Dies ist kein Produkttest. Es ist vielmehr die Geschichte hinter einer Marke und deren Gründern - zwei Brüder, die schon während ihrer Profikarrieren den Plan hatten, Radbekleidung herzustellen. Doch der Reihe nach…
Wir befinden uns in Puchov in der Slowakei. Hier steht das Elternhaus von Martin und Peter Velits. Räder und der Radsport wurden quasi mit der Muttermilch verabreicht - der Vater hatte ein Radgeschäft, der Kontakt zur Welt des Radsports ließ nicht lange auf sich warten. Gemeinsam mit den Eltern - die Mutter übernahm dabei quasi die Rolle der Teammanagerin - arbeiteten sich Martin und Peter langsam in und durch die Welt des Profiradsports.
Beide sammelten Erfahrungen beim Team Milram (und trafen dort auch auf Österreicher wie zum Beispiel Thomas Rohregger), Peter fuhr im Trikot von HTC einen seiner größten Erfolge ein - einen Etappensieg bei der Vuelta a Espana im Jahr 2010. Beide waren bei Omega Quickstep unter Vertrag, Peter zuletzt bei BMC, wo er eine Reihe von nationalen und WM-Meistertitel im Zeitfahren erringen konnte. Mit gut 30 Jahren entschieden sich beide dafür, die Profikarrieren zu beenden und sich neuen Herausforderungen zu widmen.
Den Trainingsalltag von Radprofis stellt man sich ja spannend, abwechslungs- und ereignisreich vor. Das wird zu einem guten Teil auch zutreffen, allerdings hat man - als Nicht-Involvierter - wie so oft ein idealisiertes Bild der Dinge. Dementsprechend erzählt Peter beim Mittagessen in einem Burgerladen im Zentrum von Puchov auch von Momenten, in denen dem Profizirkus jeglicher Glamour und die hineininterpretierte Spannung fehlt - lange Pausen, in denen man nichts zu tun hat, Routinen, die irgendwann ihren Reiz verlieren, die Suche nach neuen Herausforderungen. Es klingt keinerlei Wehmut oder Verärgerung in seinen Worten mit, vielmehr spürt man in seinen Worten das Bedürfnis nach Mehr - danach etwas Neues zu schaffen.
Die Idee, ein Unternehmen zu gründen reift schon während der letzten Jahre als Profis. Die Frage, warum die beiden an Radbekleidung denken - und nicht etwa an Sättel, Laufräder oder andere Komponenten - beantwortet Martin schnell: Bei Komponenten geht es in erster Linie „nur“ um Materialen, die Grundfunktionen des Rads und seiner Komponenten sind im Wesentlichen „fertig“. Kleidung dagegen bietet eine großzügige Spielweise, sich mit unterschiedlichen Materialien und vor allem Designs auszutoben. Schnell wird klar, dass Martin der kreative der beiden Brüder ist, seine Augen leuchten und man fühlt, wie sich in seinem Kopf neue Designs zusammenstellen.
Isadore Apparel war gegründet und damit die Idee real geworden. Das Unternehmen firmiert unter dem Namen RDCP - dieses Kürzel steht für „RealDealCycloPhils“ und sagt alles über die beiden aus, was man wissen muss. Mit „Road is the way of life“ war außerdem schnell ein passendes Motto gefunden, das sehr gut die Herkunft der beiden widerspiegelt und bis heute jede Verpackung von Isadore schmückt.
Gestartet wurde zuerst in kleinerem Rahmen. Immerhin waren die beiden zu der Zeit noch Profis und hatten zahlreiche Verpflichtungen. Spätestens jedoch seit die beiden ihre (professionellen) Radhelme an den sprichwörtlichen Nagel gehängt haben, bleibt mehr Zeit für die Leidenschaft Isadore und die beiden stecken 100 Prozent ihrer Energie und Kreativität in die Firma.
Einen besonderen Platz in der Geschichte der Marke verdient die Produktionsstätte. Puchov und der weitere Umkreis (Trencin, Zilina) waren und sind nach wie vor bekannt für die Textilherstellung. Am Stadtrand von Puchov befindet sich eine Textilfabrik, die zu Spitzenzeiten über 3.500 Mitarbeiter*innen beschäftigte. Globalisierung gut oder böse - Fakt ist, dass ein Großteil der Jobs in andere Länder - in erster Linie Asien - ausgelagert wurde. Die Fabrikanlagen wurden nicht mehr entsprechend genutzt und verkamen zunehmends, viele Jobs gingen verloren und - mindestens ebenso tragisch - auch das Wissen der Menschen um die Produktion von Textilien. Reste von Produktionstätigkeit konnten jedoch aufrechterhalten werden, bis sich vor wenigen Jahren einige Firmen zurückbesannen und Teile der Fabrik wieder einer entsprechenden Nutzung zuführten. Darunter Martin und Peter Velits mit einigen Kollektionen an Radgewand. Heute sind in der Fabrik in Puchov 350 Mitarbeiter*innen angestellt (zehn Prozent der Belegschaft der Spitzenzeit) und fertigen für unterschiedliche (internationale) Firmen hochwertige Textilien. Die Velits-Brüder sind zurecht stolz auf diese erfolgreich gelebte Regionalität - auch sie sind natürlich dem Kostendruck ausgesetzt, umso bemerkenswerter ist die Fertigung von Hand hier in Puchov.
Und „von Hand“ - wie es auf den Verpackungen und Kleidungsstücken von Isadore steht - ist in diesem Fall auch tatsächlich von Hand hergestellt. Natürlich schneidet eine computergesteuerte Maschine die Stoffbahnen in die richtige Größe, dann wird allerdings an der Nähmaschine Hand angelegt. Und ein kurzer Blick auf die Mitarbeiter*innen der Fabrik und ihr Verhältnis zu Martin und Peter belegt im Wesentlichen auch den zweiten Teil des Claims der Marke, nämlich „Made by Hand WITH LOVE“.
500 Meter von der Fabrik entfernt sitzen wir im „Hauptquartier“ von Isadore - immer noch in Puchov, gleich neben dem Wohnhaus bei einem Kaffee. Hier reiht sich eng Regal an Regal, darauf - in aparten Boxen gelagert - die fertige Ware. Isadore Radbekleidung, die auf den Verkauf und/oder die Auslieferung wartet. Die Mitarbeiteranzahl ist überschaubar - im letzten Jahr hat man sich quasi verdoppelt, von vier auf acht Mitarbeiter. Jeder legt hier Hand an, egal ob Korrespondenz, Verpacken, Versand oder Social Media. Dementsprechend familiär geht es zu, Hund Forest sorgt dabei - trotz erklecklicher Größe - für den entsprechenden Kuschelfaktor.
Spricht man über den Markt für Radbekleidung, kommt recht schnell Rapha zur Sprache. Ich bin froh, dass Peter den Namen von sich aus nennt - ich war mir nicht sicher, wie die beiden dazu stehen, wollte das Thema aber jedenfalls ansprechen. Der Grund ist naheliegend: Rapha hat in den gut zehn Jahren seines Bestehens viel erreicht - was auch von den Velits-Brüdern neidlos anerkannt wird - und vor allem aber viel bewegt. Der Hauptverdienst von Rapha liegt für Martin und Peter darin, dass Radfahrenden insofern die Augen geöffnet wurden, dass es zwischen den großen Bekleidungsfirmen wie Castelli und Nalini noch Alternativen geben kann. Es geht daher in keiner Weise um eine Konkurrenz mit oder zu Rapha sondern vielmehr die gemeinsam errungene Wahlfreiheit beim Kleidungskauf. Vergleiche zwischen Rapha und Isadore sind für die beiden genauso „erlaubt“ und wichtig wie jeder andere Vergleich von Marken und Produkten. Martin und Peter wollen, dass die Produkte für sich sprechen. Dass ein Kleiderkasten von oben bis unten mit nur einer Marke angefüllt ist, scheint ohnehin illusorisch - lang lebe die freie Auswahl!
Nicht nur die Produkte sprechen für sich, auch sogenannte „Ambassadors“ tun das. Ausgewählte Personen haben die Isadore-Produkte quasi im intensiven Dauertest, probieren Dinge aus, testen Produkte im Alltag und in Alltagssituationen und geben entsprechendes Feedback, das von Martin und Peter auch gerne gehört und geradezu aufgesaugt wird. Dieser Rückkanal ist für die beiden essentiell, gilt es doch, neben den Erfahrungen der beiden aus dem Profizirkus auch die Bedürfnisse von uns „normalen“ Radfahrer*innen in die Produkte einfließen zu lassen. Die Ambassadors tragen aber natürlich auch die Botschaft von Isadore in den Alltag, zeigen die Produkte und agieren auf diese Weise als Markenbotschafter.
Im Endeffekt geht es ja nicht um Produkte, die man am besten unter einem Glassturz aufbewahrt. Radbekleidung muss dort funktionieren, wo sie hingehört - auf der Straße! Wie so viele (Ex-)Profis kommt Peter in seiner Freizeit nicht mehr allzu oft zum Radeln. Er erzählt auch, dass es nach dem Ende der Karriere etwas gedauert hat, die Freude am Radfahren (außerhalb des Wettkampfs) wiederzufinden. Für 2018 plant er, wieder mehr Kilometer im Sattel zu verbringen. Auch mit den Käufern von Isadore-Produkten und solchen, die es eventuell werden wollen. Österreich ist einer der wichtigsten Märkte für Isadore, eine Einladung nach Wien habe ich schon ausgesprochen. Ich denke, da wird in diesem Jahr noch einiges auf uns zukommen ;)
Informationen auf der Homepage von Isadore Apparel.