BMC Urs im Test

Nachdem ich im Sommer diesen Jahres philosophiert und endlich - für mich selbst und nach langem Überlegen - rausgefunden habe, was "Gravel" eigentlich bedeutet, welche Möglichkeiten damit verbunden sind und wohin die Reise gehen könnte, geht es nun um das Material an sich. Dass ich mit den Versuchen, meinen Crosser umzubauen gescheitert bin, lasse ich hinter mir. Vor mir liegen hingegen einige Ideen und Projekte, bei deren Realisierung ich mich gerne eines tatsächlichen Gravel-Bikes bedienen würde - wo nämlich weder Rennrad, Crosser noch MTB-Hardtail 100% hineinpassen. Die Rede ist von längeren Touren, Bikepacking und einem Vordringen in die Berge, ohne dabei größere Kompromisse eingehen zu müssen und gleichzeitig sowohl auf Asphalt als auch auf Schotter- und Waldwegen gleichsam gut vorwärts zu kommen.

Auf die Unterschiede zwischen den Radkategorien bin ich schon an anderer Stelle eingegangen, ebenso auf die Frage ob man unbedingt ein weiteres (spezifisches) Rad braucht (grundsätzlich Nein) oder ob man das nicht auch mit dem Crosser fahren könnte (grundsätzlich Ja). Belassen wir es dabei, dass Präferenzen und Vorlieben unterschiedlich sind, jede und jeder ohnehin für sich selbst entscheiden sollte, was sie oder er braucht und will. Am besten probiert man diese Dinge auch selbst aus, so wie ich das in Osttirol mit meinem Crossbike versucht habe und erst dort - im direkten Einsatz - draufgekommen bin, was ich "brauche" und welches Material dafür am besten geeignet ist.

Apropos selbst versuchen... Während meines Selbstversuchs im Sommer war das neue BMC Gravelbike gerade erst ein paar Wochen vorgestellt. Das Konzept war damals schon vielversprechend und ehrlicherweise hatte ich das Rad schon zu diesem Zeitpunkt ein bisschen in meinem Hinterkopf. Nun konnte ich „URS“ für einige Ausfahrten testen und dabei genau jene Punkte abklopfen, die ich auf meiner geistigen To-Do-Liste gespeichert hatte. Um das, was ich mir vorab zusammengesponnen hatte, zu verifizieren oder mich eines besseren belehren zu lassen.

URS

Urs ist zweifellos Schweizer, sein Name bezieht sich allerdings nicht auf den Bären (Ursus) sondern ist ein Buchstabenwort aus "Unrestricted" und damit der Verweis auf das "Anything goes" und die übergreifenden Disziplinen, die das Rad abdecken soll.

Was unterscheidet jetzt aber URS von den bisherigen - und von mir eher kritisch gesehenen - Gravelbikes, bei denen tendenziell nur breitere Reifen in einen bestehenden Rennradrahmen gehängt wurden?

Am wichtigsten ist wohl die spezielle Geometrie und diese spielt sich in erster Linie an der Front ab. Der Lenkwinkel ist sehr flach, um mehr Laufruhe und eine gute Basis im Gelände zu haben. Die dadurch entstehende Schwerfälligkeit in der Lenkung verhindert BMC durch einen kurzen Vorbau, der die entsprechende Reaktionsfähigkeit des Vorderrads sicherstellt. Im Großen und Ganzen kennt man das von modernen Mountainbike-Geometrien (nicht nur bei BMC), den eigentlichen Ursprung hat der Trend bei den Enduro-Bikes.

Der Rahmen ist eine Neu-Entwicklung und kein adaptierter Rennradrahmen. Die serienmäßig montierten 42mm WTB-Reifen belegen die enorme Reifenfreiheit. Wie auch einige andere Hersteller verbaut BMC ein Federungssystem am Hinterbau, um den Komfort im Sattel noch weiter zu erhöhen. Dabei kommt - wie auch schon bei den Teamelite MTB-Modellen von BMC - ein Elastomer-Element zum Einsatz, dass zwischen Sitzstreben und Sitzrohr unliebsame Schläge abfedern soll. Der Rahmen weist außerdem noch einige gravel- oder geländespezifische Merkmale auf, die das Leben einfacher und sicherer machen sollen: Protektoren für den Rahmen, zusätzliche Ösen und Schrauben für Taschen und Zubehör, eine Kabelführung in der Gabel für einen möglichen Nabendynamo und vieles mehr.

Je nach Ausstattungsvariante kommen noch weitere Goodies dazu: Carbon-Felgen fürs Gelände von DT-Swiss, offroad-spezifische Schaltgruppen, und und und. Ebenfalls abhängig von Modell und Ausstattung ist das Gewicht, das Topmodell fühlt sich mit seinen etwas über 8 Kilogramm beim ersten Mal Anheben erstaunlich leicht an, was natürlich auch der Performance während der Fahrt zugute kommt.

Die Varianten des URS

URS startet bei 2.999 Euro für das Modell "Four" und gipfelt mit 8.999 Euro bei URS "One".

Die Antriebe sind durchwegs als "1x" spezifiziert, je nach Gruppe bekommt man damit 11 oder 12 Gänge. Die Kompatibilität von Cross-, Rennrad und MTB-Gruppen ermöglicht es heutzutage ohne weiteres, einzelne Komponenten unterschiedlicher Gruppen zu kombinieren und dabei auch elektronische Schaltungen einzusetzen (beim URS One und Two). Bei der Übersetzung überrascht, dass nur das Topmodell eine größere Bandbreite bietet, 38x50 ermöglicht auch in steileren Gefilden noch eher ein Fortkommen als 40x42. Die Farben sind grundsätzlich Geschmackssache, gefallen - mir persönlich - aber in ihrer Schlichtheit sehr gut. Die Kontrastfarben an den Gabelholmen sorgen für etwas Abwechslung. Neben Rahmen und Gabel teilen sich auch alle Modelle die gleichen Reifen von WTB mit einer Breite von 42mm.

Meine Eindrücke - URS in Aktion!

Schon nach wenigen Metern merkt man, dass man sich nicht auf einem "verkleideten" Rennrad befindet. Nahe am Crosser aber dennoch anders in der Geometrie, der Straßenlage, Laufruhe und Charakteristik. Auch wenn man vermeintlich nicht geglaubt hat, dass zwischen Rennrad und Crosser noch Platz ist, der URS füllt hier definitiv eine Lücke. Und dass es sich dabei um keine rein marketing-kreierte Lücke handelt merkt man, wenn man mit URS ins Gelände abbiegt. Zugegebenermaßen sind es Feinheiten, aber je länger man im Sattel sitzt und je vielseitiger die Einsatzbereiche sind, umso mehr fallen diese Kleinigkeiten ins Gewicht.

Der Rahmen ist sehr steif und gibt gutes Feedback. Alleine schon der Blick auf den massiven Tretlagerbereich gibt Auskunft über Stabilität und Steifigkeit bei kurzen Antritten als auch bei längerem Krafteinsatz. Verwindungen sind vom Rahmen her keine zu spüren, die Direktheit endet hier (naturgemäß) eher bei den breiten Reifen.

Die Geometrie ist speziell - wie oben schon erwähnt, wird durch den flachen Lenkwinkel der Vorbau kürzer, dadurch wiederum das Oberrohr länger. Wer mit der Anschaffung eines URS liebäugelt, sollte daher aus meiner Sicht vorher den Händler aufsuchen und dort gemeinsam die Maße besprechen. Blindlings die gleiche Größe wie bei anderen Rädern zu nehmen, kann unter Umständen problematisch werden. Mit meinen 1,94 m Körpergröße und einem langen Oberkörper stellt die Wahl der richtigen Größe bei mir grundsätzlich und fast immer eine Herausforderung dar - ich sitze meistens zwischen den beiden Stühlen "Large" und "X-Large". Die Geschichte mit dem flachen Lenkwinkel kenne ich schon von meinem MTB, daher weiß ich halbwegs, wie ich die veränderten Werte in der Geometrie zu interpretieren habe und was diese für die Position auf dem Rad bedeuten. Das "XL" wäre mir in der Praxis oben etwas zu lang und damit würde ich gefühlt einiges an Wendigkeit verlieren, das "L" ist mir oben fast schon etwas zu kurz, dafür fühlt es sich wendig und agil an. (Zum Glück hat PBike einen schlauen Computer mit meinen Körperdaten, um mir bei der Größenwahl zu helfen!)

Um noch kurz beim Rahmen zu bleiben, dieser hat im Tretlagerbereich viel Bodenfreiheit und bietet damit entsprechend viel Spielraum, um über Dinge drüberzufahren oder sich zumindest nicht das Kettenblatt an Mauern, Steinen oder Wurzeln zu beleidigen.

Die Flaschenhalter im Rahmendreieck sind tief positioniert, damit entsteht viel Raum, der zum Beispiel für eine Rahmentasche genützt werden kann. Und - speaking of Bikepacking - URS macht natürlich auch eine hervorragende Figur im Adventure Modus, wenn man außerdem noch Sattel- und Lenkertasche dazumontiert. Zwei Gewinde im vorderen Bereich des Oberrohrs erlauben außerdem noch, dort eine kleine Zusatztasche mitzuführen. So kann der Mehrtagestrip kommen!

Damit eine Lenkertasche oder -Rolle zwischen den Drops Platz hat, werden von BMC Lenker mit "Flare" verbaut, bei denen also die Lenkerenden nach außen gebogen sind. Weiterer Benefit dieser Lösung ist eine bessere Kontrolle über das Rad in schnellen Offroad-Passagen. Lenker mit Flare sind allerdings auch Geschmackssache, so bin ich beispielsweise kein Fan davon und würde bei meinem URS einen konventionellen Lenker draufschrauben. Mich irritiert die Griffposition eher, als dass ich einen wirklichen Nutzen erkennen könnte. Außerdem bin ich bestimmte Griffpositionen vom Rennrad gewöhnt, die ich so auch auf einem URS beibehalten wollte. Und letztlich sind in Unterlenkerposition auch die Schalthebel nicht mehr so gut erreichbar, da diese ebenfalls entsprechend nach außen geneigt sind.

Ansonsten gibt es allerdings am Cockpit absolut nichts auszusetzen: volle Integration aller Leitungen und Kabel, ein aufgeräumtes Erscheinungsbild und die schöne Halterung für Wahoos, Gopros, Garmins und sonstiges Zubehör, die bei integrierten BMC-Vorbauten ohnehin immer dabei ist.

Auf den ersten Blick fällt natürlich das Federelement im Hinterbau auf. BMC hat schon einiges an Erfahrung mit dieser Technologie bei seinen Mountainbikes gesammelt. Es gibt keine offiziellen Angaben über den Federweg oder dergleichen, in der Praxis sieht man das Element jedoch in Bewegung und ein paar Millimeter weit wird da jedenfalls gearbeitet. Die tatsächlichen Federeigenschaften zu beurteilen ist aus meiner Sicht nicht wirklich möglich, da ein weitaus größerer Anteil des Komforts im Sattel aus der ewig langen Sattelstütze und den breiten Reifen kommt, wobei man bei letzteren ja zusätzlich auch noch kräftig am Luftdruck schrauben kann. Insgesamt federt der Hinterbau Schläge und Unebenheiten sehr gut ab, auch Roubaix-artige Kopfsteinpflaster-Passagen fühlen sich so etwas weniger schlimm an. Die Tatsache, dass dem Elastomer im Hinterbau keine Dämpfung gegenübersteht, bedeutet, dass es mitunter zu einem minimalen "Hoppeln" kommen kann, vor allem wenn man in einem leichten Gang unterwegs ist und recht dynamisch mit dem Körper mitarbeitet. Verdirbt nicht den Spaß und kommt auch nur in besonderen Konstellationen vor, Abhilfe kann ein anderes Elastomer-Element schaffen, diese sind nämlich in drei unterschiedlichen Härtegraden erhältlich.

Die WTB-Reifen weisen eine Breite von 42 Millimetern auf, während Crosser traditionell (und regelbedingt) meistens "nur" auf 33ern anrollen. Ich persönlich hätte nicht für möglich gehalten, welchen Unterschied diese zusätzlichen 9 Millimeter ausmachen, sowohl was Komfort als auch Grip angeht. Man kann den Luftdruck noch einmal etwas senken, hat damit in geradezu allen möglichen und unmöglichen Situationen ausreichend Haftung und kann auf diese Weise durch Sandfelder, über groben Schotter und alles andere pflügen, was sich einem in den Weg stellt. Aber auch der Speed auf Asphalt war für diese Reifenbreite eine positive Überraschung und bestärkt mich darin, das Rad als Allzweckgerät für alle Untergründe zu sehen. 

Einige Gravelbikes am Markt bieten die Möglichkeit, 650B-Laufräder zu montieren, um die Vielseitigkeit noch weiter zu erhöhen. Beim URS ist das nicht der Fall, allerdings sehe ich dafür eigentlich auch keinen wirklichen Grund. Auf etwas Unverständnis stößt bei mir, dass BMC zum einen das Schraubenmaß der Steckachsen von 5mm auf 6mm (Inbus) erhöht hat und gleichzeitig keinen Adapter bzw. Hebel zum Lösen der Schraube mehr beilegt. Für den Reifenwechsel während einer meiner Testfahrten war daher die Einkehr in ein Lagerhaus notwendig, um den entsprechenden Inbus auszuborgen, mein Multitool endet - wie viele andere übrigens auch! - bei einem 5er-Inbus. Bei der Gelegenheit - und hier bin ich tatsächlich zu 100% selbst schuld - möchte ich auch noch erwähnen, dass man auch die entsprechenden Schläuche für 42mm-Reifen mitführen sollte. Die Rückfahrt auf einem 28mm-Schlauch war wenig erbaulich... 

Die Schaltung an dem von mir getesteten Topmodell (SRAM XX Eagle AXS Schaltwerk hinten und Red ETAP AXS Schalthebel vorne) funktioniert im Gravel-Einsatz hervorragend. Die Schalthebel von SRAM bieten - im Gegensatz zu Shimano - eine weitaus größere Fläche, sodass man auch mit Handschuhen oder "in der Hitze des Gefechts" einfacher schalten kann. Die zur Verfügung stehenden zwölf Gänge bieten eine große Übersetzungsbandbreite, vor allem das 50er-Ritzel hinten dient entweder als Rettungsring oder als Ermöglicher hoch hinausführender Abenteuer. Wie bei allen 1x-Antrieben sind die Gangsprünge teilweise merklich groß, sodass man ab und zu in die Situation kommt, dass weder der höhere noch der niedrigere Gang so richtig passt. Wer hochalpine Ausflüge oder Reisen mit viel Gepäck im Sinn hat, kann vorne auf ein kleineres Kettenblatt wechseln, damit erhöht sich die Kletterfähigkeit weiter. Schade finde ich, dass nur das Topmodell ab Werk eine größere Übersetzung mitbringt, die höhere Flexibilität würde sicher auch den anderen Modellen zugute kommen.

Als Abschluss sei noch erwähnt, dass URS ein richtiger Eyecatcher ist! Das ist einerseits seiner speziellen Form geschuldet - jeder der genauer hinsieht und vielleicht das Federelement erspäht, erkennt das Spezielle und Ungewohnte an diesem Rad. Ein anderer Faktor ist, dass auf dem gesamten Rad nur ein einziger, zwei Zentimeter großer BMC-Schriftzug angebracht ist, nämlich vorne am Steuerrohr. Keine Logos, keine Schriftzüge und Sticker erzeugen Neugier und Interesse, außerdem bekommt das Rad dadurch ein elegantes und schlichtes Auftreten. Lob an BMC auch für das Selbstvertrauen, nicht das komplette Rad mit Aufschriften zuzukleistern. 

Fazit!

In meinen Augen und nach einigen Ausfahrten auf unterschiedlichem Terrain hat BMC hier tatsächlich etwas Neues geschaffen. URS füllt eine Lücke, die man in der Regel zwar erst finden muss, die in meinem persönlichen Radleben allerdings prominent aufklafft und bis jetzt weder durch Crosser, Rennrad oder Hardtail gefüllt werden konnte.

Auf losem und groben Schotter, auf Waldwegen und Fortstraßen spielt URS seine Stärken aus. Viel Grip kommt von den Reifen, der Komfort aus Federung und Sattelstütze verschont den Fahrer und die Fahrerin und die Geometrie lädt tatsächlich zum Spielen ein - diese Böschung hinauf, hier in den Graben hinunter, warum nicht da drüber... Spaß und Radfahren sind in meinen Augen untrennbar verbunden, mit diesem Rad erweitert man die potentiellen Freundenquellen.

Bei größeren Steinen, Wurzeln und Felsen merkt man die Grenzen des Rades, die Wege bleiben natürlich fahrbar aber man ist langsamer unterwegs als mit einem MTB, muss sich gut um die Linienwahl kümmern und die Muskulatur ermüdet schneller. Auf der Straße hingegen - und mit anderen Reifen sowieso - kann URS auch für einen flotte Rennradrunde herhalten.

Foto: Nora Freitag

Was also fahren mit dem URS? Am besten alles, gleichzeitg und abwechselnd, in einem Urlaub, wo man gerne ein Rad für alles mithaben möchte, auf der Langstrecke, mit Gepäck und Satteltaschen, auf dem Weg zum Nachtlager der Dreitages-Tour, auf Forststraßen und Waldwegen, in den Bergen, wo sanfte Schotterwege dominieren, beim Crossrennen, bei der Gruppenausfahrt am Wochenende auf der Straße. "Unrestricted" hat natürlich auch seine Grenzen aber URS lotet sie auf sympathische Weise aus.

Der Preis für URS ist ein beträchtlicher, 3.000 Euro für ein Rad sind viel Geld. Wer schon fünf Räder in seiner Wohnnug stehen hat, wird sich eventuell schwer tun, noch die richtige Nische zu finden. Wer allerdings nach einem Rad sucht, mit dem man im wesentlichen alles machen kann - und zwar alles konkurrenzfähig - der sollte sich URS näher ansehen. Mir haben die Tage mit URS (außer einem kaputten Schlauch) viel Freude bereitet und ich weiß jetzt, mit welchem Rad ich einige meiner Projekte 2020 in Angriff nehmen möchte ;)

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BMC
PBike

Gravel Innsbruck

Ride with passion - unter dem klangvollen Namen ging #gravelinnsbruck am vergangengen Sonntag in die erste Austragung. Wie es halt immer so ist, eine reine Gravelrunde ist fast unmöglich und so haben die Organisatoren die schönsten Abschnitte auf Teer, Schotter, Forststraßen, Waldwegen, einer Bobbahn (ja ihr lest richtig!) und naja sagen wir mal schlechten Straßenabschnitten zu einer mega Runde kombiniert. Multi Terrain Cycling Adventure wird es vom Veranstalter genannt und es wurde seinem Namen vollauf gerecht!

Ich durfte im Namen von 169k die toll angelegte Runde rund um Innsbruck in Angriff nehmen und es hat sich gelohnt!

Mit Start in der schönen Innsbrucker Altstadt und auf von der Polizei gesperrten Straßen ging es flott los Richtung Westen am Inn entlang ins Nasse Tal. "Its not a race, its a big festival" - das sahen die Damen und Herren in der ersten Gruppe wohl anders und sind uns bis zum ersten Anstieg schon mal ordentlich enteilt. Kein Problem, ich bin ja hier zum Genießen denk ich mir, aber irgendwie haben solche Gruppenausfahrten dann doch immer ein bisschen Renncharakter und man will sich ja nicht die Blöße geben. Also rein in den ersten knackigen Anstieg, hier auf Asphalt und gleich darauf finden wir uns in Götzens wieder. Wer die WM letztes Jahr verfolgt hat, egal ob live vor Ort oder vorm Fernseher kennt die tollen Panoramen rund um Innsbruck und genau diese hat man quasi durchgehend im Auge!

Ein paar Ortschaften und Weiler später finden wir uns in Mutters wieder und stürzen uns auf das erste wirkliche Highlight dieser Runde: ein Singletrail, der sich auch wirklich so nennen darf, ist die erste richtige Offroad-Herausforderung bergab. Ich staune ob der Teilnehmer, die sich hier mit Rennrädern runterhauen und das auf teilweise 25mm breiten, klassich “glatzerten” Reifen!

Wer den Ötzi schon mal gefahren ist, kennt den Abschnitt auf der Brenner Bundesstraße und den Ausblick auf die Europa-Brücke. Und da unten in der Sillschlucht beim nächsten Höhe- bzw. Tiefpunkt werden wir uns gleich wiederfinden. Vorbei am Kraftwerk Obere Sill geht es über eine alte Versorgungsstraße 2,3 km und 230 Höhenmeter hinauf nach Patsch. Es ist schon sehr beeindruckend unter der 190m hohen und damit Österreichs höchsten Brücke zu fahren. Ganz nah an den Pfeilern vorbei, gehts auf der teilweise mit schlechtem Asphalt ausstaffierten Straße in etlichen Kehren hinauf. Oben hört man dann schon von weitem Didi Senft, den weltbekannten Radsport-Teufel mit seinen Anfeuerungsrufen auf die Teilnehmer warten. Auf der gesamten Strecke gibt es keine Zeitnehmung im klassischen Sinn, jedoch befindet sich hier einer der Anstiege, die auf Strava ein eigenes Segment erhalten haben. Dadurch kann man sich, trotz Eventcharakter doch mit den anderen Fahrern battlen!

Kurze Abfahrt Richtung Igls und dann next stop: Bobbahn - ja genau, eine BOBBAHN! Hier wird das ganze wirklich einmalig: wo sonst auf der Welt habt ihr die Chance in einer olympischen Bobbahn mit dem Rad zu fahren? Richtig, nirgends! Hier muss ich auch gleich gestehen: ich hab zuerst gedacht, wir fahren die Bahn runter. Wenn man aber in dem Eiskanal ist (übrigens mit perfektem Untergrund für Radreifen, sowas griffiges findet man selten) merkt man erst, wie wenig Platz da drinnen ist. Runterfahren wäre bei dem Gefälle wohl eher keine so gute Idee, immerhin gehts mit 9% bergauf! Ein paar Steilkurven und einen Kreisel später, Ausstieg aus der Bahn und erst mal mit einem Safterl aus Fuschl gestärkt!

Von hier an gehts eigentlich schon wieder zurück Richtung Innsbruck via Sistrans und Aldrans. Über schöne Waldwege nähern wir uns dem Zentrum. Hier ist ein kleiner Kritikpunkt anzubringen: die "Ausschilderung" war an einigen Stellen nicht gut erkennbar oder schlicht nicht vorhanden. Wir kamen in Lans an einen Punkt, wo sich der Weg in drei Richtungen gabelt. Pfeil war keiner vorhanden und so ortskundig war von uns keiner, das wir wussten, wo es nun weitergeht. Jeder der manchmal offroad in unbekanntem Gebiet unterwegs ist, kennt die Situation vielleicht, wenn man irgendwo runter fährt, um dann nach ein paar hundert Metern im besten, oder mehreren Kilometern im schlechtesten Fall draufzukommen, dass es kein Weiterkommen mehr gibt. Kurzer Blick auf den Wahoo: ja schaut so aus, als kämen wir da weiter, also fahren wir einfach mal geradeaus. Wir kommen direkt oberhalb von Wilten heraus, leider auf der "falschen" Seite und haben damit den Berg Isel verpasst. Hier merkt man dann schon, das die Teilnehmer durchaus kreativ mit der Streckengestaltung umgehen und manchmal den direkten Weg zurück zum Congress am Rennweg suchen oder quer durch die Altstadt zurück zum Startpunkt radeln.

Hier angekommen könnte mein Bericht auch schon enden, man könnte nun nach ca. 50km die Ausfahrt beenden und sich bei Kasnockn und Tiroler Gröstl schon verpflegen.

Aber da war doch noch was in der Ausschreibung? Richtig, die Höll! Und die hält was sie verspricht: 2,78km, 304 Höhenmeter und stellenweise 25% steil! Puh, und das nach dem ersten Teil der Runde, der auch ganz schön knackig war! Eine Herausforderung der besonderen Art. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, was die Pros letztes Jahr gedacht haben müssen, nachdem sie schon über 5000 Höhenmeter im Renntempo in den Haxn gehabt haben und dann dort rauf mussten! "Die spinnen, die Innsbrucker!" - so oder so ähnlich wars bestimmt bei einigen! Auch hier wartet wieder Didi und schreit die Leute förmlich die letzten Meter im steilsten Stück hinauf. Ich pumpe ordentlich, die Lungen und Oberschenkel brennen! Die Strecke mit dem Gravelbike in Angriff genommen zu haben, stellt sich hier abermals als Vorteil heraus. Die von mir gefahrene Über- bzw. Untersetzung macht sich bezahlt und ich kann noch mit halbwegs angenehmer Kadenz rauftreten. Oben angekommen mache ich Halt, es wollen ja auch ein paar Fotos gemacht werden. Viele der Fahrer sind hier wirklich am Limit, aber jeder ist extrem stolz, wenn er es ohne Absteigen oder Schieben geschafft hat. Aber selbst Schieben wird zur Herausforderung und jedem, der bis hier gekommen ist, ist zu gratulieren.

Danach geht es noch rüber nach Thaur ein letztes Mal Bergpanorama bewundern und zurück nach Innsbruck.

In Summe haben sich die Veranstalter hier im Schatten der großen MTB-Touren in Tirol und der Rad-WM vom letzten Jahr etwas einfallen lassen, um dem Trend Gravel entsprechend Tribut zu zollen!

Ich zumindest würde sofort wieder mitfahren, obwohl ich sicher wieder das Gravelbike nehmen würde und nicht wie etliche andere das Rennrad. Dafür ist mir die Route dann zu sehr offroad, aber jeder wie er will.

P.S.: Eine Warnung an alle, die eine leichte E-Bike-Allergie haben: die sind hier auch zugelassen und können einem bergauf schon etwas lästig werden, wenn die, die man vorher im Flachen überholt hat dann in Schlangenlinien wieder nach vorne fahren, um oben wieder zurücküberholt werden zu müssen.

Als Verbesserungsvorschlag würde ich den Teilnehmern noch eine .gpx-Datei zur Verfügung stellen, dies kann ja gern im Zuge der Bestätigungsemail passieren nach Anmeldung, wenn man die Strecke vorab etwas unter Verschluss halten möchte.

Also: schnappt euch ein Gravel- und wahlweise Rennrad oder Mountainbike und kommt 2020 nach Innsbruck. Ride with Passion!

Alle Infos: https://gravelinnsbruck.com/