabenheit der Fortbewegung auf dem Rad als solche.

Das Rad schmiegt sich dem unnützen Körper an, baut ihn auf und gibt ihm eine Bestimmung. Allein die Tatsache, aufs Rad zu steigen, erhöht augenblicklich den unbedeutenden Fußgänger, erleuchtet verwachsene Körper, die sich als lebende Kathedralen errichten, wodurch auch kleine unscheinbare, in ihrer Straßenkluft unbeholfen wirkende Männer plötzlich alles um sich überragen. Die Haltung des Radfahrers entkleidet und offenbart ihn. Ob der Champion sein Dress trägt oder nicht, nackt ist er immer.

Wer also herausfinden möchte, warum stark zu sein und schnell zu fahren zwei grundverschiedene Dinge sind, wie vermeintliche "Rohlinge in Wahrheit empfindsam sind wie Tänzerinnen" oder ein Rad nicht erwählt wird, sondern sich ganz natürlich aufdrängt, dem seien die vierzehn Kapiteln nahegelegt. Es ist ein willkommener Kontrapunkt zu Leselisten und Bücherregalen, die vollgestopft sind mit Watt, Pulsschlägen und Ernährungsstrategien.

Olivier Haralambon - "Der Rennradfahrer und sein Schatten", Eine kleine Philosophie des Straßenradsports. 166 Seiten - EUR 16,80 - Covadonga Verlag

Velominati - Die Regeln

Seit vielen Jahren schon schwirren sie durch den Äther der Radsportwelt - "The Rules". Du sollst nicht..., du darfst nicht…, 10 Gebote? Nein, 95 Regeln sollte der Radfahrer kennen. Ob er immer alle befolgt, ist eine andere Geschichte. Ein Augenzwinkern hie und da und eine gewisse Portion Selbstironie sind wohl auch angebracht, wenn man sich durch den Codex der Velominati durcharbeitet. Wer frei von Schuld sei, werfe den ersten Stein. Das Rad schon mal auf den Kopf gestellt? Die Beine nicht rasiert? Den "Local Bike Shop" hintergangen? Ja, ja und ja. Außerdem sind meine Brillenbügel immer über den Helmriemen (und nicht darunter - Regel #37), ich fahre bei Rennen mit, ohne jegliche Chance zu gewinnen (verstößt gegen #70) und bei mir kommt die Familie dann meistens doch vor dem Radfahren (und nicht danach, wie das Regel #11 postuliert).

Aber eigentlich ist es egal, ob es um das Rad geht, die Ästhetik oder das Leiden (so die Einteilung der Kapitel) - es ist gut, sich zurechtzufinden und die Regeln zu kennen. Neben einigen Regeln, die tatsächlich nur mit Augenzwinkern zu lesen sind, findet man doch auch viele nützliche und wertvolle Hinweise. Ob man dadurch sein Verhalten ändert oder nicht, Dinge vielleicht anders angeht als sonst oder einfach nur die Mitfahrer*innen und Vereinskolleg*innen besser versteht, ist natürlich freigestellt. Und dann gibt es da natürlich jene Regeln, die mittlerweile in allgemeines Kultur- und Sprachgut übergegangen sind: die berühmte N+1 Regel für die ideale Anzahl an Rädern, die vielzitierte Regel #5: Harden the f*** up! oder auch Greg Lemonds Ausspruch "Es wird nicht einfacher, du wirst nur schneller" (#10).

Was den Mehrwert des Buches ausmacht, sind die Erklärungen und Hintergrundinformationen zu den einzelnen Regeln. Hier wird auf mehreren Seiten ausgeführt, wie manche Dinge historisch gewachsen sind, wie der Radsport früherer Jahre bis heute sein Erbe verteidigt oder aber warum es einfach keinen Sinn macht, weiße Radhosen zu tragen.

Das Buch ist also als Enzyklopädie zu sehen, voll mit Informationen und Tipps, die das Leben am Rad entweder schöner oder schneller, sicher aber unterhaltsamer machen. Und auch wer nicht selbst am Rad sitzt, wird in diesem Buch viele wertvolle Erkenntnisse finden - und manche Verhaltensweisen von Freund*innen und Partner*innen erscheinen dann vielleicht nicht mehr ganz so skurril.

Velominati - "Die Regeln", 312 Seiten - EUR 14,80 - Covadonga Verlag

Walter Jungwirth - Tausend Kilometer Süden

Die Mille du Sud ist ein mythenbehaftetes Brevet in den französischen Alpen. Insider haben schon von der Prüfung gehört, die hier auf trainierte Radlerbeine wartet. Auf - wie der Name schon sagt - tausend Kilometern werden hier berühmte Berge unter die Räder genommen, es ist eine Fernfahrt - kein Rennen, Selbstversorgung ist das Gebot der Stunde. Außerdem sind alle Teilnehmer gleich - es gibt ein Limit von 100 Stunden für den Randonneur, die Strecke zu bewältigen, darüberhinaus gibt es aber keine Zeitnehmung, keine Wertung und keine Ergebnisse.

Der Autor arbeitet sich in dem Buch über die Strecke der Mille du Sud - intensive Erlebnisse, Freundschaften, stille Momente und - unvermeidlich - Leiden säumen seinen Weg. Es ist kein klassischer Rennbericht, der hier abgefasst wurde. Es sind vielmehr Momentaufnahmen, Beobachtungen und Eindrücke des Fahrers, die sich zu einem spannenden und nicht zuletzt auch romantischen Gesamtbild zusammenfügen. Als Leser ist man als Passagier dabei, sitzt quasi am Gepäckträger des Autors - man passt sich an den Takt des Radfahrens an, lebt mit dem Fahrer mit, fühlt sich, wie wenn man selbst dabei wäre.

Auch die Einblicke in die Strapazen, die Motivation des Autors und sein Weg zum Radfahren und zur Mille du Sud sind absolut lesenswert, bieten die Möglichkeit, über die eigenen Motive zu reflektieren, machen am Ende aber einfach Lust darauf, selbst in die Pedale zu treten. Es müssen ja nicht gleich 1.000 Kilometer und 16.000 Höhenmeter durch den südlichen Alpenbogen sein...

Walter Jungwirth - "Tausend Kilometer Süden - Eine Erzählung vom Radfahren in den Bergen", 160 Seiten - EUR 14,80 - Covadonga Verlag