VeloRun 2019

Die Sonne steht schon früh am Himmel aber knackige 10 Grad verheißen ein baldiges Ende des (Spät)-Sommers. Die Teilnehmer*innen des Velorun, die sich am Ortsende von Baden und gleichzeitig am Beginn des Helenentals an der Startlinie versammelt haben, sind jedenfalls auf unterschiedliche Weise gegen die morgendliche Kälte gewappnet – so wie auch im Alltag erkennt man die Kälteresistenz (oder vielerorts nicht vorhandenes, kuschelig wärmendes Körperfett) an der Menge der Lagen, der Dicke der Westen, an Kopfbedeckungen und teilweise sogar Handschuhen. Oder man nimmt – so wie ich – noch möglichst viel Bettwärme mit zur Startlinie, entledigt sich kurz vor dem Startschuss schnell des Gilets und hofft – in kurz-kurz – auf schleunig steigende Temperaturen.

Vor wenigen Jahren hätte ich das mit der Bettwärme noch besser hinbekommen, habe ich damals doch in Baden gewohnt. Ich habe am Rande des Wienerwalds meine Kindheit und Jugend verbracht, bin (später) viele Male mit dem Rennrad in den nahen Wäldern unterwegs gewesen und sehe daher den Velorun trotz mittlerweile Wohnsitz in Wien als Heimrennen an. Die Straßen, die der Velorun befährt sind mir gut bekannt, allerdings durchwegs in einem gemütlicheren Tempo und meistens in anderer Konstellation – die Kombinationsmöglichkeiten sind im Wienerwald schier endlos. Auf der anderen Seite habe ich schon damals versucht, das Helenental und den dort doch recht regen Verkehr möglichst zu meiden. Nur wenige wissen, dass die Bundesstraße ins Helenental ursprünglich als Autobahn A21 konzipiert bzw. im Gespräch war. Die zuerst vier- dann zweispurige Umfahrung von Baden zeugt noch heute von der beginnenden Realisierung dieses Plans. Widerstände im Bereich des Stifts Heiligenkreuz haben das Projekt damals übrigens endgültig zu Fall gebracht. Lange Rede, kurzer Sinn: Auch wenn das Helenental keine Autobahn geworden ist, die Bundesstraße erinnert doch noch manchmal daran, wenn große Mengen Autofahrer, Busse und NÖM-LKWs auf den engen Straßen unterwegs sind und Radfahrer*innen wie leider üblich versuchen müssen, auf den Restflächen zu überleben. Während des Veloruns ist das Helenental bis Mayerling gesperrt! – ein riesiger Pluspunkt für die Veranstaltung, der die ohnehin immer stressigen und unfallträchtigen Kilometer eines Radrennens zumindest vom Faktor Straßenverkehr befreit. Der Veranstalter hat außerdem dazugelernt und auf eine Teilung der Fahrbahn für die darauffolgenden Läufer (mittels Verkehrshütchen) verzichtet.

„Laufen“ ist ein wichtiges Stichwort, wenn es um den Velorun geht, steckt der Begriff doch schon im Namen der Veranstaltung. Es hat auch einiges an Erklärungsarbeit gebraucht, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es sich beim Velorun nicht um einen Duathlon handelt, sondern um einen vielseitigen Strauß an Wettbewerben. Diese zeitlich, räumlich und organisatorisch unter einen Hut zu bringen, gelingt den Veranstaltern seit der ersten Austragung hervorragend. Auch wenn die Berührungspunkte zwischen Radler- und Läufer*innen nicht die größten sein mögen, es versammeln sich am Start unzählige Sportler*innen, denen die Freude an der Bewegung und dem Wettkampf gemein ist, die Veranstaltung genießen und eine gute Zeit verbringen wollen. Im Zeitplan schaut es stressig aus, in der Realität verläuft alles ganz geschmeidig: Um 8:30 starten die Radler*innen des Marathons über 85 Kilometer, um 8:35 die Teilnehmer*innen des gemütlicheren Radausflugs, weitere fünf Minuten später die Läuferinnen und Läufer über 10 Kilometer sowie jene des Halbmarathons. Die Konzentration mehrerer Bewerbe und Sportarten auf engem Raum schafft einen tolle Atmosphäre, die Zuschauer feuern natürlich alle Bewerbe an, ganz zu schweigen von Vorteilen in der Logistik!

Mein Rennen ist trotz Streckenkenntnissen eine Premiere, bin ich doch zum ersten Mal im flotteren Tempo auf der Strecke unterwegs. Den Velorun habe ich zwar in meiner Liste von absolvierten Rennen stehen, allerdings war es die Premierenaustragung auf der damals noch kürzeren Strecke über knapp 40 Kilometer. Im Jahr danach war ich verkühlt und konnte nur als Fotograf und Zaungast dabei sein, im letzten Jahr dann eine Terminkollision mit dem King of the Lake.

Schon vor dem Rennen die schwierige Frage nach der Zielzeit, die Startblöcke sind nach Zielzeiten unter bzw. über 2:30 getrennt. Es fällt mir schwer, eine realistische Zielzeit abzuschätzen, obwohl ich das Terrain ganz gut kenne. Der Fitnesslevel und – gerade am Anfang der Strecke im Helenental – das Fahren im Pulk machen eine Hochrechnung schwierig. Ich entscheide mich für das ambitioniertere Ziel „unter 2:30“, die Aussicht auf eine flotte Gruppe aus dem ersten Block auf den ersten flachen Kilometern bis Klausen-Leopoldsdorf klingt zu verlockend.

Die Nähe zu Wien und die schönen Eckdaten des Rennens sind außerdem ein Garant, dass man in Baden alle möglichen Freunde, Kollegen und (wer solche hat) auch Konkurrenten trifft. Die einen nützen das, um die tolle und familiäre Stimmung zu genießen, andere können sich endlich schwarz auf weiß mit anderen messen. Am Start treffe ich daher wenig überraschend viel bekannte Gesichter – so in einen Radmarathon zu starten, macht mich grundsätzlich froh, ab da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Na gut, auch die Aussicht auf ein Mittagessen bei meiner Mutter in Baden nach dem Rennen hilft. ;)

Nach dem Startschuss geht es für wenige Kilometer neutralisiert aus Baden hinaus, wie üblich merkt man ohnehin recht wenig von der Neutralisation – Tempo 45 und Hektik gehören halt zu einem Radrennen dazu. Der Urtelstein – ein kurzer Tunnel oder Durchbruch nach der Ortstafel von Baden – markiert den Beginn des Rennens und die Einfahrt ins für den Verkehr gesperrte Helenental. Wo früher Kurgäste ihre Spaziergänge absolvierten, surren nun Fahrradketten und pfeifen Hochprofilfelgen die Schwechat entlang. Unterbrochen bzw. getrübt wird diese Harmonie nur von aufwimmernden Bremsgeräuschen, jedes Mal wenn vorne im Pulk einer ausschert, es knapp hergeht oder – leider – dann doch einmal jemand zu Sturz kommt. Jeder kennt das Lied vom „Kleinen Wegerl im Helenental“, dieses ist dem Liedtext zufolge „für alte Ehepaare viel zu schmal“ – die Straße im Helenental wird offenbar trotz Totalsperre für manche Radler zu schmal. Es ist immer einfach, in solchen Situationen zu schimpfen - man hört dann Dinge wie „es geht doch um nichts“, „reißts euch zam“ und „sowas unnötiges“. Ich verstehe das natürlich und auch ich ärgere mich, wenn ich in riskante Bremsmanöver gezwungen werde oder nur knapp einer brenzligen Situation entgehen kann und wenn jemand so eine Situation bewusst oder grob fahrlässig herbeiführt, dann regt mich das auch gehörig auf. Auf der anderen Seite bemerke ich aber auch, dass derartige Situationen sehr schnell entstehen können und – wie es mir später im Rennen dann noch selbst widerfahren soll – wird man auch schnell einmal zum potentiellen Auslöser. Das soll jetzt weder dramatisieren noch relativieren sondern nur bedeuten, dass ein gegenseitiges Aufpassen eminent wichtig ist, auf allen Seiten, immer!

Es geht flott durch Sattelbach und Mayerling, wo ein besonders geschickt abgestelltes Polizeiauto nicht nur den Gegenverkehr aufhält sondern auch das Feld zur quasi Vollbremsung zwingt. Durch Alland geht es flott, bis Klausen-Leopoldsdorf noch so gut wie flach, auch wenn man bis dahin – eigentlich ohne es zu merken – schon gut 150 Höhenmeter gesammelt hat. Ab Klausen-Leopoldsdorf beginnt es langsam anzusteigen Richtung Forsthof, wobei die Steigung stetig zunimmt, „es schmiert“, wie man so schön sagt – aus 2 Prozent werden 3, dann 5 und kurz vor Forsthof dann noch ein wenig mehr. In solchen Abschnitten ist es ganz praktisch, kurz die Streckenbeschaffenheit mit der derzeitigen Fitness auf Übereinstimmung zu kontrollieren und dann – und das ist der wesentliche Punkt! – zu urteilen, ob man mit einer flotten Gruppe weiterfahren (und sich eventuell schon frühzeitig vernichten) soll oder doch lieber sein eigenes Tempo wählt. Auch wenn die Anstiege des Velorun nicht die längsten und steilsten sind, sie sind da und dort schon etwas gemein und summieren sich über den Verlauf des Rennens zu einem Gesamtpaket, das man nicht unterschätzen sollte.

Hinter Forsthof geht es hinunter nach Brand-Laaben, von dort wieder „schmierend“ bergauf Richtung Klammhöhe. Vor zwei Monaten war ich genau dort mit der Österreich Rundfahrt unterwegs und den Profis ging es – auf einem völlig anderen Niveau natürlich – genauso. Wer mit einer zu schnellen Gruppe unterwegs war und über seine Verhältnisse fuhr, wurde recht rasch entsprechend bestraft. Die Abfahrt von Klammhöhe hinunter Richtung Triestingtal habe ich in bester Erinnerung, eine kurvige, wellige, geschmeiduge Abfahrt, in der man auch schon Mal in einen Flow kommen kann. Unterbrochen wird dieser Glückszustand von einem gemeinen Stich nach Sankt Corona am Schöpfl - nach den wenigen aber gemein steilen Metern bietet sich normalerweise eine kurze Kaffeepause beim Seniorenheim St. Corona an, aber nicht heute. Es geht flott bergab Richtung Altenmarkt, ein paar hundert Meter auf der Bundesstraße entlang der Triesting und dann hinauf zur Wallfahrtskirche Hafnerberg. Bis dahin kann ich in einer kompakten und flotten Gruppe mitfahren, am Anfang des Hafnerbergs fährt plötzlich Rene Haselbacher neben mir, es ist sein Geburtstag! Der Geburtstag ist für einige Momente wichtiger als das Rennen, man muss immerhin Prioritäten setzen! Den Hafnerberg hinauf – mit seiner schönen Kehre in der Mitte des Anstiegs – fahren wir gemeinsam, Leo Hillinger gesellt sich zu uns, kurz fühlt es sich eher nach einem Coffee Ride an. Aber die beiden sind Vollprofis, beide legen den Turbo ein und wir fliegen geradezu Richtung Neuhaus. Man kann von Leo Hillinger denken was man will, mit seiner ihm eigenen Art mag er da oder dort polarisieren. Was allerdings außer Frage steht, ist, dass dieser Mann am Rad eine Maschine ist! Mit 55 km/h fährt Leo vor mir in der Ebene bzw. leicht bergauf einen dicken Gang, ich kann mit Müh’ und Not im Windschatten mitfahren, die vorhin „vertrödelten“ Minuten holen wir auf diese Weise aber schnell wieder auf.

Der letzte Anstieg ist meiner Meinung nach der gemeinste. Von Neuhaus nach Schwarzensee geht es auf gut einem Kilometer mit 10 Prozent bergan, nach 60 Kilometern spürt man jedes Prozent doppelt. Oben angekommen heißt es noch, einige verwinkelte Kurven in der Abfahrt zu meistern und danach flach durchs Helenental wieder Richtung Baden zu radeln. Als wir zu einer der gefinkelten Kurven kommen, liegen dort bereits mehrere Fahrer am Boden, es ist in der Sekunde nicht ganz klar, ob das gerade erst passiert, jemand verletzt und gegebenenfalls die Rettungskette schon in Gang gesetzt worden ist. Wir bremsen ab, auf den ersten Blick schaut es danach aus, als wären die Gestürzten zumindest nicht schwerer verletzt und – am wichtigsten – es stehen schon Helfer an der Seite. Im Nachgang und auf Strava findet man später Gerüchte über ein gebrochenes Schlüsselbein. Leo Hillinger dürfte kurz stehengeblieben sein, offenbar hat er während dieser Momente aber genug Kraft getankt, um nun im Alleingang unsere Gruppe wieder nach Baden zurückzuziehen. Der Schnitt ist wieder hoch, das Rollen etwas weiter hinten in der Gruppe vergleichsweise entspannt. Noch einmal durch den Urtelstein – diesmal von der anderen Seite – und nach 85 Kilometern und 1.100 Höhenmetern geht es über die Ziellinie des Velorun 2019.

Mit meiner Zeit von 2:31 bin ich zufrieden, auch wenn ich den angestrebten 169. Platz (so wie bei jedem Rennen übrigens) nicht erreichen konnte. Im Ziel trifft man sich ohnehin wieder - alle die vor einem gestartet sind, alle die man auf der Strecke getroffen hat und all jene, die etwas später über die Linie rollen. Gut versorgt mit Speis und Trank und bei mittlerweile sommerlichen Temperaturen kann man gemeinsam über das Erlebte sinnieren, Manöverkritiken besprechen und Pläne für die kommenden Monate oder die nächste Velorun-Austragung schmieden.

Die Organisation des Velorun verdient in meinen Augen volles Lob, die Absicherung der Strecke gelingt sehr gut, das Konzept der unterschiedlichen Bewerbe geht auf und „stört“ die einzelnen Disziplinen in keinster Weise. Alles Gute zum Geburtstag, Rene! Alles Gute zur gelungenen Durchführung des Velorun 2019 an das Organisationsteam! Ich freue mich auf die kommenden Austragungen – nächstes Jahr dann unter 2:30 ;)

Strava: https://www.strava.com/activities/2710089514

Alle Fotos: Sportshot.de

Fotos // VICC Race Day #5

Race Around Austria 2019

Es war die 11. Ausgabe des Race Around Austria und meine dritte. Nachdem ich 2017 und 2018 - mit meinen Kameras ausgestattet – durch die Lande gerast bin, mit der Livetracking-Seite auf dem Telefon geöffnet, immer Ausschau haltend nach den Fahrerinnen und Fahrern, idealerweise auch noch an einer fototechnisch günstigen Stelle, hätte 2019 mein erstes Mal im Sattel werden sollen. Schon bei meinem Erstkontakt mit dem RAA bin ich dem Reiz des „Weitradlfoarns“ (wie Christoph Strasser es so schön nennt) erlegen und wollte seitdem immer selber in die Pedale treten. Die Strapazen, Anstrengungen und Entbehrungen, die man auch als Fotograf beim RAA mitbekommt und an vielen Gesichtern leicht ablesen kann vermengen sich zu einem Amalgam, das wohl nur leibhaftig „erfahren“ werden kann, so wie auch der Jubel und die Freudenmomente jener, die mitten durch das Attergauer Marktfest nach langer Fahrt wieder zurück zur Start- und Zielbühne rollen. Die Leistungen der Finisher*innen kann man bewundern, man kann sich mit ihnen freuen – was es aber wirklich bedeutet, nach 560, 1.500 oder gar 2.200 Kilometern wieder am Startort anzukommen, bleibt nur jenen vorbehalten, die sich tatsächlich auf die Reise machen.

Genau das wollte ich machen, erfahren und spüren. Allerdings war meine Vorbereitung, die ich in klassischer 169k-Manier etwas zu sehr auf die leichte Schulter genommen hatte, von Beginn an zu wenig ambitioniert, meine Konsequenz nicht ausgeprägt genug, die zeitlichen Ressourcen nicht ausreichend. Beim Super Giro Dolomiti im Juni dann der Weckruf, dass mit der bisherigen „Vorbereitung“ wohl kein Rennen zu gewinnen sein wird – der Rücken tat nach wenigen Stunden weh, die Beine waren schwer. Ohne Gram musste ich anerkennen, dass im Vorfeld für eine Herausforderung wie die Race Around Austria Challenge mehr Anstrengung und Training stehen muss, als ich mir bis dahin vorgestellt hatte. Zusätzlich fiel mir noch ein Satz aus Christoph Strassers Buch ein, der sinngemäß aussagt, dass viele Leute ihre (vermeintliche) mentale Stärke als Ausrede verwenden, um über körperliche Defizite (zu wenig Training, zu wenig KM, …) hinwegzutäuschen. Ein Umstand, mit dem man sich im Endeffekt keinen Gefallen tut. Während der Österreich Rundfahrt im Juli konnte ich Christoph noch einmal persönlich zu diesem Satz befragen und sein kurzes Nicken hat bei mir innerlich einen kleinen Schalter umgelegt, mit dem ich meine Pläne für die Challenge 2019 mehr oder weniger ad acta gelegt habe. Diese kleine „Bestätigung“ von außen habe ich offenbar gebraucht, um Sicherheit über meine bereits länger gewälzten Gedanken zu gewinnen. (Nicht falsch verstehen! Christoph hat mir das RAA nicht ausgeredet und ich habe auch keinen externen „Schuldigen“ gesucht oder gebraucht, aber mit jemandem darüber zu reden, war jedenfalls sehr hilfreich.) Und so packe ich Anfang August meine Koffer und Taschen und fahre statt auf Trainingsrunden lieber noch mit der Familie auf Urlaub, statt Ausdauernahrung ist Reiseproviant im Gepäck, die Tasche mit den Rad-Ersatzteilen weicht dem Fotorucksack – und das ist gut so. Es ist die Rolle, die ich bereits seit zwei Jahren kenne, in der ich mich wohlfühle und die mir beim Race Around Austria bis jetzt schon immer tolle Momente gebracht hat - #wecreateemotion eben.

12. August und die ersten Starterinnen und Starter rollen von der Rampe im Zentrum von Sankt Georgen. An den Eckdaten des Rennens hat sich nichts Grundlegendes geändert: Die Race Around Austria Challenge führt über eine Distanz von 560 Kilometern einmal rund um Oberösterreich und stellt so etwas wie den Einstieg ins Ultracycling dar, benötigt man für diese Strecke doch ungefähr 24 Stunden. Die beiden größeren Runden spannen hingegen den Bogen weiter – auf 2.200 Kilometern umrundet man Österreich in seiner vollen Pracht, auf der etwas kürzeren 1.500 Kilometer-Runde „erspart“ man sich den (angeblich etwas bergigen) Westteil der Strecke über Gerlos, Kühtai, Silvretta, Hochtannberg und Fernpass. An den Startzeiten und –blöcken hat das OK-Team des Rennens etwas geschraubt, sodass alle Teilnehmer möglichst rund um das Marktfest in Sankt Georgen von Samstag auf Sonntag ankommen. Es ist dieses Marktfest, das neben einigen anderen Aspekten, die Einzigartigkeit dieses Rennens ausmacht und stellvertretend für die tolle Stimmung steht, die den Fahrerinnen und Fahrer dabei hilft, die scheinbar unglaubliche Zahl an Kilometern abzuspulen. Während beim größten und wichtigsten Ultracycling-Rennen der Welt, dem Race Across America – außer den eigenen Betreuern und ein paar wahrlich eingefleischten Fans so gut wie niemand bei Start und Ziel vorzufinden ist, tragen die ganze Gemeinde Sankt Georgen, das Umland, das Bundesland und auch einige Stationen entlang der weiten Strecke rund um Österreich das Rennen voll und ganz mit, unterstützen die Organisation und helfen auf diese Weise mit, das Rennen für alle Beteiligten zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen. Man merkt meine Liebe zu diesem Rennen, und dabei bin ich es noch nicht einmal gefahren… ;)

An dieser Stelle möchte ich auch schon aufhören zu schwadronieren und lieber die Bilder der diesjährigen Austragung des Race Around Austria sprechen lassen!

Am Start

Unterwegs auf der Strecke

Im Ziel

Wachauer Radtage – Wiesbauer Vintage Tour

„Vintage Steel“

Es gibt diese eine spezielle mathematische Formel, die mich nun seit Jahren begleitet „n+1“, ab und zu gleichbedeutend mit der Belastung des Bankkontos und unweigerlich auch irgendwann mit dem Platz daheim. Erst kürzlich hat Martin im Blog über dieses Phänomen berichtet und die Qual der Wahl das passende Rad zum richtigen Untergrund zu finden. Zusätzlich stellt sich dann natürlich auch die Frage nach dem Rahmenmaterial. Hier hat sich zwar heutzutage mehrheitlich Carbon durchgesetzt, doch traditionell sticht natürlich Stahl hervor. Und so war selbstverständlich auch mein Wunsch seit einiger Zeit nach Aluminium am Gravel/Crosser und Carbon am Rennrad – gut seit dem Frühjahr auch Titan am künftigen Brevet Renner – noch ein Stahlrennrad mein Eigen zu nennen. Willhaben Suchagent war schon länger aktiv, aber so richtig war das „leistbare“ Wunschmodell noch nicht dabei. 

Aber bevor ich noch weiter abschweife, n+1 wurde als Argument letztlich 2x genutzt und nach einem Francesco Moser aus 1978 im renovierungsbedürftigen Zustand, folgte im Juni aus 1. Besitz ebenfalls eine italienische Schönheit aus dem Hause Moser: ein Aero Cromovelato Modell mit dem markanten aufgebrannten Rauchlack aus dem Jahre 1981, stolze 5 Jahre älter als der glückliche neue Besitzer . Der Erhaltungszustand wunderbar und der Vorbau trägt (noch) den eingravierten Namen des Erstbesitzers, quasi ein Rad mit Stammbaum und Charakter. Warum aber Aero? Die Columbus Rohre sind nicht typisch rund sondern leicht oval, sowie die Schalthebel am Unterrohr und nicht seitlich montiert. Ebenso erlauben es die Campagnolo Bremshebeln, die Züge bereits innenliegend und nicht freiliegend zu führen – eher untypisch die Optik ohne die abstehenden Bowdenzüge, aber ein schönes besonderes Detail und ein weiteres kleines Alleinstellungsmerkmal. Geschalten wird über die Campagnolo Super Record Schalthebel – ausgefräst als Gewichtsersparnis versteht sich - am Unterrohr und Werfer, welche vorne eine Kurbel mit 53/42 Zähnen und hinten 6 Gänge zwischen 13/23 ansteuert. Und damit dieses wunderschöne Rad wieder auf die Straße findet, gibt es mittlerweile zahlreiche Veranstaltungen, welche diese traditionellen Rennräder hochleben lassen und diesen schönen Schätzen aus vergangenen Tagen wieder eine Bühne bieten. Somit rein ins Wolltrikot, Sturzriemen auf und los geht’s! 

Die Vorfreude auf die Wachauer Radtage und die Austragung der Wiesbauer Vintage Tour war sehr groß. Die Ausfahrt am Samstag den 13. Juli richtete sich an alle Rennrad Klassiker Fans, knapp über 100 Starter sind dem Ruf erlegen und versammelten sich kurz vor 13:30 in der Römerhalle in Mautern. Die Wetteraussichten waren bis vor dem Start nicht wirklich ermutigend und haben wohl in den Tagen davor den ein oder anderen Starter abgeschreckt. Letztlich ist die Befürchtung des sich abzeichnenden Dauerregens ausgeblieben und wir konnten trocken starten. Die Strecke führte danach über eine neutralisierte Phase von Mautern nach Krems, um die schönen Schätze auch einem größeren Publikum vorzuführen und die Pflastersteine in der Altstadt zu erproben. Danach ging es wieder zurück über die Donaubrücke und mich beschäftigte zu diesem Zeitpunkt schon die Sitzposition und speziell der Sattel. Mit kurzem Blick zu meinem Schwiegervater nur mein knapper Kommentar: „Längere Zeit auf dem Sattel und es schaut schlecht aus mit einem 2. Enkelkind für dich.“ Hintern zusammenzwicken und weiter ging es bereits im flotteren Tempo und durch die Weinbauregion Richtung Kontrollstelle 1. Auch ohne Zeitnehmung - die Vintage Tour ist kein Rennen, sondern eine Gemeinschaftsausfahrt - gab es gleich eine Tempoverschärfung. Entweder aufgrund der unvorteilhaften Wettervorhersage, die Lust auf die ersten erfrischenden Getränke beim Kontrollpunkt oder vielleicht durch den Einsatz von Klickpedalen, die vereinzelt durch die technische Abnahme gerutscht sind. 

Spätestens mit dem Anstieg zum Wetterkreuz war dann klar, dass mit Aerorad und Heldenübersetzung einiges an Kraft aufzubringen ist und einzig der Wiegetritt den Vorteil brachte, dass das Sattelproblem kurz vergessen war.  

Nach dem 1. Kontrollpunkt und kurzer flüssiger Stärkung ging es durch die Weinberge und über gemischten Untergrund weiter. Besser als in der offiziellen Streckenbeschreibung, welche durch die österreichische Radsport Legende Bernhard Rassinger zusammengestellt wurde, könnte ich es selbst nicht zusammenfassten: „Über unberührte Güterwege und idyllische Schotterpassagen geht es zur gemeinsamen Rast nach Maria Ellend.“

Bei der Ankunft an Kontrollstelle 2 und vor der Stärkung war noch Zeit für ein Erinnerungsfoto mit dem 2-maligen Weltmeister Gianni Bugno. Kulinarisch gut versorgt mit Backhenderl und Schweinsbraten tritt es sich nun „erschwert“ durch den restlichen Teil der Strecke, mit besonders schöner Landschaft durch den Skulpturenweg in Paudorf und vorbei am Stift Göttweig. Ab und zu der Blick in Richtung Himmel gerichtet, die von Westen aufziehenden Wolken bedrohlich dunkel. So war der Stopp bei Kontrollstelle 3 nur ein kurzer und die Abfahrt bei leicht beginnendem Nieselregen vom Dunkelsteiner Wald über die L7110 Richtung Donau eine flottere. Die 80er Jahre Felgenbremsen jedoch gut dosierbar und die Abzweigung an der Donau Richtung Mautern schnell erreicht, so dass wir dem Regen davonfahren konnten und der Wolkenbruch erst folgte, als die köstlichen Marillenknödel im Zielbereich bereits verspeist waren.

Neben tollen Erinnerungen, Gesprächen, Fachsimpeln, Fotos und dem guten Essen bleibt das Startergeschenk in Form einer Vintage Tour Retro Radkappe und die Vorfreude auf die neuerliche Austragung im nächsten Jahr. Der 18. Juli 2020 ist im Kalender bereits markiert - dann vielleicht mit meinem restaurierten Stahlrenner aus 1978.

An dieser Stelle noch einen herzlichen Dank an die Veranstalter, 169k.net für den zur Verfügung gestellten Startplatz und Radsport Strobl für die Vor- und Nachbereitung an meinem Stahlrenner!

Tour de Franz

Im Schlepptau von René Haselbacher und seiner Marke RH77 finde ich mich plötzlich in Villach wieder. Die Tour de Franz steht auf dem Programm - eine Institution, die 2019 bereits in ihre 13. Auflage geht. Dass ich davon bis dato nicht allzu viel mitbekommen habe, liegt vielleicht daran, dass ich derartige Veranstaltungen sonst eher aus dem Fernsehen (um 19:57 auf ORF 2?) kenne. Wobei es dem Event allerdings sehr unrecht tun würde, das Ganze als „Seitenblicke“-Veranstaltung abzutun. Unglücklicherweise sind ja fast alle Initiativen, die sich mit dem Beiwort „Charity“ schmücken, schnell einmal in eine Ecke gestellt, stigmatisiert und teilweise nicht mehr ernstgenommen. Doch stellen wir das einmal richtig! (Außerdem geht es ja auch ums Radeln!)

7. August, 9:00, Atrio Villach. In der Lobby des Einkaufszentrums im Süden Villachs versammeln sich über 100 Radlerinnen und Radler. Auf den Stangen, die für das Abstellen der Räder vorbereitet sind, hängen S-Works, neben feinen Simplons, BMCs und ein paar spannenden Exoten. Dieser Rad-Showroom gepaart mit den rasierten und durchwegs sehr fit aussehenden Waden, die mich umgeben, lassen erste Befürchtungen an der Aufgabe hochkommen, die da heute vor uns steht. Irgendwo hat es geheißen „100 Kilometer und 1.000 Höhenmeter nehmen wir heute unter die Räder“. Lässt man die Blicke von den Waden etwas weiter nach oben schweifen, erspäht man das einheitliche Trikot von RH77, das jedes Jahr für die Tour de Franz neu designt und aufgelegt wird und im Startpaket enthalten ist.

150 Euro sind für die Teilnahme an der Ausfahrt zu berappen, klingt auf den ersten Blick nach viel, ist es auch. Angesichts des Trikot-Sets, der Verpflegung, den Goodie-Bags (Mehrzahl!) und dem illustren Mitfahrendenkreis relativiert sich der Betrag wieder etwas. Die meisten legen außerdem ohnehin noch etwas drauf - Stichwort Charity! Der Grund, warum sich - neben der gemeinsamen Liebe zum Radfahren - die Menschen hier versammeln, ist, gemeinsam zu helfen. Ski-Legende Franz Klammer höchstpersönlich ist Schirmherr der Veranstaltung und wählt gemeinsam mit den Organisatoren der Ausfahrt jedes Jahr Projekte aus, für die das gesammelte Geld gespendet wird. Zumeist sind das Familien bzw. Kinder aus Kärnten, die aufgrund persönlicher Umstände, Krankheiten oder Schicksalsschlägen, den einen oder anderen Euro im Haushaltsbudget ganz gut brauchen können.

So entdeckt man im Atrio in Villach - an der Startlinie quasi - einige bekannte Gesichter oder hört die eine oder andere prägnante Stimme aus dem Menschenbündel heraus. Franz Klammer begrüßt „seine“ Gäste, Armin Assinger erklärt mit Mikrofon in der Hand den Ablauf des Tages, Otto Retzer (Schauspieler und Regisseur) „führt Schmäh“, so wie man es von ihm erwarten würde. Außerdem gut vertreten die Welt des Wintersports - Matthias Mayer, Felix Gottwald, Peter Rungaldier, darüberhinaus noch Firmenverteter der Sponsoren (aus Rad- und sonstiger Welt) und - damit im Notfall auch jemand Windschatten geben kann – die beiden Rad-Profis Marco Haller und Gregor Mühlberger. Kurzweil und interessante Gespräche sind da garantiert.

Dass es auch um den gesellschaftlichen Teil gehen soll, merkt man am anfangs angeschlagenen Tempo. Hinaus aus Villach Richtung Arnoldstein geht es mit einem gemütlichen 21er-Schnitt, in einer Gruppe von über 100 Leuten muss hier nur noch sporadisch mitgetreten werden. Aber keine Sorge, am Ende war es ein 25er-Schnitt und auf den Schlussanstieg kommen wir ohnehin noch zu Sprechen. Aus Villach hinaus rollt also die große Gruppe erstmal gemütlich entlang der Gail durch Oberschütt, einen Schleichweg entlang der Autobahn Richtung Arnoldstein, am Rande der Karawanken durch Fürnitz und Finkenstein nach Faak am See. Nach einer Umrundnung des Faaker Sees finden wir uns auf der Strecke der Rad-WM 1987 wieder – wenn auch nur auf Teilen und gegen die damals gefahrene Richtung. Damals gewann Stephen Roche im strömenden Regen den Titel auf dieser knapp zwölf Kilometer langen Schleife zwischen Faaker See und Maria Gail.

Wir gehen es gemütlicher an als Roche und seine damaligen Konkurrenten Sean Kelly, Didi Thurau oder Jeannie Longo, die das Damenrennen für sich entscheiden konnte. Knapp 50 Kilometer sind abgespult, Zeit für eine Labe. Das Tempo ist in der Zwischenzeit flotter geworden, durch das Plaudern auf dem Rad wird das Fahren extrem kurzweilig, die Kilometer verfliegen, die Anstrengung tritt in den Hintergrund. So stellt man sich eine Gruppenausfahrt vor, ein Social Ride im eigentlichen Sinne. Nach ausgedehnter Pause mit Speis und Trank geht es zurück in den Sattel, wieder hinaus aus dem Großraum Villach – leider kann ich meine Kamera nicht schnell genug zücken, um eines der Highlights des (meines) Tages, nämlich das Ortsschild von „Tschinowitsch-Turdanitsch“ zu fotografieren.

Wieder auf der WM-Strecke von 1987 geht es über Kleinsattel Richtung Osten bevor die Gruppe nach Nord-Osten schwenkt und über die („stillgelegte“) Drauschleife, vorbei an der eindrucksvollen Burg Landskron und dem Ufer des Ossiachers Sees Richtung Drautal fährt. Das Best-Of der Region rund um Villach ist damit vollständig abgegrast, viel mehr kann man dort in einer einzelnen Runde nicht unterbringen. Als Abschluss hat man sich für dieses Jahr etwas Besonderes ausgedacht: Das Ende der Ausfahrt ist eine Bergankunft am Geburtsort Franz Klammers, in Mooswald. Dass bis dorthin noch 600 Höhenmeter auf knapp sechs Kilometer zurückzulegen sind, haben alle Teilnehmer*innen im Hinterkopf, seit der erste Pedaltritt diese Ausfahrt gestartet hat… Doch der Eindruck vom Morgen dieses Tages hat nicht getäuscht, die Mitfahrer*innen sind tatsächlich fit und so wälzt sich ein auseinandergezogenes, buntes Fahrerfeld über 17% steile Rampen hinauf, durch enge Kehren, über saftige Wiesen und hinauf zum Zielbogen vor Franz Klammers Geburtshaus, wo neben der rettenden Schlusslabe auch eine Blasmusikkapelle die Teilnehmer*innen in Empfang nimmt.

Am Ende des (sportlichen) Tages zeigt der Wahoo 118 Kilometer und 1.355 Höhenmeter an – ein solide Tour, die dank der großen Gruppe weitaus weniger anstrengend war, als wenn man diese Runde alleine in Angriff nehmen würde. Der Schnitt von 24 km/h belegt, dass viel geplaudert und getratscht wurde – übers Radfahren, Essen & Trinken, Kärnten, noch mehr Radfahren, den Profi-Zirkus, Sportlerkarrieren, Räder, Komponenten und Gott und die Welt. Das Ende des karitativen Teils des Tages konnte ich aus Termingründen leider nicht mehr miterleben und lässt mir daher kein abschließendes Urteil über die anfangs erwähnte Charity-Welt zu. Fakt ist jedoch, dass im Zuge dieser entspannten und unterhaltsamen Ausfahrt knapp 40.000 Euro an Spendengeldern traditionell auf einen überdimensional großen Papierscheck geschrieben wurden! Ich denke, es gibt jedenfalls unerfreulichere Wege, Spenden zu sammeln als während einer Radausfahrt! In diesem Sinne, bis zum nächsten Jahr.

Fotos (sofern nicht selbstgemacht): Tour de Franz / Markus Vollmeier
Strava

Dem Gravel-Trend auf der Spur

Im November werde ich 40 Jahre alt, das befähigt mich – neben einem kurzen Schauer des Älterwerdens - zu einigen spannenden Dingen. 1. Ich kann mich bei schlechten Leistungen zunehmend auf mein Alter ausreden. (Scherz, mach ich natürlich nicht – an meinen schlechten Leistungen sind immer noch Chemtrails und Freimaurer schuld). 2. Ich starte bei Wettbewerben in der ersten Masters-Klasse. Nicht, dass das platzierungstechnisch auch nur irgendeinen Vorteil mit sich bringen würde, aber aus der Allgemeinen Klasse „rausgewachsen“ zu sein, gibt einem manchmal ein Gefühl von altersbedingter Souveränität und Gelassenheit. Und 3. kann ich nun Geschichten mit „Damals…“ und „In meiner Jugend war das ja noch…“ beginnen. Die Gelegenheit zu Letzterem möchte ich heute auch gleich beim Schopf packen und brandaktuell über ein Erkenntnis des vergangenen Wochenendes berichten, das ich im Sattel meines (ehemaligen) Crossers in Osttirol und Kärnten verbracht habe.

Damals…

„In meiner Jugend“ also, bestand mein erster Rad-Kontakt darin, die Serien SLX-Bremsen an meinem Hardtail gegen die rote John Tomac-Sonderedition von Magura zu tauschen, die grünen Reifen (waren das Schwalbe-Modelle?) aufzuziehen, die damals so „in“ waren und mit meinen Freunden nach der Schule den Anninger bei Mödling rauf- und runterzufahren. Es war wohl 1996, das heißt es war gut 15 Jahre her, dass in Kalifornien die Herren Ritchey, Breeze und Fisher ihre damaligen Räder umfunktionierten, den Mount Tamalpais runterfuhren und damit – wohl eher unabsichtlich – eine Bewegung starteten, die in den folgenden Jahren ihren Lauf nahm, zum Boom wurde und Mitte der Neunziger Teenager wie mich dazu brachte, mit dem Rad ins Gelände zu fahren. Der alljährlich im Jänner erscheinende „Bike“-Katalog war die Bibel, aus der man sich die einzelnen Teile für sein oder ihr Traumbike zusammensuchte: Klein Attitude, GT Zaskar oder gar das - damals noch ganz arge - Trek OCLV (?) Full Suspension. Während diese Traum-Konfigurationen damals schon Summen erreichten, die auch heute noch als „stolz“ zu bezeichnen wären, war mein fahrbarer Untersatz ein eher profanes Merida Alu-Bike - Hardtail natürlich, von Federgabeln und dergleichen konnte ich damals nur träumen. Die Reifen hatten Dimensionen, die man heute eher am Crosser findet. Auf den Wald- und Forstwegen bedeutete das, sich die Fahrlinie suchen zu müssen, nicht – mir nichts, dir nichts – einfach über jede Unebenheit drüberradieren zu können, mit dem Körper zu arbeiten, aufmerksam zu sein. Es war eine recht puristische Form des Radfahrens, wenn man sich heutige Maßstäbe vergegenwärtigt.

Gute 20 Jahre später – heute! – schaut der Fahrradmarkt anders aus als damals – fragmentiert bis segmentiert, jedenfalls aber spezialisiert. Nahezu jede Nische ist besetzt, jede Entwicklung wird ausgereizt, ob sie das Zeug zum „Trend“ hat, sogenannte „Standards“ dienen allen möglichen Zwecken, aber sicher nicht jenem, etwas über Grenzen hinweg zu standardisieren. Recht präsent und das seit mittlerweile mehreren Jahren ist das Schlagwort „Gravel“. Was damit im Detail umschrieben ist, bleibt mitunter eher unklar. Fest steht, dass im Geburtsland dieses Trends – den USA – die Rennradfahrer den großen Highways ausweichen wollten und anstelle von pittoresken Land(es)straßen wie bei uns, in den Weiten Amerikas nur geschotterte Wirtschaftswege vorfanden, um dort ihrem Hobby zu fröhnen. Damit man trotzdem wie auf dem schnellen Rennrad unterwegs ist, wurde das Gravel-Rad aus der Taufe gehoben - Rennradgeometrie aber mit mehr Reifenfreiheit. In europäischen Gefilden rümpfte man die Nase und zeigte auf den Crosser, der vor allem im nördlicheren Europa immer schon ein guter Weg war, um quasi rennradartig durch den Winter zu kommen. Schaut man sich allerdings die Geometrie des Crossers an, stößt man (abhängig vom Modell natürlich!) auf Unterschiede: so hat der Crosser ein höher liegendes Tretlager und vor allem einen anderen Lenkwinkel und damit ein anderes Fahrverhalten – enge und eckige Crossrennen verlangen nun einmal mehr Wendigkeit als eine kilometerlange Schottergerade. Der Crosser-Markt der letzten Jahre ist in sich wiederum segmentiert, wobei man grob jene Modelle unterscheiden kann, die (aggressiv) für Cross-Rennen angelegt sind (Specialized Crux, Stevens Super Prestige) oder jene, die eine Art Zwitter zwischen Cross-Rennen und leichten Waldwegen aber auch Long-Distance-Commutern darstellen. Die (negativ formuliert) Unentschlossenheit oder aber (positiv formuliert) Vielseitigkeit dieses Teilbereichs wurde auch durch die unterschiedlichen Optionen deutlich, die diese Räder im Aufbau boten: Ösen für Gepäckträger, Schmutzfänger, 1-fach, 2-fach, mitunter sogar noch 3-fach-Option, unterschiedliche Laufradgrößen – man wollte sich bewusst alle Türen offen halten.

Crosser vs. Gravel

Ich habe meinen Crosser (ein Specialized Crux E1) Ende 2015 gekauft und es im Jahr darauf mit großem Enthusiasmus durch ein paar Cyclocross-Rennen bewegt - mit dabei war die letzte Austragung des Münchner Supercross-Rennens unter der Flagge von Rapha. Die Erfolge waren bescheiden, das Gewand sehr schnell sehr dreckig, der Spaß groß! Den Einsatzbereich dieses Rades aber auf die wenigen Cross-Rennen zu reduzieren, wäre schade gewesen. So war ich im Winter im Schnee, bei gutem und schlechtem Wetter in der Lobau unterwegs, auf Schotter-Radwegen und auf Wirtschaftswegen südlich von Wien. Alle diese Aufgaben bewältigte mein Crosser anstandslos. Nächster Schritt waren die Wege meiner Jugend - auf den Anninger, aufs Eiserne Tor aber auch in den Wienerwald, auf den Bisamberg – wohin mich Strava auch immer führt. Auf diesen Waldwegen und Trails stellte sich ein nostalgisches Gefühl ein – jenes, auf dem Mountainbike meiner Jugend unterwegs zu sein. Die Kraftübertragung aber auch die Spürbarkeit des Untergrunds waren sehr direkt, auch hier musste ich mir genaue Gedanken über die Fahrlinie machen, ohne Federung waren außerdem höhere Aufmerksamkeit und Sorge notwendig. Es machte großen Spaß, ich fühlte mich wie ein Purist, der einem alten Geheimnis auf der Spur ist, einer Erfahrung, wie sie heute nicht mehr bekannt ist. Ich sah mich zu Sätzen verleitet wie „Im Wienerwald kann man doch eh alles mit dem Crosser fahren“, „dafür braucht man kein MTB“ oder „das MTB hebt man sich besser für die richtigen Berge auf“. Dass ich diese Sätze jetzt, da ich auch wieder ein modernes Mountainbike mein Eigen nenne, lautstark und ohne Reue revidiere, liegt daran, dass es mit dem Crosser zwar Spaß gemacht hat, mit dem MTB ist es aber noch um ein Vielfaches lustiger. Und ich rede hier grundsätzlich nicht von Auswüchsen des MTB-Marktes mit >160mm Federweg, sondern von modernen Hardtails oder Fullys mit 100 oder 120mm Federweg. Diese sind gewichtsmäßig leicht und bis ins mittelschwere Gelände meiner Meinung nach die beste Wahl. Für Ausfahrten ins Gelände (im Sinne von Mountainbiken) nehme ich daher mein Mountainbike, der Crosser bleibt dafür in der Ecke stehen.

Parallel dazu sind aber neue Horizonte aufgetaucht – Abenteuer, Bikepacking, Langstreckenfahrten und –rennen. Man hörte Slogans wie „Anyroad“, „Allroad“, „go everywhere – fast“ und „no limits“. Die Industrie witterte einen neuen Trend und zog mit, nahm das neue und noch klein vor sich hin blühende Segment „Gravel“ und zeichnete eine Zukunft, in der man ohne ein Gravel-Touring-Bike nicht mehr existieren kann, im Gegenteil: aus dem Alltag erfolgreich ausbrechen kann, seine Grenzen überwinden und neue Abenteuer erleben wird. Alles reizvolle Ausblicke und ich selbst habe mich liebend gerne in diesen Träumen wiedergefunden und mache das auch heute noch - auch wenn es an der Umsetzung bis jetzt noch gescheitert ist. Teilnahmen an Transcontinental Races oder aber auch „einfache“ Overnighter hier in Österreich sind Dinge, die sich auf allen To-Do Listen gut machen! Gehen wir nochmal zum Anfang des Artikels zurück und damit auch zu den Anfängen des Mountainbikes. Den Fahrer und die Fahrerin von Zwängen zu befreien, die Möglichkeiten zu erweitern, fahren zu können, wo man will – egal auf welchem Gelände, das war das Ziel der Pioniere des Mountainbikes. Mit den ersten Hardtails der 90er-Jahre haben sie dieses Ziel einen Schritt weit erreicht. Die Entwicklung des Mountainbikes ist allerdings in eine Richtung abgebogen, die nicht mehr unbedingt diesem Freiheitsgedanken, sondern vielmehr der Ausarbeitung und Weiterentwicklung des Segments „MTB“ entsprochen hat. Den Freiheitsgedanken findet man heutzutage – auch nach Abzug des üblichen Marketing-Sprechs – viel eher im wachsenden Segment der Gravel- und Adventure-Bikes wieder. Unter diesem Gesichtspunkt ist mir der ganze Trend gleich wieder um ein großes Eck sympathischer, auch wenn es nach wie vor hauptsächlich nach Profit für die Radhersteller riecht. Aber auch hier hege ich eher einen pragmatischen Ansatz und vergönne jedem Hersteller den Erfolg beim Beackern des Marktes, der sich die entsprechenden Gedanken um Bedürfnisse und Wünsche der Nutzer*innen und Käufer*innen macht.

Wohin geht die Reise?

Ich habe – angesichts in mir geweckter Sehnsüchte – versucht, meinen Crosser so zu adaptieren, dass daraus ein Allzweck-Rad wird, mit dem ich jegliche Unternehmung – vom Alpencross bis zum vollwertigen Rennrad-Ersatz – in Angriff nehmen kann. Lange habe ich getüftelt, welche Laufräder die geeigneten wären, welche Übersetzung Sinn macht, habe Stunden auf die richtige Reifenwahl verbracht, Teile gekauft, Teile getauscht, Teile wieder verkauft und bin an proprietären Laufrad-Standards verzweifelt (Danke, Specialized, dass ihr genau bei meinem Modell ein Jahr lang einen neuartigen Standard ausprobiert habt). Wie schon erkennbar sein dürfte, war das Projekt „Rad-Umbau“ nicht sonderlich erfolgsträchtig. Nicht, dass ich jetzt mit dem Rad nicht fahren kann oder einen enormen Unterschied spüren würde, wen ich das Rad nicht „zweckmäßig“ einsetze, aber ein paar Dinge hätte ich gerne anders gehabt – in erster Linie etwas mehr „Drang nach vorne“ – und das sagt einer, der dem Drang nach vorne normalerweise nicht die oberste Priorität einräumt. Aber die komfortable Sitzposition des Crossers und der steile Lenkwinkel machen ihn im Vergleich zum Rennrad etwas unruhiger und „kürzer“, dementsprechend ist auch die Sitzposition etwas gedrungener.

Das alles kann ich aber erst behaupten und postulieren, seitdem ich mit dem Rad in Osttirol und Kärnten ein paar Runden gefahren bin, die den Einsatz eines Gravel-Rades – so wie ich ihn interpretiere – rechtfertigen. Es waren flotte Runden auf schlechtem Asphalt, auf grob geschotterten Waldwegen, auf weichen Forststraßen, durch trockene Bachbetten und Furten. Das Rennrad wäre hier vermutlich drübergekommen, unbedingt zumuten hätte ich es ihm nicht wollen. Das Mountainbike (der Argumentation von oben folgend: ein leichtes Hardtail) wäre gleichermaßen am falschen Ort gewesen, hier wären die Anforderungen wieder zu gering gewesen, wie mit „Kanonen auf Spatzen zu schießen“… Bei Runden über 100 Kilometer und mehr wäre das MTB auch nicht die richtige Wahl, wenn beispielsweise nur Abschnitte der Route über unbefestigte Wege führen. Und so hatte ich letzte Woche meinen ganz persönlichen Aha-Moment, meine Gravel-Epiphanie, wo ich zum ersten Mal einen (sinnvollen!) möglichen Einsatzzweck eines Gravel-Rades und gleichzeitig die Unzulänglichkeit meiner Umbauversuche erkannt habe.

Und jetzt?

Selbstverständlich soll nach wie vor jedem und jeder unbenommen sein, mit welchem Untersatz man welche Herausforderungen bestreiten will. Mein Geschwurbel soll weder zum Kauf eines Gravel-Bikes (und damit einer potentiell beziehungsgefährdenden „N+1“-Diskussion) anregen noch irgendjemandem vorschreiben, was gut und richtig wäre. Mir persönlich war aber wichtig, für mich selbst einmal Ordnung in meine Gedanken zu bringen, ein paar Dinge zu sortieren und in Relation zu setzen. Vielleicht wird mich ein Hersteller morgen schon mit einem neuen „Standard“ überraschen, der alle meine Gedanken wieder über den Haufen wirft, vielleicht war es aber auch der Startpunkt einer neuen Reise, wer weiß… J

PS: Ich habe leider keinen fotografischen Beweis meiner jugendlichen Ausflüge gefunden, daher darf ich mit einem feuchten Traum aus meiner Jugend schließen (und die tolle Juli Furtado ist auch auf dem Foto zu sehen):

Juli Furtado in den 90ern auf einem GT Zaskar! Quelle

Juli Furtado in den 90ern auf einem GT Zaskar! Quelle

Wachauer Radtage 2019

Traditionen wollen hochgehalten werden! Zum Beispiel die Tradition, dass ich bei der Österreich Rundfahrt mit der Kamera dabei sein kann, dass man Mitte Juli bei den Wachauer Radtagen am Start steht oder auch dass man sein Leistungslevel über- und die Strecke unterschätzt… Nach einer guten mittleren Distanz 2018 – in der Nomenklatur der Radtage nennt sich das „Raiffeisen Power Radmarathon“ – fiel die Wahl 2019 auf die lange Distanz, den „Krone Champions Radmarathon“. Ehrlicherweise hab ich mich im Vorfeld nicht wirklich mit der Strecke und den dahinterliegenden Daten befasst - 150 irgendwas Kilometer und die üblichen Höhenmeter. Ich habe mir angewöhnt, im Hinterkopf immer den Faktor 10 auf die Kilometerzahl draufzulegen, um auf die Höhenmeter zu kommen – solange dieses Verhältnis halbwegs eingehalten wird, ist es schaffbar. Auf den Jauerling war ich bis zu dem Zeitpunkt auch noch nicht unterwegs, aber ein höchster Punkt von knapp 800 Meter über Null wird wohl kein allzu großes Hindernis darstellen, oder?

Die Woche vor den Wachauer Radtagen ist für mich die Woche der Österreich Rundfahrt. In diesem Jahr war ich dort mit Kamera und Telefon bewaffnet unterwegs, um Schnappschüsse zu machen und die Social Media-Kanäle der Rundfahrt zu befüllen. Die zweite Etappe von Zwettl nach Wiener Neustadt führte übrigens durch die Wachau, den Seiberer hinunter, die Donau entlang über die Brücke bei Mautern und dann weiter Richtung Stift Göttweig. Während dieser Etappe war ich im Auto vom Team Hrinkow unterwegs und gemeinsam stellten wir fest, dass speziell die Abfahrt vom Seiberer ein Traum ist, dass man sich das wohl außerhalb der Tour mal in Ruhe anschauen sollte. Dass ich hier ein paar Tage später rauffahren muss, war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar - Vorbereitung 1A… Die Ö-Tour endet am Freitag auf dem Kitzbüheler Horn, ich verbringe noch eine Nacht bei der Familie in Lienz und bin Samstag spätabends wieder in Wien. Essen herrichten, Gewand herrichten, Rad checken, sporadisch die Beine rasieren – ich möchte zumindest stilvoll langsam fahren ;)

Los gehts!

Sonntag, 7:30 in Mautern und alle sind da. Schon auf den ersten Metern freut man sich, bekannte Gesichter zu treffen. Meine Nachbarn sind da, Vereinskollegen vom PBIKE.AT Racing Team, viele VICC-Trikots. Max Kuen vom Team Vorarlberg Santic, der leider krankheitsbedingt kurzfristig die Teilnahme an der Österreich Rundfahrt hatte absagen müssen, fährt wieder mit seiner Freundin - außerdem einige Gesichter, die mit mir die letzte Woche bei der Ö-Tour verbracht haben, allen voran Martin Böckle, der mit Alpentour-TV mittlerweile dafür sorgt, dass fast jeder Marathon seine (Live-)Übertragung und damit entsprechende Präsenz bekommt. Die Startunterlagen sind schnell geholt, Nummern montiert und Trinkflaschen gefüllt. Ich bin früher dran als in den Vorjahren, erkennbar daran, dass ich diesmal einen Platz innerhalb des Startblocks finde und nicht außerhalb auf den Planken, die hinauf zur Straße führen. Der Blick nach vorne zeigt auch, dass das Starterfeld auf der langen Distanz vergleichsweise kompakt ist – die meisten Starter sind auf den beiden kürzeren Distanzen zu finden. Die Laune ist gut, die Stimmung fast familiär, man kennt sich mittlerweile untereinander doch schon recht gut – so macht das Ganze gleich noch mehr Spaß. Und letztendlich spielt auch das Wetter mit, die vorhergesagten Regenschauer sind erst für den späteren Nachmittag angesagt.

Am Start noch ein Lächeln übrig … ;)

Bei Sonnenschein fällt also um 9:00 der Startschuss, die beiden längeren Strecken starten gemeinsam - vorne weg der Champions Marathon über 159 Kilometer, gleich dahinter der Power Marathon über 92 Kilometer. Von der angekündigten Neutralisierung auf den ersten Kilometern ist weiter hinten im Feld nicht viel zu spüren. Ehrlicherweise ist es bei Radmarathons mit vielen Starten aber auch immer ein Balanceakt – „zu schnell“ macht die Neutralisation obsolet, „zu langsam“ erzeugt Staus und brenzlige Situationen weiter hinten. Die ersten elf Kilometer führt die Strecke entlang des nördlichen Donauufers Richtung Weißenkirchen, erst an dieser Stelle erfolgt die Feld-Teilung zwischen langer und mittlerer Strecke. Die Straße ist zwar in unserer Fahrtrichtung für den Verkehr gesperrt, vereinzelt tauchen aber auf der Gegenfahrbahn Autos auf. Diese weichen zwar – höflich bis leicht verängstigt – der Radlermeute an den Straßenrand aus, aufgrund der Masse an Radlern wird es allerdings trotzdem stellenweise recht eng. Die Spitze der mittleren Distanz möchte zur Spitze der langen Distanz, die zuvor gestartet ist, nach vor wollen sowieso alle, es vermischen sich schnellere mit langsameren Fahrer*innen, das wird dann mitunter schon recht viel auf einmal. Im Grunde ist es ähnlich wie bei allen Startphasen von Marathons, bei denen die Starter*innenzahlen in die höheren Hunderterbereiche gehen. Übermotivierte wird man immer finden, weniger talentierte womöglich auch, oft ist es aber einfach Pech, wenn etwas passiert. Die Kalamitäten in der Wachau halten sich absolut in Grenzen, es sind eher abrupte Bremsmanöver der Gruppe, die den Puls in die Höhe schnellen lassen. Auf Nachfrage erfährt man vom Veranstalter, dass eine Genehmigung des Rennens nur unter der Voraussetzung erfolgen kann, dass die betreffende Bundesstraße 3 für den Verkehr offen bleibt. Dass praktisch eh kein einziges Auto ungehindert durch- oder vorbeifahren kann, macht diese Behördenvorgabe zu einem Feigenblatt, erhöht aber massiv mein Verständnis gegenüber dem Veranstalter, der hier schlicht und ergreifend nicht aus kann.

Ins Waldviertel

In Weißenkirchen ist das alles kein Thema mehr, die lange Strecke biegt nach Norden ab, lässt die Donau hinter sich, taucht in malerische Weinberge ein und Fahrer nach Fahrer beginnt den Anstieg auf den Seiberer. Schlagartig geht es gemütlicher zu, das Tempo ist unten, der verfügbare Platz um Potenzen gesteigert. Die Sonne brennt vom Himmel und der Schweiß tropft auf Oberrohr und Asphalt – schon nach wenigen Kilometern habe ich ein Deja-Vu meines mäßig erfolgreichen Anstiegs zum Plöckenpass im Rahmen des Super Giro Dolomiti. Ganz so schlimm ist es glücklicherweise nicht, aber bei einer Steigung von 7% auf einer Länge von fünf Kilometern kann man schon einen ersten zarten Eindruck davon bekommen, wie der weitere Tag verlaufen könnte. Meine Oberschenkel gehen auf, ich spüre die vergangene Woche im Auto und ohne Bewegung, die Erkenntnis, dass dies wohl ein längerer Tag werden wird, setzt sich nach und nach in meinem Kopf fest. Da ich sowieso nicht auf irgendein Ergebnis fahre, stellt diese Erkenntnis kein Problem dar, ich lasse meine PBIKE-Kollegen ziehen und trete vor mich hin Richtung Waldviertel.

Es folgt ein knapp 50 Kilometer langes Auf und Ab durch das Waldviertel, es ist selten flach, die Anstiege sind tendenziell immer etwas zu steil, um halbwegs souverän „drüberdrücken“ zu können. Gefühlt kommt nach jedem Anstieg eine viel zu kurze Abfahrt bevor es gleich wieder in den nächsten Hügel hineingeht. Bergauf, bergauf, bergauf! Das Feld ist recht zerfetzt, es finden sich immer wieder Gruppen aus maximal 3-6 Fahrer*innen, die ein Stück des Weges gemeinsam bestreiten. Hier sollte man – neben guten Oberschenkeln – auch im Kopf halbwegs fit sein. Bzw. wie in meinem Fall, wenn man in den Oberschenkeln nicht fit ist, kann man sich mit einem fitten Kopf noch mit etwas Würde über die Anstiege retten. Es ist jener Teil der Strecke, den ich mir im Vorfeld überhaupt nicht angeschaut und daher am meisten unterschätzt habe und nun dafür entsprechend büßen muss. Es kommt etwas Wind dazu, Wolken haben sich mittlerweile vor die Sonne geschoben, dafür sind die Temperaturen angenehm frisch.

Kilometer 80 markiert die Hälfte der Strecke, das Ende des hügeligen Waldviertels, den Fuße des Jauerling und – glücklicherweise – auch jene Stelle an der Nachbar Gerald mit frischem Proviant auf seine Freundin und Vereinskollegin Patrizia wartet und dankenswerterweise auch für mich ein Musette mit frischen Flaschen und Gels bereithält. Ich nütze diese Gelegenheit für eine kurze Pause, einen Plausch über das bisher Erlebte, und dafür, den recht zwickenden Rücken etwas durchzustrecken. Die Hälfte eines Rennens oder einer Strecke ist für mich grundsätzlich immer etwas Besonderes, fährt man ab diesem Zeitpunkt ja „nur noch zurück“ oder „ab jetzt nach Hause“.

“J-aua!-ling”

Es geht also auf den Jauerling, jene Unbekannte für mich, von der ich zwar schon viel gehört habe, selbst aber noch nie einen Tritt des Anstiegs gefahren bin. Die Zahlen verheißen nichts Gutes, auf dem Display meines Wahoo baut sich im Höhenprofil eine Wand auf, die so schnell wohl nicht mehr enden wird. Später lese ich auf Strava 9% auf sieben Kilometern Strecke, die ersten vier Kilometer haben überhaupt eine Steigung von durchschnittlich zehn Prozent. Ab in den ersten Gang und hinaufkurbeln, aber nach dem Auf und Ab des Waldviertels und den doch schon 80 Kilometern in den Beinen, fällt auch das nicht mehr so einfach. In solchen Fällen schalte ich in meinen Not-Modus, blende fast alles rund um mich aus, konzentriere mich auf jeden einzelnen Tritt, leide innerlich, was gleichbedeutend ist mit „man muss da jetzt durchkämpfen, um diesen Anstieg oder Berg zu bezwingen“ – diesen Kampf, den ich mir da einrede, gewinne ich meistens, das Konzept geht also auf! ;) Ich treffe auf bekannte Gesichter – Patrizia zieht an mir vorbei (sie wird am Ende des Rennens den 8. Platz der Damen belegen!), Jean und Vejko rollen von hinten auf mich auf, mit vertrauten Gesichtern und Stimmen ist es auch gleich wieder etwas anderes. Der Jauerling ist ein harter Gegner – da wo der Anstieg vermeintlich zu Ende ist, durchfährt man eine kleine Ansiedelung, die gleich in den nächsten Anstieg mündet, fährt um eine Kurve, die wieder eine weitere Rampe verborgen hat. Und auch dort, wo der Berg tatsächlich einmal ein Ende genommen hat, ist die Freude der Abfahrt nur kurz – der Anstieg nach Nonnersdorf zieht auf 140 Höhenmetern noch einmal heraus, was in den Oberschenkeln eventuell noch vorhanden war.

Nach der Labe bei Kilometer 100 bin ich plötzlich alleine. Es geht endlich leicht bergab Richtung „Am Schuss“, einem Ortsnamen, der sich bei mir schon in den letzten Jahren der Wachauer Radtage eingeprägt hat. Die Strecke ist hier bis zur Donau hinunter identisch mit den Vorjahren, endlich etwas kalkulierbares auf dieser Strecke! Ich rolle mit knapp 35 Km/h Richtung Donau, schaue mich immer wieder nach Fahrer*innen um, die von hinten auf mich auffahren könnten – alleine möchte ich dieses Rennen nicht zu Ende fahren. Kurz vor Schloss Leiben sind wir dann zu fünft – mit dabei Alejo im VICC-Trikot, wie schon zuvor hilft es mir, auf bekannte Gesichter zu treffen. In der Gruppe geht es gleich einfacher und entsprechend flott nach Emmersdorf zur Donaubrücke. 40 Kilometer sind noch ausständig, zwei Anstiege kommen noch – nicht vergleichbar mit dem Jauerling aber in meinem aktuellen Zustand und mit doch recht schweren Beinen werden auch diese noch zur Herausforderung. Dementsprechend lasse ich mein Gruppe ziehen, sobald die Straße auch nur geringfügig ansteigt – hier jetzt mitzufahren, wäre keine gute Idee. Der Hügel bei Mauer bei Melk bzw. Umbach ist schnell bewältigt, es folgt noch eine Abfahrt Richtung Aggsbach, bevor es zum letzten Anstieg nach Maria Langegg geht. Die Abfahrt verbringe ich großteils im Stehen, mein Rücken wehrt sich dagegen, auf dem Rad weiter eingespannt zu sein – Autofahren als Vorbereitung für ein Radrennen scheint nicht optimal zu sein… Ich treffe wieder auf Jean, gefühlt zum fünften oder sechsten Mal – lustig, wie man im Verlauf eines Rennens mit Pausen, Laben und anderen Zwischenhalten immer wieder zusammenkommt, getrennt wird und sich dann wieder trifft. Hinauf nach Maria Langegg geht es auf drei Kilometern mit 8 % Steigung – langsam und gemächlich, die Tanks sind leer, die Ambitionen beschränken sich darauf, das Ziel erreichen zu wollen. Oben eine Labe, dann noch ein paar kleinere Wellen – die hab ich noch vom Vorjahr in Erinnerung.

Nass und fertig

Unvermittelt formen sich neben meinem Rad auf dem Asphalt handtellergroße Flecken – platsch, zuerst einer, dann mehrere. Es ist dieser Moment, in dem man weiß, was hier gleich losbrechen wird - Blitz und Donner und prasselnder Regen. Ich werfe mir mein Gilet über, stehenbleiben oder gar warten ist keine Option so kurz vor dem Ziel. Es ist 15 Uhr, jener Zeitpunkt, für den der Regen vorhergesagt war – nur wollte ich zu diesem Zeitpunkt eigentlich schon im Ziel sein. Die Abfahrt zurück zur Donau wird im Schneckentempo bestritten, es wäre dumm und unnötig, jetzt auf regennasser Fahrbahn noch einen Sturz zu provozieren. Die Abzweigung auf die B33 ist für mich so etwas wie meine persönliche Ziellinie – vorbei mit Bergen, Abfahrt, Anstiegen, Kurven. Ab diesem Zeitpunkt geht es nur noch flach auf einer Länge von knapp fünf Kilometern Richtung Ziellinie.

Jean hängt sich an einen überholenden Fahrer an, mir fehlt die Kraft, diesen kurzen Antritt mitzugehen. Weniger später ist mein Rennen aber auch offiziell beendet – ich rolle zufrieden aber sehr, sehr erschöpft über die Ziellinie, hinein in den Zielbereich, der leider vom durchziehenden Regenschauer fast komplett leergeräumt wurde. Schnitzelsemmel, Kuchen und anerkennende Ansprache im Ziel hilft mir, wieder zu Kräften zu kommen. 2.901 Höhenmeter auf meinem Wahoo belegen, dass es heute keine Kaffeefahrt war. Nass und kalt geht es zurück zum Auto, hinein in die trockene Trainingshose und ab nach Hause, next Stop: Badewanne!

Der Erkenntnisgewinn dieses Renntages ist massiv: Bestätigt fühle ich mich in meiner Meinung von den Wachauer Radtagen – die Veranstaltung ist hervorragend organisiert. Als Fahrer, der dann doch eher weiter hinten im Gesamtfeld unterwegs war, kam ich in den Genuss, bei JEDER Kreuzung oder Kreisverkehr Ordner oder Polizisten vorzufinden, die einem den Weg weisen und den Verkehr kurz aufhalten, damit man ungehindert passieren kann. Ebenfalls bestätigt wurde die landschaftliche Schönheit der Wachau und des südlichen Waldviertels, wobei das Hinterland auf mich hier einen größeren Reiz ausübt, als die „klassische“ Wachau direkt an der Donau. Wobei wenn man den Seiberer herunterkommt und zum ersten Mal das Panorama der Donau erblickt, wird man schon kurz andächtig.

Wundenlecken

Die andere Erkenntnis betrifft mich und meine Leistungen. In den letzten Jahren habe ich viele Dinge „einfach gemacht“ und dabei hat fast alles immer so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt habe. Dieses Jahr – und der „Jungvater“ soll hier jedenfalls nicht als Ausrede dienen! – muss ich mit meine Kräften und meinen Ressourcen haushalten. Bis in die letzten Ecken meines Kopfes hat sich das aber noch nicht durchgesetzt, mit dem Ergebnis, dass ich momentan dazu neige, meine Leistungsfähigkeit zu über- und gleichzeitig die sportlichen Herausforderungen zu unterschätzen. 160 Kilometer am Rad sind 2019 einfach etwas anderes für mich als 2018 oder gar 2017. Das mindert natürlich weder meinen Spaß am Radfahren noch an meinen Plänen oder Projekten, aber spätestens jetzt habe ich verstanden, dass ich die Dinge vielleicht etwas anders angehen muss. Eine Entscheidung ist allerdings vor diesem Hintergrund schon gefallen: Meine Teilnahme an der Race Around Austria Challenge werde ich vorerst einmal auf 2020 verschieben.

Aus der Wachau komme ich mit positiven Eindrücken zurück. Und die Schmerzen in Rücken, Knien und Oberschenkeln sind nach einem ausgiebigen Vollbad schon fast wieder vergessen, das Fluchen und innerliche Weinen der mühsamen Kilometer verdrängt und das Anmeldeformular für das nächste Jahr quasi schon wieder ausgefüllt. Danke Wachauer Radtage, bis nächstes Jahr!

Disclaimer

Die Teilnahme am Rennen erfolgte auf Einladung des Veranstalters. Alle Fotos: Sportograf.

Fotos // Österreich Rundfahrt 2019

Eine Woche Österreich Rundfahrt, sieben Etappen, spannende Rennen, viele unterschiedliche Fahrer, die sich die Wertungstrikots überstreifen konnten. Hier der Versuch eines etwas anderen Blickwinkels auf die Ereignisse - so wie ich das ja immer versuche, unsortiert, ohne Reihenfolge und Wertung. Dieses Mal testweise mit der “kleinen” Fuji-Kamera fotografiert…

Ein ereignisreiches Wochenende am Mondsee

Es waren einige Sprünge in den Mond-, Wolfgang- und Fuschlsee notwendig, um sich von den heißen Temperaturen und hitzigen Wettkämpfen am Rad zu erholen und abzukühlen. Das Wochenende rund um den Mondsee-Radmarathon hat schon lange vor dem Tag X große Vorfreude erzeugt – war doch die Ankündigung zu vernehmen, dass die Österreichischen Staatsmeisterschaften Straße im Rahmen der Marathonveranstaltung ausgetragen werden. Ich persönlich finde es ja immer großartig, wenn Spitzen- und Breitensport aufeinandertreffen, sich zwei Welten verbinden. Live mitanzusehen, was die Profis leisten, welche Zeiten auf der gleichen Strecke erreicht werden, hautnah dabei zu sein, ist toll und sollte aus meiner Sicht noch viel mehr forciert werden.

Für mich persönlich war – wie immer an dieser Stelle – die Entscheidung schwierig, ob ich Radfahren oder Fotografieren will. Ich habe Letzterem in den vergangenen Wochen oft den Vorzug gegeben, was mit ein Grund für meinen nicht ganz zufriedenstellenden Trainingszustand ist… Auch am Mondsee fiel die Entscheidung, in einer entspannten Form die ÖSTM mit der Kamera zu begleiten. Für den zeitgleich stattfindenden Marathon konnte ich glücklicherweise Martina von Mitzi & Friends – Österreichs größter Frauenradsportbewegung – gewinnen, sie hat sich für 169k über die 200 Kilometer lange Distanz gearbeitet. Und dank des reichhaltigen Rahmenprogramms des Mondsee-Marathons konnte ich doch noch ein Rad ins Auto einpacken und mich zu allem Überfluss in meinem ersten Mountainbike-Rennen versuchen.

Dieser Blogbeitrag besteht daher aus drei Teilen:

1. Meine Mondsee MTB-Challenge
2. Martinas 200k Mondsee-Radmarathon
3. Ein paar Fotos von den ÖSTM Straße der Elite

Meine Mondsee MTB Challenge

Über meine wiederentdeckte Liebe zum Mountainbike habe ich ja in den letzten Wochen schon ein wenig erzählt. In den Plan, mit dem MTB in erster Linie gemütliche Forststraßen-Touren zu unternehmen, passt ein Cross Country-Rennen an sich aber nicht wirklich hinein. Ich wollte jedoch das Wochenende rund um den Mondsee-Marathon nicht gänzlich ohne Rad verbringen und „ausprobieren kann man es ja einmal“ – so der Gedankengang. Spätestens seit meinem aufschlussreichen Gespräch mit Alban Lakata Anfang des Jahres sind mir einige wesentliche Unterschiede zwischen Mountainbikern und Rennradfahrern klarer. Training, Belastung, Leistungsentfaltung, Spitzenleistung, Renndauer – alles Dinge, die mir vorher nicht so bewusst waren, bei nähergehender Beschäftigung aber als logische Unterschiede aufpoppen. Mir war daher schon vorab klar, dass mein Leistungsprofil (flapsig formuliert: weit & langsam) eventuell nicht das optimale für ein kurzes und knackiges MTB-Rennen ist. Egal!

Die Füße gerade noch im wunderschön türkisen Fuschlsee baumeln lassen, einen Eiskaffee beim Mohrenwirt trinken und dann ab ins Auto nach Mondsee. Ich hab so meine Schwierigkeiten mit Rennen, die erst zu späterer Stunde – im Falle des MTB-Rennens um 16:00! – starten. „Zu lange“ ist der Tag vorher schon. Man unternimmt etwas, geht essen, liegt herum, wartet – in meinem Fall sind das meistens Dinge, die mich entweder müde oder – Thema Essen – schwerer und müde machen J

Die Startnummernausgabe lässt mich kurz zweifeln, ob ich es noch rechtzeitig vor dem Start schaffe, meine Startunterlagen zu besorgen und mich umzuziehen – die Schlange reicht aus dem Gemeindeamt Mondsee bis auf die Straße hinaus. Doch schnell zeigt sich, dass die Abfertigung hier im Eiltempo erfolgt, wie ein Blitz bin ich durch die Ausgabe geschleust und stehe wenige Minuten später wieder auf der Straße, Rennunterlagen in der Hand! Ich treffe Tini & Andy von geradeaus.at, das Team des Race Around Austria, viele andere bekannte Gesichter – es stellt sich im Nu wieder dieses Familiengefühl ein, über das ich mich jedes Mal wieder riesig freue und jedes dieser „Renn“-Wochenenden zu einem persönlichen Freudenfest macht. Ich mag die Leute, ich mag die Community, ich liebe diesen Sport!

Apropos Sport… Startnummer auf mein BMC Fourstroke, das noch nichts von seinem bevorstehenden Renneinsatz zu ahnen scheint. Obwohl, das Rad wird im Gegensatz zu mir nicht so leicht an seine Grenzen zu bringen sein. Das Starterfeld ist überschaubar, knapp 50 Teilnehmer*innen sind gemeldet. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht, ein letzter Schluck aus der Flasche kann die Unmengen von Schweiß nicht kompensieren, die angesichts der vorherrschenden 35 Grad aus jeder Pore tropfen. Nach dem Startschuss geht es gleich zu Sache, der Puls ist oben, das Laktat in den Beinen, mein Plan, es „gemütlich“ angehen zu lassen, löst sich unvermittelt in Luft auf.

Das 31,5 Kilometer lange Rennen wird auf einem Rundkurs in und um Mondsee ausgetragen. Aus dem Stadtzentrum geht es hinauf auf den Mondseeberg, auf asphaltierter Straße mit knackiger Steigung. Nach halber Strecke (und rund 2,5 Kilometern) ist der höchste Punkt erreicht, es geht abwärts auf einem Singletrail, Wurzeln, Steine, kleinere Stufen, enge Kurven. Ich suche mir ein Hinterrad, um in der ersten von sieben Runden die richtige Linie zu finden. Es geht steil bergab, dort wo man kaum noch lenken oder bremsen kann, steht in der Spitzkehre die Rettung bereit und schaut kritisch, wie sich die Teilnehmer*innen über diese anspruchsvollsten Meter der MTB-Strecke „wurschteln“. Zumindest fühlt es sich bei mir etwas nach „Wurschteln“ an, mir fehlt auf dem MTB sichtlich noch etwas Routine. 700 Meter nahezu flache Forststraße münden danach in eine steile asphaltierte Straße, die über ein paar selektive Kurven mit hohem Tempo wieder zu Start und Ziel hinunter führt.

Schon befindet man sich wieder im Anstieg auf den Mondseeberg. Die Sonne knallt auf die Straße, der Puls pocht auf der Stirn – „Wie oft ist diese Runde zu fahren?!“ Die ersten drei Runden sind eher qualvoll, vor allem der lange Anstieg auf der Straße zehrt an den Kräften. Fabian Costa, der Favorit und spätere Gewinner des Rennens, schießt mit einem Verfolger an seinem Hinterrad an mir vorbei. Ich freue mich kurz, dass sich mein Rennen gerade um eine Runde verkürzt hat, denke mir aber gleichzeitig, dass es nicht unbedingt sehr ruhmreich wäre, noch einmal überrundet zu werden – ginge sich bei noch vier zu fahrenden Runden ja aus…

Ich suche noch einmal nach ein paar Kraftreserven und siehe da, das Rennen beginnt plötzlich Spaß zu machen. Der Anstieg ist immer noch zäh aber der Downhill wird immer routinierter und gefühlt schneller – kurzzeitig fast auch schon wieder etwas zu schnell! Die Runde beginnt von Mal zu Mal gefühlt kürzer zu werden, 4,5 Kilometer sind ja tatsächlich eine überschaubare Distanz. Mit dem Wissen, das Rennen 1. bewältigen und 2. für sich auch kontrollieren zu können, vergehen die letzten Kilometer wie im Flug.

Im Ziel bin ich zufrieden, mein erstes MTB-Rennen absolviert zu haben, Rang 34 (von 42) kümmert mich eher weniger, es ist eher einer dieser klassischen Siege über sich selbst, eine kleine Belohnung für das Verlassen der Komfortzone. Fünf Minuten und zwei Flaschen Wasser später hat sich die Erkenntnis gefestigt, dass ich diese Geschichte „MTB-Rennen“ wohl weiterverfolgen werde - bzw. zuvor noch Mountainbiken als solches, Fahrtechnik und alles andere, was da so dazugehört. Einen schlechteren Rennradfahrer wird das aus mir wohl nicht machen… ;) Eine Stunde später baumeln meine Beine dann auch schon wieder im Fuschlsee!

Fotos: Mondsee Radmarathon

Martinas 200 Kilometer-Runde

„Fünf Seen Marathon und 2 Duschen“

Martin Granadia bzw. bekannt unter 169k.net verloste in der Mitzi and Friends Gruppe einen Startplatz. Warum nicht teilnehmen dachte ich mir, Kinder sind versorgt, weil am Ferienlager somit sorglos ein Wochenende frei fürs Radeln.

Rasch bekam ich den Code zum Anmelden. Jetzt kam die wichtigste Entscheidung: 140km oder 200km. Die Entscheidung war nicht leicht, für die 140 km war bereits Carmen - ebenfalls eine Mitzi and Friends-Kollegin - angemeldet oder die ultimative Herausforderung über 200 km? Ich bin vorher noch nie 200 km in einem Rennen gefahren - Hopp oder Dropp. Klick - angemeldet für die 200 km. Zuerst die Freude, dann die Zweifel. Zwei Wochen vor dem Rennen beobachtete ich die Teilnehmerliste. 26 Frauen angemeldet - 13 für U45, 13 für Ü45. War mein Vorhaben nicht doch zu waghalsig? Die Ergebnisliste vom letzten Jahr muss her. Schlechteste Frau 2018 in Ü45: 9 Std 13. Ok, denke ich mir, das schaffe ich auch.

Wenige Tage vor dem Start bekamen wir die Unterlagen. Ein eigener Damenblock zum Starten - wie cool. Nicht, dass ich was gegen Männer habe, aber wenn es um ein Rennen geht, haben Männer schon so ihren Tiger, den sie beim Start rauslassen und manche können dabei sehr rücksichtslos sein. Wir Frauen haben auch den Biss aber wir achten dann doch mehr aufeinander (so mein persönlicher Eindruck, gesammelt bei den Radrennen, die ich bis jetzt bestritten hatte).

Nur drei Labestationen auf dieser Rundfahrt, das wird mir wahrscheinlich zu wenig sein. Gut ausgerüstet mit Riegel und Gels begab ich mich am Sonntag kurz vor 6.30 zu meinem Startblock. Wie ich merkte viel zu spät, obwohl eh 15 Minuten davor. Was für ein Stress. „Damen vor!“, „Damen vor!“, schallte es aus dem Lautsprecher - aber wie?? Rad über die Absperrung, vorgehen, Rad wieder über die Absperrung, reinquetschen. Ok ich stehe im wohl richtigen Startblock, zumindest einige Frauen rundherum. Kurz vor 6.30 Startschuss für den ersten Block. Laut Ausschreibung folgt der für die Damen eine Minute später. Aber einige Frauen fahren los, einige sind wie ich zögerlich. Ok, dann fahren wir auch los. Rasch hat sich eine Damen-Gruppe gebildet, die Anschluss zu den Männern gefunden hat. Im schnellen Tempo mit Abwechseln in der Führung (auch wir Damen können Führungsarbeit machen) kamen wir zur Postalm. Schwupp, die Gruppe löste sich auf. Jetzt waren wir drei Damen, die gemeinsam den Berg eroberten. Teils quatschend, teils schweigend. Wir holten einige Männer ein, die dann meinten, wenn ihr reden könnt, dann gebt ihr noch nicht alles? Warum beim ersten Berg alles geben, waren doch erst 43 km gefahren. Die Logik haben wir nicht verstanden, aber gut, jede*r hat eine eigene Taktik. Oben angekommen, hieß es wieder bergab. Ich gestehe, dass ich ein kleiner Hasenfuß werde und jedes Jahr immer mehr Angst dazukommt.

Gut, die beiden anderen Damen hatte ich verloren aber dafür eine Gruppe Männer gefunden. Jetzt heißt es zusammenbleiben, wenn es geht. Rasch flitzten wir dahin, dazwischen immer wieder leichte Steigungen. Nur nicht abreißen. Alles alleine zu fahren ist sicherlich schrecklich. Die kleine Gruppe traf auf einen Mann in Gelb. Am Berg und auf den Hügeln hatten wir ihn unzählige Male überholt. Im Flachen ist er mit Gruppen wieder angerauscht. Wir waren nun zu viert. Da heißt es für alle zu arbeiten - nur der gelbe Mann nicht. Wenn er an der Reihe war, ist er sofort nach hinten abgefallen, hat es nie probiert, auch nur ein Stück vorne zu fahren. Bis es mir reichte. Es war heiß, die Mittagssonne kam jetzt so richtig raus. Der Fahrtwind war noch heißer und wir alle mussten kämpfen. Nachdem ich meine Führungsarbeit erledigt hatte, ließ ich mich abfallen auf Höhe des gelben Mannes. „Entweder machst du in der Führungsarbeit mit oder du schleichst dich aus der Gruppe“ kam es aus meinem Mund. Plötzlich bekam ich die Zustimmung der beiden anderen Herren. „Ja genau, so geht das nicht. Schau doch, die Frau macht genauso mit“ stimmten die anderen zu. Da kam doch wieder ein Hügel und – schwupp – war der Mann in Gelb kein Thema mehr.

Plötzlich mussten wir anhalten, da die Straße für die Damen gesperrt wurde, die die Staatsmeisterschaften bestritten. So ein Mist. Gute zehn Minuten mussten wir warten, immer mehr Gruppen kamen an. Jetzt waren wir eine riesige Gruppe. Weiter zu nächsten Labe. Jetzt war mein Wunsch nach einer Labe schon sehr groß. Nur noch wenig Wasser in den Flaschen und dieses kochte nahezu. Dann begann der Kampf am Tisch - schnell Wasser rein und los. Doch auch dieses Wasser war warm, keine Abkühlung - mir war nur noch heiß! Eine nächste gute Gruppe gefunden und es geht zum Attersee. Ah da kommen Erinnerungen auf - King of the Lake. Ich musste kurz schmunzeln, sehr schöne Erinnerungen.

Dann kam der Anstieg und ich verlor meine Gruppe. Lonely Girl ab diesem Zeitpunkt. Jetzt kamen zur Hitze noch Frust und Zweifel dazu. Plötzlich tauchte eine „Labe“ auf, aber es war keine offizielle. An einem Anstieg hatten sich Privatpersonen der armen Radfahrer*innen erbarmt und eine selbstgemachte Labe aufgebaut. Das Beste vom ganzen Rennen - kaltes Wasser und Dusche. Sie waren sehr erstaunt als ich sie bat, das Wasser über den ganzen Körper zu leeren. Ich war überhitzt wie schon lange nicht. Mein Kopf fühlte sich wie ein Druckkochtopf an, der kein Ventil hat, Kreislaufprobleme kamen hinzu. Aber mit der Dusche war mit einem Schlag alles weg. Das war die beste Labe.

Abgekühlt ging es wieder locker weiter, zum letzten Berg. Relativ bald kam ich zur letzten offiziellen Labe. Diese hatte endlich einen Schlauch, mit dem man sich nochmal richtig abkühlen konnte. So komme ich gut weiter. Bei der Abfahrt überholten mich die Elite Männer und ich bleib kurz am Straßenrand stehen. Wuuummmm und weg waren sie. Beeindruckend, so ein Rennen aus der nächsten Nähe zu beobachten, gleichzeitig auch Angst. Möchte von so einem Fahrer nicht erwischt werden. Mühsam kämpfte ich mich ins Ziel und freute mich auf den letzten zehn Kilometern über die männliche Begleitung. 9,8,7…… Endlich Ziel. 7 Stunden 40 die offizielle Zeit, laut Garmin 7 Stunden 23, da die Stehzeit ja abgezogen wurde. Geschafft!! Das Beste kam zum Schluss. Der gelbe Mann kam nach mir ins Ziel und hatte mich sicherlich aufgrund meiner Mitzi-Dress sofort gesehen. Er gratulierte mir und entschuldigte sich für sein Verhalten - das rechne ich ihm hoch an. Ich habe bei diesem Rennen jedenfalls meine Grenzen ausgetestet.

Fotos: Marathon Photos

ÖSTM Straße

Die Elite Damen waren auf der 140, die Herren auf der 200 Kilometer langen Strecke des Radmarathons unterwegs. Aufgrund von Straßensperren und wenigen Ausweich- und Abkürzungsmöglichkeiten war es nicht möglich, an mehreren Orten zu fotografieren – außer man ist mit dem Motorrad im Feld unterwegs. Ich konnte das Herrenfeld auf der Postalm abpassen – in einer der schönsten Kurven des Anstiegs -, und war beim Zieleinlauf in Mondsee in Position. Gratulation an Patrick Konrad, der für die kommenden 12 Monate mit Stolz das Nationalmeister-Trikot tragen wird!

"DNF" beim Super Giro Dolomiti

Oft heißt es ja, Geschichten des Scheiterns wären besser und spannender als jene der Sieger… In diesem Geiste möchte ich das Wochenende des Super Giro Dolomiti aufarbeiten, das mir das erste „DNF“ meiner sogenannten Rennkarriere beschert hat.

Giro

Es hat großartig begonnen, so wie eigentlich jeder Tag und jedes Wochenende in Osttirol immer positiv verläuft! Das Wochenende vor dem Rennen gastierte der Giro d´Italia in Südtirol, da lag ein Ausflug nach Olang zum Start natürlich nahe. Das Panorama der Dolomiten gepaart mit Profiradsport ist ein herrlicher Mix und näher an die österreichische Grenze kann eine Grande Tour auch gar nicht kommen. Auch wenn die Situation am Start etwas unübersichtlich war (der Parkplatz mit den Teambussen und Fahrern befand sich rund 2-3 Kilometer von der Startlinie entfernt) und damit nur die Möglichkeit blieb, die Fahrer am Weg zur Startaufstellung kurz abzupassen – der Start einer Giro-Etappe ist immer ein Ereignis, in Italien noch einmal mehr, da die Menschen auf die Straße gehen, gerne mittendrin dabei sind und Radsport dann doch noch etwas mehr l(i)eben, als wir das tun.

Bora

Zeitgleich waren auch die Fahrer des Teams Bora-Hansgrohe in Osttirol – Höhentrainingslager stand dort auf dem Programm. Mit von der Partie unter anderem die österreichische Phallanx Konrad, Pöstlberger, Mühlberger. Spontane Einfälle bringen oft die besten Ergebnisse, der Kamerarucksack war ohnehin dabei – und so ergab sich die Möglichkeit, die Jungs von Bora auf einer Trainingsfahrt auf den Glockner zu begleiten. Fotomotive der besten Art tun sich auf und der Auslöser der Kamera rattert nur so vor sich hin! Dass ich bei all dem Fotografieren nicht zum Radfahren komme, ist eine andere Geschichte – aber dazu kommen wir noch…

Dolomitenrundfahrt

Leser*innen von 169k wissen mittlerweile, dass ich oft und liebend gerne in Osttirol bin. Die Dolomitenradrundfahrt, die jedes Jahr Anfang Juni stattfindet, war daher schon immer etwas Besonderes in meinem Kalender – ist sie doch so etwas wie mein zweites Heimrennen. Die Strecke über den Gailberg, durchs Lesachtal und zurück nach Lienz kenne ich mittlerweile ganz gut – sowohl die positiven als auch die weniger positiven Aspekte. Wobei „weniger positiv“ natürlich eine Frage der Perspektive ist. Mit genügend Training und mentaler Stärke, kann einem das Lesachtal nichts anhaben. Erst wenn man angeschlagen, müde oder nicht ganz so fit ist, rächen sich die rund 20 „Hügel“, die sich in einem ständigen Auf und Ab auf einer Länge von rund 40 Kilometern aneinanderreihen. Irgendwo müssen diese 1.400 Höhenmeter ja auch versteckt sein. Die Lesachtalrunde bin ich also schon ein paar Mal gefahren, sowohl als Trainings- oder Genussrunde als auch im Rennen bei der Dolomitenradrundfahrt. Am Rennwochenende steht allerdings noch eine zweite Option zur Verfügung, der Super Giro Dolomiti.

Super Giro Was?

Viele verwechseln ihn beim ersten Mal Hören mit dem Maratona d´les Dolomites, dieser Riesenveranstaltung jenseits der Grenze, die immer Anfang Juli auf dem Programm steht und mit mehreren tausend Teilnehmern, Fernsehübertragung und mythenbehafteten Anstiegen zu einem der größten Radsportevents der Welt zählt. Der Super Giro Dolomiti gibt sich da weitaus bescheidener, obwohl er sich nominell keineswegs verstecken muss. Um ein anderes großes Radsportevents als Vergleich heranzuziehen – der Super Giro weist ungefähr die gleichen Zahlen auf wie der Ötztaler Radmarathon. Auf rund 230 Kilometern versammelt der Super Giro rund 5.000 Höhenmeter, die Charakteristik der Strecke ist allerdings eine andere als beispielsweise beim Ötztaler. Die Anstiege sind mitunter kürzer, die Belastung abwechslungsreicher, die Steigungen giftiger. Die Tatsache, dass der Super Giro Anfang Juni stattfindet, setzt zudem voraus, dass man recht fit aus dem Frühjahr kommt.

Die „Ur-Strecke“ des Super Giro führt über Gailberg und Plöckenpass nach Italien, über den Lanzenpass – eine alte, schmale Militärstraße mit bis zu 19% steilen Rampen – weiter Richtung Osten bevor man über das Nassfeld wieder nach Österreich gelangt und schließlich durch Gail-, Lesach- und Pustertal zurück nach Lienz fährt. Je nach Definition eines „Berges“ sind derer fünf oder sechs zu überwinden, von kurz & flach über länger & flach bis hin zu kurz & sehr steil und lange & steil. Die Gegend südlich der Dolomiten bzw. Karawanken ist allerdings eine raue und als solche jeden Winter aufs Neue unzähligen Wettersituationen ausgesetzt, die einem einwandfreien Zustand der Straßen nicht unbedingt zuträglich sind. Schnee, Eis, Unwetter, Felsstürze und allerlei mehr sind dort keine Seltenheit, dementsprechend musste auch der Super Giro mit seiner Strecke schon mehrmals ausweichen. Kein Problem, stehen doch im näheren Umkreis Alternativen zur Verfügung, die auch Hand und Fuß haben – hat da jemand „Zoncolan“ gesagt? Der Lanzenpass ist dabei so etwas wie das schwächste Glied – schon in seiner Grundauslegung als alte Militärstraße nicht gerade für den Massenverkehr dimensioniert, besteht außerdem bei Schäden, Felsstürzen und Ähnlichem bei den italienischen Behörden keine allzu große Dringlichkeit, Dinge dort schnell wieder zu richten. 2016 wurde deshalb schon einmal auf den Monte Zoncolan ausgewichen – bei wem an dieser Stelle keine Alarmglocken klingeln, der schau sich auf Youtube einmal ein paar Videos zum Monte Zoncolan an oder das Strava-Segment des Anstiegs von Ovaro aus!

Ende 2018 wurde dann noch das halbe Lesachtal bei Unwettern weggespült, die Spuren davon sind auf den Straßen bis heute sichtbar. Im Besonderen in Form einer Ersatzstraße, die vor Maria Luggau errichtet werden musste, um die Passage des Lesachtals überhaupt erst zu ermöglichen. Für das Rennen 2019 kursierten im Vorfeld daher unterschiedliche Varianten. Zuerst wurde kommuniziert, dass die „Ur-Strecke“ aufgrund von massiven Schäden am Lanzenpass nicht befahren werden kann und es wurde der Monte Zoncolan (analog zu 2016) als Ersatz auserkoren – ein Raunen und eine Mischung aus Angst und Begeisterung ging durch die Foren. Kurz darauf wurde allerdings der Zoncolan wieder von der Karte gestrichen, da auch dieser angeblich Frost- und andere Winterschäden aufweisen würde. Es wurde eine Ersatzschleife über Arta Terme und Paularo entworfen, die dann allerdings für die hartgesottenen „Höhenmeterfresser“ fast an eine Enttäuschung grenzte – so war es zumindest in vereinzelten Postings zu lesen. Andererseits war die neue Strecke mit rund 210 Kilometern und 4.800 Höhenmetern für Leute wie mich noch immer eine sehr große Nummer und angesichts eines regnerischen Frühjahrs und dadurch fehlenden Trainingskilometern nicht ganz unwillkommen!

Das Rennen!

Im Vergleich zur kürzeren Dolomitenradrundfahrt ist das Starterfeld des Super Giro Dolomiti noch etwas überschaubarer. Das hat Nachteile – die Wahrscheinlichkeit, in einer späteren Phase des Rennens noch mit einer gut funktionierenden Gruppe fahren zu können, sinkt dramatisch - aber auch Vorteile: Die Startphase ist entspannt und völlig unproblematisch. Ohne jegliche Zwischenfälle oder brenzlige Situationen rollt das Feld aus Lienz hinaus in Richtung Oberdrauburg. Die Temperaturen zum Start um 6:30 sind frisch und angenehm bei rund 13 Grad - warm genug, um die Jacke schon vor dem Start auszuziehen und auf Ärmlinge zu verzichten. Das Wetter ist ein wesentlicher Faktor – auch da gab es in den vergangenen Jahren schon alles, was der Himmel zu bieten hat. Gewitter, Wolkenbrüche, Temperaturstürze, große Hitze, Wind – die hohen Berge der (Lienzer) Dolomiten sind hier nicht zu unterschätzen, eine Nofall-Jacke mitzuführen ist grundsätzlich eine intelligente Option.

Bis Oberdrauburg gilt es, das Rennen zu genießen und in der großen Gruppe mit knapp über 40 Km/h Schnitt dahinzugleiten – es wird dieser Abschnitt der erste und letzte sein, in dem man in den Genuss eines ausgeprägten Windschattens kommt. Ab dem Gailberg – also den Bergen – wird nunmehr jede*r ihr und sein Tempo fahren, größere Gruppen werden sich keine mehr finden. Der Gailberg ist nominell keine allzu große Herausforderung, je nachdem in welchem Tempo man ihn befährt. Erfahrungsgemäß sind es ja oft die kleineren Hügel oder sogar die Flachpassagen, in denen man sich vernichtet – während alles und jeder auf die großen Prüfungen vorbereitet ist, vergisst man nur allzu oft, dazwischen mit seinen Kräften zu haushalten. Nach dem Gailberg geht es hinunter nach Kötschach-Mauthen, von hier entstammt meine Mutter – Grund genug, dort jedes Mal kurz unbestimmt in die Gegend zu winken, wenn ich vorbeifahre. Durch Kötschach geht es weiter Richtung Süden und für mich auf unbekanntes Terrain. So oft ich schon in Lienz und im Gailtal war, noch nie hat es mich hier über die Grenze verschlagen. Den Anstieg auf den Plöckenpass habe ich mir im Vorfeld auf Strava angeschaut, auch hier war nichts dabei, was mich nominell riesig erschreckt hätte. Umso mehr überraschen mich die hohen Steigungsprozente im Anstieg, die ihren Höhepunkt im stockfinsteren Tunnel vor der Passhöhe erreichen – 17%? Der Wahoo hat kein Signal mehr und jegliche Messung von Geschwindigkeit und Anstieg bleibt stehen. Ich werde nie erfahren, wie steil es dort wirklich ist, gefühlt zu steil, um gemütlich bergauf zu kurbeln. Mir schwant Böses, vielleicht waren die durchschnittlichen Steigungen auf Strava ein Ergebnis der nicht aufgezeichneten Steigungen in den Tunnels? Dann müsste ich auch meine Einschätzung über die Südseite des Plöcken erneuern, dort hat Strava überhaupt nur 4% Durchschnittssteigung ausgegeben! Aber alles zu seiner Zeit, davor gilt es noch, andere Prüfungen zu meistern.

Bei der Labe oben am Plöcken fülle ich meine Flaschen auf und richte einen Riegel her, den ich dann während der Abfahrt essen kann. Dabei hab ich ein neues System entwickelt: Ich nehme den Riegel (z.B. meinen ClifBar) aus der Verpackung und stecke nur den Riegel unter den Beinabschluss meiner Hose. Von dort kann ich jetzt Stück für Stück vom Riegel abbrechen und in Ruhe essen. Es hat mich immer gestresst, den Riegel komplett in der Hand halten zu müssen während dem Fahren, vor allem weil die ClifBars ja keine Riegel sind, die man schnell einmal kaut und hinunterschluckt. Im Vorfeld habe ich mich ja mit meiner Ernährungsberaterin Caro vorbereitet und auch für dieses Rennen ein paar Dinge ausprobiert. Die Ernährung während des Rennens war ein Teil davon, wann ich welche Riegel und Gels zu mir nehmen soll, entnehme ich vertrauensvoll dem Plan, den mir Caro noch per Mail zugeschickt hat.

Es geht vom Plöcken hinunter Richtung Paluzza, es rollt gut, der Tacho zeigt immer irgendetwas über 40 an. Habe ich die Abfahrt noch alleine begonnen, haben sich rund um mich nun noch ein paar Fahrer zusammengefunden, gemeinsam geht’s dann doch nochmal schneller und im Nu ist der südlichste Punkt der Strecke bei Arta Terme bzw. Cedarchis erreicht. Es geht sofort wieder bergauf auf eine kleine Straße, die sich den Hang entlang schmiegt und moderat aber stetig ansteigt. Der plötzlich fehlende Fahrtwind lässt mich recht unvermittelt spüren, dass es mittlerweile recht heiß geworden ist. Die Sonne strahlt am blauen Himmel, wir sind südlich der Karnischen Alpen, es hat knapp unter 30 Grad. Zu viert fahren wir die Straße entlang, das Tempo nicht sonderlich hoch, der Weg an sich nicht besonders anspruchsvoll. Ich lasse die kleine Labe aus, an die wir gemeinsam kommen – blöde Idee, wie sich später herausstellen soll. Bevor ich allerdings über die Tragweite irgendwelcher Entscheidungen nachdenken kann, beginnt eine abwechslungsreiche Zwischenabfahrt durch kleine Dörfer, vorbei an gutbesetzten Cafés, durch flowige Kurven, weiter hinein ins Tal. Paularo erscheint am Ende des Tals, der Wendepunkt der Strecke – auf der Originalstrecke würde man hier zum Lanzenpass abzweigen. Ich habe mir vor dem Rennen ein paar Abschnitte der Strecke auf Google Street View angesehen – nicht wegen irgendwelchen Details sondern um einen generellen Eindruck zu bekommen. Von Paularo ist mir in Erinnerung geblieben, dass es sehr steil zur Kirche hinauf geht, dann aber oben eine Art Hochplateau kommen soll. Wäre meine Recherche da nur mal ausführlicher gewesen… Den Stich zur Kirche von Paularo hinauf – mit seinen knapp 20% Steigung – konnte ich da noch irgendwie überwinden, dass danach allerdings kein Hochplateau sondern weitere fünf Kilometer mit rund 12% folgen würden, war fatal!

Worst comes to worst

Da war ich nun im Anstieg von Paularo nach Ligosullo. Manche jener, die sich im Vorfeld noch beschwert hatten, dass der Monte Zoncolan nicht Teil der Strecke war, sind hier wohl eines Besseren belehrt worden. Gut, der Monte Zoncolan ist noch einmal ein Kaliber ärger, aber das war mir persönlich in diesem Moment nicht einmal ein schwacher Trost. Und spätestens hier dämmerte mir auch zum ersten Mal, dass ich bis dorthin viel zu wenig getrunken UND zusätzlich auch noch die letzte Labe ausgelassen hatte - Bravo, Martin! Caro hatte mir im Vorfeld auch gesagt, ich solle viel trinken – „No na…“, aber warum mach ich es dann nicht? Die Flüssigkeitsreste aus meinen Flaschen hatte ich am Ende des Anstiegs schon längst bis auf den letzten Tropfen in mich geleert, mein Flüssigkeitshaushalt und damit auch mein Kreislauf waren an dieser Stelle allerdings schon nachhaltig beleidigt. Da half auch die Akut-Ration Extra-Wasser und Iso-Drink bei der nächsten Labe nichts mehr. Ich kenne meinen Körper mittlerweile ganz gut und weiß in den meisten Situationen, wie ich gewisse Signale zu deuten habe.

Und dann kam noch ein Punkt dazu, den ich ganz ohne Gram und Reue akzeptieren muss: ich hatte im Jahr 2019 einfach noch nicht genug Kilometer in den Beinen. Mit etwas mehr Fitness und Power wären solche Tiefs noch eher zu übertauchen gewesen, hätte ich über den schmerzenden Rücken und Nacken eher hinweggesehen, wären die noch bevorstehenden (100) Kilometer weniger respekteinflößend gewesen.

Nach der Labe in Ligosullo waren Downhill-Kilometer angesagt - immer eine willkommene Gelegenheit, sich etwas auszuruhen und oft schaut die Welt nach einer kurzen Abfahrt schon wieder ganz anders aus als wenn man gerade erst am Ende eines Anstiegs erschöpft aus dem Sattel gestiegen ist. Waren bei der Labe noch einige Leute um mich herum, war ich in der Abfahrt plötzlich mutterseelenalleine. Erste Zweifel kamen auf, ob ich denn noch auf der richtigen Strecke war – die Abfahrt war verwinkelt, die Kehren eng, bei einer der etlichen Abzweigungen hätte man schon falsch abbiegen können… Endlich kam aber wieder eines der Streckenmarkierungsschilder in den Blick und die Fahrt konnte ungehindert fortgesetzt werden – ich hätte da keinen Meter wieder bergauf zurückfahren wollen.

In Paluzza war schließlich die Bundesstraße wieder erreicht, auf der wir eine Stunde zuvor hinuntergekommen waren. „What went down, must go up“ – oder so ähnlich, die gleiche Strecke wieder hoch zu müssen, auf der man zuvor runtergefahren ist, kann eine psychische Herausforderung sein. An dieser Stelle war ich ohnehin schon eher im Sparmodus unterwegs, daher: in den ersten Gang schalten und locker den Berg raufkurbeln. Die Aussicht auf 16 Kilometer Anstieg hinauf bis zum Plöckenpass und zur nächsten (notwendigen) Labe haben mich dann allerdings gebrochen. Die Temperaturanzeige am Wahoo begann bei 30 Grad im noch halbwegs geschützten Paluzza und zeigte einen Maximalwert von 38 Grad mitten im Anstieg zum Plöcken, auf den direkt vom Süden schön die Sonne draufknallte. Auch wenn der Wahoo hier mehr Grad anzeigte, als es wirklich waren… 20 Grad mehr als beim Start wenige Stunden zuvor und meine wenig intelligente Flüssigkeitsversorgung taten das ihrige. Es dauerte gefühlt mehrere Stunden, bis ich oben am Plöcken Richtung Labe rollte. Der Entschluss, das Rennen nicht fertigzufahren, war zu diesem Zeitpunkt schon gefällt – ich hatte ja genug Zeit, im Anstieg meine Gedanken zu sortieren, Argumente abzuwägen und Optionen durchzudenken. Ich kenne das Lesachtal und weiß, welche Herausforderungen dort noch auf die Fahrer*innen warten - auch wenn ich weiterfahren hätte wollen, es wäre nicht wirklich zielführend gewesen. 1.400 Höhenmeter noch bis ins Ziel? – zu viel für mich an diesem Tag.

Oben am Plöcken reicht ein kurzer Anruf bei der Familie in Lienz und der Abholservice setzt sich dankenswerterweise in Bewegung. Die Abfahrt vom Plöcken nehme ich noch mit, quasi Ausrollen denke ich mir. Der (wirklich) schlechte Belag in der Abfahrt und die wenigen kurzen Gegensteigungen räumen die letzten Zweifel aus, ob ich nicht doch weiterfahren hätte sollen. Ich bin müde und fertig, rolle am Streckenposten in Kötschach vorbei, der mich verzweifelt auf die (richtige) Strecke zurücklotsen will.

Mein privates Taxi rollt auf den Kirchenvorplatz von Kötschach während ich auf der Mauer liege und meine Beine hochlagere. Mein Schwager ist so lieb und holt mich ab, reagiert verständnisvoll und tröstet mich mit Aussicht auf die bevorstehende Grillerei im Garten. Wobei Trost brauche ich an dieser Stelle keinen, das Rennen vorzeitig zu beenden stürzt mich weder in eine existenzialistische Krise noch lässt es mich am meiner grundsätzlichen Leistungsfähigkeit oder am Spaß des Radfahrens zweifeln.

Ursachen?

Die Ursachenforschung ist ebenso schnell erledigt bzw. hatte ich genügend Zeit, im Anstieg zum Plöcken darüber nachzudenken.

Nummer 1: Ich habe schlecht gehaushaltet. Während die feste Ernährung gut funktioniert hat, habe ich einfach nicht genug getrunken. Und da kann mir eigentlich keiner helfen, Caro kann noch so oft sagen „Viel trinken“. Man sollte sich halt auch daran halten! So reizvoll es auch ist, an Laben flott vorbeizufahren, stehenbleiben und nachfüllen stellt die bessere Lösung dar – vor allem, wenn es um die Entscheidung zwischen Gesamtrang 245 und 238 geht.

Nummer 2: Ich habe schlicht und ergreifend zu wenig Kilometer gesammelt in meinem bisherigen Jahr 2019. Egal, wo die Gründe dafür liegen und warum es sich da und dort vielleicht nicht so ausgegangen ist, wie es geplant war. Ein Rennen über 210 Kilometer mit etlichen Höhenmetern bedarf einfach eines gewissen Trainingszustands, hier habe ich das Ganze vielleicht etwas zu sehr auf die leichte Schulter genommen.

Wie geht’s weiter?

Googelt man „DNF“ kommen Ergebnisse wie „Disjunktive Normalform“, „Deutsch-Norwegische Freundschaftsgesellschaft“ oder „Duke Nukem Forever“. Leider lässt sich aus keinem dieser Akronyme ein unterhaltsamer Schlusssatz für diesen Blogpost basteln. Ich probiers einfach mal mit „Dieses Rennen Nochmal Fahren“!

Disclaimer

Die Teilnahme fand auf Einladung des Veranstalters statt, die Rennfotos wurden durch Sportograf gemacht.

Alpen Tour - Martins Nachlese

Im Vorfeld der Alpentour Trophy Anfang Juni wurde hier ja schon einiges berichtet - jetzt hat Martin, der sich für 169k ins anspruchsvolle Rennen gewagt hat, seine Erfahrungen und Eindrücke zusammengefasst. Viel Spaß beim Lesen!

Seit der letzten Etappe sind jetzt einige Tage und meine Bachelor Prüfung erfolgreich vergangen und ich werde versuchen die Tage der Alpentour hier Revue passieren zu lassen.

Tag 0, Mittwoch 05.06.2019, Die Anreise

Schon voller Vorfreude beginnt der Tag und ich packe mein Auto mit sämtlichem Zeug für das bevorstehende Etappenrennen. Seit Jahren nehme ich mir vor, mir endlich eine Packliste zu schreiben - Fakt ist, die gibt es noch immer nicht. So läuft das Packen jedes Mal gleich ab. Kasten auf, Koffer auf und alles Mögliche reinwerfen - Nervenkitzel beim Auspacken am Rennort inklusive.

Die Anreise verlief absolut problemlos. Auch der Check-In im vom Veranstalter zur Verfügung gestellten Hotel war flott erledigt. Kurz darauf rief auch schon mein Bekannter Philipp Wetzelberger an, der die Alpentour heuer bereits das fünfte Mal in Angriff nahm. Wir einigten uns auf einen Treffpunkt, um das Einfahren für die morgige erste Etappe gemeinsam zu erledigen.

Das besondere bei der Alpentour ist nicht nur der tägliche Start in Schladming, sondern auch der Schlussanstieg vom Gasthaus Landalm Richtung Planai mit Zielabfahrt durch den Zielhang des Bikeparks Planai. Dieser Abschnitt wird bei den ersten drei Etappen immer gleich befahren. Da liegt es natürlich nahe, diesen Abschnitt zu besichtigen. Bei strahlend blauem Himmel absolvierten wir die Schlussrunde und streuten ein paar Intervalle ein um die Beine für die erste Etappe in Schwung zu bringen. Nach gelungenen 90 Minuten am Bike ging es zurück ins Hotel und ab zur Startnummernabholung in der Tenne Planai. Bevor ich den Chip für die Zeitnehmung und die Startnummer montiere wird das Bike natürlich noch gereinigt und geschmiert. Da es am ersten Abend noch kein gemeinsames Abendessen im Kongress gibt, treffe ich mich mit der lieben Alina Reichert, einer der Damen Elite Starterinnen zum Pizzaessen im Ort. Nachdem der Magen für die erste Etappe gefüllt war gings noch schnell zum Riders Briefing. Hier mussten wir erfahren, dass die erste Etappe aufgrund der enormen Schneemassen des Winters um ein paar Höhenmeter gekürzt wird. Der höchste Punkt der Türlwand und der Rittisberg waren noch nicht passierbar. Macht nichts dachte ich mir, kommt mir als Medium Distanz-Fahrer eh entgegen. Dann gings aber rasch ins Bett, schließlich warteten 2500 hm verteilt auf 64 km.

Tag 1, Donnerstag, 06.06.2019, Etappe 1 Türlwand

Der Tag der ersten Etappe begann wie der letzte endete, mit blauem Himmel und hohen Temperaturen bereits in der Früh. Nach einem ausgezeichneten Frühstück rund drei Stunden vor dem Start, um meinem Magen ausreichend Zeit zur Verdauung zu genehmigen, ging es nach einem kurzen Aufwärmprogramm zum Start. Dieser war heuer Aufgrund der Bauarbeiten für die neue Planai-Seilbahn, anders als die Jahre zuvor, beim Kongress in Schladming. 20 Minuten vor 10:00 begann der Rennleiter die Elitefahrer für die Startaufstellung aufzurufen. Da ich nur einen Weltranglisten-Punkt hatte, befand ich mich am hinteren Ende des Elitefeldes.

Pünktlich um 10:00 viel der Startschuss. Da die ersten drei Kilometer neutralisiert hinter dem Auto des Rennleiters erfolgten, ging es am schmalen Ennstal-Radweg ganz schön hektisch zu. Doch sobald der Startschuss ein zweites Mal erklang, war die Neutralisierung aufgehoben und die Profis wie Daniel Geismayr und Alban Lakata drückten mächtig aufs Gas. Das Feld von rund 400 Startern zog sich dadurch ordentlich in die Länge und es wurde sofort etwas entspannter. Auf einem schmalen Waldweg ging es zunächst steiler und dann bald flowig über Wurzeln und Steine rauf in die Ramsau. Von dort ging es über den Winterwanderweg hinauf Richtung Türlwand. Anders als die Jahre zuvor mussten wir bereits ca. 100 hm unter der Türlwand hinüber Richtung Adlerlifte queren. Hier galt es, etliche Schneefelder und schwierige Wiesenschräghänge mit Geschick zu überwinden. Da lacht das Mountainbiker-Herz. Wieder in der Ramsau angekommen ging es über Langlaufloipen direkt ins Langlaufzentrum am Fuße des Kulms. Dort wartete zum Glück schon Sandra vom RC Sport Vollmann-Team mit einer vollen Flasche auf mich - Danke dafür! Jetzt ging es direkt neben der Sprungschanze in extrem steilen Serpentinen auf den Kulm hinauf. Daheim im Wienerwald frag ich mich oft, wozu ich das 50er Ritzel auf meiner Kassette brauche - jetzt weiß ich es.

Oben angekommen ging es zunächst flach in Richtung Vorberg, von dort dann über einen steilen und erdigen Singletrail hinunter nach Pichl zur zweiten TFZ. Von dort ging es ohne Verschnaufpause gleich wieder bergauf auf die Hochwurzen, hier mussten viele Fahrer dem hohen Anfangstempo und den heißen Temperaturen Tribut zollen und ich konnte noch etliche Fahrer überholen. Nach der Hochwurzen galt es nur mehr, den am Vortag besichtigten Schluss zu bewältigen. Das Besichtigen hat sich definitiv ausgezahlt, konnte ich doch bergab gleich eine der schnelleren Zeiten hinlegen. Müde aber glücklich erreiche ich nach 03:39 das Ziel auf dem 29. Platz in der Elite. Die Freude ist groß, schließlich bekommen bei einem Rennen der S1 Kategorie die ersten 34 Plätze Weltcuppunkte.

Nach dem Motto Maschine vor Fahrer kümmerte ich mich gleich im Planai-Zielraum um die Reinigung meines Bikes. Hier warten – vorbildlich - etliche Waschplätze auf die erschöpften Fahrer. Gegen eine kleine Gebühr wäre es auch möglich das Bike im Bikeshop abzugeben und am nächsten Tag das frisch servicierte Bike für die zweite Etappe in Empfang zu nehmen.

Danach ging es sofort ins Hotel und unter die Dusche. Der Vanille Recovery Shake tat dann auch richtig gut. Ehe es um 18:00 ins Kongress Zentrum zum gemeinsamen (vorzüglichen!) Abendessen ging, war noch etwas Zeit, die wunderschönen Landschaftsbilder der 1. Etappe Revue passieren zu lassen.

Das gemeinsame Abendessen mit 400 Gleichgesinnten und die täglichen Siegerehrungen inklusive der Überreichung der Leaderjerseys ist sicher ein Highlight der Alpentour. Hier sitzen Olympiasieger wie Sabine Spitz mit Hobbysportlern gemeinsam am Tisch und unterhalten sich über unser aller liebstes Hobby, das Radfahren.

Nach dem Essen gibt es noch die wichtigsten Infos für den nächsten Tag. Aufgrund der enormen Schneemassen konnte die Etappe über die Giglachseen nicht stattfinden. Stattdessen ging es über die Reiteralm. Vorbildlich gibt es immer schon am Vortag den GPS-Track auf der Alpentour-Homepage zum Download.

Strava

Tag 2, Freitag, 07.06.2019, Reiteralm

Tagwache um 07:00 - puhh die Beine haben sich auch schon mal frischer angefühlt. Der erste Weg am Frühstückbuffet führt mich deshalb gleich direkt zur Kaffeemaschine. Gut gestärkt ging es wieder pünktlich um 10:00 los - diesmal aufgrund der Ergebnisse des Vortages sogar etwas weiter vorne in der Startaufstellung. Es ging erneut hinauf in die Ramsau, diesmal aber ohne Umwege direkt runter nach Pichl und hinein in den langen Anstieg auf die Reiteralm. Die Beine fühlten sich grauenhaft an und der eine oder andere Krampf kündigte sich an. Hier kam das erste Mal meine Geheimwaffe, konzentriertes Essigwasser, erhältlich z.B. von Sponser Sportfood (Muscle Relax) zum Einsatz. Zwar waren meine Beine danach genauso müde wie zuvor, jedoch ging es krampffrei weiter. Noch unter dem Gipfel der Reiteralm querten wir hinüber zur Hochwurzen. Anders als am Vortag ging es diesmal bis auf den höchsten Punkt der Hochwurzen. Bereits am Beginn der Abfahrt schloss ich zur österreichischen Marathon-Staatsmeisterin Angelika Tazreiter auf. Gemeinsam ging es zurück nach Schladming. Angelika fuhr bergauf extrem stark und ich hatte schwer zu kämpfen, den Anschluss zu halten. Nach etwas über drei Stunden überquerte ich als 34. die Ziellinie, somit fiel ich auch im Gesamtklassement auf den 34. Platz zurück. Scheinbar haben sich die anderen besser von den Strapazen des Vortages erholt. Ziemlich erschöpft fiel die Bikewäsche heute noch dürftiger aus als gestern. Um die Beine bei der Regeneration zu unterstützen, rollte ich noch gemütlich den Ennstal-Radweg entlang und genoss das wunderbare Bergpanorama. Dabei fiel mir ein ungewohntes Geräusch von meinem Rad auf, bei der genaueren Betrachtung konnte ich erkennen, dass die Karbonstreben meines Sattels an zwei Stellen gebrochen waren. Zum Glück dürfte dieser Schaden erst gegen Ende aufgetreten sein und noch größeres Glück war, dass ich noch Ersatz mit hatte.

Die gemütlichen Abende im Kongress finden immer unter einem Motto statt, der Freitag war der Steiermark-Abend. Das Essen war schon wie am Vorabend hervorragend und ideal, um die leeren Speicher für die bevorstehenden Tage zu füllen. Außerdem wurden heute ein Dirndl und eine Lederhose verlost. ☺

Ähnlich wie am Tag zuvor waren die Siegerehrungen kurz vor 20:00 erledigt und ich machte mich auf ins Hotelzimmer, um mich für die dritte Etappe auszurasten.

Strava

Tag 3, Samstag, 08.06.2019, Hauser Kaibling

Überraschenderweise fiel mir das Aufstehen am dritten Tag wieder deutlich leichter als noch am Tag zuvor. Auch das Morgenritual vor dem Start um 10:00 ist schon gut einstudiert. Die heutige Etappe wird die einzige sein, die wie geplant durchgeführt werden kann. Der Start erfolgt wieder neutralisiert und es geht hinauf in die Ramsau Richtung Lodenwalker - eine Gegend, die ich gut aus dem Winter kenne. Der flowige Waldweg wird ringsum von wunderschönen Ausblicken auf Dachstein und Co. gesäumt. Vorbei am Fliegenpilz - einer kleinen Jausenstation - geht’s runter Richtung Haus im Ennstal. Die erste Labestation befindet sich direkt am Parkplatz der Seilbahn, super für alle Betreuer zu erreichen. Hier muss man den Veranstalter gleich loben, alle TFZ’s der Etappen sind schnell und unkompliziert mit dem Auto erreichbar, das ist nicht immer so. Und auch wenn man so wie für die zweite TFZ am Hauser Kaibling die Seilbahn benötigt, ist das kein Problem, da die Benutzung mit der Schladming/Dachstein-Gästekarte, die man in jeder Unterkunft bekommt, kostenlos ist.

Der gleichmäßige Anstieg auf den Hauser Kaibling, der zugleich der östlichste Punkt der Schladminger 4-Berge-Schischaukel ist, kommt mir sehr entgegen. Ich kann ohne Krämpfe und mit gutem Tempo der Bergwertung entgegenfahren. Oben am Hauser Kaibling geht es bei der Krumholzhütte durch die zweite TFZ und rauf auf den Gipfel. Nach dem Gipfel führt die Strecke über einen mit vielen Schneefeldern gesäumten Weg Richtung Planai. Ein weiterer Weg, den ich vom Skifahren kenne. Es ist schlichtweg genial, die ganzen bekannten Wege aus dem Winter auch mal auf dem Rad zu erleben. Dann ging es noch über steile, schmale Wurzeltrails weiter hinauf auf die Planai. Hier ist besonders die sehr gute Streckenmarkierung hervorzuheben. Selbst ich, bekannt als regelmäßiger „Falschfahrer“ hatte bei der Alpentour keinerlei Probleme, den richtigen Weg zu finden. Das Highlight der dritten Etappe war für mich die Abfahrt über den Flowtrail im Bikepark. Voll in meinem Element konnte ich so noch acht Plätze gutmachen und rollte mit einem Grinsen als 35. durchs Ziel. Im GC arbeitete ich mich an diesem Tag auf den 33. Rang vor. Da die heutige Etappe nur knapp drei Stunden dauerte, blieb mir länger Zeit zum Regenerieren vor dem Abendessen. Der letzte Abend war der Australien-Abend. Da die beiden Organisatoren der Alpentour Regina und Gerhard auch seit vielen Jahren die Crocodile-Trophy in Australien organisieren, gab es hier einen großartigen Bericht zu sehen. Unglaublich, welche Distanzen schon vor mehr als 20 Jahren mit abenteuerlichem Material bewältigt wurden. Als Highlight gab es für je eine Dame und einen Mann einen Startplatz für die Crocodile Trophy 2019 zu gewinnen.

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Tag 4, Sonntag, 09.06.2019, EZF Planai

Wie auch im letzten Jahr, fand das Bergzeitfahren auf die Planai in gestürzter Startreihenfolge statt. Sprich, der langsamste der Gesamtwertung startet als Erster und dann folgt alle 20 Sekunden ein weiterer Fahrer, bis schließlich der Gesamt-Führende als Letzter ins Rennen startet. Durch dieses Konzept kommen nahezu alle gleichzeitig im Ziel auf der Schafalm an und den Zuschauern wird ein tolles Spektakel geliefert. Es galt, knapp 1150 hm auf 9 km zu überwinden. Anders als die Jahre zuvor, musste der Uphill über den extrem steilen und teilweise gatschigen Flowtrail gefahren werden. Das Bergzeitfahren war extrem hart und trotz meines leichtesten Gangs von 34 zu 50 kam ich selten über 60 RPM hinaus. Ich verlor viel Zeit, konnte jedoch zum Glück meinen 33. Platz im GC halten. Völlig erschöpft erreichte ich das Ziel auf der Schafalm. Belohnt wurden alle Teilnehmer mit Traumwetter und dem wohl schönsten Ausblick auf den Dachstein und die umliegenden Berge.

Um rechtzeitig um 14:00 bei der abschließenden Pasta Party im Kongress zu erscheinen, machte ich mich bald auf den Rückweg runter ins Tal. Dort gab es dann eine große Auswahl an verschiedensten Nudelgerichten. Von Spaghetti über Fusilli bis hin zu Lasagne – „Pasta Party Deluxe“ quasi. Anschließend fand noch die finale Siegerehrung statt und die Top-Platzierten konnten sich ihr wohl verdientes Preisgeld abholen. Voller schöner Eindrücke trat ich erschöpft aber zufrieden die Heimreise an.

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Fazit

Ich kann die Alpentour einfach jedem begeisterten Radfahrer ans Herz legen. Die perfekte Organisation, gepaart mit einer traumhaften Landschaft und gutem Essen gibt es in dieser Form wohl nicht oft. Vor allem das besondere an der Alpentour, der Etappenstart immer am gleichen Ort spart Geld, Zeit und Nerven. Nichtsdestotrotz gibt es jeden Tag tolle neue Wege zu erkunden. Auch habe ich mir vor meinem Start gedacht, dass die Abfahrten wohl eher schotter-lastig und wenig spannend werden, hier wurde ich allerdings eines Besseren belehrt - auch begeisterte Trail-Fahrer kommen bei der Alpentour voll auf ihre Kosten. Ich hoffe, ich kann nächstes Jahr wieder bei der Alpentour starten und die neuen Erfahrungen aus diesem Jahr nutzen. Übrigens, die Anmeldung für 2020 ist schon möglich. ;)

Bis bald auf den heimischen Trails und Liebe Grüße, Martin Rauscher

Disclaimer

Die Teilnahme erfolgte auf Einladung des Veranstalters, die Fotos wurden durch Sportograf aufgenommen.

Fotos // In Velo Veritas 2019

Manchmal wäre es vergebene Liebesmühe, einen Text zu verfassen - zum Beispiel, wenn es einen Bericht von “NoMan” auf Bikeboard gibt, der an Virtuosität und Leidenschaft eigentlich nicht mehr zu übertreffen ist. Der großartige Nachbericht ist unter diesem Link zu finden!

Darüberhinaus alle Infos, Berichte zur In Velo Veritas 2019 in und rund um Poysdorf und noch einen Haufen mehr Fotos hier!

Fotos // VICC Race Day #4

Christoph Strasser beim RAAM

Wenige Tage vor dem Start des Race Across America hat Christoph Strasser noch die Zeit gefunden, ein paar Fragen zu beantworten und plaudert dabei - gewohnt sympathisch und offen - aus dem Nähkästchen… Über das Race Across America, Rekorde, Ziele und die Zeit danach.

Das Race Across America (RAAM) steht vor der Tür, wie haben die letzten zwei Wochen für dich ausgeschaut?

Genau zwei Wochen vor dem Start bin ich in Kalifornien - genauer in Borrego Springs - bei ca. Kilometer 140 der RAAM Strecke, das ist quasi der erste Ort, den man in der Wüste passiert. Ich hab mir schon lange abgewöhnt, über das Wetter zu jammern, aber man kann ganz nüchtern feststellen, dass das Wetter in Österreich sehr bescheiden war und hier ist es doch sehr warm und der Sprung ist recht groß und darauf muss man sich einstellen. Es hat hier momentan „nur“ 100 Grad Fahrenheit, das sind rund 37 Grad, wir hatten aber auch schon mal 40 Grad. Die Trainings, die jetzt schon noch fünf bis sechs Stunden umfassen, laufen eher puls- als wattgesteuert, weil der Puls viel höher ist und nach zwei bis drei Stunden stark zu steigen beginnt. Aber das wird von Tag zu Tag besser. Ich mache noch mittelschwere Intervalle bei 75-80 % FTP, außerdem Anstiege im Kraftausdauerbereich aber keine Spitzenintervalle mehr. Die letzten Wochen zuhause (ca. 1 Monat vor dem Rennen) habe ich einen Peak von 38 Wochenstunden gehabt, in Borrego Springs bin ich noch bei ca. 25, das geht runter auf 20 und die letzten Tage vor dem Start sind es dann nur noch zwei Stunden.

Unser Motel hat einen kleinen Pool, in dem man gut regenerieren kann. Und außerdem eine kleine Küche, in der wir immer selbst kochen. Da sind mir frische Zutaten und viel Gemüse wichtig. Niemals essen gehen, weil man da nie weiß, was man genau bekommt. Es darf auch schon mal ein Burger sein, zumindest einmal gehört das als Ritual dazu. Wir sind jetzt zu dritt da, zwei Betreuer mit mir, die jetzt auch selber noch etwas zum Radeln kommen - sie sind dann eh acht Tage eingesperrt im Auto, jetzt bekommen sie noch ein bisschen Auslauf. Wir haben die drei Räder mit, die werden alle testgefahren, dann gibt es ein kleines Service (Kette tauschen, putzen, Reflektoren aufkleben, Satteleinstellungen, Reservesattel testen - da gibts viele Stellschrauben an denen man dreht). Das sind die Dinge, die neben meinen Trainings-Einheiten die Tage vor dem Rennen füllen. Am Start muss man absolut erholt und klar im Kopf stehen.

Es ist deine neunte Teilnahme und du visierst den sechsten Sieg an (und wärst damit alleiniger Rekordhalter). Du musst das Rennen mittlerweile auswendig kennen und weißt auch, welche Strapazen auf dich zukommen. Wie motivierst du dich (noch immer) für das Rennen?

Es stimmt, dass ich es auswendig kenne - das liegt daran, dass sich die Strecke jetzt quasi seit einem Jahrzehnt nicht geändert hat. Der Vorteil ist, dass man weiß, worauf man sich einstellt, man kann jeden Streckenabschnitt optimieren, weiß wo man auf welches Rad wechseln soll, kennt alle Parkbuchten, weiß Plätze für Pausen, wo das Wohnmobil für eine Stunde Schlaf in Ruhe stehen kann. Natürlich wäre es attraktiver und spannender, wenn sich die Route wieder mal ein wenig ändern würde. Wolfgang Fasching ist beispielsweise einmal im Norden in Portland gestartet und ist in Florida ins Ziel gefahren, da war die Route eine ganz andere. Da kann man dann allerdings die Zeiten überhaupt nicht miteinander vergleichen - andere Berge, andere Landstriche, ein anderes Rennen.

Ich kenne großteils die Strapazen, die auf mich zukommen - auch wenn immer wieder neue Dinge passieren, mit denen man nicht rechnet. Ich kenne aber auch die positiven Aspekte, die immer wieder bei einem Rennen auftreten und die eigentlich auch immer überwiegen. Das ist schon eine sehr, sehr große Motivation. Es ist ein sehr angenehmer und aufregender Ausnahmezustand, in dem man da ist. Man trainiert das ganze Jahr darauf hin und es ist sehr erfüllend, sich jeden Tag seinem Ziel nach und nach anzunähern. Das Erlebnis des Rennens an sich, die Hochs und Tiefs, die man mit seinem Team erlebt und durchsteht, die vielen Menschen, die man trifft und die einen anfeuern - es sind nicht viele Fans, aber die wenigen, die das mitverfolgen sind dafür umso enthusiastischer und intensiver dabei. Es ist jedes Jahr anderes Wetter, teilweise andere Betreuer, neue Konkurrenten - es ist immer ein anderes Rennen, eine neue Challenge und eine neue Erfahrung!

Man kann den Vergleich anstellen mit einem Schifahrer, der jedes Jahr den Nachtslalom in Schladming bestreitet oder die Hahnenkammabfahrt runterfährt. Es ist trotzdem jedes Jahr eine große Sache, beim größten Radrennen der Langstreckenszene dabei zu sein, das ist eine große Ehre. Und wenn ich mich dafür entscheide, eine Saison zu fahren, dann möchte ich da auch die größten oder das größte Rennen fahren und das ist halt das RAAM - vom Mythos her, vom Stellenwert her. Dass das Race Around Austria (RAA) beispielsweise von den Zuschauern vor Ort, von der Organisation und der Professionalität her in einer höheren Liga ist und einfach einzigartig geil ist, muss natürlich auch erwähnt werden.

Ich schaue gerne Tennis, ich schaue gerne Fussball - es gibt in vielen Sportarten Leute, die schon viel gewonnen haben, ob das Nadal, Federer oder Djokovic sind (wie jetzt gerade bei den French Open) und seit Jahrzehnten das Ganze dominieren. Die spielen im Prinzip glaube ich alle, weil sie den Sport lieben, das Leben mit dem Sport lieben, das ist die Grundmotivation. Und so ist das auch bei mir. Nur auf Erfolge und Rekorde loszugehen, würde zu wenig Motivation bringen. Ich hab auch unter dem Jahr Wege gefunden, mich zu motivieren, an mir zu arbeiten, im Training alles zu geben, mit meinem Coach Trainingsziele zu definieren. Mir sind auch kleinere Rennen wie z.B. das Zeitfahren in Mörbisch oder der King of the Lake wichtig, weil ich darauf hintrainieren kann, darin einen Sinn sehe, ein besserer Radfahrer zu werden. Wenn ich etwas machen würde, nur um meinen Bekanntheitsgrad zu steigern oder das marketingtechnsich auszuschlachten, dann dürfte ich schon lang nicht mehr beim RAAM mitfahren, weil im Prinzip jedes Jahr die gleiche Geschichte für die Medien nicht wirklich mehr interessant wäre. Ich mache das aber nicht aus diesem Grund, sondern weil ich das Rennen geil finde!

Wie wichtig ist dir der Rekord der meisten RAAM-Siege?

Der Rekord ist mir ehrlich gesagt schon wichtig. Es waren mir die letzten Jahre viele Dinge nicht wichtig, wenns um Erfolge und Rekorde geht. Ich mache das, was ich gerne mache und wenn man sich dabei selbst treu ist und über Jahre etwas konsequent und langfristig macht, dran bleibt und eine Ausdauer hat in seiner mentalen Einstellungen, dann kommen die Erfolge sowieso früher oder später. Die sind nicht das Ziel an sich, sondern die Folge davon, wenn man tut was man mag.

Aber jetzt ist ein Punkt erreicht, wo mir das schon wichtig ist, einen sechsten Sieg zu schaffen, weil ich selber eigentlich noch immer nicht glauben kann, dass ich überhaupt schon fünf mal gewonnen heb. Ich hab das noch so lebhaft in Erinnerung vor mir, als ich vor mittlerweile zehn Jahren zum ersten Mal am Start gestanden bin. Und irgendwie schließt sich jetzt zehn Jahre später der Kreis und es gibt diese einmalige Chance, vor allem auf drei Siege in Folge - das ist für mich etwas ganz Besonderes. Es ist sehr selten, das jemand die Möglichkeit für so etwas hat - und das hat bis jetzt noch niemand geschafft, weil es glaube ich auch ein Problem mit der Langzeitmotivation ist. Wenn man schon ein paar Siege auf seinem Konto hat, schrumpft irgendwie der Hunger, an sich zu arbeiten.

Startest du danach noch weiter beim RAAM?

Das kann oder will ich jetzt noch nicht sagen. Ich konzentriere mich jetzt einmal voll und ganz auf dieses Rennen. Was sicher ist: Wenn es mir heuer nicht gelingt, dann möchte ich beim RAAM auf jeden Fall wieder teilnehmen. Und ich möchte heuer so fahren, als wäre es mein letztes Mal, als wäre es meine letzte Chance dort etwas ganz geniales abzuliefern und mein bestes zu geben. Ob es dann das letzte Mal ist, wird man sehen. Sollte aber ein sechster Sieg gelingen, dann werde ich sicher darüber nachdenken, ob ich in Zukunft nicht andere sportliche Herausforderungen beim Ultracycling (also andere Rennen) in Angriff nehme. Aber das ist alles noch zu weit weg - jetzt heißt es einmal, nächste Woche fit am Start zu stehen, vielleicht so fit wie noch nie zuvor und einfach acht Tage Vollgas „owedrucken“.

Wie ordnest du dich rund um Wolfgang Fasching ein – seinen Rekord, bei jeder Teilnahme aufs Podium zu fahren – kannst du ja nicht mehr erreichen?

Da möchte ich etwas weiter ausholen. Es hat viele große Fahrer gegeben, die gerade dem RAAM einen Stempel aufgedrückt haben. Zum Beispiel Franz Spilauer, 1987 Dritter und 1988 Sieger, war der erste Österreicher, der das Rennen bei uns bekannt gemacht und der erste Europäer überhaupt, der das RAAM gewonnen hat. Er hat definitiv Pionierarbeit gearbeitet und damit dazu beigetragen, dass das RAAM bei uns in Österreich so bekannt ist. Und Wolfgang Fasching hat dann mit acht Teilnahmen, drei Siegen und einem Podium bei jeder Teilnahme natürlich ganz was Einzigartiges geschafft - immer ins Ziel zu kommen und immer ganz vorne dabei zu sein. Das ist wiederum von der sportlichen Leistung her wesentlich höher einzuschätzen.

Unter dem Aspekt muss ich auch meine derzeitigen Leistungen sehen. Mir ist schon bewußt, dass ich rein von den Zahlen her jetzt schon gewaltige Sachen geschafft habe, aber ich muss auch Danke sagen an meine Vorgänger, die Ultracycling in Österreich bekannt gemacht haben. 2003 war der letzte Sieger aus den USA beim RAAM, seitdem gab es sechs Siege für Österreich, fünf für Slowenien durch Jure Robic, drei mal Schweiz und einmal Deutschland durch Pierre Bischof. Seit 2003 waren nur diese Länder erfolgreich und dort finden auch die meisten 24h- und Ultra-Rennen statt, dort ist der Sport erfolgreich. Es gibt die Veranstaltungen, die neuen Fahrer kommen nach - das ist glaube ich der Grund, warum diese Nationen dort so gut sind. Wolfgang ist immer noch ein großes Vorbild - sportlich und menschlich - und deshalb glaube ich auch, dass man unsere Leistungen nicht unbedingt vergleichen kann.

Es hat aber natürlich in der Zeit seitdem auch viele technischen Fortschritte gegeben. Und das ist jedenfalls eine Stärke von mir, meinem Team und meinem Ausstatter Specialized. Der hat mich beispielsweise überredet, das Rennen einmal mit einem Zeitfahrer zu versuchen, und seitdem ist es quasi Standard, dass jeder Fahrer ein Rennrad und ein Zeitfahrrad dabei hat. Wir haben sehr viele Dinge ausprobiert, verfeinert und dazugelernt, die es zu Zeiten von Wolfgang Fasching in dieser Form noch nicht gegeben hat oder noch nicht Stand der Technik waren.

Welche Menschen 1. allgemein und 2. auf dem Rad inspirieren und motivieren dich?

Inspirierende Menschen sind für mich ganz allgemein Menschen, die trotz Schicksalsschlägen oder Unfällen mit Verletzungen und/oder Behinderung - vielleicht im Rollstuhl sitzend - nicht aufgeben und darum kämpfen, ein gutes Leben zu führen. Das ist für mich immer etwas sehr bewegendes, vor allem wenn solche Menschen z.B. dann auch an Langstreckenradrennen erfolgreich teilnehmen. Das ist immer sehr, sehr bewegend.

Ein persönliches Vorbild für mich im Sportbereich ist der Tennisspieler Roger Federer. Extremsportler, Kletterer oder ähnliche Charaktere faszinieren mich nicht so stark wie er. Federer vereint sehr viel in seiner Persönlichkeit. Er hat mittlerweile wirklich alles gewonnen, trotzdem ist er nach wie vor hoch motiviert, findet immer wieder neue Methoden, verschließt sich keiner neuen Herangehensweise, entwickelt neue Schläge und Spielweisen. Er ist ein echter Sir, höflich, cool, nett, am Boden geblieben - wenn man nach den Medien geht und Menschen, die sein Umfeld kennen. Sein Verhalten ist absolut edel und ich finde er ist eine riesengroße Inspiration auch für mich, der mit Tennisspielen im Grunde überhaupt nichts am Hut hat, außer dass ich alle Tennisspiele der Saison verfolge. Das ist ein cooler Sport, wo Mann gegen Mann, Persönlichkeit gegen Persönlichkeit antritt - alle Hochs und Tiefs und wie sich das abwechselt, das finde ich sehr faszinierend.

Einen Radfahrer als besonderes Vorbild habe ich auch, das war natürlich Jure Robic. Mit dem habe ich mich in meinen Anfangsjahren oft gemessen - Wolfgang Fasching hat ja mit dem Radfahren aufgehört, bevor es bei mir richtig gut gelaufen ist. Robic hat zwei Dinge vereint: zum einen ein absolut netter Mensch, umgänglich, cooler Typ, lustig - aber wenn er am Rad gesessen ist, war er eine Kampfmaschine, da ist nur nach vorne geschaut worden, keine unnötigen Pausen, kein Smalltalk, keine unnötigen Höflichkeiten, das ist nur Vollgas gefahren worden. Und das Ganze mit einem Tempo und einer Intensität, wo ich mir früher gedacht habe, das ist ja unglaublich, bei einem derart langen Rennen wie dem RAAM. Mittlerweile hab ich selber am eigenen Köper erlebt, dass man - mit richtig gutem Training und vielen Jahren im Sport - irrsinnig schnell und sehr, sehr lange fahren. Aber er war für mich insofern ein Vorbild: „Sei ein netter Kerl, aber wennst am Radl bist: sei a Maschin!“ In beiderlei Hinsicht hab ich immer versucht, mir von ihm eine Scheibe abzuschneiden.

Was sind die wichtigsten Punkte, die du aus deinen bisherigen Teilnahmen gelernt hast und jetzt umsetzen möchtest?

Gelernt hab ich soviel, dass das mittlerweile ein Buch gefüllt hat. Die wichtigste Sache ist die körperliche Fitness, das wird oft unterschätzt. Man hört sehr oft, es spielt sich das meiste im Kopf ab - das möchte ich etwas relativieren. Im Kopf musst du wissen, „warum mache ich das, wo will ich in ein paar Jahre stehen, und wie wichtig ist das für mich und vielleicht mein weiteres Leben“. Man muss über gewisse Dinge Klarheit im Kopf haben, darf keine offenen Fragen oder Konflikte mit sich herumtragen. Mentale Stärke wird aber oft als Ausrede verwendet, für Leute, die körperlich vielleicht nicht so fit sind oder nicht so viel Zeit zum Trainieren haben. Aber die körperliche Fitness brauchst du, das ist die absolute Basis und du kannst nur dann richtig schnell fahren, wenn du irrsinnig viel trainiert hast. Da hab ich mich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt, denke ich.

Ich habe auch gemerkt, wie wichtig ein eingespieltes Team ist - du hast es glaube ich in deinem Bericht über das RAN ansatzweise miterlebt, was das ausmacht. Das Team muss so eingespielt sein, dass man ein gemeinsames Ziel hat, es darf keine unterschiedlichen Interessen im Betreuerteam geben. Ein eigenes Kapitel sind natürlich die Abläufe - wie das Team arbeitet, dass man nicht unnötig irgendwo eine Minute steht, dass man keine Fehler macht. Zwischenmenschliche Fähigkeiten sind notwendig, wenn die Phasen kommen, in denen der Radfahrer verwirrt, übermüdet und dünnhäutig wird - dann braucht man einfach Leute, die mit solchen Situationen auch umgehen können.

Ausrüstung ist natürlich auch eine eigene Thematik. Es ist mittlerweile etabliert, mit einem Zeitfahrrad und einem Rennrad unterwegs zu sein, ich habe sogar drei Räder - das Roubaix, das Tarmac und das Shiv, von meinem Ausstatter Specialized zur Verfügung gestellt. Komfort, Leichtigkeit und Aerodynamik sind die drei wichtigsten Punkte bei den Rädern.

Man braucht ein großes Ziel, aber man muss auch flexibel sein. Es gibt so viele Faktoren, die das von außen beeinflußen, das Ziel möglicherweise verhindern. Dann muss man im Kopf in der Lage sein, auf Plan B oder C umzuschalten, was dann schwierig ist, weil man sich natürlich unterbewusst auf ein Ziel einstimmt. Und wenn man nach zwei oder drei Tagen merkt, ich kann das nicht mehr erreichen, weil gewisse Faktoren nicht mehr mitspielen, dann besteht die Gefahr, dass man frustriert ist. Da arbeite ich sehr stark an mir selbst, dass ich - auch wenns nicht so gut läuft wie erträumt - trotzdem dranbleibe und nicht beginne zu resignieren.

Hat sich zu den Vorjahren etwas verändert? (Streckenänderungen oder ähnliches)

Nein, es gibt keine Änderungen. Die Strecke ist gleich, hie und da eine Baustelle, hie und da eine Umleitung. Das Wetter war sehr schlecht, es gab Überflutungen und einige Straßen sind kaputt. Man muss schauen, wie das Wetter wird, was die Wochenverfassung hergibt - wobei das mit der Trainingssteuerung gut auf den Punkt gebracht werden kann. Ansonsten werden wir das gleich angehen wie im Vorjahr, hoffentlich gleich gut und im Idealfall noch um eine Spur schneller.

Welchen Stellenwert hat das Team für dich und allgemein bei einem derartigen Unterfangen?

Einen unglaublich hohen Stellenwert. Ich hab für mich eine Aufschlüsselung, die lautet: 33% körperliche Fitness, 33% geistige Fitness und Motivation (auch unter dem Jahr, um zu trainieren) und 34% das Team. Weil die können mir - wenns mir körperlich und mental schlecht geht - helfen, achten auf meine Gesundheit, entscheiden, wann Pause gemacht wird, überwachen meine Nahrungsaufnahme… Im Prinzip tun die alles für mich - mein Job ist nur, rechts und links runterzutreten, munter zu bleiben, aufs Team zu hören und keinen Starrsinn zu entwickeln. Und ich glaube es ist eine meiner und unserer größten Stärken, dass ich loslassen und vertrauen kann und nicht alles unter Kontrolle haben muss. Viele andere Radfahrer können das nicht, wollen immer selbst alle Entscheidungen treffen, und das hat nach meinen Beobachtungen nie oder nur sehr selten zum Erfolg geführt.

Woran denkt man nach ein paar Tagen auf dem Rad – wie lenkt man sich ab, oder ist man in einer Art Trance?

Das ist einfach erklärt - hoffentlich an gar nichts. Idealerweise hat man Freude, hat Betreuer die einen Spaß machen, Musik, die man hören kann, Gespräche, die einen ablenken. Wenn man zum Nachdenken anfängt, ist das schlecht! Man muss aber eigentlich die Frage anders stellen, nämlich wie man das ein ganzes Jahr lang aushält, in der Vorbereitung. Wenn sieben Stunden Ergometertraining am Plan stehen, das sind die wirklich harten Geschichten - wo ich mich oft selber frage, wie schaffe ich das. Aber da hab ich ein Ziel vor Augen und Ablenkung (Fernsehen, Trainingskollegen, Musik…) und im Rennen ist es dann eigentlich recht spannend, weil es Konkurrenten, Zwischenstände und Berichterstattung in den sozialen Medien gibt. Über Facebook kommen Nachrichten und Kommentare, Leute teilen mir mit, wie sehr sie durch meine Leistungen motiviert werden und wie sehr sie mir die Daumen drücken. Der Zuspruch von außen hilft mir schon sehr - aus ganz eigener Kraft würde ich niemals so eine Leistung abrufen können oder mit so wenig Schlaf durchkommen.

Ernährungstechnisch setzt du weiterhin auf Ensure Flüssignahrung? Wie individuell ist Ernährung, wie findet jede*r am besten heraus, was ihm/ihr am besten passt?

Ja, ich setzte weiterhin (und das mittlerweile seit einem Jahrzehnt) auf Ensure Flüssignahrung, und auf das GS High Energizer Getränk, bei dessen Entwicklung ich mit dabei war - das sind die zwei Dinge, die ich zu mir nehme, abgesehen von einigen Nahrungsergänzungen (z.B. Panaceo mit Guarana, was beim Munterbleiben hilft, Magnesium, Salztabletten…) Aber Ernährung ist individuell, so wie auch Trainingsplanung individuell ist - es verträgt nicht jeder das gleiche. Aber ein Grundmotto sollte immer gelten - auch wenn es nicht Flüssignahrung ist: so leicht verdaulich, wie möglich (da ist Flüssignahrung natürlich optimal, weil der Magen nichts zu tun hat und mehr Energie für die Muskulatur zur Verfügung steht) und es sollten damit 300-500 Kalorien pro Stunden geliefert werden, damit man seine Leistung aufrecht erhalten kann. Welche Produkte da genau passen, muss man aber einfach ausprobieren.

Was sind deine Pläne für 2019 nach dem RAAM?

Ich möchte auf jeden Fall beim Race Around Austria dabei sein, eventuell in einem Zweierteam, wobei sich das erst nach dem RAAM final entscheiden wird. Im September findet der King of the Lake statt und eine Woche später gibts in Holland eine Art Monster-Zeitfahren über 140 Kilometer - das möchte ich gerne machen. Ich möchte aber auch noch einmal versuchen, in 24h die 1.000 Kilometer zu knacken. Es ist da tatsächlich noch nichts konkretes geplant aber darauf will ich mich nach dem RAAM vorbereiten. Die Frage wird sein, wo man sowas machen kann - auf der Indoorbahn wird das nicht funktionieren, vielleicht eine Outdoorbahn oder irgendein lässiger, abgesperrter Kurs. Viele Fragezeichen noch, ich bin mir aber sicher, dass es bei körperlich und ausrüstungstechnisch perfekten Bedingungen möglich ist, die 1.000 km an einem Tag zu knacken. Das ist noch eines meiner Lebensziele, das ich mit dem Radfahren erreichen will.

Wohin geht dein Weg mittel/langfristig? Ist das RAAM noch steigerbar (ohne dass es irgendwann „absurd“ wird – Stichwort DecaUltraIronmans usw.)

Da hab ich noch keinen genauen Plan. Ich konzentriere mich aufs Hier und Jetzt, aufs jeweils nächstgrößere Ziel. Wenn ich zu weit in die Zukunft denke, habe ich zu wenig Zeit für das Hier und Jetzt. Ich werde sicher weiter Radfahren, auch wenn das RAAM dann nicht mehr mein Saisonhöhepunkt sein sollte. Das RAAM ist grundsätzlich schon steigerbar, ich sehe das nicht von der Distanz her - man sieht bei anderen Menschen, dass weiter fahren kein Problem ist und ich weiß auch, dass ich weiter fahren könnte. Ich frage mich aber eher, wie schnell ich noch fahren kann auf den langen Distanzen. Für mich wäre es ein größerer Erfolg, bei einem 24h Rekordversuch noch ein paar Kilometer draufzulegen, bei einem RAAM die Durchschnittsgeschwindigkeit um noch ein paar Zehntel zu erhöhen oder nochmal unter acht Tagen zu bleiben. Das zu schaffen hat für mich mehr Reiz und hat einen größeren Stellenwert als eine doppelte oder dreifache Strecke zu fahren, was funktionieren würde, aber mich in der Form nicht unbedingt interessiert.

1.000km in 24h? Möglich bzw. dein nächstes/ultimatives Projekt?

Für mich ist es ein Ziel, wie richtige Radfahrer in der Pro Tour, Rennfahren auf die lange Strecke zu bringen. Ich glaube, dass man das auf 1.000 Kilometern in 24 Stunden auch zuspitzen kann. Aber wie vorhin schon gesagt, die Dinge sind hier erst in Planung. Es wird wieder Windkanaltests bei Specialized usw. geben, aber die größte Frage betrifft natürlich die Streckenwahl.

Gibt es andere Bereiche des Radsports, die dich reizen?

Sehr stark Zeitfahren - auch die kürzere Strecken, weil ich die Physik dahinter sehr spannend finde, die Mischung aus Aerodynamik und Leistung. Es ist die ehrlichste Disziplin, kein Taktieren, kein Windschatten, es gibt nur die Strecke, das Rad und dich. Vielleicht interessiert mich das auch besonders, weil ich dagegen Langzeitbelastungen (Schlafentzug, lange Zeiträume) schon so oft erlebt habe und da schon viel herausgefunden habe, wie man das schaffen kann. Aber die neuen Herausforderungen sind für mich diese klassischen Zeitfahren, die finde ich echt, echt cool.

Interessieren dich „Michael Strasser-Projekte“?

Ich hab den Wettkampf sehr gerne, ich finde es so cool, wenn Rennen stattfinden, wenn man sich auf einen fairen, ehrlichen, sich gegenseitig respektierenden Wettkampf einlässt, sich mit anderen Leuten misst, die gleiche Strecke absolviert und Wetterbedingungen hat und dann einfach schaut, wer kann schneller die Strecke zurücklegen. Das ist für mich der Grundgedanke des sportlichen Wettkampfs und das würde mir bei derartigen „Abenteuern“ etwas fehlen.

Michael Strasser macht das wirklich gut, er hat eine gute Vermarktung, eine Charity-Aktion dabei, von anderen in dieser Szene hört man eher weniger. Überhaupt ist die Vermarktung ein Schlüssel bei Projekten dieser Art: Wolfgang Fasching ist quer durch Russland und dabei 480 Kilometer am Tag gefahren. Amanda Coker - eine junge Amerikanerin - hat über ein Jahr lang täglich 380 km zurückgelegt, da hat kaum einer etwas davon mitbekommen. Da ist die Vermarktung ein ganz wichtiger Faktor, und das macht der Michi Strasser ganz großartig. Trotzdem bin ich persönlich mehr begeistert von Rennen und werde in Zukunft auch bei Veranstaltungen bleiben oder bei der Auslotung, was in 24h auf einer vorgegebenen Strecke möglich ist, wo es auch schon seit Jahrzehnten immer wieder Rekordversuche gibt, ähnlich dem Stundenweltrekord bei den Straßenfahrern.

Stichwort Zeitfahren: Ausbaufähig für dich? King of the Lake, Neusiedler bist du ja ganz vorne dabei. Wie schaffst du es (zb beim KOTL) über eine Stunde so gut zu sein, obwohl du ja vermutlich mehr für die lange Belastung trainierst?

Ich arbeite hart daran, ein paar Watt zuzulegen und ein paar Sekunden dazuzugewinnen. Extrem viel herausholen werde ich nicht mehr - ich bin jetzt 36 Jahre alt, da wird man nicht mehr so viel schneller. Ich werde bei der Sitzposition noch einiges herauskitzeln - alleine auch schon für die 1.000 Kilometer. Ich trainiere viel im intensiven Bereich nachdem ich jahrelang hauptsächlich Ausdauer trainiert habe, mittlerweile sind viele hochintensive Einheiten dabei.

Und warum ich auf eine Stunde so schnell fahren kann ist auch zusätzlich leicht erklärt: Ich wiege 80 Kilo und kann 400 Watt treten, das sind 5 Watt/Kg und damit ein Wert, den viele gut trainierte Radfahrer schaffen. Das heißt, das ist kein besonders außergewöhnlicher Wert, sonst würd ich die Tour de France fahren können. Mit 5 Watt/Kilo ist man aber ein guter Zeitfahrer - ich mag Zeitfahren und finde es cool, bin viel am Zeitfahrer unterwegs und arbeite an meiner Position. Außerdem bin ich mir sicher, dass man nur dann ganz schnell sein kann bei Langstreckenrennen, wenn man auch Zeitfahren trainiert, denn dort lernt man auch in der Ebene anzudrücken. Am Berg ist es viel einfacher ein Intervall zu trainieren… Die langen Rennen werden hauptsächlich in der Ebene entschieden und nicht in den Bergen, dort kann man sich maximal zerstören. Speed und Tempo macht man aber im Flachen!

Wie wichtig ist es für dich, deine Leistungsdaten und Trainingsumfänge offenzulegen, nach außen zu kommunizieren? Und was bekommst du da für Feedback?

Offenlegen von Trainingsdaten finde ich wichtig, auch wenn ich Strava nicht am Handy installiert habe, mich nur alle drei Monate einlogge, mein Passwort immer vergesse und dort auch nur einer Person folge. Aber zusätzlich zu WhatsApp, Facebook, Instagram usw. ist mir das als zusätzliche Plattform ehrlicherweise auch zu viel. Trotzdem möchte ich viele Sachen offenlegen und zeigen, welches Training dahintersteckt, warum diese guten Leistungen auf der Langstrecke zustande kommen. Zu verheimlichen gibt es nichts, es muss ohnehin jeder für sich selber trainieren, es gibt ja auch keinen fixen Trainingsplan, der zum Erfolg führt. Um sein letztes Potential auszuschöpfen bedarf es jedenfalls einer individuellen Trainingsplanung.

Tauscht du dich regelmäßig mit irgendwelchen anderen Radsportlern aus, hast du gute Freunde im Radsport als solches – oder „arbeitest du das ganze Jahr alleine vor dich hin“?

An sich sehr gerne, „Problem“ ist, dass ich das als Vollzeitjob mache und da nur sehr wenig Andere mitkönnen, vor allem auch vom Zeitbudget her. Da bleibt dann nichts anderes über, als alleine zu trainieren. Ich habe aber im Keller eine zweite Walze stehen, wo wir im Winter oft zu zweit fahren und plaudern können und dabei auch jeder sein eigenen Tempo fahren kann.

Bemerkst du einen „Boom“ (oder zumindest Zuwachs) bei Ultraradsportevents (RAN, RAA, Glocknerman usw.), wie siehst du die zunehmende Massentauglichkeit solcher Veranstaltungen?

Der Boom ist definitiv sichtbar, die absolute Dichte an der Spitze ist aber eher wieder etwas weniger geworden. 2013 waren z.B. sechs Österreicher beim RAAM am Start, das war quasi der Gipfel der Leistungsdichte. Durch die Rennen - v.a. RAA, 24h-Rennen - finden sich auch in Österreich immer mehr Teilnehmer, trotzdem ist es nicht wirklich möglich, den Sport - wie das z.B. beim Trailrunning der Fall ist - richtig zu boomen. Rennen wie ein RAAM bringen einfach so einen logistischen Aufwand mit sich, dass hier nie ein derartiger Massenmarkt entstehen wird können. Wahrscheinlich würde auch der Charme, das Puristische und Abenteuerliche etwas verloren gehen, insofern ist es glaub ich auch gut wie es ist.

Die RAA Challenge ist sicher ein Format, das tauglich und schaffbar für eine größere Menge an Menschen ist. Umso länger und selektiver die Rennen werden, desto geringer die Teilnehmerzahlen. Aber der ganze Sport hat sich im letzten Jahrzehnt prächtig entwickelt und ich hoffe, dass es in dieser Tonart weitergeht.

Ist “Weitradlfahren” das „bessere“ Wettkämpfen (also „besser“ als „Schnellfahren“) (was macht für dich den Reiz der Langstrecke aus)?

Es ist einfach eine andere Art von Wettkampf. Für mich ist auch der Vergleich mit den anderen Fahrern wichtig, aber der Fokus liegt auf dem Bewältigen der Strecke und weniger im Besiegen der Gegner. Es ist leichter zugänglich, man braucht keine Teams, in denen man sich qualifizieren muss, es ist ein sehr puristischer und individueller Sport und das ist sehr schön so. Und es ist dann doch auch ein Erfolg über sich selbst, über den inneren Schweinehund, die Zweifel, die Tiefs, die man zwischendurch erlebt. Sich da durchzukämpfen, ist ein sehr persönlicher Erfolg, den jeder für sich feiern kann, ganz unabhängig von der Platzierung, die dann in der Rangliste steht. Und das macht den Sport so beliebt - weil es zweitrangig ist, ob man in der Rangliste einen Platz weiter vorne oder hinten ist. Für mich ist das natürlich schon ein anderes Thema, weil ich das zu meinem Lebensmittelpunkt gemacht habe.

Welchen Stellenwert hat (gutes) Material auf der Langstrecke? (Beim RAA zb. wird ja teilweise mit Shimano 105 oder ähnlichem gefahren, während man im Wienerwald manchmal den Eindruck gewinnt, man könne ohne Dura Ace und Hochprofilfelgen keinen Meter fahren…) ;)

Material ist an sich schon sehr wichtig, aber erst, wenn man sein absolutes Leistungspotential ausschöpfen oder seine Performance maximieren will. Für einen RAA- oder RAAM-Sieg braucht es sicher Topmaterial, aber das hindert natürlich niemanden, mit einem alten Stahlrad an den Start zu gehen um ein persönliches Ziel zu erreichen. Man wird vielleicht hie und da weniger „Hinternweh“ haben, weniger eingeschlafene Finger, ein bissl schneller Bergauffahren können - aber das ist für ein persönliches Finish überhaupt nicht wichtig. Material ist da das Mittel zum Zweck aber nicht die Voraussetzung. Der Ultraradsport ist da grundsätzlich recht unprätentiös.

Kann man mentale Stärke trainieren? Gibt es Tricks, zu fokussieren/sich zu konzentrieren, die du anwendest oder empfehlen kannst?

Das kann man definitiv trainieren und ist ein ganz wichtiger Faktor. Es ist eine gute Sache zu wissen, warum man etwas macht, weil Momente kommen, wo es einem schlecht geht, wo man keine Lust mehr hat, keinen Sinn mehr darin sieht. Und wenn man sich erst einmal die Sinnfrage stellt, hat man schon ein massives Problem. Die Sinnfrage für sich schon im Vorfeld zu klären, ist extrem wichtig. Man muss sie beantworten können („Warum tu ich mir den Schas an?“), wenn man mitten in der Nacht aufgeweckt wird.

Man kann sich in der Hinsicht auch mit mentalen Übungen verbessern, da geht es viel um die Definition des eigenen Ziels. Zum Beispiel aufzuschreiben, welche kleinen Schritte man schafft, weil man am Schluss dann sieht, was man dafür investiert hat und das Ziel wird dadurch einen höheren Stellenwert bekommen. Wenn ich mir bewusst bin, dass ich jahrelang für Etwas gearbeitet habe, dann werde ich es auch nicht so schnell aufgeben - im Gegensatz zu „Schnell-Schnell-Aktionen“. Umso mehr auf dem Spiel steht, umso eher wird man durchbeissen. In meinem Fall steht sehr viel auf dem Spiel - dass ich davon leben kann, dass ich Vorträge halten kann, Sponsoren finde… da ist Aufgeben keine Option!

Eine gute Übung ist - egal ob am Heimtrainer oder auf der Couch - zehn Minuten die Augen zu schließen und den Moment zu visualisieren, wenn man über die Ziellinie fährt - wie es sich anfühlen wird, was die Betreuer sagen werden, wie es dort riechen wird, was man sich dort gönnen wird, wie der Moment dieser Ankunft ausschauen wird. Wenn diese Momente im inneren Kopfkino immer wieder erlebt werden und man quasi abspeichert, wie schön dieser Moment sein wird, dann kann man darauf zurückgreifen, wenn es dann mal nicht so rund läuft. Dann wird das Unterbewusstsein sagen, wie toll das im Ziel sein wird, genau so, wie man sich das vorgestellt hat und die Motivation weiterzumachen wird da sein. Eine ganz einfache Übung, mit der man sich sehr viel helfen und Gutes tun kann. Am besten einfach mal auf dem Heimtrainer zehn Minuten die Augen zumachen und sich das Ganze vorstellen - und zehn Minuten mit geschlossenen Augen sind eine lange Zeit!

Wie hast du dir deine Bescheidenheit und „Erdung“ erhalten über die Jahre?

Das selbst zu beantworten, ist schwierig. Grundsätzlich ist es einen Persönlichkeitsfrage - ich wollte immer das machen, was mir Spaß macht, Radfahren! Dass mit der Zeit diese Bekanntheit entstanden ist und ich für viele Leute eine Vorbildfunktion einnehme, das stresst mich ehrlicherweise auch manchmal. Ich habe etwas gefunden, was ich gerne mache und was gut läuft - ich bin aber deshalb kein besserer Mensch, und hab deshalb keinen Grund zu glauben, besser zu sein als jemand anderer. Ja, ich kann schnell und weit Radfahren, aber ich kann viele andere Sachen nicht gut - so hat jeder Mensch seine Stärken und Schwächen und braucht aus diesem Grund nicht glauben, dass er oder sie anderen Menschen überlegen ist.

Danke Christoph für das Interview und Alles Gute für das Race Across America!

Unter diesem Link ist die Livetracking Seite des Race Across America zu finden, am 11.06. um 12 Uhr Ortszeit fällt im kalifornischen Oceanside der Startschuss. Begleitet Christoph (virtuell) auf seinem Rennen über den Kontinent und schickt ihm eure Nachrichten und Unterstützung auf den Social Media-Kanälen!

Ernährung (Teil II)

Während ich diese Zeilen schreibe, esse ich mein gestern Abend angesetztes Birchermüsli. Das Mittagessen für heute habe ich schon in eine Tupperware-Dose gepackt, auch die Jause ist schon verstaut. Endlich ein adäquater Einsatzbereich für meine Musettes – die praktischen kleinen Umhängetaschen, die auch im Profi-Peloton an den Versorgungsstationen an die Fahrer gereicht werden.

Mehr als vier Monate ist es nun schon her, dass ich bei Caroline Schlinter-Maltan “Büro für Ernährung” meine Ernährungsberatung begonnen habe. Wie sich das angelassen hat, ist hier im ersten Teil zu lesen. Es ging mir von Anfang an um zwei Aspekte, die natürlich miteinander zusammenhängen aber von der Motivation her grundsätzlich schon unterschiedlich sind. Punkt 1 ist das allgemeine Wohlbefinden, die alltägliche Ernährung, die Frage nach dem „Richtig“ oder „Falsch“, dem „Gut“ und Böse“. Ich wollte Varianten und Alternativen zu meinen eingefahrenen Gewohnheiten, neue Impulse und Hinweise. Punkt 2 betrifft die sportliche Leistungsfähigkeit, speziell im Hinblick auf den Ausdauersport und – ganz persönlich – in der Vorbereitung auf meine Race Around Austria Challenge.

Wohlbefinden

Fangen wir mit dem allgemeinen Wohlbefinden an – was habe ich in den vergangenen vier Monaten gelernt? Eines gleich vorweg: Ich habe meine Ernährung nicht unbedingt grundlegend umgestellt. Ich gehe nach wie vor (aber seltener) zum Burgerbrater mit dem goldenen M, ich esse nach wie vor einen Schokoriegel, wenn ich darauf Lust habe und ich „brauche“ nach wie vor ab und zu meine Portion Chips (meistens um ein grottiges Fernsehprogramm am Hauptabend zu kompensieren). In meinem Hinterkopf war und ist noch immer irgendwie verankert, dass ich mich nicht einschränken, nicht auf Dinge verzichten möchte, die ich mag. Ob ich diese Dinge tatsächlich brauche oder ob es da nicht bessere Alternativen gibt, beginne ich übrigens nach und nach zu hinterfragen. An dieser Stelle bin ich besonders gespannt, was nach dem halben Jahr Ernährungsberatung am Schluss herauskommen wird. Der Mensch ist – gerade auch bei der Ernährung – ein Gewohnheitstier. Und so schnell man sich gewisse Dinge abgewöhnen kann (auch wenn das manchmal „weh tut“), so schnell freundet man sich auch mit neuen an.

Ein zweiter Aspekt, der für mich absolut zentral ist und der sich über die letzten Monate herauskristallisiert hat, heißt, sich bewusst zu machen, was man isst! Bei mir haben dazu in sehr großem Maße die Ernährungsprotokolle beigetragen, die ich während der ersten Monate meiner Ernährungsberatung geführt habe. Aufzuschreiben, was man isst, wieviel und wann, ist nicht nur für die Ernährungsberaterin relevant, sondern öffnet einem auch selbst die Augen. Sich zu belügen hat an dieser Stelle natürlich keinen Sinn, das würde jeglichen Verbesserungsprozess zunichtemachen. Sobald man aber – vielleicht auch noch in einem deutlichen Muster – sieht, wo etwaige Defizite in der Ernährung liegen, ist man schon einen großen Schritt weiter. Egal ob das regelmäßig schwere Mahlzeiten am späten Abend sind, Süßigkeiten oder irgendetwas anderes, was einem im Ernährungsprotokoll auffällt. Diese Dinge zu erkennen, muss noch nicht zwangsläufig heißen, diese sofort abzudrehen oder beheben zu müssen – in meinen Augen geht es vorrangig einmal darum, zu wissen, was man macht. Beim Aufzeigen entsprechender Alternativen ist dann ja glücklicherweise die Ernährungsberaterin zur Stelle.

Und wenn wir schon beim Bewusstmachen sind… Natürlich geht es in einem weiteren Schritt auch darum, welche Qualität an Lebensmitteln man zu sich nimmt. Auch dabei kann das Ernährungsprotokoll sehr hilfreich sein. Wie hoch ist der Anteil an verarbeiteten Lebensmittel, die man zu sich nimmt? Welche Zutaten stammen aus biologischem Anbau? Woher kommt mein Essen eigentlich? Ohne hier in irgendwelche dogmatischen Positionen und Anschauungen zu verfallen – es sollte ohnehin jede*r für sich entscheiden, was am besten passt -, ein paar Dinge sind schon aus purer Logik zu hinterfragen: Wie kann ein Hühnerschnitzel im Supermarkt 99 Cent kosten und unter welchen Bedingungen können Lebensmittel derartig billig produziert werden – und dann kostet auch das Katzen- oder Hundefutter mit Hühnerfleisch noch das Doppelte… Naja.

Maßnahmen

Was habe ich also konkret gemacht? Ehrlicherweise (noch) nicht allzu viel konkretes. Viele Dinge sind mir bewusst geworden (siehe oben), die tatsächlichen Änderungen in meinen Gewohnheiten waren aber bis dato vermeintlich gering.

Ich habe genau genommen sogar mehr gegessen – nämlich mehr zum Frühstück und vor allem zu Mittag. Was erst einmal paradox klingt, hat bei mir allerdings die Auswirkung gehabt, dass ich insgesamt satter war und dadurch häufig auf meine Vormittags- und/oder Nachmittagsjause verzichten konnte. Dass diese eingeschobenen Zwischen-Snacks oft Plunder oder Süßes waren, muss ich an dieser Stelle nicht extra erwähnen... Der Gusto war noch immer da aber die Notwendigkeit nicht mehr so oft. Und wenn man dann diesen klitzekleinen Moment des Schwachwerdens übertauchen kann, hat man schon gewonnen – immerhin ist es nur ein Gusto, kein Hunger! Beim Frühstück habe ich ein gewisses Maß an Variation eingeführt – das traditionelle Marmeladenbrot wird nun ab und zu durch Porridge oder Haferflocken-Mischungen mit Joghurt und Früchten ersetzt. Ehrlicherweise sättigen mich diese Dinge immer sehr unterschiedlich - speziell wenn ich am Vorabend Sport gemacht habe, stellen sich nach einem solchen Frühstück oft schon früher wieder Hungergefühle ein. Und das wars dann eigentlich auch schon für den Moment. Manche Dinge muss man sich erst langsam erarbeiten, Gewohnheiten nach und nach abbauen, sich auf Neues einlassen. Aber was das betrifft, ist meine Reise ja noch nicht zu Ende.

Die Waage

Mein keksinduziertes Wintergewicht von knapp über 90 Kilogramm ist eines, das mir bei der Bewältigung von Anstiegen mit dem Rad nicht unbedingt entgegenkommt. (Dass sich dieses Gewicht auf 1,94 Meter verteilt, lässt das Ganze vielleicht weniger plump wirken, ändert aber nichts an der grundlegenden Geschichte). Trotzdem war Gewichtsabnahme für mich kein vorrangiges Thema. Einerseits weil ich durchs Radfahren im Frühling immer recht schnell wieder bei meinem „Sommergewicht“ von rund 86 Kilogramm lande, andererseits bringt eine bewusstere Ernährung fast zwangsläufig eine kleine Gewichtsreduktion mit sich. Um das Ganze schwarz auf weiß zu haben, wurde ich im Februar bei meinem ersten Termin bei Caroline gewogen – inkl. Körperfett, viszeralem Fett, Verteilung des Fetts, Knochen- und Muskelmasse, Körperwasser und vielem mehr. Bei meiner letzten Sitzung stand wiederum die Waage da, auch um einen möglichen (und hoffentlich vorhandenen) Fortschritt zu messen und die Maßnahmen daran entsprechend auszurichten. Und siehe da: alle Werte haben sich in geringem Maß verbessert - manche schneller als gedacht, bei anderen wird noch etwas Arbeit notwendig sein. Aber ein Stoffwechselalter von 25 Jahren klingt schon mal nicht so schlecht. ;)

Leistung

Neben dem Wohlbefinden und dem guten Gewissen zählen aber auch sportliche Leistungen. Nachdem die Eckpfeiler der Ernährungsberatung durch Caroline perfekt abgesteckt waren (Ernährungsprotokolle, langsames Heranführen an Alternativen im Alltag), war der Radsport das nächste große Thema. Es gibt im Internet unzählige Artikel, Meinungen und Weltanschauungen, was ernährungstechnisch richtig, falsch, gut und böse ist. Wie immer ist es schwierig, sich in diesem Wulst an Meinungen zurechtzufinden, professionelle Hilfe daher unerlässlich. Ich zähle und verlasse mich dabei voll und ganz auf Caroline, sie hat viel Erfahrung mit AusdauersportlerInnen und außerdem: Probieren geht über Studieren.

Das große Ziel für 2019 ist das Race Around Austria. Ein 24-Stunden-Rennen stellt an den menschlichen Körper außergewöhnliche Anforderungen. Davon konnte ich mich auch noch einmal selbst überzeugen, als ich Anfang Mai Philipp Reiterits als Betreuer beim Race Around Niederösterreich begleiten durfte. Alleine schon zu sehen, wie und was er während des Rennens aß und trank, war aufschlussreich – egal ob es jetzt zu wenig oder zu viel war, ob Flüssignahrung besser oder schlechter als Riegel oder Gels ist. Mir ist jedenfalls klar, dass für ein derartiges Unterfangen die Ernährung von elementarer Bedeutung ist. Der Körper braucht Treibstoff, diesen zur Verfügung zu stellen und dann idealerweise auch noch in der richtigen und bekömmlichen Form, ist Ziel meines Unterfanges „sportliche“ Ernährungsberatung. Im Idealfall fühlt man sich während der Anstrengung nicht müde und leer sondern – im wahrsten Sinne der Wortes - immer „gut gefüllt“ und versorgt.

Super Giro Dolomiti

Doch bis zum RAA dauert es noch (wenn ich gerade darüber nachdenke eigentlich nur noch erschreckend kurze) zwei Monate. Jedenfalls Zeit genug, im Vorfeld noch ein paar Dinge auszuprobieren. Es macht ja auch wenig Sinn, bei einem 24h-Rennen erstmals etwas Neues zu versuchen – da sollte im Vorfeld schon klar sein, was funktioniert und was nicht. Das bringt uns zum Super Giro Dolomiti, der am 9. Juni im Kalender eingetragen ist. Gut 200 Kilometer und knapp 5.000 Höhenmeter sind dabei durch Osttirol, Kärnten und das benachbarte Italien zurückzulegen. Eine hervorragende Gelegenheit, einen vorher abgestimmten Ernährungsplan für das Rennen auszuprobieren.

Caro hat mir vor mehreren Wochen eine Liste mit ihrer Meinung nach wertigen Riegeln und Gels zukommen lassen. Es lag an mir, einige davon auszuwählen und bei lockeren Ausfahrten zu testen. Der Geschmack muss passen, die Konsistenz, die Handhabung – alles Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, ob man ein Produkt mag oder nicht. Dies ist keine Werbung oder Einschaltung, aber ich werde beim Super Giro Dolomiti mal mit Clif Bar Gels und Riegeln an den Start gehen, in meinen Flaschen sind Iso-Pulver von High5 und Winforce verrührt. Es gilt, diese Mischung im Rennbetrieb über rund acht Stunden auszuprobieren (vielleicht werden es auch neun…). Eine Schwierigkeit bei langen Rennen ist, dass man nur schwer die Möglichkeit hat, unterwegs auf seine eigenen Produkte zurückzugreifen. Eine Variante wäre, alles Essen in die Trikottaschen zu stopfen, aber für die Trinkflaschen ist das nicht möglich. Labestationen an der Strecke sind zwar vorhanden, manchmal aber eher unberechenbar in Bezug auf deren „Verpflegungsqualität“. Ich versteh übrigens nicht, warum immer mehr Marathons dazu übergehen, an Laben zugeschraubte 0,5 Liter Mineralwasserflaschen zu verteilen… Ist da jemals schon selbst wer mit dem Rad gefahren? Idealerweise hat man ein Team oder Freunde im Gepäck, die sich bereitwillig an die Strecke stellen und einen an geeigneten Punkten mit frischen Flaschen versorgen.

Vorbereitungswoche

Eigentlich hätte ich es mir denken können, ich war aber dennoch etwas überrascht, als mir Caro dann einen Ernährungsplan für die Woche vor dem Wettkampf schickte. Darin ist minutiös und aufs Gramm genau aufgelistet, was ich wann zu essen habe – wie zum Beispiel das Birchermüsli jetzt gerade. Mit einer derartigen Vorgabe war ich – planloses Wesen… - noch nie konfrontiert. Zwei Tage dieser Woche abgespult, kann ich nun – unzählige Einkäufe und Vorkochen später – sagen, dass ich mich zurechtfinde im Ernährungsplan, mich vorbehaltslos auf den Plan eingelassen habe und irrsinnig gespannt bin, ob und welche Wirkung diese Vorbereitungswoche am Renntag entfalten wird. Und Gott sei Dank hat Caro nichts draufgeschrieben, was ich partout nicht runterbringe…

Mahlzeit! Fortsetzung folgt!

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Radfahren im Murtal

Die Autotür öffnet sich und vom Kindersitz ist ein Aufschrei zu hören - ein Aufschrei der Begeisterung, befinden sich doch in Sichtweite immerhin Kühe und Traktoren. Um die Unterhaltung des Nachwuchses muss man sich also während der kommenden Tage keine Sorgen mehr machen … Doch es wäre natürlich unfair den Attraktionen und der Schönheit des Murtals gegenüber, die Sache darauf zu reduzieren. 

Fangen wir von vorne an. Das Murtal kennt man in der Regel vom Durchfahren - wer mit dem Auto von Wien Richtung Süden oder Südwesten fährt, hat neben Südautobahn und Neumarkter Sattel auch die Option, durch das Murtal zu fahren. Dementsprechend prominent liegt die B97 im Tal und führt - wie so viele Autobahnen, Schnellstraßen und Umfahrungen heutzutage - an den wesentlichen Dingen vorbei. Moderne Verkehrsachsen sind dem französischen Philosophen Marc Augé zufolge „Nicht-Orte“ - hinter Lärmschutzwänden und auf Umfahrungen nimmt man nur noch anhand der Schilder und Verkehrszeichen wahr, welche Attraktionen sich neben den Straßen verbergen und fährt - in der Regel - einfach daran vorbei. Bevor ich zu weit abschweife … Ich bin froh, dass ich von der B97 abgefahren bin und fühle mich in meiner Theorie bestätigt, dass man ab und zu einfach mal von der Autobahn abfahren sollte und mit aufmerksamen Sinnen und geöffneten Augen neue Gegenden kennenlernen soll. Bewegt man sich erstmal etwas weg von den Hauptachsen und hin zu den Rändern und versteckten Ecken, offenbaren sich die wahren Schätze.

Den Kreischberg kennt man vor allem vom Wintersport, im Speziellen vom Snowboard. Auch ohne Schnee zeugen die angelegten Rampen und Halfpipes am Berghang davon, dass man einer der ersten Orte war, der entsprechende Infrastrukturen errichtet hat. 2015 fanden hier die Snowboard-Weltmeisterschaften statt, der Weltcup gastiert nach wie vor alljährlich am Kreischberg. Abseits dessen bietet das Schigebiet moderate Pisten und ein auf Familien ausgerichtetes Programm. Und Familien stehen auch im Vordergrund, wenn es darum geht, entsprechende Angebote in den Sommermonaten zu bieten. Was liegt näher, als vorhandene Kapazitäten und Infrastrukturen, die von der Wintersaison fraglos ausreichend vorhanden sind, auch im Sommer sinnvoll zu nützen. Viel erfinden braucht man dazu eigentlich auch nicht - die Berge, Flüsse, Täler und Dörfer des Murtals bieten vielfältige Möglichkeiten, Wandern und Radfahren sind am naheliegendsten.

Club Hotel am Kreischberg

Das Club Hotel am Kreischberg wurde vor wenigen Jahren neu übernommen, das ehemalige Appartement-Hotel wird sukzessive in ein Komplettangebot umgewandelt. Das Areal umfasst mittlerweile fünf Häuser, die - bis auf eines - alle mit Korridoren miteinander verbunden sind. Die Tafel vor dem Hotel sagt „Vier Sterne“, das Niveau - egal ob Einrichtung, Ausstattung oder Service - wird dieser Ansage jedenfalls gerecht. Infrastrukturen sind durchwegs vorhanden: Wellness-Bereich mit Infrarot, Dampfbad und Sauna, Indoor-Spielplatz, „Wuzzler“, Massageraum, Fitnessraum, Werkstatt, Ski- und Radräume und vieles mehr. Und wenn es nach dem Hoteldirektor geht, kommt da in den nächsten Monaten noch einiges dazu.

Meine Anwesenheit am Kreischberg hat nämlich mehrere Gründe. Natürlich geht es darum, die Region Murtal und die Freizeitangebote vor allem am Rad kennenzulernen. Die Verantwortlichen des Club Hotels haben aber auch ein brennendes Interesse daran, ihr Radangebot noch besser auf die Zielgruppe auszurichten. Und nachdem ich nun doch schon einige Destinationen mit dem Rad besuchen durfte, besteht mein kleiner bescheidener Beitrag darin, meine Erfahrungen mit dem Club Hotel zu teilen, Wünsche zu formulieren, die ich als Radfahrer an ein Hotel habe und einige Dinge auch gleich in der Praxis auszuprobieren.

Konkret manifestiert sich das zum Beispiel in dem Projekt „Rad-Servicestation“, das in den kommenden Monaten umgesetzt werden soll. Radfahrer sind - wenig überraschend - eine wesentliche Zielgruppe im Sommertourismus. Wer hier als Hotel oder Anbieter auf die Bedürfnisse der Radfahrenden eingeht, erarbeitet sich auf diese Weise einen Vorsprung. Es geht hier aber nicht um eiskaltes und wirtschaftliches Kalkül sondern vielmehr um ein ehrliches Bestreben, Radfahrenden einen umfassenden und entspannten Urlaub bieten zu können. 

Die geplante Rad-Station soll eine Unterbringungsmöglichkeit für Räder umfassen, wobei auch auf etwaige Sonderwünsche (Einzelaufbewahrung) und besonders heikle Räder Rücksicht genommen werden kann. Ein Service-Point stellt sicher, dass kleinere Reparaturen schnell und vor Ort erledigt werden können, geläufige Ersatzteile wie Schläuche sind dort lagernd verfügbar, auch eine kurze Radpflege oder -reinigung soll möglich sein. Touren und Tracks kann man beim Hoteldirektor selbst erfragen, der mit dem Mountainbike schon so gut wie jeden Meter des Murtals unter die Reifen genommen hat. Und wer erschöpft von der Tour zurück kommt, soll auch gleich die Möglichkeit bekommen, sich selbst aufzutanken (im angeschlossenen Restaurant) oder gleich den Weg in den Wellness-Bereich anzutreten.

Wenn wir schon bei der Verpflegung sind - neben den Einrichtungen des Hotels selbst, bieten zahlreiche Restaurants in und um die Gemeinde Sankt Georgen am Kreischberg Gelegenheit zur Einkehr. Typisch steirisch ist man mit einem Backhendlsalat in „Ottl´s Wirtshaus“ bedient, das Kreischberg-Eck bietet Hausmannskost, wie man sie nach einem aktivitätsreichen Tag vertragen kann. Wer hingegen Gusto auf eine Forelle aus der benachbarten Mur hat, der findet im Restaurant Schafferwirt in Kaindorf seine Erfüllung.

Ausflüge & Aktivitäten

Bevor wir zum Radfahren und den möglichen Touren in der Umgebung des Kreischbergs kommen, kurz noch etwas zu Murau, der nächsten größeren Stadt, die rund sechs Kilometer entfernt Richtung Osten liegt. Auch hier stoßen wir auf das schon oben erwähnte Phänomen, dass man auf der Bundesstraße an der Stadt vorbeifährt und einem in der Regel das charmante Ortszentrum entgeht. Das Murtal ist - wenn man die letzten Jahrzehnte betrachtet - jedenfalls mit Fragen der Abwanderung, dem Älterwerden der Bevölkerung und der überschaubaren Anzahl an qualifizierten Arbeitsplätzen konfrontiert. Aufmerksame Beobachter wissen, wie sich das strukturell und irgendwann später auch optisch und stimmungsmäßig auswirken kann.

Die Brauerei Murauer scheint prominent im Stadtbild auf, wer gerne Bier trinkt, kann sich einer der zahlreichen bier-bezogenen Veranstaltungen hingeben. Die Altstadt ist pittoresk, die alte Bausubstanz ist durchwegs recht gut erhalten und lässt erahnen, wie es hier zu früheren Zeiten ausgesehen hat. Über Murau thront das Schloss Liechtenstein - wer sich für Geschichte interessiert, findet hier interessante Anekdoten und Intrigen und mit Anna Neumann eine äußerst spannende Persönlichkeit, die drei Ehemänner überlebte und so in den Besitz des Schlosses gelangte. Den Gegensatz zum Schlossberg stellt die Mur-Promenade dar, bei der sich die „Rückseite“ der Stadt erleben lässt und wo auch noch die Urgewalt jenes Flusses erkennbar ist, der Stadt und Tal ihren Namen gegeben hat.

Wer mit Familie unterwegs ist, kennt die permanente Suche nach Unterhaltungsmöglichkeiten für den Nachwuchs. Ist dieser aus dem Alter draußen, wo Traktoren und Weiderind noch für Begeisterungsstürme ausreichen, bietet das Murtal dennoch zahlreiche Optionen:

Holzmuseum St. Ruprecht

Das Murtal steht samt und sonders unter dem Motto „Holz“. Allseits ist die Auseinandersetzung mit dem Naturmaterial erkennbar - egal ob Brücken, Häuser oder Denkmäler. Optisch macht das einiges her und gelingt mit „Holz“ weitaus besser, als das bei anderen Regionen mit anderen Themen der Fall ist. Häuser scheinen in einer ähnlichen Fassadengestaltung auf, Holzbrücken über die Mur sind stolze Beweise handwerklicher Baukunst und das Holzmuseum in Sankt Ruprecht bietet einen Überblick über diese Gesamtheit an Maßnahmen und einen Einblick in die handwerklichen Geheimnisse, die das Murtal zur vermeintlichen Heimat des „Holzes“ gemacht haben. Am Weg zum Club Hotel am Kreischberg überquert man übrigens die derzeit größte freitragende Holzbrücke Europas.

Dampfzug Murtalbahn

Die Steiermärkischen Landesbahnen betreiben eine Schmalspurbahn durch das Murtal - von Tamsweg bis Unzmarkt. Diese ist im tagtäglichen Einsatz mit regulärem Wagenmaterial, wer für einen Ausflug mit dem Zug allerdings etwas Besonderes haben will, wählt den „Dampfbummelzug“.

Günstner Wasserfall

Der Günstner Wasserfall ist zwar schon „ein Tal weiter“, taugt aber trotzdem als gutes Ausflugsziel vom Kreischberg oder von Murau aus. Mit 65 Metern Fallhöhe ist es der höchste Wasserfall der Steiermark. Und wem das noch nicht beeindruckend genug ist: Es gibt unten beim Wasserfall einen Streichelzoo! ;) Und wenn wir schon dabei sind: Direkt beim Kreischberg bietet ein wunderschöner Golfplatz die Möglichkeit, ein paar Bälle zu schlagen (sind Golfspieler unter den 169k-Lesern??) - und auch hier: gleich hinter dem Golfplatz gibt es einen Streichelzoo. Urlaub gerettet!

Gäste Card

Wer sich übrigens Attraktion für Attraktion durch die Region arbeiten will, ist mit der Murtal Gäste-Card sehr gut bedient, erhält man damit doch Rabatte bei so gut wie allen Ausflugszielen und -einrichtungen der Region.

Auf dem Rad

Am Ende des Tages bin ich aber doch hauptsächlich zum Radfahren gekommen - um die Möglichkeiten der Region kennenzulernen, die ausgeschilderten Routen auszuprobieren, eventuell auch neue Routen zu finden. Die Frage vor dem Aufenthalt am Kreischberg war: „Welches Rad soll ich mitnehmen?“ Am liebsten hätte ich ja Mountainbike, Rennrad und Kinderanhänger mitgenommen, alleine der Platz im Auto ist limitiert. Ich habe daher das Mountainbike eingepackt, meine zuhause gebastelten Rennradrouten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und für den Familienausflug auf dem Murradweg lassen sich vor Ort hervorragend Räder ausborgen.

Murradweg

Der Murradweg ist allgegenwärtig, zieht er sich doch durch die gesamte Region, wirkt wie ein verbindendes Element. Die Mur entspringt in der Nähe von Tamsweg - also rund 40 Kilometer vor Murau - und fließt bis nach Slowenien. Die ganze Länge des Flusses ist mit dem Rad erfahrbar und offenbart eine Vielzahl an Landschaften und Regionen, die alle ihren eigenen Charakter mitbringen. Ideal wäre daher eigentlich, die gut 400 Kilometer des Murradwegs am Stück zu fahren, um das komplette Erlebnis der „Tour de Mur“ zu haben. Wer es lieber etappenweise angehen möchte - zum Beispiel mit der Familie -, der ist besser bedient, einen Ausgangspunkt entlang des Radwegs zu wählen und von diesem aus Teile des Murradwegs zu befahren.

Tour 1: Mur Radweg Murau

Vom Startpunkt am Kreischberg/Sankt Georgen am Kreischberg führt der Radweg vom Bahnhof weg durch den Ort Richtung Osten. Man durchfährt den Golfplatz auf Nebenstraßen, rechts und links wird abgeschlagen, gechipt und geputtet - vor tieffliegenden Golfbällen muss man sich dennoch nicht fürchten. Der Radweg führt weiter entlang der Bahnstrecke und ist auf der gesamten Länge asphaltiert. Man quert die Bahn einige Male, durchfährt Wiesen und kleinere Ansiedelungen und nähert sich langsam Murau. Zwischen den Bergen kommt das Schloss Liechtenstein in Murau in den Blick, man überquert noch ein letztes Mal die Mur und fährt - auf einer abgetrennten Fahrbahn - neben der Bundesstraße Richtung Ortszentrum. Die Einfahrt nach Murau muss man schließlich nicht lange suchen, der Radweg führt direkt ins Zentrum und kommt - für den Versorgungsnotfall - auch direkt am Murauer Brauhaus vorbei.

15,5 Kilometer, 150 Höhenmeter, GPX-File

Tour 2: Mur Radweg Stadl an der Mur

Start ist wiederum in Sankt Georgen am Kreischberg, diesmal geht es Richtung Westen - gegen den Strom quasi. Die ersten Kilometer des Radwegs sind noch asphaltiert und verlaufen flach neben der Mur. Ein kurzer Anstieg der Herzfrequenz stellt sich ein, wenn die Staustufe der Murkraftwerke überwunden werden will, hier sind auf kurzer Strecke einige steile Höhenmeter zu überwinden. Danach quert man die Murtalbahn und fährt ab diesem Zeitpunkt am Waldrand entlang. Hier wird der Radweg wellig, man fährt auf mehr oder weniger feinem Schotter, taucht mitunter für einige hundert Meter tief in den Wald ein. Ein gewisses Grundmaß an Fahrtechnik kann hier nicht schaden, je nachdem mit welchem Rad man unterwegs ist, kann der Schotter stellenweise schon etwas tückisch werden. 

Das Tal wird enger, die Berge am Horizont höher, die Ausblicke schöner und schöner. Man fährt gefühlt tiefer in die Landschaft hinein, entfernt sich von der Zivilisation, ist mehr alleine und bei sich selbst. Das ist definitiv die Genießerseite des Radwegs. Man passiert Sankt Ruprecht oder wechselt kurz auf die andere Seite der Mur, um das dort liegende Holzmuseum zu besuchen. Ziel der Runde ist Stadl an der Mur, von dort geht es wieder zurück zum Kreischberg. 

Normalerweise sind Routen zu bevorzugen, die nicht auf der gleichen Strecke wieder zurückführen, manchmal offenbaren sich beim Zurückfahren aber auch ganz andere Ein- und Ausblicke als bei der Hinfahrt. Wer fit genug ist oder etwas weiter fahren möchte, kann über Stadl an der Mur hinaus weiter Richtung Tamsweg fahren, dort warten noch einige Kilometer Radweg darauf, erfahren zu werden - diese allerdings nochmal etwas anspruchsvoller.

21,1 Kilometer, 250 Höhenmeter, GPX-File

Tour 3: Hauserersee

Direkt am Fuße des Kreischbergs startet die Tour zum Hauserersee, eine der offiziellen Radrouten der Region. Entlang des Lorenzer Bachs fährt man die ersten Kilometer auf Asphalt leicht ansteigend durch lichten Wald, dort wo dieser dichter wird endet auch der feste Straßenbelag und das Mountainbike beginnt, Sinn zu machen. Der Weg wird steiler und steiler, der Radcomputer zeigt zwischenzeitlich >20% an, die kleinsten Gänge werden bemüht. Wie auch bei anderen Routen offenbart sich hier ein Spezifikum, das erst auf den zweiten Blick seine volle Tragweite zeigt: man sieht oft recht weit nach vorne, wohin der Weg führt und wie steil dieser ansteigt. Wer beispielsweise müde Beine hat oder mit der Steigung nicht allzu glücklich ist, kann etwas zermürbt werden, wenn sichtbar ist, was einem die nächsten hunderten Meter bevorsteht. 

Die Route steigt weiter an und wird etwas wilder, bis bei einem Schranken plötzlich die offizielle Radroute endet - leider vor dem namensgebenden Hauserersee. An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich das Netz der offiziellen Radstrecken auch im Murtal erst im Aufbau befindet, einige der bestehenden Routen oft eher wie ein Feigenblatt wirken. Auch hier geht es um Haftungs- und Eigentumsfragen der entsprechenden Grundstücke und Forststraßen - der Tourismusverband ist sich der Thematik bewusst, Besserung laut aller Beteiligten in Aussicht.

14,5 Kilometer, 560 Höhenmeter, GPX-File

Tour 4: Allgau

Der Murradweg bzw. das Holzmuseum in St. Ruprecht bildet den Startpunkt für den Stich hinauf nach Allgau. Vorab ist die Grundsatzentscheidung zu treffen, Straße hinauf und Waldweg hinunter oder umgekehrt? Ich habe mir das im Vorfeld nicht gut genug angeschaut und bin die Asphaltstraße hinaufgefahren. Die Steigung auf den rund fünf Kilometern Anstieg ist knackig, unter 10 Steigungsprozent ist man selten unterwegs. Die Landschaft ist lieblich, Kühe rechts und links der Straße sind stetige Begleiter - Autos oder dergleichen sucht man hier vergeblich. Die Route endet auf einer Anhöhe, im Hintergrund tun sich die Gipfel der rund 1.300 Meter hohen Bergkette auf, die das Murtal vom nächsten trennen. 

Leider gibt es keine Passage, die eine Überquerung mit dem Rad ermöglicht und aus der kleinen Runde eine größere Rundfahrt machen würde. Während die Straße sich in Kurven und Serpentinen am Hang nach oben gearbeitet hat, geht es auf dem Schotterweg nahezu in Falllinie nach unten. Man fährt ohne Aussicht in der Senke des Taleinschnitts, das Tempo ist hoch - der Untergrund legt den Einsatz eines vollgefederten Rads nahe, wenn man es hier laufen lassen will. Bergauf stelle ich es mir hier um einiges schwieriger vor. Nach einer kurzen aber sehr kurzweiligen Abfahrt landet man wieder entlang der Bundesstraße und damit auch gleichzeitig wieder auf dem Murradweg.

7,8 Kilometer, 310 Höhenmeter, GPX-File

Tour 5: Stolzalpe

Nicht unbedingt ein Mountainbike benötigt man für die Runde zur Stolzalpe. Von Murau geht es zuerst neben der B96 entlang des Rantenbachs Richtung Norden, bald zweigt der Begleitweg neben der Straße ab und verläuft in einen gesonderten Radweg, der sich durch den nahen Wald windet. Rund 10 Kilometer spult man auf diese Weise ab, bis man bei Rottenmann rechts abbiegt und die ersten Schilder Richtung Sölkpass deuten. Bevor jedoch Zweifel an dem Vorhaben aufkommen können - der Sölkpass ist wohl ein eigenes Kaliber -, biegt man gleich noch einmal rechts ab und findet sich auf einer einsamen schmalen Straße nach Rinegg.

Der asphaltierte Weg steigt stetig an, man durchfährt wunderschöne Nadelwälder, passiert einzelne Häuser, erreicht schließlich ein Hochplateau. Man befindet sich auf rund 1.100 bis 1.200 Metern Seehöhe, es warten noch drei kleine aber knackige Anstiege, bevor man sich mit einem atemberaubenden Panorama wieder Murau annähert. Man erreicht die Stolzalpe, einen mittlerweile mit Murau zusammengelegten Ortsteil, der vor allem durch seine Heilstätte hoch am Berg Bekanntheit erlangt hat. Und an genau dieser Stelle offenbart sich auch die beste Aussicht - Richtung Nordwesten durch das Tal des Rantenbachs und in das Murtal bis zum Kreischberg, hier zahlt es sich aus, eine kurze Pause einzulegen. Hinunter geht es auf der Straße vom Krankenhaus direkt nach Murau, von wo aus man mit dem Rad oder dem Zug den weiteren Heimweg antreten kann. Die Strecke ist zwar durchgehend asphaltiert, wie so oft deutet aber spätestens das Schild „Ende der Ausbaustrecke“ darauf hin, dass man mit breiteren Reifen eventuell besser bedient ist.

24,6 Kilometer, 560 Höhenmeter, GPX-File

Rennradtouren

Ich habe auf meinem Computer noch einige Touren für mein Rennrad vorbereitet gehabt. Mit der Turracher Höhe, dem Sölkpass und der Nockalmstraße sind in unmittelbarer Nähe des Murtals einige große Namen vertreten. Diese in Angriff zu nehmen, bedarf vorab einiger Planung, geht es doch in recht hohe Gefilde. Inwiefern sich mit diesen Tourenzielen noch gute Runden (im Sinne von „nicht auf der gleichen Strecke zurückfahren“) umsetzen lassen, weiß ich nicht genau. Die Möglichkeiten, wieder in die richtigen Täler zurückzukommen, sind begrenzt - im Zweifelsfall würde ich hier die gleiche Strecke wieder zurückfahren. 

Ein anderes anfängliches Bedenken lässt sich hingegen recht einfach zerstreuen. Die teilweise doch recht stark befahrenen Bundesstraßen lassen sich insofern ganz gut vermeiden, als viele davon begleitende Radweg aufweisen, die man ohne weiteres auch mit dem Rennrad benützen kann.

Disclaimer

Der Aufenthalt im Club Hotel am Kreischberg fand auf Einladung des Hotels statt.

Alpen Tour 2019 - Martin Rauscher

Vor wenigen Wochen habe ich hier die Alpen Tour vorgestellt, ein anspruchsvolles Mountainbike-Etappenrennen in und um Schladming. Ich habe zwar in der Zwischenzeit mein Mountainbike bekommen und bin - neben dem Rennrad - auch fleissig mit den dicken Stollenreifen unterwegs, aber ein derartiges Unterfangen wie die Alpen Tour traue ich mir noch nicht zu. Wie schon angekündigt, springt der junge und talentierte Martin Rauscher ein und wirft sich für 169k in die vier schwierigen Etappen.

Um Martin besser kennenzulernen, gleichzeitig aber auch die Motive, Herausforderungen für ein Etappenrennen und die Vorbereitung auf ebendieses zu erläutern, habe ich Martin vorab ein paar Fragen gestellt:

Foto: Alpen Tour

Foto: Alpen Tour

Stell dich bitte kurz vor, was waren deine bisherigen Erfolge auf dem Rad?

Begonnen hat alles 2015 im Maturajahr an der HTL, anstatt zu lernen hab ich das Mountainbiken für mich entdeckt. Die Matura hab ich trotzdem geschafft und seitdem nehme ich auch regelmäßig an Mountainbike-Rennen teil. 2017 hab ich mir dann auch erstmalig eine Sportklasse-Lizenz gelöst und wurde Vize-Staatsmeister im XCO. Seitdem konnte ich mehrere Stockerlplätze bei österreichischen MTB-Marathons einfahren - zuletzt den zweiten Gesamtrang beim “Bike the Bugles” in Krumbach.

Wo siehst du deine Stärken auf dem Rad? Welcher Fahrertyp bist du und welche Wettbewerbe liegen dir?

Meine Stärken liegen ganz klar bei den kurzen Anstiegen und ich kann recht schnell starten, also nicht so wirklich die Anforderungen, die ein Etappenrennen mit sich bringt. Bedingt durch mein Gewicht und meine Größe bin ich auch froh, wenn die Anstiege nicht allzu steil sind.

Bist du schon einmal ein Etappenrennen vom Format der Alpen Tour gefahren? Wo siehst du die Herausforderungen eines derartigen Formats?

Ich bin noch kein Etappenrennen gefahren und auch erst selten längere Rennen. Meistens starte ich bei Marathons mit 30-45 km und 1000-1600 hm. Deshalb sehe ich die Alpentour mit Ihren langen Etappen als großartige Herausforderung.

Wie hast du dich auf das Rennen vorbereitet? Hast du irgendetwas speziell trainiert?

Da mein Hauptaugenmerkt nicht auf der Alpentour sondern auf der Centurion MTB Challenge und der Top Six liegt, hab ich mein Training nicht extra an die Alpen Tour angepasst. Da ich aber das Wochenende vor der Alpen Tour rennfrei habe, werde ich mich durch Tapering entsprechend auf die Alpen Tour vorbereiten.

Was bedeutet es für dich, vier Tage am Stück Rennen zu fahren - wie regenerierst du am besten?

An sich wäre eine Etappe aufgrund ihrer Länge schon etwas besonderes für mich. Doch gerade das Rennfahren an vier aufeinanderfolgenden Tagen macht den Reiz der Alpen Tour für mich aus.

Um möglichst schnell und gut zu regenerieren, werde ich auf ausreichend Schlaf und die großzügige Zufuhr von Kohlenhydraten und Eiweiß achten.

Was nimmst du dir vor für das Rennen - was sind deine Ziele?

In erster Linie durchfahren und verletzungsfrei bleiben. Natürlich wäre der ein oder andere Punkt auch ganz nett. Jedoch mach ich mir da bei der üblicherweise sehr starken Besetzung der Alpen Tour keine allzu große Hoffnung.

Du kennst die Gegend rund um Schladming recht gut. Was sagst du zur Strecke insgesamt?

Das stimmt, ich habe schon etliche Wochen in Schladming und vor allem in der Ramsau verbracht, jedoch fast immer im Winter. Jedoch kenne ich die meisten Streckenteile auch im Sommer. Landschaftlich ist die Alpen Tour ein absoluter Traum. Auch dass der Start immer in Schladming stattfindet und man sich dadurch einiges an Zeit und Stress erspart ist etwas Besonderes an der Alpen Tour.

Wo liegen für dich die Schlüsselstellen des Kurses?

Vor etwa fünf Jahren - also noch in der Zeit, in der ich recht wenig auf dem Rad unterwegs war - bin ich einmal rauf zu den Giglachseen gefahren. Der steile Anstieg, der erst ab der Ursprungalm beginnt, ist mir bis jetzt in Erinnerung geblieben. Ich denke dieser Anstieg wird in Verbindung mit der Belastung des Vortages verdammt hart werden.

Welches Rad fährst du bei der Alpentour und warum?

Ich werde wie bei nahezu allen Rennen der Saison auf mein Cube AMS 100 SLT Fully setzten. Ich besitze zwar auch ein ca. 1 kg leichteres Hardtail jedoch spielt dieser Gewichtsunterschied bei meinem Gewicht von 77 kg keine so große Rolle. Gerade bei einem Etappenrennen ist es wichtig, die Ermüdung möglichst hinauszuzögern - da ist das Fully eine deutliche Erleichterung. Durch das Fox Factory Fahrwerk, das über ein sehr gutes Remote Lockout System verfügt, verschenkt man an den Anstiegen auch keine unnötige Kraft.

Was bedeutet es für dich, mit den Profis des MTB-Sports Seite an Seite an der Startlinie zu stehen?

Das ist immer wieder etwas Besonderes. Man merkt doch recht schnell, wie groß der Unterschied von einem flotten Amateur zu den richtigen Profis ist. Auch wenn man die Profis auf den Etappen nach kurzer Zeit aus den Augen verliert, so kann man doch das Flair eines solchen Rennens aufsaugen.

Danke Martin und Viel Erfolg und Spaß beim Rennen!

“Falscher” Untersatz, aber dieses Foto von Martin hab ich noch auf meinem Computer gefunden - denkwürdige Sonnenaufgangsfahrt aufs Hocheck!

Martin wird während der Alpen Tour auf den Social Media Kanälen von 169k seine Erfahrungen aus dem Rennen teilen, danach gibt es hier einen Blogpost über die Erlebnisse zu lesen.