Fotos // In Velo Veritas 2019

Manchmal wäre es vergebene Liebesmühe, einen Text zu verfassen - zum Beispiel, wenn es einen Bericht von “NoMan” auf Bikeboard gibt, der an Virtuosität und Leidenschaft eigentlich nicht mehr zu übertreffen ist. Der großartige Nachbericht ist unter diesem Link zu finden!

Darüberhinaus alle Infos, Berichte zur In Velo Veritas 2019 in und rund um Poysdorf und noch einen Haufen mehr Fotos hier!

Fotos // VICC Race Day #4

Radfahren im Murtal

Die Autotür öffnet sich und vom Kindersitz ist ein Aufschrei zu hören - ein Aufschrei der Begeisterung, befinden sich doch in Sichtweite immerhin Kühe und Traktoren. Um die Unterhaltung des Nachwuchses muss man sich also während der kommenden Tage keine Sorgen mehr machen … Doch es wäre natürlich unfair den Attraktionen und der Schönheit des Murtals gegenüber, die Sache darauf zu reduzieren. 

Fangen wir von vorne an. Das Murtal kennt man in der Regel vom Durchfahren - wer mit dem Auto von Wien Richtung Süden oder Südwesten fährt, hat neben Südautobahn und Neumarkter Sattel auch die Option, durch das Murtal zu fahren. Dementsprechend prominent liegt die B97 im Tal und führt - wie so viele Autobahnen, Schnellstraßen und Umfahrungen heutzutage - an den wesentlichen Dingen vorbei. Moderne Verkehrsachsen sind dem französischen Philosophen Marc Augé zufolge „Nicht-Orte“ - hinter Lärmschutzwänden und auf Umfahrungen nimmt man nur noch anhand der Schilder und Verkehrszeichen wahr, welche Attraktionen sich neben den Straßen verbergen und fährt - in der Regel - einfach daran vorbei. Bevor ich zu weit abschweife … Ich bin froh, dass ich von der B97 abgefahren bin und fühle mich in meiner Theorie bestätigt, dass man ab und zu einfach mal von der Autobahn abfahren sollte und mit aufmerksamen Sinnen und geöffneten Augen neue Gegenden kennenlernen soll. Bewegt man sich erstmal etwas weg von den Hauptachsen und hin zu den Rändern und versteckten Ecken, offenbaren sich die wahren Schätze.

Den Kreischberg kennt man vor allem vom Wintersport, im Speziellen vom Snowboard. Auch ohne Schnee zeugen die angelegten Rampen und Halfpipes am Berghang davon, dass man einer der ersten Orte war, der entsprechende Infrastrukturen errichtet hat. 2015 fanden hier die Snowboard-Weltmeisterschaften statt, der Weltcup gastiert nach wie vor alljährlich am Kreischberg. Abseits dessen bietet das Schigebiet moderate Pisten und ein auf Familien ausgerichtetes Programm. Und Familien stehen auch im Vordergrund, wenn es darum geht, entsprechende Angebote in den Sommermonaten zu bieten. Was liegt näher, als vorhandene Kapazitäten und Infrastrukturen, die von der Wintersaison fraglos ausreichend vorhanden sind, auch im Sommer sinnvoll zu nützen. Viel erfinden braucht man dazu eigentlich auch nicht - die Berge, Flüsse, Täler und Dörfer des Murtals bieten vielfältige Möglichkeiten, Wandern und Radfahren sind am naheliegendsten.

Club Hotel am Kreischberg

Das Club Hotel am Kreischberg wurde vor wenigen Jahren neu übernommen, das ehemalige Appartement-Hotel wird sukzessive in ein Komplettangebot umgewandelt. Das Areal umfasst mittlerweile fünf Häuser, die - bis auf eines - alle mit Korridoren miteinander verbunden sind. Die Tafel vor dem Hotel sagt „Vier Sterne“, das Niveau - egal ob Einrichtung, Ausstattung oder Service - wird dieser Ansage jedenfalls gerecht. Infrastrukturen sind durchwegs vorhanden: Wellness-Bereich mit Infrarot, Dampfbad und Sauna, Indoor-Spielplatz, „Wuzzler“, Massageraum, Fitnessraum, Werkstatt, Ski- und Radräume und vieles mehr. Und wenn es nach dem Hoteldirektor geht, kommt da in den nächsten Monaten noch einiges dazu.

Meine Anwesenheit am Kreischberg hat nämlich mehrere Gründe. Natürlich geht es darum, die Region Murtal und die Freizeitangebote vor allem am Rad kennenzulernen. Die Verantwortlichen des Club Hotels haben aber auch ein brennendes Interesse daran, ihr Radangebot noch besser auf die Zielgruppe auszurichten. Und nachdem ich nun doch schon einige Destinationen mit dem Rad besuchen durfte, besteht mein kleiner bescheidener Beitrag darin, meine Erfahrungen mit dem Club Hotel zu teilen, Wünsche zu formulieren, die ich als Radfahrer an ein Hotel habe und einige Dinge auch gleich in der Praxis auszuprobieren.

Konkret manifestiert sich das zum Beispiel in dem Projekt „Rad-Servicestation“, das in den kommenden Monaten umgesetzt werden soll. Radfahrer sind - wenig überraschend - eine wesentliche Zielgruppe im Sommertourismus. Wer hier als Hotel oder Anbieter auf die Bedürfnisse der Radfahrenden eingeht, erarbeitet sich auf diese Weise einen Vorsprung. Es geht hier aber nicht um eiskaltes und wirtschaftliches Kalkül sondern vielmehr um ein ehrliches Bestreben, Radfahrenden einen umfassenden und entspannten Urlaub bieten zu können. 

Die geplante Rad-Station soll eine Unterbringungsmöglichkeit für Räder umfassen, wobei auch auf etwaige Sonderwünsche (Einzelaufbewahrung) und besonders heikle Räder Rücksicht genommen werden kann. Ein Service-Point stellt sicher, dass kleinere Reparaturen schnell und vor Ort erledigt werden können, geläufige Ersatzteile wie Schläuche sind dort lagernd verfügbar, auch eine kurze Radpflege oder -reinigung soll möglich sein. Touren und Tracks kann man beim Hoteldirektor selbst erfragen, der mit dem Mountainbike schon so gut wie jeden Meter des Murtals unter die Reifen genommen hat. Und wer erschöpft von der Tour zurück kommt, soll auch gleich die Möglichkeit bekommen, sich selbst aufzutanken (im angeschlossenen Restaurant) oder gleich den Weg in den Wellness-Bereich anzutreten.

Wenn wir schon bei der Verpflegung sind - neben den Einrichtungen des Hotels selbst, bieten zahlreiche Restaurants in und um die Gemeinde Sankt Georgen am Kreischberg Gelegenheit zur Einkehr. Typisch steirisch ist man mit einem Backhendlsalat in „Ottl´s Wirtshaus“ bedient, das Kreischberg-Eck bietet Hausmannskost, wie man sie nach einem aktivitätsreichen Tag vertragen kann. Wer hingegen Gusto auf eine Forelle aus der benachbarten Mur hat, der findet im Restaurant Schafferwirt in Kaindorf seine Erfüllung.

Ausflüge & Aktivitäten

Bevor wir zum Radfahren und den möglichen Touren in der Umgebung des Kreischbergs kommen, kurz noch etwas zu Murau, der nächsten größeren Stadt, die rund sechs Kilometer entfernt Richtung Osten liegt. Auch hier stoßen wir auf das schon oben erwähnte Phänomen, dass man auf der Bundesstraße an der Stadt vorbeifährt und einem in der Regel das charmante Ortszentrum entgeht. Das Murtal ist - wenn man die letzten Jahrzehnte betrachtet - jedenfalls mit Fragen der Abwanderung, dem Älterwerden der Bevölkerung und der überschaubaren Anzahl an qualifizierten Arbeitsplätzen konfrontiert. Aufmerksame Beobachter wissen, wie sich das strukturell und irgendwann später auch optisch und stimmungsmäßig auswirken kann.

Die Brauerei Murauer scheint prominent im Stadtbild auf, wer gerne Bier trinkt, kann sich einer der zahlreichen bier-bezogenen Veranstaltungen hingeben. Die Altstadt ist pittoresk, die alte Bausubstanz ist durchwegs recht gut erhalten und lässt erahnen, wie es hier zu früheren Zeiten ausgesehen hat. Über Murau thront das Schloss Liechtenstein - wer sich für Geschichte interessiert, findet hier interessante Anekdoten und Intrigen und mit Anna Neumann eine äußerst spannende Persönlichkeit, die drei Ehemänner überlebte und so in den Besitz des Schlosses gelangte. Den Gegensatz zum Schlossberg stellt die Mur-Promenade dar, bei der sich die „Rückseite“ der Stadt erleben lässt und wo auch noch die Urgewalt jenes Flusses erkennbar ist, der Stadt und Tal ihren Namen gegeben hat.

Wer mit Familie unterwegs ist, kennt die permanente Suche nach Unterhaltungsmöglichkeiten für den Nachwuchs. Ist dieser aus dem Alter draußen, wo Traktoren und Weiderind noch für Begeisterungsstürme ausreichen, bietet das Murtal dennoch zahlreiche Optionen:

Holzmuseum St. Ruprecht

Das Murtal steht samt und sonders unter dem Motto „Holz“. Allseits ist die Auseinandersetzung mit dem Naturmaterial erkennbar - egal ob Brücken, Häuser oder Denkmäler. Optisch macht das einiges her und gelingt mit „Holz“ weitaus besser, als das bei anderen Regionen mit anderen Themen der Fall ist. Häuser scheinen in einer ähnlichen Fassadengestaltung auf, Holzbrücken über die Mur sind stolze Beweise handwerklicher Baukunst und das Holzmuseum in Sankt Ruprecht bietet einen Überblick über diese Gesamtheit an Maßnahmen und einen Einblick in die handwerklichen Geheimnisse, die das Murtal zur vermeintlichen Heimat des „Holzes“ gemacht haben. Am Weg zum Club Hotel am Kreischberg überquert man übrigens die derzeit größte freitragende Holzbrücke Europas.

Dampfzug Murtalbahn

Die Steiermärkischen Landesbahnen betreiben eine Schmalspurbahn durch das Murtal - von Tamsweg bis Unzmarkt. Diese ist im tagtäglichen Einsatz mit regulärem Wagenmaterial, wer für einen Ausflug mit dem Zug allerdings etwas Besonderes haben will, wählt den „Dampfbummelzug“.

Günstner Wasserfall

Der Günstner Wasserfall ist zwar schon „ein Tal weiter“, taugt aber trotzdem als gutes Ausflugsziel vom Kreischberg oder von Murau aus. Mit 65 Metern Fallhöhe ist es der höchste Wasserfall der Steiermark. Und wem das noch nicht beeindruckend genug ist: Es gibt unten beim Wasserfall einen Streichelzoo! ;) Und wenn wir schon dabei sind: Direkt beim Kreischberg bietet ein wunderschöner Golfplatz die Möglichkeit, ein paar Bälle zu schlagen (sind Golfspieler unter den 169k-Lesern??) - und auch hier: gleich hinter dem Golfplatz gibt es einen Streichelzoo. Urlaub gerettet!

Gäste Card

Wer sich übrigens Attraktion für Attraktion durch die Region arbeiten will, ist mit der Murtal Gäste-Card sehr gut bedient, erhält man damit doch Rabatte bei so gut wie allen Ausflugszielen und -einrichtungen der Region.

Auf dem Rad

Am Ende des Tages bin ich aber doch hauptsächlich zum Radfahren gekommen - um die Möglichkeiten der Region kennenzulernen, die ausgeschilderten Routen auszuprobieren, eventuell auch neue Routen zu finden. Die Frage vor dem Aufenthalt am Kreischberg war: „Welches Rad soll ich mitnehmen?“ Am liebsten hätte ich ja Mountainbike, Rennrad und Kinderanhänger mitgenommen, alleine der Platz im Auto ist limitiert. Ich habe daher das Mountainbike eingepackt, meine zuhause gebastelten Rennradrouten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und für den Familienausflug auf dem Murradweg lassen sich vor Ort hervorragend Räder ausborgen.

Murradweg

Der Murradweg ist allgegenwärtig, zieht er sich doch durch die gesamte Region, wirkt wie ein verbindendes Element. Die Mur entspringt in der Nähe von Tamsweg - also rund 40 Kilometer vor Murau - und fließt bis nach Slowenien. Die ganze Länge des Flusses ist mit dem Rad erfahrbar und offenbart eine Vielzahl an Landschaften und Regionen, die alle ihren eigenen Charakter mitbringen. Ideal wäre daher eigentlich, die gut 400 Kilometer des Murradwegs am Stück zu fahren, um das komplette Erlebnis der „Tour de Mur“ zu haben. Wer es lieber etappenweise angehen möchte - zum Beispiel mit der Familie -, der ist besser bedient, einen Ausgangspunkt entlang des Radwegs zu wählen und von diesem aus Teile des Murradwegs zu befahren.

Tour 1: Mur Radweg Murau

Vom Startpunkt am Kreischberg/Sankt Georgen am Kreischberg führt der Radweg vom Bahnhof weg durch den Ort Richtung Osten. Man durchfährt den Golfplatz auf Nebenstraßen, rechts und links wird abgeschlagen, gechipt und geputtet - vor tieffliegenden Golfbällen muss man sich dennoch nicht fürchten. Der Radweg führt weiter entlang der Bahnstrecke und ist auf der gesamten Länge asphaltiert. Man quert die Bahn einige Male, durchfährt Wiesen und kleinere Ansiedelungen und nähert sich langsam Murau. Zwischen den Bergen kommt das Schloss Liechtenstein in Murau in den Blick, man überquert noch ein letztes Mal die Mur und fährt - auf einer abgetrennten Fahrbahn - neben der Bundesstraße Richtung Ortszentrum. Die Einfahrt nach Murau muss man schließlich nicht lange suchen, der Radweg führt direkt ins Zentrum und kommt - für den Versorgungsnotfall - auch direkt am Murauer Brauhaus vorbei.

15,5 Kilometer, 150 Höhenmeter, GPX-File

Tour 2: Mur Radweg Stadl an der Mur

Start ist wiederum in Sankt Georgen am Kreischberg, diesmal geht es Richtung Westen - gegen den Strom quasi. Die ersten Kilometer des Radwegs sind noch asphaltiert und verlaufen flach neben der Mur. Ein kurzer Anstieg der Herzfrequenz stellt sich ein, wenn die Staustufe der Murkraftwerke überwunden werden will, hier sind auf kurzer Strecke einige steile Höhenmeter zu überwinden. Danach quert man die Murtalbahn und fährt ab diesem Zeitpunkt am Waldrand entlang. Hier wird der Radweg wellig, man fährt auf mehr oder weniger feinem Schotter, taucht mitunter für einige hundert Meter tief in den Wald ein. Ein gewisses Grundmaß an Fahrtechnik kann hier nicht schaden, je nachdem mit welchem Rad man unterwegs ist, kann der Schotter stellenweise schon etwas tückisch werden. 

Das Tal wird enger, die Berge am Horizont höher, die Ausblicke schöner und schöner. Man fährt gefühlt tiefer in die Landschaft hinein, entfernt sich von der Zivilisation, ist mehr alleine und bei sich selbst. Das ist definitiv die Genießerseite des Radwegs. Man passiert Sankt Ruprecht oder wechselt kurz auf die andere Seite der Mur, um das dort liegende Holzmuseum zu besuchen. Ziel der Runde ist Stadl an der Mur, von dort geht es wieder zurück zum Kreischberg. 

Normalerweise sind Routen zu bevorzugen, die nicht auf der gleichen Strecke wieder zurückführen, manchmal offenbaren sich beim Zurückfahren aber auch ganz andere Ein- und Ausblicke als bei der Hinfahrt. Wer fit genug ist oder etwas weiter fahren möchte, kann über Stadl an der Mur hinaus weiter Richtung Tamsweg fahren, dort warten noch einige Kilometer Radweg darauf, erfahren zu werden - diese allerdings nochmal etwas anspruchsvoller.

21,1 Kilometer, 250 Höhenmeter, GPX-File

Tour 3: Hauserersee

Direkt am Fuße des Kreischbergs startet die Tour zum Hauserersee, eine der offiziellen Radrouten der Region. Entlang des Lorenzer Bachs fährt man die ersten Kilometer auf Asphalt leicht ansteigend durch lichten Wald, dort wo dieser dichter wird endet auch der feste Straßenbelag und das Mountainbike beginnt, Sinn zu machen. Der Weg wird steiler und steiler, der Radcomputer zeigt zwischenzeitlich >20% an, die kleinsten Gänge werden bemüht. Wie auch bei anderen Routen offenbart sich hier ein Spezifikum, das erst auf den zweiten Blick seine volle Tragweite zeigt: man sieht oft recht weit nach vorne, wohin der Weg führt und wie steil dieser ansteigt. Wer beispielsweise müde Beine hat oder mit der Steigung nicht allzu glücklich ist, kann etwas zermürbt werden, wenn sichtbar ist, was einem die nächsten hunderten Meter bevorsteht. 

Die Route steigt weiter an und wird etwas wilder, bis bei einem Schranken plötzlich die offizielle Radroute endet - leider vor dem namensgebenden Hauserersee. An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich das Netz der offiziellen Radstrecken auch im Murtal erst im Aufbau befindet, einige der bestehenden Routen oft eher wie ein Feigenblatt wirken. Auch hier geht es um Haftungs- und Eigentumsfragen der entsprechenden Grundstücke und Forststraßen - der Tourismusverband ist sich der Thematik bewusst, Besserung laut aller Beteiligten in Aussicht.

14,5 Kilometer, 560 Höhenmeter, GPX-File

Tour 4: Allgau

Der Murradweg bzw. das Holzmuseum in St. Ruprecht bildet den Startpunkt für den Stich hinauf nach Allgau. Vorab ist die Grundsatzentscheidung zu treffen, Straße hinauf und Waldweg hinunter oder umgekehrt? Ich habe mir das im Vorfeld nicht gut genug angeschaut und bin die Asphaltstraße hinaufgefahren. Die Steigung auf den rund fünf Kilometern Anstieg ist knackig, unter 10 Steigungsprozent ist man selten unterwegs. Die Landschaft ist lieblich, Kühe rechts und links der Straße sind stetige Begleiter - Autos oder dergleichen sucht man hier vergeblich. Die Route endet auf einer Anhöhe, im Hintergrund tun sich die Gipfel der rund 1.300 Meter hohen Bergkette auf, die das Murtal vom nächsten trennen. 

Leider gibt es keine Passage, die eine Überquerung mit dem Rad ermöglicht und aus der kleinen Runde eine größere Rundfahrt machen würde. Während die Straße sich in Kurven und Serpentinen am Hang nach oben gearbeitet hat, geht es auf dem Schotterweg nahezu in Falllinie nach unten. Man fährt ohne Aussicht in der Senke des Taleinschnitts, das Tempo ist hoch - der Untergrund legt den Einsatz eines vollgefederten Rads nahe, wenn man es hier laufen lassen will. Bergauf stelle ich es mir hier um einiges schwieriger vor. Nach einer kurzen aber sehr kurzweiligen Abfahrt landet man wieder entlang der Bundesstraße und damit auch gleichzeitig wieder auf dem Murradweg.

7,8 Kilometer, 310 Höhenmeter, GPX-File

Tour 5: Stolzalpe

Nicht unbedingt ein Mountainbike benötigt man für die Runde zur Stolzalpe. Von Murau geht es zuerst neben der B96 entlang des Rantenbachs Richtung Norden, bald zweigt der Begleitweg neben der Straße ab und verläuft in einen gesonderten Radweg, der sich durch den nahen Wald windet. Rund 10 Kilometer spult man auf diese Weise ab, bis man bei Rottenmann rechts abbiegt und die ersten Schilder Richtung Sölkpass deuten. Bevor jedoch Zweifel an dem Vorhaben aufkommen können - der Sölkpass ist wohl ein eigenes Kaliber -, biegt man gleich noch einmal rechts ab und findet sich auf einer einsamen schmalen Straße nach Rinegg.

Der asphaltierte Weg steigt stetig an, man durchfährt wunderschöne Nadelwälder, passiert einzelne Häuser, erreicht schließlich ein Hochplateau. Man befindet sich auf rund 1.100 bis 1.200 Metern Seehöhe, es warten noch drei kleine aber knackige Anstiege, bevor man sich mit einem atemberaubenden Panorama wieder Murau annähert. Man erreicht die Stolzalpe, einen mittlerweile mit Murau zusammengelegten Ortsteil, der vor allem durch seine Heilstätte hoch am Berg Bekanntheit erlangt hat. Und an genau dieser Stelle offenbart sich auch die beste Aussicht - Richtung Nordwesten durch das Tal des Rantenbachs und in das Murtal bis zum Kreischberg, hier zahlt es sich aus, eine kurze Pause einzulegen. Hinunter geht es auf der Straße vom Krankenhaus direkt nach Murau, von wo aus man mit dem Rad oder dem Zug den weiteren Heimweg antreten kann. Die Strecke ist zwar durchgehend asphaltiert, wie so oft deutet aber spätestens das Schild „Ende der Ausbaustrecke“ darauf hin, dass man mit breiteren Reifen eventuell besser bedient ist.

24,6 Kilometer, 560 Höhenmeter, GPX-File

Rennradtouren

Ich habe auf meinem Computer noch einige Touren für mein Rennrad vorbereitet gehabt. Mit der Turracher Höhe, dem Sölkpass und der Nockalmstraße sind in unmittelbarer Nähe des Murtals einige große Namen vertreten. Diese in Angriff zu nehmen, bedarf vorab einiger Planung, geht es doch in recht hohe Gefilde. Inwiefern sich mit diesen Tourenzielen noch gute Runden (im Sinne von „nicht auf der gleichen Strecke zurückfahren“) umsetzen lassen, weiß ich nicht genau. Die Möglichkeiten, wieder in die richtigen Täler zurückzukommen, sind begrenzt - im Zweifelsfall würde ich hier die gleiche Strecke wieder zurückfahren. 

Ein anderes anfängliches Bedenken lässt sich hingegen recht einfach zerstreuen. Die teilweise doch recht stark befahrenen Bundesstraßen lassen sich insofern ganz gut vermeiden, als viele davon begleitende Radweg aufweisen, die man ohne weiteres auch mit dem Rennrad benützen kann.

Disclaimer

Der Aufenthalt im Club Hotel am Kreischberg fand auf Einladung des Hotels statt.

Race Around Niederösterreich 2019

Weitra, 19 Uhr, die Frisur hält schon lange nicht mehr. Der Regen hat gerade etwas nachgelassen, seit mehreren Stunden streifen wir bereits durch die Stadt, im Hintergrund dumpf hörbar eine Lautsprecherstimme, die nach und nach Rennfahrer auf die Strecke schickt. Warum Weitra, wer sind „wir“ und welches Rennen ist hier im Gang?

Ich kenne Philipp Reiterits jetzt schon mehrere Jahre - wir lernten uns vor dem Race Around Austria 2017 zufällig auf der Großglockner Hochalpenstraße kennen, ich fotografierte ihn beim RAA 2017, im Jahr darauf wiederholte sich das Ganze. Ich verfolgte mit Interesse, dass er sich für die Premiere des Race Around Niederösterreich anmeldete, als er dafür noch einen zusätzlichen Betreuer suchte, schlug ich zu. Die Entscheidung war spontan getroffen - oft sind das ja sowieso die besten, der Termin in meinem Kalender blockiert und die Motivation da! Auch im Hinblick auf meine eigene Teilnahme an der diesjährigen Race Around Austria Challenge war der Gedanke naheliegend, mir das Ganze auch aus Sicht eines Betreuers vorab anschauen zu können - jeder Aspekt, der mir hilft, ein derartiges Rennen zu verstehen und zu durchschauen, ist mir recht und hilfreich.

Wer weder Race Around Austria Challenge noch Race Around Niederösterreich kennt… Die Rennen ähneln sich (und dann doch wieder nicht - aber dazu später mehr). Beim Race Around Niederösterreich geht es laut Veranstalter über eine Distanz von 600 Kilometern mehr oder weniger die Grenzen von Niederösterreich entlang, dabei werden ganz nebenbei noch rund 6.000 Höhenmeter unter die Räder genommen. Start und Ziel ist in der Braustadt Weitra, eine willkommene Abwechslung - für die Radler*innen, die sonst vielleicht nicht in dieses Eck Österreichs kommen, aber auch für die Stadt und die Region, die aufgrund der jahrzehntelangen geografischen Randlage ruhig etwas mehr ins Zentrum der Ereignisse gerückt werden darf.

#ran

Es ist die Premiere des Race Around Niederösterreich, man hat sich einige Dinge beim Race Around Austria abgeschaut. Positiverweise - warum sollte man funktionierende Systeme nicht teilweise übernehmen. Womit die Veranstalter allerdings nicht gerechnet haben, ist, wieviele Enthusiasten sich an diesem Tag in Weitra versammelt haben. Es sind insgesamt fast 100 aktive Sportler*innen involviert, weit über den Erwartungen für ein Eventformat, bei dem manche nach wie vor nur den Kopf schütteln, ob der Anforderungen und Eckdaten. Neben Solostartern machen sich auch Zweier- und Dreierteams bereit, letztere sollen vor allem die Eintrittsschwelle senken und derartige Bewerbe leichter für eine größere Masse zugänglich machen.

Jetzt stehen wir also zu viert hinter dem Rathaus von Weitra und warten darauf, in der Startreihenfolge vorzurücken. Im Begleiterauto von Startnummer 53 sitzen Michael und Silvia. Michael ist - so wie ich - Neuling in einem Betreuerteam bei einem derartigen Rennen, Silvia - Philipps Mutter - hat hingegen schon mehrfache Race Around Austria-Navigationserfahrung. Allzu viel haben wir uns im Vorfeld eigentlich nicht ausgemacht, jede*r ist für alles zuständig, jede*r schaut auf alles, im Notfall macht jede*r alles. Möglichst unbelastet von diesen scheinbar nebensächlichen Fragen streunt Philipp vor dem Betreuerauto rund um sein Rad, streckt sich, dehnt sich, schaut zum Himmel - wohin die Wolken sich gerade bewegen, geht auf die Toilette, schaut sich seine Konkurrenten an, geht noch eine Runde um das Auto. Er wird gleich auf die Bühne und Startrampe des Rennens gerufen werden, einen ersten Tritt in die Pedale tun und die darauffolgenden rund 24 Stunden nicht mehr damit aufhören. Und plötzlich öffnet sich die Wolkendecke, die Sonne blendet uns in den Augen und eine wunderschöne Abendstimmung läutet ein einmaliges Erlebnis für uns alle ein.

Und schon ist Philipp im Sattel seines Cervelo, fährt durch das Tor des Stadtplatzes Weitra und weiter auf die hügeligen Landstraßen des Waldviertels. Ich springe nach ein paar Fotos vom Start in die offene Tür des Betreuerautos und wir reihen uns hinter Philipp ein. Es ist kurz nach 20:00, in der Sprache des Race Around Niederösterreich bedeutet das „Nacht“ - das wiederum heißt, dass bis zum Beginn des nächsten Tages um 6:30 das Betreuerauto hinter dem Fahrer zu bleiben hat bzw. umgekehrt der Radler sich immer im Lichtkegel des Betreuerautos befinden muss. Das heißt, möglichst nicht stehenzubleiben, denn eine Pause des Autos bedeutet auch eine für den Fahrer. Außerdem - und das ist schon die erste Erkenntnis für uns Neulinge im Betreuerauto - ist es keineswegs ganz trivial, knapp hinter einem Radfahrer herzufahren. Nicht zu viel Abstand aber auch nicht den Radler mit dem Auto überfahren, Tempowechsel antizipieren, aufmerksam bleiben.

1/4

Die Strecke des Rennens ist grob in vier Teile gegliedert. Die Nacht verbringen wir im hügelig-kurvigen Waldviertel entlang der tschechischen Grenze, ab Retz wird es hingegen flach und gerade. Über kleinere Landes- und Bundesstraßen kämpft sich Philipp durch den Regen - die romantische Abendstimmung beim Start ist relativ schnell wieder dem Tiefdruckgebiet gewichen, dass uns auch zuvor schon den ganzen Tag begleitet hat. Im Auto ist die Stimmung gut, auf den ersten Kilometern versucht jeder für sich in seine Rolle hineinzufinden. Ohne so etwas zuvor schon gemacht zu haben, bin ich auf der Suche nach Anhaltspunkten, Aufgaben, einer Mission - fotografiert hab ich am Start, jetzt im Dunklen hinter dem Fahrer sind die Möglichkeiten endenwollend. Michael sitzt am Lenkrad, Silvia navigiert - ich fühle mich kurzzeitig etwas nutzlos auf der Rückbank. Ich erinnere mich an die Bücher von Christoph Strasser und David Misch, in denen auch die Betreuerteams und deren Aufgaben immer wieder Thema sind - auch dass der Radler serviciert werden muss, die Crew an Dinge denken sollte, um die sich der Fahrer nicht kümmern müssen soll. Meine Mission soll ab diesem Zeitpunkt lauten, mich um Philipps Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zu kümmern. Es ist kalt und regnerisch - kein Wetter, bei dem man bereitwillig und viel trinken möchte. Dementsprechend muss Philipp nicht nur daran erinnert werden, stündlich eine Portion Ensure zu sich nehmen sondern auch, regelmäßig zu trinken. Nach vorne funken, Flaschen vorbereiten und aus dem Auto reichen - schon hat mein Betreuerleben wieder einen Sinn.

Laa an der Thaya, Poysdorf und Hohenau an der March bieten wenig landschaftliche Abwechslung, zwischen Mitternacht und 3:00 früh stehen diese Faktoren aber nicht unbedingt im Vordergrund. Kurz vor Hohenau fahren wir durch Hausbrunn, wo wir auf die eingefleischte Fanbasis von Philipp stoßen. Er kommt aus Hausbrunn und die Tatsache, dass das Rennen vor seiner Haustüre vorbeifährt, war mit ein Grund für seine Teilnahme. Während sich Philipp einen Motivationsschub von seiner Frau abholt, nützt das Betreuerteam die wenigen Minuten für eine Fahrerwechsel, ein kurzes Radservice, neue Flaschen und eine Portion „Ensure“.

Ensure“ ist ein wichtiges Stichwort, steht dieser Name doch für eine der möglichen Verpflegungsstrategien bei derartigen Herausforderungen. Eigentlich ein Flüssignahrungsmittel für Patienten nach Kiefer- und Zahnbehandlungen, schwören viele Ausdauersportler auf die einfach Verabreichung, Verdauung und Handhabung der kleinen Plastikflaschen. Einzig die bescheidene Auswahl zwischen nur zwei Geschmacksrichtungen und die mehr oder weniger Einseitigkeit der Nahrung kann man als Nachteil ins Feld führen. Auf der anderen Seite ist das “Verspeisen” von einem Gel pro Stunde nicht weniger einseitig und für die Verdauung eine ebenso große Herausforderung. Hier wird man vermutlich immer darauf hinweisen müssen, dass Ernährung bei so einem Event immer schwierig und jedenfalls immer eine individuelle Angelegenheit sein wird, die man idealerweise mehrmals ausprobiert und über einen längeren Zeitraum für sich entwickelt.

2/4

Der Regen hat aufgehört, es ist das, was man im Allgemeinen als „stille Nacht“ bezeichnet. Es ist finster, ruhig und die Menschen, die in den unbeleuchteten Häusern entlang der Straße schlafen, merken nichts von dem, was vor ihrer Haustüre vorgeht. Bei Hohenau ist das Rennen knapp 200 Kilometer alt, mehr als viele von uns in ihrem Leben als längste Ausfahrt vorweisen können. Immer wenn man im Betreuerauto von Müdigkeit übermannt wird, blickt man kurz durch die Windschutzscheibe und sieht vor sich Philipp, wie er ruhig aber ohne Unterlass in die Pedale tritt. Die Konsequenz und Beständigkeit, mit der er nach und nach die Kilometer abspult, ist beeindruckend und dieses Gefühl wird sich im Laufe des Rennens noch verstärken.

Von Hohenau geht es Richtung Süden, wobei sich auch entlang dieser Bundesstraße die landschaftlichen Reize eher in Grenzen halten. Sierndorf, Dürnkrut, Mannersdorf an der March und Marchegg vermögen nicht, die Monotonie der Nacht zu durchbrechen - einzig die bevorstehende Donauüberquerung bei Bad Deutsch-Altenburg und die langsam beginnende Morgendämmerung versprechen Abwechslung. Für Bruck an der Leitha wird uns per WhatsApp von der Rennleitung eine kurze Kontrolle des Rads und des Betreuerautos angekündigt. Nachdem alle Teams von dieser kurzen Anhaltung betroffen sind, hat keiner davon einen Nachteil zu befürchten und Sicherheitsaspekte stehen hier jedenfalls im Vordergrund. Eine richtige Kennzeichnung der Teilnehmer*innen ist sowohl für die Sicherheit der beteiligten Personen wichtig als auch für die Genehmigungsfähigkeit (und damit den Fortbestand) von Veranstaltungen wie dem Race Around Niederösterreich.

Ich bin in und rund um Baden aufgewachsen und habe dort auch einige Kilometer am Rennrad abgespult. Gemieden habe ich dabei möglichst immer die Bundesstraße 60, die von Götzendorf über Weigelsdorf und Pottendorf Richtung Wiener Neustadt führt. Meistens dicht bevölkert von PKW- und LKW-Lenkern, die eine bedrohlich niedrige Toleranzschwelle gegenüber Radfahrenden aufweisen, hat man in der Regel versucht, auf niederrangige Landstraßen oder andere Route auszuweichen. Während der Morgenstunden dieses Samstags ist dieses Thema glücklicherweise weniger dramatisch, die Kilometer bis nach Wiener Neustadt verlaufen ruhig und auch wenn sich statt Sonne wiederum Wolken breit machen, der neue Tag bringt auch neue Energien bei Fahrer und Crew. Durch Wiener Neustadt plagen wir uns an mehreren (roten!) Ampeln vorbei auf die längste Gerade des Race Around Niederösterreich (und vielleicht sogar Österreichs?) - die Neunkirchner Allee. Gut neun Kilometer gerade wie ein Strich liegt die B17 vor uns, Motivation bieten jedoch gelbe Blinklichter, die einige hundert Meter vor uns aufblitzen und nicht weniger als ein bevorstehendes Überholmanöver und damit einen gewonnen Platz im Rennen bedeuten.

Was wir im Betreuuerauto fast übersehen haben - es ist nach 6:30, gemäß Regelbuch ist also die Nacht vorüber und wir müssen nicht mehr wie ein Schatten hinter dem Fahrer unterwegs sein. Sogenanntes „Leapfrogging“ ist ab jetzt angesagt, also Vorfahren und auf den Fahrer warten, anfeuern, gegebenenfalls verpflegen - und weiter vorfahren. Wir nützen diese Möglichkeit auf dem Weg Richtung Semmering, der nächsten Timestation und Labe, außerdem so etwas wie der Wendepunkt des Rennens. Es schüttet mittlerweile - dass am Tag nach dem Rennen im Süden Niederösterreichs leichter Schneefall herrschen wird, hilft Philipp und uns in diesem Moment auch nicht weiter. Der Anstieg auf den Semmering ist nominell nicht der schwierigste, einzig auf einer Länge von knapp einem Kilometer liegt die Steigung bei rund 10%. Während sich Philipp Meter für Meter zur Timestation vor dem Hotel Panhans bei KM 376 vorarbeitet, stoppen wir kurz in Maria Schutz - ein (oder zwei) Krapfen vom Klosterwirt gehen immer! ;)

3/4

Ab dem Semmering geht es in die niederösterreichischen Voralpen - Adlitzgräben (mit der berüchtigten „Kalten Rinne“), Reichenau, Höllental, Kalte Kuchl, Sankt Aegyd. Motorradfahrer, die ansonsten das Leben eines Radenthusiasten in dieser Region nicht unbedingt einfacher machen, bleiben bei diesen Wetterverhältnissen aus - der Regen hat zwar wieder einmal aufgehört aber „freundlich“ geht anders und die nassen Straßen sorgen dafür, dass es in diesem Fall eben „von unten“ nass bleibt.

Philipp ist nach wie vor gut drauf, spult seine Kilometer ab, tritt seine Watt. Silvia hat noch keine Minute geschlafen, kontrolliert gewissenhaft das Routebook und wacht über jede mögliche Streckenabweichung, Michael sitzt seit dem Semmering wieder hinter dem Lenkrad. Bei einer kurzen Pause (Richtig: Ensure und neue Trinkflasche) plaudere ich mit Philipp über seinen Zustand und die bevorstehende Strecke. Er ist vorab fast die komplette Strecke in irgendeiner Form abgefahren, die Prüfung namens „Gscheid“, die nun vor uns liegt, sagt ihm allerdings zu meiner Überraschung nichts. Mir schwant Böses, bin ich doch schon einmal gröber an diesem Anstieg gescheitert (mit weit weniger Kilometern in den Beinen als Philipp jetzt). Die Sorge ist allerdings unbegründet, auch diese Prüfung wird scheinbar problemlos abgespult. Mir fällt anscheinend innerlich ein Stein von Herzen, sodass mir - zurück im Auto - innerhalb von wenigen Sekunden und nach ca. 36 Stunden Wachsein die Äuglein zufallen. Mein Schlaf wird jäh von den Worten unterbrochen: „Trinkflasche, Ensure und frische Handschuhe!“ Ich greife zur Seite, springe aus dem Auto, erledige den Job, steige zurück ins Auto und bin in der Sekunde wieder eingeschlafen - ein gewisser Automatismus schein eingekehrt zu sein.

Ich wache bei einer Tankstelle in Ybbs wieder auf, muss mich kurz orientieren, Philipp fährt nach wie vor wie eine Maschine durchs Land. Das Auto wird getankt, Verpflegung für die Crew gekauft, die Strecke gecheckt - Philipp hat uns in der Zwischenzeit überholt und die Tatsache, dass wir (bei „normalem Autofahr-Tempo) mehrere Kilometer brauchen, um ihn wieder einzuholen, unterstreicht einmal mehr seine Leistungsfähigkeit (und natürlich auch die jeder/s anderen Sportler*in in diesem Rennen).

4/4

Nach meiner Stunde Schlaf sind wir in Ybbs wieder an der Donau angekommen, haben mehrere Regionen Niederösterreichs durchquert, unterschiedliche Landschaften gesehen und kommen nun in noch eine neue Ecke. Alleine die Tatsache, welche Vielfalt sich in 600 Kilometern Strecke verpacken lässt, birgt einen Großteil der Magie solcher Veranstaltungen. Gut, etwas ähnliches ist grundsätzlich auch schon bei 150 oder 200 Kilometer-Runden möglich aber auf einer derartigen Länge, bei der zum Beispiel vier unterschiedliche Viertel eines ganzen Bundeslands durchmessen werden können, gehen sich schon einige Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse aus. Der Abschnitt von Ybbs Richtung Norden (und damit zurück Richtung Weitra im Waldviertel) ist zusätzlich reizvoll, weil es einen normalerweise nicht so schnell in diese Gegend verschlägt - keine größeren Städte, keine Verkehrsachsen, viel Landschaft, viel zu Entdecken.

Das Yspertal beginnt lieblich, die letzten 80 Kilometer bis zum Ende der Runde scheinen machbar und keine großen Fragezeichen aufzugeben. Philipp wirkt zuversichtlich, freut sich über das trockene Wetter und den damit versöhnlichen scheinenden Endspurt. Worte, die nicht ohne Folgen bleiben - das beginnende Waldviertel begrüßt uns mit kurzen aber unerbittlichen Anstiegen, nach jedem Hügel folgt zwar eine Abfahrt, die allerdings nur darauf wartet, durch den nächsten Anstieg abgelöst zu werden. Die Wege sind schmal, die Kurven eng - bei uns fährt die Sorge mit, was nach dem nächsten Hügel auf uns warten mag. Zu allem Überfluss und wie als Strafe für Philipps Zuversicht, öffnen sich auch wieder die Schleusen des Himmels und es schüttet die letzten 2,5 Stunden des Rennens wie aus Kübeln.

Man merkt Philipp die Anstrengung an, man könnte auch vermuten, „es freut ihn nicht mehr wirklich“… Seine Beine sind seit gut 22 Stunden in Bewegung, die verbleibenden 30-40 Kilometer klingen nach „schnell mal zu Ende fahren“, bedeuten aber im Grunde gleich viel, wie eine flotte Greifenstein-Runde. Und wieder versuche ich, mich an die Lektüre meiner Strasser-Bücher und die darin enthaltenen Pflichten der Begleit-Crew zu erinnern. Die für das Rennen eingerichtete WhatsApp-Gruppe mit Philipps Familie und Freunden versorgt uns mit Motivationsbotschaften aber es ist augenscheinlich, dass drastischere Maßnahmen notwendig sind. Stichwort „Christoph Strasser“: Der erfolgreichste (und gleichzeitig sympathischste) Ultra-Radler der Gegenwart ist nicht nur eines meiner Vorbilder sondern auch ein sehr großes für Philipp. Nach einer kurzen Nachricht vibriert mein Handy und eine Audiobotschaft von Christoph trudelt via WhatsApp ein. Fenster auf, Handy raus und auf Play drücken - Philipps Augen weiten sich, eine derartige Reaktion hätten wir mit unseren Anfeuerungen nie erreichen können. Für die letzten 10-15 Kilometer ist offenbar wieder etwas Energie gefunden. Philipp weist uns an, vorzufahren - er meint, damit wir ihn an der Ziellinie erwarten können, ich glaube eher, er möchte die letzten Kilometer alleine „genießen“. Das Schloss Weitra erscheint am Horizont, die letzten Meter rollt man bergab darauf zu.

Die Ziellinie zwischen Kreisverkehr und Raiffeisen Bank weist wenige prunkvolle Elemente auf, aber wie auch die Leistung auf der Strecke zu einem Großteil im Kopf passiert, ist auch die Ziellinie in erster Linie eine symbolische. Runter vom Rad, abklatschen, Decke über den durchnässten Fahrer, Tee. Wir wissen nicht, wie lange wir im Endeffekt gebraucht haben oder welche Platzierung Philipp erzielt hat. Es ist aber auch egal - bei Philipp und auch den anderen Fahrern, die sich im Zielbereich aufhalten, ist erkennbar, dass hier mehr passiert ist, als das profane Überfahren einer aufgemalten Ziellinie.

Meine Geschichte/Philipps Geschichte

Eine kurze Beichte: Nachdem ich nun diese Zeilen (wie immer recht planlos und ungeordnet) niedergeschrieben habe, überkommt mich das Gefühl, dass ich hier „meine“ Geschichte erzählt habe, obwohl ich eigentlich über Philipps Rennen schreiben wollte. Das stimmt zu einem gewissen Grad, als dies die einzige Perspektive ist, die ich zweifellos und wahrheitsgetreu wiedergeben kann. Was in einem Menschen vorgeht - sowohl physisch als auch psychisch, der eine derartige Distanz in einem runterkurbelt, kann ich beim besten Willen nicht wiedergeben. Es war für mich absolut beeindruckend, Philipp beim Erbringen seiner Leistung zuzuschauen, ihm zu helfen und ihn - im Rahmen meiner sehr begrenzten Möglichkeiten - zu unterstützen. Die Tatsache, dass ich zwischendurch einmal völlig weggeknickt bin und einfach nicht wach bleiben konnte und Philipp in dieser Zeit munter und fleissig weitergetreten hat, weckt in mir tiefe Gefühle des Respekts.

Es tut mir leid, aber ich bin nicht qualifiziert, hier Philipps Geschichte zu erzählen - dazu muss sich wohl jede*r selbst in den Sattel setzen und sich in ein derartiges Unterfangen begeben. Ich für meinen Teil, der ich ja laut Homepage des Race Around Austria für die Challenge im August angemeldet bin, „freue“ mich schon darauf, diese Erfahrung selbst sammeln zu können. Lernen konnte ich beim RAN einiges - vom Organisatorischen über Ernährungsfragen bis hin zu ganz elementaren Erkenntnissen wie zum Beispiel, dass 24 Stunden wirklich, wirklich lang sein können.

Veranstaltung

Das Race Around Austria (mit der Challenge rund um Oberösterreich) hat nun über mehrere Jahre vorgemacht, wie das Format erfolgreich umgesetzt werden kann. Georg und Christian haben mit dem Race Around Niederösterreich dieses Konzept mehr als erfolgreich auf ein weiteres Bundesland übertragen, einiges Neues hinzugefügt und ein absolut überzeugendes Gesamtpaket geschnürt, das bereits im ersten Jahr der Austragung eine große Meute an Radler*innen angezogen hat. Der Erfolg der Veranstaltung spricht auch für den Erfolg des Formas im Allgemeinen, den Hunger der Radfahrenden nach spannenden, herausfordernden und vielleicht auch etwas abenteuerlichen Formaten. Bei allen Marathons und Rennen, die es übers Jahr verteilt gibt, verstehe und teile ich auch den Wunsch, etwas „Anderes“ zu machen, weit statt schnell zu fahren, die Grenzen des Landes und des eigenen Körpers und Geists auszuloten.

Das Race Around Niederösterreich ist also gekommen, um zu bleiben und das ist gut so. Wer möchte als nächstes Bundesland einsteigen? ;)

Zwift x Wahoo Tour Wien und Territory Manager Kai Rapp im Interview

Hallo Kai! Danke, dass du dir als Territory Manager von Zwift für Deutschland, Österreich und die Schweiz am Rande des Events in Wien kurz Zeit nimmst. Was ist Zwift für dich - Trainingsprogramm, Computerspiel oder ganz etwas anderes?

Für mich ist es genau dazwischen. Es hat tatsächlich etwas von einem Computerspiel, als Zwift weisen wir auch gerne darauf hin, dass wir aus der Gaming-Welt entstanden sind. Sieht man sich den neuen Kurs in New York an, dann mutet der teilweise recht offensichtlich gamifiziert an. Stellenweise wollen wir zukünftig auch noch verspielter werden, das Ganze aber gleichzeitig mit ernsthaftem Training zusammenbringen. Unser Claim heißt ja „Serious Training made fun“, wir wollen ernsthaftes Training zum Vergnügen machen.

2018 gab es viele neue Features, Strecken, Erweiterungen, Events - alles wurde intensiver, größer, mehr. Worauf bist du im vergangenen Jahr am meisten stolz?

Die Companion-App hat sich extrem verbessert, die darin enthaltene Meetup-Funktion finde ich großartig, die Übersichtlichkeit ist besser geworden, als Controller fürs Training ist die App super. Auch auf die Kurse bin ich stolz, auch weil ich selbst gerne Rennen fahre, zum Beispiel die 8,8 Kilometer der Innsbruck-Runde. Die optimale Länge eines Kurses für eine Präsentation wie heute ist übrigens eine Bierlänge, also die Dauer eines Biers, das der Zuschauer hier trinkt, während vorne gefahren wird. Also die Companion-App war am wichtigsten, stolz ist da aber der falsche Ausdruck. Mit der Einführung der Meetup-Funktion haben wir auf die vielen Anfragen von Radsportgruppen, Clubs und Nutzern reagiert. Da und dort wird die Meet-up-Funktion noch optimiert werden, daher ist auch das Feedback aus der Community sehr wichtig für uns!

Wo liegen derzeit die technischen Grenzen, wieviele Fahrer können gleichzeitig online sein?

An sich gibt es keine Grenzen was die Zahl der Nutzer betrifft, theoretisch ist das System momentan auf 30.000 gleichzeitige Logins ausgelegt, derzeit sehen wir zu Spitzenzeiten rund 13.000 Personen online. Wenn es zu Problemen kommt, dann resultieren diese aus anderen kleineren Bugs in speziellen Konfigurationen, theoretisch aber nicht aus der Nutzerzahl. Grundsätzlich ist das System sehr zuverlässig, wir haben auch sehr viel in die Verbesserung der Serverstruktur investiert.

Wird es zu größeren technischen Umstellungen kommen - passiert da etwas im Hintergrund?

Zwiftt wird zunehmend cloudbasiert aufgebaut. Unter der Dingen, die auf der Nutzerseite bemerkbar sind, wird die Möglichkeit der Weltauswahl sein.

Ich habe gelesen, Watopia soll immer verfügbar sein?

Ja genau, Watopia wird immer offen stehen, eine zweite Welt wird wie bis jetzt nach einem vorgegebenen Kalender online sein. Erfolgsgeheimnis von Zwift ist ja, dass Leute gemeinsam fahren, wenn diese dann auf fünf verschiedene Welten verteilt werden, würde die Grundidee von Zwift verloren gehen.

Richmond und Innsbruck werden dann öfter verfügbar sein (und nicht wie bis jetzt 1-2 Mal im Monat)?

Ja klar, nachdem Watopia immer online ist, werden die anderen Strecken rein rechnerisch entsprechend öfter im Kalender stehen.

Was sind die großen Pläne für 2019? Geht es in diesem hohen Tempo weiter?

Wir sind jetzt nicht zwingend daran interessiert, laufend neue Welten anzubieten, sondern vielmehr, die bestehenden Welten mit weiteren Strecken auszubauen und zu erweitern. Bei der Strecke in Richmond drehen ja nicht alle durch vor Liebe, da fehlt beispielsweise ein Berg. Aber wir haben 2019 den Fokus in erster Linie auf die Entwicklung des eSports. So haben wir gerade heute die KISS Super League gelaunched, an der 15 echte UCI Professional Continental, Continental und Community Teams als auch sieben Frauen-Teams teilnehmen.

Ich habe ja Richmond mittlerweile wieder lieb gewonnen…

Schnell, bzw. im Rennen gefahren finde ich Richmond gerade am Ende brutal und er tut echt weh. Jeder Kurs hat seine Berechtigung, auch je nachdem was man trainieren möchte. Ich finde alle Kurse großartig, vor allem Innsbruck, weil ich das visuell schön finde und auch persönlich in-real-life kenne. Für 2019 kann man fast davon ausgehen, das wir die Partnerschaft mit der UCI fortführen, was bedeuten könnte, dass zur Vorbereitung für die Profis und übrigen WM-Teilnehmer auf die Straßen-WM 2019, Yorkshire dazukommen würde.

Wie aufwendig ist die Entwicklung einer Welt?

Ich glaube für Innsbruck waren es rund 4.250 Programmierstunden und ich weiß nicht wieviel Liter Kaffee. Das wurde alles mal ausgerechnet… Auf YouTube gibt es ein eindrucksvolles Video zur Entstehung des Innsbruck Kurses, da ist das alles schön und genau aufgearbeitet.

2019 wird also kein Jahr der großen Effekthaschereien, sondern gleichmäßiges Wachstum ist angesagt?

Genau. Wie gesagt, kleine Gags wollen wir immer wieder mal einbauen. Es wird einen Store geben, wo man seine Credits (XP-Punkte) eintauschen kann gegen Trikots und Equipment. Aber das wird kein monetärer Store mit echtem Geld, sondern nur virtuelles „XP“. Es wird von Zwift neben dem Monatsbeitrag auch zukünftig kein weiterer monetärer Einsatz gefordert werden und man kann sich auch keine fahrerischen Vorteile erkaufen.

Es gibt zahlreiche Modifikationen, z.B. sogenannte „World Hacks“, mit denen man durch Eingreifen in Log-Files des Programms die Welt vorab auswählen kann. Wird das gerne gesehen, als Problem wahrgenommen oder ist das egal?

Das ist uns im Grunde gleichgültig - es stört uns nicht, wenn jemand in einer anderen Welt fährt. Wir wollen nur an unserer grundsätzlichen Philosophie festhalten, die besagt, dass Leute gemeinsam fahren sollen.

Ähnliches bei Zwift-Power, das ist mittlerweile ein eigenständiges und ausgewachsenes System. Wie wird es wahrgenommen, dass hier ein großes System außerhalb von Zwift existiert?

Man will das sogar bewusst ausgelagert haben, weil man im Hause Zwift keine Diskussionen haben will über Rennverläufe, Ergebnisse, Digital Doping, usw. Zwift sieht sich als Plattform und lebt davon, dass die Community Dinge in Eigenregie organisiert, daher werden diese Dinge seitens Zwift entsprechend unterstützt. Zwift selbst hat für die nationalen Meisterschaften Zwift-Power als Zeitnahme- und Ergebnisdienst herangezogen - Arbeitsteilung im positiven Sinn quasi. Bei einem realen Rennen in Wien nimmt man sich ja auch z.B. Pentek Timing als Zeitnehmer, so kann man das verstehen.

Die vielfach stattfindenden Events auf Zwift (Tour de Zwift, Zwift Fondo) bringen einen tendenziell dazu, im Winter zu hart zu trainieren. Ist das unter Umständen kontraproduktiv, ist die Gefahr da, dass man zu hart fährt?

Das Risiko ist schon vorhanden, hängt aber großteils von der Selbstdisziplin der User ab. Leute, die Trainngspläne verfolgen, bleiben tendenziell diszipliniert bei ihrem Plan und nehmen eher nicht an diesen Events teil. Wir wollen aber auch jenen Leuten etwas bieten, die sich auch im Winter austoben wollen. Abgesehen davon ist beispielsweise die Tour de Zwift ja gar nicht als Rennen tituliert. Manche machen es sicher zum Rennen, aber im Endeffekt ist es als gemeinsame Ausfahrt gedacht.

Was sagt man jemandem der sich zu weit reinsteigert?

Wir von Zwift hoffen, das Zwift-Fahrten in erster Linie Extra-Stunden und keine Ersatzstunden sind. Zudem gab es aber sicher viele Leute, die vor der Zwift-Ära durch den kalten Regen gefahren sind und dies nur aus Trainingsgründen, nicht aber aus Spaß gemacht haben - denen soll eine Alternative zum spaßfreien Training geboten werden. Das wären dann durchaus Ersatzstunden, für deren Angebot sich Zwift aber nicht schämen muss.

Die Konkurrenz wächst, es kommen neue Player auf den Markt.

Zwift lebt von der Community, von den vielen Gleichgesinnten auf der Strecke. Viele Triathleten lieben beispielsweise Zwift - auch wenn die übrigen Fahrer auf der Strecke beim Abspulen ihres Trainingsgplans eigentlich nichts mit ihnen zu tun haben, dann mögen sie es doch gerne, dass da einfach etwas los ist auf der Strecke. Andere Mitbewerber geben sich auch große Mühe und entwickeln ihre Produkte weiter. Was Spaßfaktor verbunden mit ernsthaftem Training betrifft, haben wir aber keine wirkliche Konkurrenz zur Zeit. Je nachdem, wie wichtig einem beim ernsthaftem Training der Spaß ist, der wird sich für Zwift oder ein anderes Produkt entscheiden.

Es sind unzählige Profis auf Zwift unterwegs, wie schaut da das Feedback aus?

Es sind viele Profis auf Zwift vertreten, vor allem auch viele Triathleten. Profis haben natürlich andere Trainingsumfänge, da sind einfach auch immer viele Fahrten draußen und Trainingslager dabei, auch der Mix ist sehr wichtig. Man sieht aber beispielsweise Pascal Ackermann häufig auf Zwfit für kürzere Einheiten. Viele bauen Zwift in ihr Training ein, wir merken die große Beliebtheit bei den Pros an den Anfragen für Pro-Accounts.

Ist Nachwuchsförderung ein Thema?

Die wichtigste Nachwuchsförderung ist, dass jeder unter 16 Jahren, gratis auf Zwift fährt. Wir gehen davon aus, dass radfahrende Eltern das gerne an ihre Kinder weitergeben, da fahren die Kinder auf deren Rollen und Walzen. Es gibt auch vereinzelt Anfragen nach Familienbundles oder Ähnlichem, das ist derzeit aber noch kein größeres Thema. Wir wollen aber probeweise mal in Schulen gehen und mit den Verbänden in Bezug auf Jugendarbeit und Scouting arbeiten. Ich bin der Meinung, dass Zwift für die Verbands- und Clublandschaft sehr bereichernd sein kann, was das Wecken des Interesses bei Kindern und Jugendlichen betrifft.

Wie bringt man Zwift „offline“ - mit Events und Aktionen wie der Zwift x Wahoo-Tour?

Unser Eventformat ist absolut geeignet, Zwift spielerisch zu den Leuten zu bringen und unseren Lifestyle zu vermitteln. Wir wollen mehr Spaß in der Radsport bringen. Wir machen das jetzt bereits im dritten Jahr und lernen so Radpsort-Communities als auch unsere bestehenden User kennen.

Und ihr seid zum ersten Mal auch in Wien!

Ja genau. Die Events sind in der Organisation zwar sehr aufwendig, wir erhalten aber durchwegs sehr positives Feedback. Wir holen auf diese Weise echt viele Menschen ab, so macht das allen Spaß!

Danke für das Interview und Ride On! ;)

Zwift x Wahoo Tour Wien am 18.01.2019

Was bringt 2019

Wie der Keks-Teller meiner Schwiegermutter füllen sich dieser Tage auch wieder laufend jene Listen mit Vorsätzen und Plänen, die man sich fürs anlaufende Jahr vornimmt, auf die Fahnen heftet oder gar lauthals in die Welt hinausschreit (auf dass diese Verbindlichkeit nicht zum Verhängnis wird). Neben rein keks-induzierten Vorsätzen - bei mir dauert die “Reparatur” der weihnachtlichen Gewichtszunahme erfahrungsgemäß mehrere Wochen - möchte ich wie jedes Jahr einige meiner Ideen für 2019 formulieren, wie immer ohne Reihung, Wertigkeit und endgültige Verbindlichkeit. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich viele Dinge erst unterjährig und meistens auch recht spontan ergeben, einige davon stellen sich dann als die besten Unternehmungen heraus - besser als man sie je hätte planen können…

Zwift

Mit ein paar Ausdauereinheiten auf der Rolle werde ich erst einmal die überzähligen Kilos beseitigen, die sich zuletzt angesammelt haben. Ich setze hier wie gehabt auf Zwift, die Trainingsplattform bietet aus meiner Sicht den besten Mix aus Leistung, Abwechslung und Spaß. Um den virtuellen Welten allerdings auch einmal einen Offline-Anstrich zu verpassen, freue ich mich besonders darauf, dass die alljährliche “Zwift x Wahoo-Tour” 2019 auch in Wien Halt machen wird. Am 18. Jänner 2019 bin ich daher im “WeXelerate” zu finden, gemeinsam mit ein paar anderen Verrückten, Begeisterten und Fans.

Weitradln

Es geht chronologisch weiter und gleichzeitig bildet der Februar so etwas wie einen Startschuss in die “ernste” Saisonplanung. Ich habe mir einen Vortrag von Christoph Strasser am 16. Februar im Audimax in Wien ausgesucht, der für mich symbolisch als Startpunkt für mein größtes Vorhaben 2019 dienen soll - mein persönliches Race Around Austria. Wer soll mich geistig und psychologisch besser auf ein derartiges Projekt einstimmen, als Mr. Weitradlfoarn Christoph Strasser.

Nach zwei Jahren, die ich das Race Around Austria mit der Kamera begleitet habe, kann ich 2019 nicht mehr anders, als selbst in die Pedale zu treten. Zu verlockend war und ist das Gefühl bei jedem Starter, der die Rampe in St. Georgen verlässt, mich selbst auf den Weg zu machen. Es wird die Einsteigervariante werden - die Race Around Austria Challenge, bei der 560 Kilometer rund um Oberösterreich zurückzulegen sind. Wie das funktioniert, haben Tini und Andi von geradeaus.at im vergangenen Jahr eindrucksvoll vorgemacht. Ich hoffe, dass sie mich mit wertvollen Tipps unterstützen, genauso wie ich jede und jeden ausfragen und ausquetschen werde, der mir in den letzten Jahren beim RAA begegnet ist und mir sachdienliche Hinweise geben kann. Die Vorbereitung macht jedenfalls schon einmal Spaß, hab ich doch schon während der Weihnachtsfeiertage etwas Zeit gehabt, mir über ein paar Dinge Gedanken zu machen und Pläne zu schmieden.

Wie genau die Vorbereitung für das RAA aussehen wird, ist noch nicht fixiert. Es gibt hier weder einen Trainingsplan noch irgendwelche anderen Vorgaben, einziger Plan ist derzeit, möglichst viele Kilometer auf dem Rad zu verbringen. Der Rest ergibt sich auf der Reise dorthin - wer an dieser Stelle ob dieses Auswuchses an Chaos und Planlosigkeit die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, der sei beruhigt… Bis jetzt bin ich so ganz gut gefahren und habe auch vor, das so weiterzuführen. Mir ist nun einmal wichtig, dass auch der Weg zum Ziel Freude bereiten soll und nicht nur die Zieleinfahrt… Da wird sich aber bestimmt noch einiges tun in den nächsten Monaten und ich werde natürlich entsprechend berichten - hier und auf allen anderen Kanälen!

Rennkalender

Damit bis zum “D-Day” Mitte August auch sicher einige längere und flottere Einheiten dabei sind , hab ich den Rennkalender durchstöbert, um mir folgende Veranstaltungen vorzumerken: Osttirol im Juni bleibe ich treu, allerdings ist der Plan, statt der Dolomitenradrundfahrt auf die längere Strecke des Super Giro Dolomiti zu wechseln. Auch auf die längere Strecke wechseln werde ich bei den Wachauer Radtagen im Juli. Hier wird mein Verein - PBIKE - wohl wieder die inoffiziellen Vereinsmeisterschaften austragen, außerdem ist die Veranstaltung vor den Toren Wiens mittlerweile zu einem Fixtermin in meinem Radjahr geworden.

Wachauer Radtage (c) Sportograf

Offen ist, ob derzeit kursierende Ideen (Verbindlichkeit irgendwo zwischen Schnapsidee und Hirngespinst) Realität werden, und wir als Verein bei einem der Langstreckenrennen an den Start gehen, die Juni und Juli in den Rennkalendern zu finden sind. Glocknerman am 20. Juni oder Kaindorf am 20. Juli sind zwei dieser Möglichkeiten. Ein Start dort würde eine gute Vorbereitung auf das Race Around Austria bedeuten, außerdem nimmt das Team wohl etwas den Schrecken vor der Herausforderung. Kaindorf bietet neben dem klassischen 24h-Rennen auch die Möglichkeit eines 6h- oder 12h-Rennens, also auch eine Einstiegsmöglichkeit “light”. Hier müssen allerdings noch einige Vereinsabende vergehen, bis diese Ideen endgültig spruchreif sind und danach möglicherweise Realität werden.

Mitunter etwas gemütlicher geht es bei zwei anderen Veranstaltungen zur Sache, die ich mir ebenfalls einmal mit Bleistift in meinen Kalender eingetragen habe. Nummer 1 ist die In Velo Veritas, die Fahrt mit klassischen Stahlrennern durchs niederösterreichische Weinviertel. In den letzten Jahren stand ich vor dem schier unlösbaren Problem, dass In Velo Veritas und Dolomitenradrundfahrt immer am gleichen Wochenende stattfanden, und ich dabei (auch familienbedingt) immer Osttirol den Vorzug gegeben habe. 2019 finden die beiden Veranstaltungen an unterschiedlichen Terminen statt, Gelegenheit also, endlich wieder einmal mein Select “Weltrekordrad” auszumotten, mein Wolltrikot anzuziehen und von einer weingetränkten Labe zur nächsten zu radeln. Die gleichen Akteure sind auch beim zweiten Vorhaben am Werk, einer Fernfahrt von Wien nach Hamburg, die zur Feier des 150-jährigen Bestehens des ABC Altonaer Bicycle Club anhebt.

Mit ein paar mehr Trainingskilometern und der absolvierten Race Around Austria Challenge stehen im September schließlich noch zwei weitere Aufgaben an. Beim Velorun in meiner ehemaligen Heimatstadt Baden gilt es wieder, auf meinen damaligen Hausrunden einige “Personal Bests” in die Höhe zu heben. Und auch beim King of the Lake - dem Zeitfahren rund um den Attersee - ist eine neue Bestzeit fällig, wieder auf dem Zeitfahrer nämlich, nachdem ich ja dieses Jahr mit den Rennrad unterwegs war.

Bucket-List

Abseits von Rennen und organisierten Veranstaltungen harren auch unzählige Projekte auf meiner ganz persönlichen Rad-Bucketlist ihrer Erfüllung. Je nachdem, wann sich was und wie ausgeht, besteht die Speisekarte aus Vrsic und Mangart als Vorspeise, Stelvio als Hauptgang und ein paar Dolomitenpässen als Dessert. Auch der Mont Ventoux übt einen großen Reiz aus, hier ist aber die Anreise einfach sehr, sehr, sehr weit…

Fotos

Neben aktiver Zeit im Sattel ist mir auch Zeit hinter der Kamera wichtig. Ich bin jedenfalls wieder mit Kamera und Telefon bei der Österreich-Rundfahrt im Juli mit von der Partie - es waren tolle Erfahrungen, die ich bei meiner Premiere in diesem Jahr sammeln konnte, das möchte ich fortsetzen.

Aber auch beim Wiener Bahnorama im Dusika-Stadion, den VICC-Rennen auf der Donauinsel und wann immer es die Zeit erlaubt, werde ich mich mit der Kamera auf die Lauer legen, um den einen oder anderen Schnappschuss zu erhaschen.

Fotos werden demnach auch ein wesentlicher Pfeiler der Inhalte von 169k bleiben. Daneben möchte ich aber noch andere Bereich erschließen - erste Videos sind in Arbeit, Interviews ebenso. Für 2019 sind hier einige Neuerungen und Schmankerl vorgesehen, dranbleiben lohnt sich also!

N+1?

“Brauchen” wäre in diesem Zusammenhang sowieso das falsche Wort, “wollen” passt auch nicht so wirklich, hab ich doch für fast jeden Einsatzzweck geeignetes Gerät. Ein Zeitfahrer steht immer wieder mal auf der Wunschliste, für Race Around Austria und King of the Lake wäre so ein Rad außerdem schon ganz praktisch. Meinen Crosser habe ich hingegen ein bisschen auf “Adventure-Bike” umgebaut (näheres hier in Kürze) - die Idee dahinter ist, ein Rad für alle Einsatzzwecke zu haben (Straße, Cross und MTB light). Hier bin ich noch etwas am Tüfteln, da diese Einsatzbereiche einfach unterschiedliche Anforderungen mit sich bringen, die mitunter nicht ganz einfach unter einen Hut zu bringen sind. Abhängig davon, ob ich mit meiner derzeitigen Plattform (dem alten Crosser) das Auslangen finde oder nicht, wird es hier vielleicht ein N+1-Aufbau-Projekt geben.

So irgendwie “N+0,5” wird es im Frühjahr aber jedenfalls geben. Damit der Nachwuchs auch Radluft schnuppern kann und gleichzeitig die Trainings-Zeiteinteilung etwas effektiver wird, ist ein Radanhänger in Anschaffung - nicht für Gran Fondos, sehr wohl aber für kurze Ausfahrten auf der Donauinsel oder ähnliches. N+0,1 hingegen wird das erste Laufrad für den Junior - fast so schön, wie ein Rad für sich selbst zu kaufen!

Laufen

Sowohl aufgrund des Trainingseffekts als auch aus Zeitgründen, werde ich 2019 auch wieder öfters die Laufschuhe schnüren. Mit ein paar Kollegen wird es eine Staffel beim Vienna City Marathon im April geben, darüber hinaus möchte ich abseits ausgetretener Pfade mit Rucksack und GPS höher hinaus - in die Berge nämlich. Ob das dann Trailrunning ist oder Wandern oder schnelles Spazieren ist nebensächlich, das Naturerlebnis und die Berge stehen dabei im Vordergrund,

Neben allen Leistungen soll nämlich auch 2019 wieder die Freude als wesentlicher Antriebsgrund im Vordergrund stehen. Platzierungen sind mir seit jeher relativ egal, Rekorde sowieso - wichtiger das Erlebnis, die Erfahrung und die Erkenntnis, was man alles leisten kann und möchte (und leisten kann, WENN man es denn möchte).

In diesem Sinne einen schönen Start ins neue Jahr. Ich hoffe, den einen oder die andere (wieder) zu treffen - egal ob an einer Startlinie, bei einer Ausfahrt oder bei einer anderen Gelegenheit. Ich freu mich!

Jahresrückblick 2018

Es mag unorthodox erscheinen, den Jahresrückblick mit einem Einblick in familiäre Gewohnheiten von Jungeltern zu beginnen. Dennoch hat die Geburt meines Sohnes Ende 2017 den größten Einfluss auf mein abgelaufenes Rad(sport)jahr 2018 gehabt. Es soll an dieser Stelle keinesfalls abgewägt werden, welche Wertigkeiten Radfahren und Familie jeweils haben und ob oder wie diese gegeneinander zu werten sind (diese Reihung steht für mich außer Frage!). Es war schnell klar - und liegt irgendwie auch auf der Hand - dass Elternsein Zeit benötigt, Zeit, die für andere Dinge nicht zur Verfügung steht.

Dementsprechend steht das Jahr 2018 unter dem - zugegebenermaßen etwas abgedroschenen - Motto Qualität statt Quantität. Aus den jedes Jahr grundsätzlich vorgenommenen 10.000 Kilometern am Rad haben zu Jahresbeginn 8.000 als Jahresziel eine Festlegung auf Strava erfahren. Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass es nunmehr mit Ach und Krach 6.000 werden. Weniger als geplant, anders in ihrer Charakteristik, anders verteilt aber trotz allem sehr unterhaltsam und sinnstiftend.

Es wurden weniger lange Ausfahrten - auch logisch, benötigen diese doch am meisten Zeit. Die angestrebten Brevets, Radreisen und Erkundungsfahrten quer durch Österreich nehme ich daher mit ins nächste Jahr. Die längste Ausfahrt war dieses Jahr 150 Kilometer lang und noch dazu ein Rennen. Außerdem war ich sehr viel auf der Rolle und in den virtuellen Tiefen von Zwift unterwegs. Keine Angst, die Sorgen eines „Second Life“ sind unbegründet, die Vorteile der Zeiteinteilung und der kurzfristigen Verfügbarkeit liegen aber im Familienalltag auf der Hand - eine Stunde Zeit? Kurz auf die Rolle!

Und dann war da noch mein Rücken, der mir im Februar und März einen Strich durch etwaige Ambitionen gemacht hat. Verspannt, verkühlt, verkürzt, schlechtes und viel Sitzen, keine Core-Muskulatur - so ungefähr geht die Geschichte. Die Lehren daraus waren nachhaltig, konnte ich mich doch mehrere Wochen gar nicht bis wenig bewegen, geschweige denn Radfahren. Rückenübungen, Stabilisations- und Bewegungstraining sowie Yoga stehen auf dem Speiseplan - die Überwindung wertvolle „Radzeit“ für derartige Ergänzungen zu “opfern”, hält sich zwar naturgemäß in Grenzen, der nachhaltige Nutzen und damit verbunden die körperliche Gesundheit haben allerdings einen weitaus höheren Wert. Die entsprechenden Übungen dazu werde ich hier noch an anderer Stelle vorstellen.

Das eigentlich Jahr hat demnach Anfang April begonnen, mit einem Ausflug nach Istrien mit Tini & Andi von geradeaus.at, den ich nur dank einiger Zwift-Einheiten im Vorfeld halbwegs würdevoll absolvieren konnte. Trainingslager als solches sind bei mir irgendwie nicht so verankert oder etabliert, ich war eigentlich immer gerne (und meistens auch gut) zuhause unterwegs. Allerdings sehe ich den Nutzen und Mehrwert eines Trainingslagers absolut ein und werde dies auch in Zukunft einplanen. Kroatien als wertvolle Alternative zu den Klassikern wie Mallorca steht bei mir hoch im Kurs.

Entgegengekommen ist mir - und jeder anderen Radlerin und jedem anderen Radler - wohl der Umstand, dass der Sommer bereits im April begonnen hat (und bis Ende Oktober gedauert hat). April, Mai und Juni standen daher im Zeichen sonniger, unterhaltsamer und entspannter Ausfahrten auf den Wiener Standard-Routen. Spaß war wichtiger als Trainingseffekt, mehr als zwei Ausfahrten pro Woche waren sowieso nicht drinnen.

Anfang Juli dann die Österreich-Rundfahrt als Fotograf und am Wochenende danach die Wachauer Radtage recht am Anschlag. Tief vergraben war da doch noch etwas Ausdauer und Kondition vorhanden, sich ab und zu etwas zu quälen macht mir ja - trotz eigentlich fehlendem Ehrgeiz - doch Spaß. Nach einem kurzen Berg-Trainingslager in Osttirol führte der Weg noch weiter in den Westen - zum Arlberg Giro. Ich werde wohl kein Bergfahrer mehr, die Höhenmeter hinauf auf die Bielerhöhe waren zwar wunderschön - Kehre für Kehre, aber auch anstrengend - Kehre für Kehre. Es ist ein Dilemma - bei meiner Größe und meinem Gewicht wird es wohl immer anstrengend sein, einen Berg hinaufzufahren, gleichzeitig ist ein erarbeiteter Pass aber mit das Schönste, was man auf dem Rad erleben kann. Glücklicherweise ruiniere ich mir alle Segment-Zeigen ohnehin durch unzählige Foto-Pausen, damit kann ich die Auffahrt dann auch entsprechend genießen - ganz ohne Druck.

Mitte August steht traditionell das Race Around Austria auf dem Programm und - Achtung Spoiler! - das wird es auch im nächsten Jahr. Zwischen Fotografieren und den Fahrern auf ihrer Runde um Österreich nachjagen, war noch etwas Zeit, die wunderbaren Hügel des Attergau zu erkunden. Güterwege wie dort findet man sonst nur selten, die Routenvarianten sind zahlreicher als die zur Verfügung stehende Zeit und Kraft in den Beinen. Nicht nur aufgrund des RAA habe ich die Gegend rund um den Attersee sehr lieb gewonnen und dort auch Freunde gefunden, die ich nicht mehr missen möchte. „Rund um den Attersee“ ist dann auch das Stichwort für ein weiteres Highlight, den King of the Lake. 2018 auf dem Rennrad - statt wie im Jahr zuvor auf dem wackligen Zeitfahrer - war ich mit meiner Leistung zufrieden, Luft nach oben bleibt aber immer. Das Event an sich ist aber ein Erlebnis, das jede*r Radler*in in seinem/ihrem Palmarés stehen haben sollte.

Der restliche September war durch die UCI Straßen-WM in Innsbruck geprägt. Es war ein großer Spaß, mit der Kamera mitten im Getümmel zu sein, die Fahrer*innen, die Rennen und die Stimmung live mitzuerleben. Die Fotos schaue ich mir noch heute gerne an und erlebe dabei jeden Moment der Weltmeisterschaften intensiv wieder. Das Rad war in Innsbruck mit dabei, mehr als eine kurze Ausfahrt im Regen vor einem der Profirennen war allerdings zeitlich nicht möglich. Ergiebiger war da der kurzfristig nach der WM anberaumte Besuch bei den Organisatoren des Sportful Dolomiti Race in Feltre, obwohl bei Minusgraden am Passo Manghen die Knie zu schlottern begonnen haben.

Der beginnende Winter bringt Zwift wieder ins Spiel. Knappe zeitliche Ressourcen, tiefe Temperaturen und Dunkelheit lassen mich hauptsächlich auf der Rolle überwintern. Wichtig dabei ist, sich und die Leistungen auf Zwift richtig (und kritisch) einzuschätzen. Rollentraining ist Rollentraining und die erste Ausfahrt im Frühling ist dann noch einmal ganz was anderes. Jeder der glaubt, dass er - wie Zwift manchmal suggerieren würde - im Frühjahr mit 150 Watt mit 34 km/h Schnitt Bäume ausreissen wird, irrt und sollte sich selbst einmal sanft hinterfragen. Der Schlüssel liegt in einer realistischen Einschätzung und der Erkenntnis, dass Rollentraining zwar ein wichtiger Beitrag zur Form des kommenden Jahres sein kann - ein guter Platz bei einem Zwift-Rennen macht einen allerdings noch nicht zum Anwärter auf den nächsten Ötzi-Sieg.

Zum Jahresausklang zieht es mich meistens aus der Stadt. Silvestergeballere, Trinkgelage und Lärm werden weit in den Hintergrund verdrängt - Ruhe, Erdung und (wenn man so will) Andacht sind mir da wichtiger. Wo lässt sich dies besser erfahren als in den Bergen oder in der Natur. Dort relativieren sich dann auch wieder alle (vermeintlichen) Ansprüche und Ziele, die man sich Monate zuvor gestellt hat und erhält für dich selbst, was zählt und wichtig ist.

Wiener Bahnorama 14.12.2018

(M)eine kleine Kamerakunde (2018)

Vor knapp zwei Jahren habe ich einen Artikel geschrieben, in dem es um mein Kameraequipment, meine Favoriten und Missgriffe und auch etwas über das Fotografieren beim Radfahren an sich ging (nachzulesen: Hier!). Da sich in der Zwischenzeit einiges getan hat, gibt es hier und heute einen Versuch eines Updates dieses Beitrags.

Radfahren und Fotografieren

Manche Dinge sind gleich geblieben - wie zum Beispiel die Tatsache, dass ich nie mit dem Rad unterwegs bin, ohne eine Kamera mitzuführen. Na gut, Ausnahmen habe ich schon ein paar gemacht… Bei Rennen verzichte ich auf die Kamera - da gibt es ohnehin gute Bilder vom Sportograf oder vom Veranstalter selbst. Auch beim King of the Lake war mir die Windschlüpfrigkeit wichtiger, als die Kamera dabeizuhaben - wären aber eh nur verschwommene Bilder geworden, bei dem Puls!

Meine rechte Trikottasche ist fix reserviert für eine Kamera. Das Smartphone ist auch bei jeder Ausfahrt dabei, dient mir aber nicht als Kamera, obwohl die Qualität der Fotos aus dem iPhone 8 beachtlich ist. Mein iPhone 6 wurde Opfer des Mödlinger Asphalts, als ich es aus der Trikottasche holen wollte, um ein Foto zu machen - im Stehen wohlgemerkt. Seitdem ist das Handy - gemeinsam mit meinen anderen Wertsachen - gut verpackt in einer kleinen Tasche verwahrt und wird nur bei Pausen gezückt.

Auch auf Instagram Stories versuche ich während der Fahrt möglichst zu verzichten - so “real-time” muss es dann auch nicht sein - da reicht es in meinen Augen, ein paar Fotos nach der Ausfahrt hochzuladen.

Foto: Unicorn Cycling (Ricoh GRII)

Ricoh GRII

Auch hier hat sich vorerst noch nichts Grundlegendes geändert. Die Trikottasche ist nach wie vor am liebsten mit der Ricoh GRII gefüllt. Ich bin noch immer davon überzeugt, dass diese Kamera ideal für den Einsatz am Rad ist. Die Bildqualität ist großartig (Crop-Sensor), die Abmessungen sind gering (Trikottasche), das Handling ist einfach (kein Zoom, keine Spielereien) und der Autofokus schnell. Nicht nur im Stehen sondern vor allem auch während der Fahrt kann ich auf diese Weise schnell und mit einer hohen Trefferquote gute Aufnahmen machen. Griff zur Trikottasche, während dem Vorziehen einschalten, fokussieren und abdrücken, ausschalten und wieder in der Tasche verstauen. Das Ganze dauert keine 10 Sekunden und geht glatt von der Hand - wenn man sich den Ablauf einmal eingeprägt hat. Die Festbrennweite ist mit 28 Millimetern ideal für Aufnahmen mit etwas Kontext drumherum - nicht zu weit, dass es “fischäugig” wird und trotzdem genug Platz für ein gutes Bild von einem Radler plus etwas Landschaft.

Es kam wie es kommen musste, im September 2017 wurde mir das Fotografieren während der Fahrt zum Verhängnis. In einer Baustelle, deren Untergrund an sich aus festgefahrener Erde bestand und von daher gut befahrbar war, tat sich vor mir plötzlich ein Schotterfeld auf, das Vorderrad versank und ich ging über den Lenker - die Kamera wohl in der rechten Hand haltend. Schäden an Fahrer und Rad waren minimal, der Schrecken - wie meistens - größer. Die Kamera protestierte allerdings gegen Baustellenstaub, Erde und Schotter und quittierte den Dienst. Einschicken zur Servicestelle in Hamburg (zugegebenermaßen etwas mühsam!) und zurück kam eine reparierte Ricoh, die wieder zu 100% für neue Radfotos zur Verfügung stand. Der hintere LCD wurde bei der Gelegenheit auch gleich ausgetauscht - bei der Reparatur glaubte man, dass hier ein Schaden vorliegt, in Wirklichkeit war das Display allerdings nur derart zerkratzt von meiner Nutzung und tatsächlich auch durch Schweiß und Nässe beeinträchtigt, die über das Trikot zur Kamera kommen. Hier wäre die Überlegung, die Kamera etwas besser vor diesen Einflüssen zu schützen und damit die Lebensdauer einzelner Bestandteile zu erhöhen, dies würde aber in meinem System zulasten der schnellen Einsatzbereitschaft gehen - da ist mir mein “quick shooting” wichtiger.

Das letzte Foto, bevor wenige Meter später Ricoh GRII und Fahrer Bodenkontakt haben…

Alternativen?

Auch ein gutes und funktionierendes System kann und sollte allerdings ab und zu auf Verbesserungsmöglichkeiten hin betrachtet werden. Für wenige Wochen war die Canon Powershot G7 X Mark II mein Begleiter - für jene Wochen nämlich, in denen die Ricoh zur Runderneuerung in Hamburg weilte. Die Eckdaten lasen sich verlockend - gute Bildqualität, Zoomobjektiv, kippbarer Touchscreen, WLAN, und noch einiges mehr. Allerdings kam ich mit der Kamera nicht zurecht, sie fühlte sich irgendwie eher nach Spielzeug als nach Kamera an. Angesichts meines Anspruchs, dass eine Kamera logisch, einfach und schnell zu bedienen sein muss - nämlich die Grundfunktionen! - war ich mit den Funktionen der G7 X schlichtweg überfordert. Heißt nicht, dass es eine schlechte Kamera war - im Gegenteil - allerdings in keiner Weise für meinen Einsatzzweck auf dem Rad geeignet. Für Blogger (und Vlogger) ist die G7 X sicherlich eine gute Wahl, kompakt und gut in der Darstellungsleistung, aber in meinen Augen nur, wenn auch etwas Zeit ist, das Ganze entsprechend zu bedienen.

Konkurrenz für die Ricoh hat sich dennoch gefunden, in Form der Canon EOS M50. Die spiegellosen Kameras sind in Canons Portfolio eine Stufe über den “Powershot”-Kompaktkameras angeordnet und bekommen viele der Features mit eingepackt, die auch die teureren DLSRs aufweisen. Wechselbare Objektive erhöhen die Flexibilität: Beim Kit war ein 15-45mm-Objektiv dabei (entspricht einem 24-70mm auf Vollformat-Kameras), noch besser ist allerdings das superkompakte 22mm-Pancake-Glas (entspricht 35mm). Damit baut die Kamera noch ein Stück kompakter und es fällt das Zoom weg - für den einen vielleicht ein Nachteil, für mich ein großer Komfortgewinn, weil ein Faktor weniger, um den ich mich beim Fotografieren kümmern muss. Die M50 fokussiert sehr schnell, die Bildqualität ist hervorragend für einen Crop-Sensor und die Bedienung ist einfach und schnell. Auch hier gibt es WLAN, Touchscreen und vieles mehr, diese Funktionen sind aber etwas dezenter untergebracht als bei der zuvor genannten G7 X, daher stehen mir diese hier nicht “im Weg”. Die Kamera ist etwas zu groß für die Trikottasche aber fällt umgehängt nicht ins Gewicht und stört daher auch nicht beim Fahren.

Canon EOS M50 mit 15-45mm Kit-Objektiv

Die M50 hat auch einen klapp- und drehbaren Bildschirm, den man komplett umdrehen (das schaut dann so aus, als hätte man keinen LCD - meine Lieblingseinstellung) oder aber auch nach vorne drehen kann, sodass Selfies, ausgefallenere Winkel und was auch sonst noch alles möglich werden. Video ist eine eigene Geschichte, dazu komme ich gleich.

Die “Großen”

Auch nichts geändert hat sich an meinen “großen” Kameras, wenn man sich hier einmal für ein System entschieden hat (das funktioniert), wechselt man nicht mehr so ohne weiteres. Canon 5D Mark IV lautet die erste Wahl, wenn es um Fotos geht, die nicht vom Rad aus geschossen werden sollen. Die großen und schweren Kameras am Rad mitzuführen, habe ich ein paar Mal gemacht, aber auch recht schnell wieder gelassen. Hier muss schon vorab die Entscheidung fallen: entweder selber fahren ODER Fotos machen, beides geht hier nicht.

Eine der seltenen Ausfahrten mit “schwerem Gerät” (dann aber gleich Großglockner…) Foto: Jan

Objektivseitig scheine ich etwas kompliziert gestrickt zu sein, auch hier hab ich so meine Schwierigkeiten mit Zoom-Objektiven bzw. eine absolute Vorliebe für Festbrennweiten. Hier sind mir vor allem die Sigma-Objektive ans Herz gewachsen - 85mm/1.4 und 135mm 1.8 sind jetzt keine Brennweiten, die man klassischerweise für Rad- und Landschaftsfotos heranziehen würde, aber ich bin nunmal verschossen in die beiden Objektive. Dabei mache ich mir noch zusätzlich das Leben schwer, indem ich fast nur mit Offenblende fotografiere - die Fotos bei der Weltmeisterschaft in Innsbruck habe ich beispielsweise zu 99% mit Blende 1.8 aufgenommen. Die Fehlerquote im Sinne von falschen Fokuspunkten mag hier höher sein, aber wenn man trifft, dann sprechen die Ergebnisse für sich. Ganz ohne Zoom komme ich aber auch nicht aus, das Sigma 24-70 und das Canon 70-200 komplettieren mein Setup.

Gemeinsam mit einer entsprechenden Blitzanlage ist dieses Setup natürlich nicht nur bei Radveranstaltungen im Einsatz sondern auch bei allen möglichen anderen Anlässen… (z.B. bei Fotos für das Tomorrows Leader-Programm des ASVÖ Salzburg)

Auf der Bahn?

Einige haben mich gefragt, wie meine Fotos auf der Bahn bzw. im Dusika-Stadion zustande kommen. Die Bedingungen dort sind nicht die einfachsten - es ist vergleichsweise dunkel im Stadion, mehr Licht (=mehr eingeschaltete Lampen) gibt es nur bei größeren Veranstaltungen und dazu sind die Bewegungen der Fahrer*innen schnell.

Natürlich gibt es zahllose “kreative” Möglichkeiten wie “Mitzieher” und dergleichen, mit denen man fehlendes Licht in einer Weise kompensieren kann. Will man aber gestochen scharfe Aufnahmen, muss man entweder die Lichtempfindlichkeit (ISO) erhöhen oder die Blende öffnen - oder beides.

Ich fotografieren meistens mit ISO 1600 oder höher, offener Blende - dass ich das gerne mache, habe ich ja oben schon ausgeführt, und grundsätzlich eine Stufe unterbelichtet (die Tiefen kann man am Computer nochmal herausholen). Mit diesen Einstellungen gelingen - bis auf einige fehlfokussierte Irrläufer - eigentlich die meisten Fotos.

Nachbearbeitung

Ich versuche bei allen Projekten die Nachbearbeitung so gering wie möglich zu halten. Alles was ich schon im Zuge der Aufnahme erledigen und einstellen kann, reduziert den Aufwand vor dem Computer. In Lightroom ändere ich zumeist nur noch geringfügig den Ausschnitt und lege den einen oder anderen Filter über die Bilder. Film-Emulationen, die das Aussehen bekannter (analoger) Filme simulieren finde ich zwar grundsätzlich toll, allerdings leidet meiner Meinung nach die Identität der Bilder (und je nach Programm auch oft die Qualität) darunter, daher versuche ich auch hier, das Ganze auf ein Minimum zu reduzieren - ganz widerstehen kann ich jedoch auch nicht!

Mein grundsätzliches Credo lautet, ein möglichst zeitloses Aussehen zu erzeugen - wenn ich mir heute Fotos eines Lissabon-Urlaubs von vor einigen Jahren ansehe, die ich ausschließlich mit einer Cross-Process-App am Handy gemacht habe, überkommt mich tiefe Trauer, dass ich damals nur zu diesen Filtern gegriffen habe…

Video

Video ist allgegenwärtig und natürlich auch ein Teil meines Alltags. Die oben genannten Kameras sind alle in der Lage, hervorragende Videokameras abzugeben. Ich arbeite gerade daran, mich in dieser Welt zurechtzufinden und möchte auch dorthin meine Fühler weiter ausstrecken - nicht anstelle meiner Fotografie sondern ergänzend, die Möglichkeiten sind hier einfach unterschiedliche.

Erste Projekte laufen bereits im Hintergrund, Ergebnisse gibts natürlich zu allererst auf 169k.net ;)

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UCI WM Innsbruck 2018

Jetzt ist sie auch schon wieder vorbei, die UCI Straßenrad-WM in Innsbruck und Tirol. Ich hatte das große Glück, als Fotograf eine Woche mitten im Trubel mit dabei zu sein und dabei auch das österreichische Nationalteam zu begleiten. Die Eindrücke und Erfahrungen, die ich in dieser Woche sammeln konnte sind so vielfältig, dass es schwer ist, diese in einem banalen Blogpost zusammenzufassen. Traditionellerweise werde ich daher Bilder sprechen lassen :)

Aus österreichischer (sportlicher) Sicht war die Goldmedaille von Laura Stigger - zwei Tage nach ihrem 18. Geburtstag und wenige Wochen nach ihrem Weltmeistertitel am Mountainbike! - sicher das Highlight. Bei den Juniorinnen und Junioren gab es einige Ausrufezeichen, in den Eliterennen lief es leider nicht ganz so, wie sich das manche im Vorfeld vielleicht erwartet hätten.

Auch eine Erkenntnis dieser Woche ist für mich die Gnadenlosigkeit von Ergebnislisten. Durch meine Nähe zum österreichischen Team und Betreuerstab konnte ich recht nah mitverfolgen, warum ein Einzelner oder eine Einzelne diese oder jene Platzierung erreicht hat oder eben nicht. In der Ergebnisliste und der darauffolgende Berichterstattung geht aber unter, ob ein Fahrer mit Sitzproblemen, eine Fahrerin Schmerzen von den Bandscheiben oder aber jemand einen technischen Defekt hatte. Dass diese Athletinnen jedoch ihre bestmögliche Leistung abgerufen haben, gerät in Vergessenheit und so erscheint so manche Kritik ungerechtfertigt. Diesbezüglich zolle ich allen Sportler*innen großen Respekt, damit muss man auch erst mal umgehen können.

Bei den Zeitfahren konnte man den Sportler*innen - vor allem am Start - sehr nahe kommen. Fototechnisch natürlich eine große Gelegenheit aber auch einer der tollen Aspekte des Radsports - in keiner anderen Sportart kommt man den Akteuren derart nahe und auch dementsprechend (oder trotzdem?) bodenständig sind die meisten von ihnen.

Bei den Betreuern im Auto mitzufahren eröffnet neue Perspektiven auf den Sport, ein Rennen und die Abläufe, die man normalerweise nicht mitbekommt, wenn man an der Strecke steht oder vor dem Fernseher sitzt. Auch die Autokolonne hinter den Fahrer*innen ist so etwas wie ein eigener Organismus, bestimmt von offiziellen Regeln aber auch ungeschriebenen Gesetzen, von nervösen und mitfiebernden Betreuerteams, haarigen Verkehrssituationen, Hektik, Gnadenlosigkeit aber auch Empathie.

Keine Großveranstaltung ohne Fans! Was entlang der Strecken während der WM-Woche los war, ist schwer in Worte zu fassen. Vor allem zum Wochenende hin waren sämtliche Straßen mit Menschen gesäumt, auf dem Olympia-Kurs rund um Innsbruck war vor jedem Wirtshaus, vor jedem Geschäft und vor jedem Hotel eine Fanzone inklusive Getränken, Fernseher und Sitzgelegenheiten aufgestellt. Fans aus aller Welt machten Innsbruck zu einem bunten Fahnenmeer. Die kolportierten Zahlen von rund 250.000 Fans entlang der Strecke beim Herrenrennen am Sonntag glaub ich sofort. Hoffentlich geht mit dem Bejubeln der Fahrer*innen auch eine weiterer Ruck durch die Welt, der die Akzeptanz für den Radsport weiter hebt und die positiven Aspekte derartiger Veranstaltung hervorhebt.

Und zu guter letzt: Ja, es war steil. Ja, es war hart. Ob es die schwerste WM aller Zeiten war - wie die Veranstalter sich auf die Fahnen heften - ist eigentlich unerheblich. Die Fahrerinnen wurden jedenfalls gut gefordert, die 28% steile “Höttinger Höll” hätte es dazu gar nicht gesondert gebraucht, schon auf dem Olympiakurs war den Fahrer*innen das Leiden aus dem Gesicht abzulesen. Dass es landschaftlich ein Schmankerl war, brauche ich hier wohl nicht extra zu erwähnen.

Nächstes Jahr geht es in Yorkshire weiter, der einzige Anstieg und damit höchste Punkt der Rennen misst dort 510 Meter. ;)

Fokus vor dem Zeitfahren

Aus dem Auto heraus

Fans

Mehr Fotos von der WM gibt es auf Instagram und Facebook!

King of the Lake 2018

Ich bin auf dem Weg zu einem Familientreffen. Es ist Samstag Abend und ich parke mein Auto bei der Marina in Schörfling, um meine Startunterlagen für den 8. King of the Lake abzuholen. Quer über die Straße entdecke ich den ersten Teil meiner “Familie” - Michael Nussbaumer, seines Zeichens Organisator des großartigen Race Around Austria und seine Mediencrew. Erst vor einem Monat hab ich mein Zelt ein paar Kilometer weiter in Sankt Georgen im Attergau aufgeschlagen gehabt, um die Radler*innen auf ihrer Langstrecke rund um (Ober)Österreich zu begleiten. Zehn Minuten später habe ich mein Starterpaket in der Hand und Erwin Mayer - Mastermind des King of the Lake - gesellt sich zu uns. Er ist frohen Mutes - gutes Wetter, gefüllte Teilnehmerlisten und zufriedene Mitarbeiter sind Dinge, die einen Rennorganisator glücklich machen.

Zur Familie gesellen sich “Freunde” - egal ob beim gemeinsamen Abendessen am Freitag oder am Renntag. Alle sind sie gekommen, um selbst eine Runde um den Attersee zu drehen oder jene anzufeuern, die sich anschicken, es zu tun. Die Gesellschaft ist eine illustre, die tägliche Facebook-Timeline materialisiert sich zu realen Personen, die sich alle rund um den Start-Zielbereich des “KOTL” drängen. Egal ob Radbundesliga, Profis, Vereine aus ganz Österreich, Vorjahressieger, Vertriebspartner, Medienmenschen, Blogger, Fotografen, Freunde und Nachbarn aus Wien, Hersteller, Sponsoren - wenn nicht Familientreffen dann zumindest Klassentreffen. Würde nicht in wenigen Minuten ein Rennen stattfinden, das Kommen hätte sich trotzdem ausgezahlt. Ein entspannter Nachmittag am schönen Attersee…

Die Idylle trügt allerdings, es liegt etwas in der Luft - Adrenalin, Laktat, Schmerzen. Immerhin gilt es Queen und King of the Lake zu eruieren. Dazu sind die bereits bekannten rund 47 Kilometer um den Attersee zurückzulegen. 47 Kilometer sind viel für ein Zeitfahren - üblicherweise bewegen sich die klassischen Zeitfahrdistanzen bei rund 20-30 Kilometer. Ein paar Höhenmeter kommen auch noch dazu - perfide versteckt in einigen kurzen aber nerven- und kräftezehrenden Anstiegen auf der Westseite des Sees. Die Strecke ist gesperrt - rund sechs Stunden sind die Anrainer des Sees (mehr oder weniger) bereit, “ihre” Straße den Radfahrer*innen zu überlassen. Feuerwehren, Polizei und freiwillige Helfer stellen sicher, dass sich trotz Beschilderung und Infos keine Autos auf die Strecke verirren.

Die Sperre ist eines - wenn nicht DAS - Alleinstellungsmerkmal des King of the Lake, nirgendwo anders in Europa (und vermutlich auch weltweit) gibt es etwas Vergleichbares. Die 1.275 Teilnehmer - und die vielen hundert mehr, die nur mehr einen Wartelistenplatz ergattert haben - danken es dem Veranstalter mit Treue und positiver Rückmeldung. Die Tatsache, dass die Startplätze im Einzel in diesem Jahr innerhalb von wenigen Tagen restlos ausverkauft waren, machen weitere Kommentare dazu überflüssig - bei den Teams waren die Startplätze ähnlich schnell vergriffen.

Was macht den KOTL außerdem noch besonders? Die Landschaft Österreichs hat traditionell einen hohen Stellenwert in allen meinen Blogbeiträgen und besonders die Gegend rund um den Attersee hat es mir angetan - hier also ein Rennen zu veranstalten, trifft genau meinen Nerv und ich denke es geht auch vielen anderen so. Auch wenn man während des Rennens vermutlich keine allzu große Muße hat, sich an der Landschaft zu erfreuen, sie ist da! - spätestens am Abend beim gemeinsamen Feiern wird der Blick über die Marina Richtung See wandern, man wird kurz den Trubel rund um sich herum ausblenden und erkennen, was für einen schönen Fleck man hier vorfindet. Kleiner Tipp für das Rennen übrigens: Solange der See rechts ist, stimmt die Richtung!

Und noch ein Aspekt spielt dem KOTL in die Hände. Unromantisch wie wir leider immer alle mehr werden, dreht sich auch im Training oft alles nur noch um Wattwerte, Leistungszahlen und Abkürzungen von FTP über NP bis CP. Der King of the Lake bietet mit seiner Strecke die Möglichkeit, diese manchmal eher theoretischen Werte in die Realität zu übertragen. Die FTP (Functional Threshold Power) ist jener Wert, den man über die Dauer von einer Stunde erbringen kann - zur Bestimmung dieses Werts fährt man aber nie eine Stunde, der Wert von bspw. 20 Minuten wird meistens hochgerechnet, um die FTP zu ermitteln. Am Attersee bietet der Rundkurs nun eine potentielle Fahrzeit von - je nach Ambition - 1:00 bis 1:20. Eine gute Gelegenheit also, Leistungswerte der “hour of power” auf ihren Realitätswert zu prüfen und die eigene Leistung “in echt” auszureizen. Auf die ehrlichste und gleichzeitig schonungsloseste Art und Weise - alleine im Wind!

Der Renntag startet mit der Rad-Bundesliga und deren Mannschaftszeitfahren. Letztes Jahr als Premiere eingeführt, bieten die Bundesligateams einen zusätzliche Anreiz für alle Zuschauer, eine weitere Vergleichsmöglichkeit mit den Profis und auch die Fahrer selbst werden wohl froh sein, ein derartiges Rennen in ihrem Kalender zu haben. War letztes Jahr noch die Mannschaft von Hrinkow vorne, konnten 2018 die Fahrer von Felbermayr-Wels das Rennen für sich entscheiden. Für die bevorstehende Weltmeisterschaft in Tirol eine perfekte Vorbereitung und Generalprobe, gibt es doch bei der WM zum letzten Mal den Titel des Mannschaftszeitfahrens in der derzeitigen Form zu gewinnen.

Danach wird es ernst für die zahlreichen Vierer-Teams, die sich für den KOTL gemeldet haben. Wer die erste Hürde - die doch recht hohe und steile Startrampe - gemeistert hat, wird von zahlreichen Zuschauern und Fans ins Rennen geschrien - ein Start wir bei einem Profirennen. Vier Fahrerinnen bilden ein Team, die Zeit des oder der Dritten zählt, eine*n Fahrer*in kann man quasi auf der Strecke “opfern”. Die Taktiken sind dabei unterschiedlich - Teams kommen zu dritt oder viert an, manche haben die Ablösungen im Vorfeld schon akribisch einstudiert, haben als Zug trainiert oder fahren einfach drauf los.

Während die Viererteams wieder Richtung Ziel kommen, bin ich gerade am Rückweg in mein Hotel in Moos (ich bin ja neben dem Fotografieren auch zum Fahren angereist). Der Litzlberger Keller (mein Hotel) liegt bei der 2-Kilometer-Marke und genau hier baut sich der letzte Schupfer auf, der zwischen den Fahrer*innen und dem Zielstrich liegt. Und genau hier ist es auch, wo Teams gesprengt werden, Kräfte am Ende sind, Anweisungen nur noch diffus durch die Gegend gerufen werden und sich bei manchen Teilnehmer*innen nur noch der Tunnelblick breitmacht.

Ich ziehe mich am Balkon meines Zimmers für mein persönliches Rennen um und beobachte dabei das Spektakel auf der Uferstraße unter mir. Es ist eine Prozession von Erlösung Suchenden - in Auflösung befindliche Viererteams, durcheinander gewürfelte Windstaffeln, Grüppchen von verlorenen gegangenen Teammitgliedern und die ersten Einzelfahrer, die mit einem Wummern von der montierten Vollkarbon-Scheibe durch das Feld pflügen. Die leicht chaotische Szenerie passt so gar nicht zur idyllischen Seenlandschaft an diesem ruhigen und sonnigen Samstagnachmittag.

Zwanzig Minuten vor meiner Startzeit - die Einzelfahrer starten in 15-Sekunden-Intervallen - stehe ich im Startbereich in der Schlange zur Startrampe, lächelnd, freudig wartend auf mein Startsignal, dass mir mit Sicherheit Schmerzen verursachen wird. Aber irgendwie scheint sich auch jede*r um mich herum darauf zu freuen, sich quälen zu dürfen. Es ist eines der Mysterien der Menschheit und des Sports, warum wir uns das immer wieder antun… - aber es ist nicht genug Zeit, sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Auf die Rampe, die Sekunden laufen herunter und schon geht es los.

Ein kleiner Hügel direkt nach dem Start sorgt für den ersten Peak in der Leistungs- und Herzfrequenzkurve, danach rollt es am Ostufer des Sees erstmal “gemütlich” dahin. Eines der Rezepte für einen erfolgreichen KOTL ist, sich in der ersten Hälfte etwas aufzusparen. Wie das genau funktionieren soll oder ob man auch schafft, das umzusetzen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Man wird überholt und fühlt sich dann natürlich doch jedesmal etwas im Stolz verletzt, man durchfährt Fanzonen und will sich gerade dort natürlich keine Blöße geben, und so weiter - so viel zum Thema “ruhig angehen”.

Die Zwischensteigungen entlang des Südufers dürfte ich letztes Jahr verschlafen haben, jedenfalls bin ich überrascht, als ich auf den ersten Anstieg zufahre, den hatte ich jedenfalls nicht eingeplant. Den Anstieg bei Unterach kurz vor der Wende habe ich mir allerdings vom Vorjahr gemerkt. Bei der Halbzeit geht es hier ordentlich bergauf, die meisten Rennradfahrer tun sich hier sichtlich leichter als viele auf ihren Zeitfahrern.

Ich bin 2018 mit dem Rennrad unterwegs,. Wer meinen Blogbeitrag vom Vorjahr noch in Erinnerung hat (oder ihn hier kurz nachlesen möchte), weiß, dass ich 2017 meine Premiere auf dem Zeitfahrrad gefeiert habe, wobei mir die Sitzposition, mangelnde Nacken- und Rückenmuskulatur und zuwenig Vorbereitung auf dem Zeitfahrer (drei “Versuchsfahrten”) einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Für 2018 habe ich mir daher als Ziel genommen, auf dem Rennrad die Zeit vom Vorjahr einzustellen oder zu unterbieten. Nach meinen Rückenproblemen im Frühjahr war der Zeitfahrer für dieses Jahr keine wirkliche Option.

Auf der Westseite des Sees wird es dann spannend. Insgesamt sind es drei oder vier kleinere Hügel - die genauen Ausmaße und Dimensionen sind schwer zu beschreiben bzw. würden sie lächerlich wirken wenn man sich frisch und ausgeruht auf die Straße stellt und locker die paar Meter hinauffährt. Im Rennmodus des KOTL - bis obenhin voll mit Adrenalin, Laktat und “Will-nicht-mehr” - werden diese kleinen Hügel allerdings zu Bergen monumentalen Ausmaßes. Die Wahl pendelt zwischen “Drübertreten” - und dem Risiko, sich totzufahren und das Laktat bis zum Ziel nicht mehr aus den Beinen zu bekommen - oder aber langsam hinaufkurbeln und sich gleichsam im Anstieg verenden sehen. Zu allem Überfluss ist im steilsten Abschnitt auch noch eine Fanzone des Race Around Austria aufgebaut (siehe oben - “Familie”), da muss man irgendwie ohne Gesichtsverlust durchkommen.

1500 Meter vor dem Ziel ist aber auch der letzte “Gipfel” bezwungen, es geht flott bergab zurück Richtung Ziel. Vor der Agerbrücke wartet noch eine 90-Grad Kurve, danach kann man getrost nochmal alles aus den Beinen rausholen, die Ziellinie ist in Sicht und damit unendlicher Ruhm und Genugtuung. Ob auf der Anzeigetafel 1:05 steht (in diesem Fall tiefe Verneigung) oder 1:21 (wie in meinem Fall) ist völlig nebensächlich - sage ich, dem es in erster Linie um den Sieg über den inneren Schweinehund geht. Wer hier im Ziel ausrollt, nach Luft schnappt und Krämpfe zu vermeiden versucht, kann stolz sein - stolz auf das, was in den letzten Minuten passiert ist, was man geleistet hat, wie man gesiegt hat.

Während ich über mein Oberrohr gebeugt im Zielkanal schnaufe, wird im Hintergrund der Start von Georg Preidler angekündigt. Er hat 2017 - als amtierender Zeitfahrer-Staatsmeister - eine Fabelzeit und einen neuen Streckenrekord von 55 Minuten in den Asphalt der Attersee-Uferstraße gebrannt. Eine knappe Stunde später wird Georg mit einem neuerlichen (und unfassbaren) Rekord von 53 Minuten wieder im Ziel sein. Das ist mir im Moment aber egal, die eingangs erwähnten Freunde und Familienmitglieder stehen bei mir, man trifft sich wieder, gratuliert sich, fragt nach dem Erlebten, tauscht sich aus. Und auch die eigene Freude ist noch einmal intensiver, wenn man sie mit jemandem teilen kann.

Für Georg Preidler freue ich mich übrigens sehr, er ist einer der nettesten und bodenständigsten Fahrer im Zirkus. Am Morgen des Renntags waren wir gemeinsam mit seiner Freundin “einfahren” - während er eine lockere Runde um den ganzen See gefahren ist, war das für mich schon die erste Belastung des Tages ;) Ich bin jedenfalls gespannt, welche Leistung Preidi im Zeitfahren der WM bringen kann und freue mich schon, auch dort dabei sein zu können.

Gratulation an Marcus Baranski (den King of the Lake), Adelheid Schütz (die Queen), Babsi Mayer, Christoph Strasser, alle, die neue Bestzeiten erzielt haben, sich aus der Komfortzone bewegt haben, ins Ziel gekommen sind oder einfach Spaß hatten. Dank und Glückwünsche auch an Erwin Mayer und das ganze Team der Atterbiker, die wiederum eine großartige Veranstaltung auf die Beine gestellt und abgewickelt haben. Ich freue mich auf 2019!

Meine Teilnahme am Rennen und die Übernachtung am Attersee erfolgten auf Einladung des Veranstalters. Fotos wurden selbstgemacht oder vom Sportograf.

VICC-Cup 09.09.2018

Alle Infos zur Rennserie, Ergebnisse und Termine hier: https://vicc.racing

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