Selbsthilfegruppe Radaufbewahrung

Ein Balanceakt zwischen Flohmarkt und Beziehungskrise.

Es ist ein Drama mit den ganzen Rädern, Reifen, Laufrädern, Lenkern, Pedalen, Cleats, tausenden Schrauben, Abdeckkapperln, Zügen, Hüllen, Ritzeln, Ketten, Flaschenhaltern, Bremsbelägen und den Tonnen von Werkzeug.

Ich besitze 1, 2, 3, 4, 5, 6 Räder. Jedes davon ist (natürlich) unbedingt notwendig und hat seine Existenzberechtigung. Ich habe außerdem einen - trotz halbwegs regelmäßiger Sortiererei - unüberschaubaren Haufen an Radteilen, wobei ich bei manchen Einzelstücken nicht mehr genau sagen kann, ob das einmal an ein Rad geschraubt war oder vielleicht doch dazu dienen soll, einen IKEA-Kasten an der Wand zu befestigen. Fakt ist, alles das braucht Platz - Platz, den ich in einer durchnschnittlichen Wiener Wohnung nicht habe.

Gehen wir es der Reihe nach durch:

  • Mein Standard-Rennrad ist allzeit bereit für eine Ausfahrt und hat Zuflucht im Vorzimmer gesucht - immer in der Nähe der Wohnungstür, jederzeit zur Stelle und schnell bereit.
  • Der Crosser steht gleich daneben - im Winter auch immer zur Stelle, wenn es nass, dreckig und kalt ist. Wie sich vor allem "nass und dreckig" nach der Rückkehr in der Wohnung manifestieren, darauf kommen wir vielleicht noch ein andermal.
  • Ein weiteres Rennrad ("Ein Klassiker aus den 90ern") darf den blauen Trainerreifen tragen, als Insignie für zahlreiche Stunden auf der Rolle mit Zwift und Trainerroad. Aufgrund der Spezifität der Aufgabe ist dieses Rad im Abstellraum zuhause - gemeinsam mit der Rolle.
  • In meiner Jugend - quasi als radsportlicher Erstkontakt - und in den letzten jahren vor Anschaffung des Crossers, bin ich im Gelände mit dem Mountainbike gefahren. Irgendwie bin ich der Illusion erlegen, man würde am Anninger und am Eisernen Tor "mountainbiken". Ok, man kann natürlich darüber diskutieren und es werden sich auf beiden genannten Hügeln Strecken finden, die des Mountainbikens würdig sind, aber nachdem ich viele davon unter die Crosser-Reifen genommen hatte, war der Entschluss gefasst, das Mountainbike seiner eigentlichen Bestimmung zuzuführen. Der neue Wohnort des treuen Mountainbikes ist seitdem Lienz in Osttirol - praktisch, wenn man dort ein weiteres Zuhause hat. In den Lienzer Dolomiten wird das Mountainbike ab dem nächsten Frühjar beweisen müssen, dass es für größere Herausforderungen als die Schotterpisten des Wienerwalds erbaut wurde. Allerdings bezogen auf das eingangs erwähnte Platzproblem: In diesem Fall perfekt, ein Rad weniger in der Wohnung!
  • Vor zwei Wochen ist schließlich ein Bahnrad in meinem Fuhrpark aufgetaucht. Mit dem Gedanken, das Rad in den Hallen des Dusika-Stadions zurückzulassen, konnte ich mich bis jetzt nicht anfreunden. Sicher hätte das einen enormen praktischen Nutzen (Tasche packen und nach der Arbeit ins Stadion) und auch ein Rad weniger in der Wohnung, allerdings bin ich mir noch nicht 100%-ig sicher, was das Dusika in Bezug auf "Schwund" angeht. Aber wahrscheinlich wird es mir irgendwann zu blöd werden, das Rad jedes Mal mit nach Hause zu nehmen und spätestens dann wird es mit den 100 anderen (baugleichen Fujis) freudig von der Decke baumeln! Allerdings spätestens mit der Sommerpause im Dusika wird auch das Bahnrad einen sicheren und ruhigen Platz benötigen.
  • Nummer 6 ist mein verehrtes Select, feinste Wiener Mechanikerkunst aus den 70er-Jahren, erprobt auf den rauen Pfaden des Weinviertels im Rahmen der großartigen "In Velo Veritas". Aufgrund eines Speichenbruchs und meinem Unwillen, den darüberliegenden Schlauchreifen runterzulösen, steht der grüne Flitzer derzeit eher als Dekorationsobjekt herum - und zwar in meinem Büro! Was für ein eleganter Weg, einerseits Platz in der Wohnung zu schaffen und andererseits den ganzen Bürotag lang auf ein schönes Rad starren zu können...

Bleiben vier Räder, die tatsächlich in der Wohnung stehen. Es gibt ja einige coole Wege, die Räder entsprechend zu verstauen, nur in der Praxis? Es handelt sich um eine Altbauwohnung, "hängen" ist also grundsätzlich eher problematisch, wenn das Mauerwerk schon nicht willig ist, einen Bilderrahmen bei sich zu behalten. Halbe "Häng"-Lösungen mit Verankerungen an der Wand, Haken und Ösen, Seilen zum Hochzeihen an die Decke oder Ähnliches fallen auch flach. Abgesehen davon: weiße Wand - dreckiges Rad? weiße Wand - dreckiges Rad??? Clug gibts noch - meiner Meinung nach eine großartige Geschichte - supereinfache und saubere Lösung, allerdings auch den Launen des Mauerwerks ausgesetzt. Zwei Clug-Halterungen hab ich mir schon gekauft - einmal fürs Rennrad und einmal für den Crosser. Ein sanfter Klopfer auf die gewünschte Montagestelle und eine entsprechend hohle Antwort haben mich allerdings vorerst dazu veranlasst, das Ganze zu einem "Projekt für später mal" zu machen.

Jetzt stehen sie halt einfach so in der Gegend herum - und oft genug im Weg. Staubsauger holen - Rad im Weg, Kasten aufmachen - Rad im Weg, das andere Rad verwenden wollen - Rad im Weg, putzen - Rad im Weg!

Vermeintlich konstruktive Vorschläge wie "Radständer vor der Tür", "Innenhof" oder "Kellerabteil" überhöre ich gekonnt und mit stoischer Gelassenheit.

Sieht also so aus als müsste ich mit meinen Rädern weiterhin in leicht anarchischer Wohnungsgemeinschaft leben. Auf der anderen Seite auch irgendwie schön, wenn man seine liebsten Gerätschaften immer im Blick hat. Solange es nicht überhandnimmt... :)

Ich frage mich, wie meine Nachbarn das machen. Schließlich höre und sehe ich sie auch regelmäßig Stockwerk für Stockwerk mit Rad in der Hand Richtung Haustür stacksen...

Lanzarote

Letztes Jahr hab ich den Jahreswechsel auf Lanzarote verbracht. Wer für dieses Jahr noch auf der Suche nach Ideen ist oder sich inspirieren lassen möchte, hier ein kleiner Erfahrungsbericht.

Ich hab ja wenig bis keine Erfahrung was das Radeln auf den „klassischen“ Inseln betrifft (Mallorca hab ich bis jetzt ausgelassen aber das kommt sicher bald). Außerdem war mein Aufenthalt auf Lanzarote als Entspannungsurlaub und Besuch von Freunden ausgelegt. Der Plan, dort auch in die Pedale zu treten kam erst relativ spät – von daher war die Reise auch nicht rund ums Rad geplant. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich in diesem Fall ein paar Sachen anders gemacht...

Lanzarote hab ich im Vorfeld der Reise nicht als „DIE“ Radinsel wahrgenommen. Die World Tour-Teams trainieren woanders und auch die meisten Radler in meinem Umfeld zieht es wenn dann nach Mallorca. Umso überraschender war – einmal auf der Insel angekommen – die riesige Anzahl an Radlern, die sich dort tummeln. Ambitionierte Großgruppen, Familien, tief(f)liegende Zeitfahrer und Triathleten, Alt & Jung, aus aller Herren Länder – aus dem Grüßen bin ich nicht mehr herausgekommen. Die schiere Masse hat positive Konsequenzen: Es ist (fast) immer genug Platz auf der Straße in Form von Seitenstreifen, auf denen man relativ unbehelligt seine Kreise ziehen kann und Autofahrer nehmen großteils Rücksicht und halten entsprechend Abstand.

Lanzarote ist nicht sehr groß! Das hat zur Folge, dass man relativ schnell einen Überblick gewonnen hat und auch in kurzer Zeit die Insel erkundet (=abgefahren) hat. Es gibt zahlreiche kleine Verbindungsstraßen, sodass genug Möglichkeiten zur Variation vorhanden sind und immer wieder Neues entdeckt werden kann, die Hauptachsen braucht man jedoch immer wieder – das kann vielleicht etwas langweilig werden, wenn man länger unterwegs ist.

Mitunter auch deshalb, weil die Topographie der Insel tückisch ist. Das beginnt beim Faktum, dass in einer Landschaft ohne Hindernisse Straßen einfach geradeaus gebaut werden – Lange! Geradeaus! Die Asphaltbänder ziehen sich daher öfters wie ein einziger gerader Strich bis zum Horizont bzw. bis zum nächsten Vulkankegel. Hinzu kommt, dass es auf Lanzarote so gut wie keinen Meter ohne Neigung gibt! Es geht eigentlich permanent mit 2-6% Steigung/Gefälle dahin, mit dem Ergebnis, dass man auf einer 70-80 km-Runde immer locker über 1000 hm kommen wird.

Als Sahnehäubchen oben drauf weht auf Lanzarote beständiger Wind in unterschiedlicher Stärke und aus unterschiedlicher Richtung. Die meiste Zeit kann man diesen Wind als angenehme Kühlung während des Fahrens aus den Gedanken streichen, allerdings sollte man Acht geben, wenn der Wind auf 50-70 km/h auffrischt. Die Streckenwahl sollte dann wohl durchdacht sein. Auf einer meiner Runden war es großartig, in der (Fast-Ebene) sechs Minuten lang mit 65 km/h zu fahren, aber für solchen Leichtsinn bekommt man spätestens am Rückweg eine saftige Rechnung präsentiert.

Wirft man das nun alles zusammen, bekommt man folgendes: Lange Geraden, „falsche Ebenen“, wenig Ablenkung, Wind. Für mich persönlich bedeutet das, man benötigt eine gewisse Grundkondition und –ausdauer und vor allem auch einen halbwegs „gefestigten Charakter“ oder einfach gute Nerven, damit es mit dem Rennrad auf Lanzarote Spaß macht. Dafür macht es dann sehr viel Spaß!

Highlights sind die Fahrt durch den Timanfaya Nationalpark (geradeaus!), „die eine“ Bergstraße mit Serpentinen sowie die übrigen Straßen rund um Haría im Norden, sowie die Verbindung von Ye nach Orzola. Den Südosten der Insel rund um Arrecife kann man meiner Ansicht nach meiden – außer Hauptstadt, Industrie, Flughafen und Ring“autobahn“ gibt’s dort nicht viel zu sehen. Der Asphalt ist zu 90% glatt und in hervorragendem Zustand, die übrigen 10% stellen dafür die strukturelle Integrität des Fahrrads auf die Probe (diesbezügliche Tiefpunkte: alte Bundestraße von Las Brenas nach Yaiza und die Verbindung zwischen Guatiza und Teguise über Teseguite). Da krachts und schepperts im Carbon!

Max Huerzeler bietet zu fairen Preisen (190 EUR für 12 Tage inkl. Versicherung) top eingestellte Centurion Carbon-Renner mit Ultegra-Ausstattung, der Kontakt war eher kühl aber absolut ausreichend – mehr Service hab ich (Gott sei Dank) auch nicht gebraucht. Einzig die gefühlt tonnenschweren Laufräder waren zu bemängeln – allerdings gut für den Trainingseffekt und stellenweise eben offenbar auch strukturell notwendig. :)

Monumento del Campesino (Manrique)

Monumento del Campesino (Manrique)

Steigt man vom Rad ab, gibt’s auf Lanzarote sanften Tourismus (bis auf ein paar Hotelburgen im Osten und eine deutsch/englisch/holländische Massentoursimus-Enklave im Süden (Playa Blanca). An allen Ecken stehen Museen und Skulpturen von César Manrique, die definitiv einen näheren Blick wert sind ("Jameos del Agua" für alle, die schon immer eine Behausung wie ein James Bond Bösewicht haben wollten!) . Die Vulkanlandschaft ist zuerst fast abschreckend und etwas eintönig (gewisse Ähnlichkeiten zum Star Wars-Planeten Tatooine sind vorhanden), offenbart aber nach einigen Tagen ihre Schönheit und einige sehr reizvolle Aspekte. Wer noch mehr Ruhe braucht, dem sei ein Ausflug mit der Fähre auf die kleine Insel La Graciosa (nördlich vor Lanzarote) ans Herz gelegt!

Jameos del Agua (James Bond lässt grüßen)

Jameos del Agua (James Bond lässt grüßen)

Mein Fazit: Lanzarote ist als Insel zum flotten Radeln sehr zu empfehlen, sofern eine gewisse Grundausdauer und vor allem gute Nerven vorhanden sind! Ich persönlich würde beim nächsten Mal vielleicht den Crosser nehmen, damit erweitert sich der Aktionsradius glaub ich sehr, da die zahlreichen Schotterspisten mitgenützt werden können – damit würden viel mehr Routenoptionen offenstehen.

Meine Strava Heatmap - Lanzarote

Meine Strava Heatmap - Lanzarote

DIE EINE Radrunde

Wenn du nur einen Versuch hättest?

Ich bekomme Besuch aus Kärnten - rennradfahrenden Besuch! Zwar sind wir gemeinsam noch nicht allzu viele Runden gefahren (dafür ist meistens ein Urlaub notwendig), aber die bisherigen Erlebnisse waren allesamt sehr besonders!

Ich wurde perfekt und auf tollen Nebenstraßen durch den Großraum Klagenfurt geführt, zwischen den östlichen Karawankenausläufern durchgeleitet (Koschuta, Schaidasattel) und auf der anderen Seite im Windschatten bis nach Osttirol gezogen. Über die Landschaft in Kärnten und Osttirol lässt sich nicht streiten, es ist dort einfach wunderschön - mit ortskundiger Begleitung umso mehr!

Diesmal gehts aber in die andere Richtung - der Gastgeber wird zum Besucher und ich freu mich darauf, den Rennrad-Guide für Wien zu spielen. Womit ich schon im Dilemma stecke... Welche Strecke nimmt man dafür her? Ich hab mich das auch bei Rennrad-Magazinen schon öfters gefragt. Irgendjemand sucht mehr oder weniger willkürlich Strecken aus und diese gelten dann stellvertretend für eine ganze Region oder Stadt - große Verantwortung! Auf der anderen Seite hab ich auch schon mal den Fehler gemacht, einem Freund ALLE Schönheiten und Strecken einer Gegend auf einmal zeigen zu wollen - der Spaß ist ob der großen Anstrengung dann etwas auf der Strecke geblieben.

Lösungsansätze?

Eine der schönsten Spielereien von Strava sind die sogenannten Heatmaps. Diese sind normalerweise Premium-Mitgliedern vorbehalten, zeigen aber sehr anschaulich wo man selbst wie oft gefahren ist (nett anzusehen beispielsweise als Jahresrückblick) und wo alle anderen Strava-User sich üblicherweise herumtreiben (ideal für die Routenplanung). Im Sinne einer Leistungsschau veröffentlicht Strava aber in regelmäßigen Abständen eine frei zugängliche "Global Heat Map" - eine kartographische Darstellung ALLER auf Strava hochgeladenen Aktivitäten - ein Traum für Kartenfreunde wie mich!

Wiener Ausschnitt aus der Global Heat Map von Strava (Link siehe oben)

Wiener Ausschnitt aus der Global Heat Map von Strava (Link siehe oben)

Holt man sich den Wiener Raum näher heran, wird klar, DIE Wiener Radrunde ist Greifenstein und zurück! Unbefriedigend, ist das doch nicht gerade die attraktivste Ecke unserer Stadt! Beim näheren Hinsehen wird aber klar, welche Segmente auf "dieser einen" Radrunde liegen müssen: Exelberg, Sophienalpe, Steinriegl, Dopplerhütte, Tulbingerkogel - die üblichen Verdächtigen! Die Wiener Rennradlerinnen und Rennradler haben einen guten Geschmack - und auch der "Vienna International Cycle Club" hat auf seinen Trikots das Best-of des Wienerwalds verewigt!

Wobei es muss ja nicht zwangsläufig der Wienerwald sein - jemandem die "Berge" zu zeigen, der sie zuhause vom Küchenfenster aus jeden Tag sieht? Weinviertel - im Winter kalt und windig. Lobau und Auen - eher Crosser-Territorium. Richtung Süden - Richtung Mödling und Baden viel Verkehr auf den Straßen. Oder gleich eine größere Runde draus machen und weiter in den Wienerwald vorstoßen?

Mit der Bereitschaft, ein paar Kilometer mehr unter die Räder zu nehmen, erhöht sich die Vielfalt enorm. Und man dringt in einen tieferen, "wilderen", urigeren Wienerwald vor. Die Hügel werden zu echten Bergen, die Landschaft ist nicht mehr so weichgespült, die Mienen der Menschen am Straßenrand signalisieren Unverständnis für alles, was nicht körperliche Arbeit ist - Radfahren... Pfff...

Die Belohnung für diese extra 20 Kilometer besteht in einem physischen und psychischen Abkoppeln vom Großraum Wien - man ist "am Land", man ist wie auf Urlaub, in einer anderen Gegend & Landschaft! Aber dazu ein anderes Mal mehr - für den Moment muss ich mir eine Route über Sophienalpe, Tulbinger Kogel und Dopplerhütte zurechtzimmern!