Ich wurde mehrfach gefragt, wie das im Dusika-Stadion so abläuft - das Bahnfahren an sich aber auch das Organisatorische, das Räumliche, das Psychologische :) Hier also (m)ein durchschnittlicher Tag auf der Bahn im Schnelldurchlauf.
Das Dusika-Stadion
Über den Status von Wien als „Sportstadt“ und die Rolle des Radsports könnte man hier vortrefflich diskutieren. Tatsache ist, solange Marcel Hirscher nicht zum Bahnradfahren anfängt, wird der (Bahn)Radsport ein Randthema bleiben. Sowohl was die TV-Präsenz betrifft, als auch Sponsorengelder, Förderungen und eben auch Sportstätten. Dabei sind wir ja an sich schon gesegnet, überhaupt eine Radbahn unser Eigen nennen zu dürfen. Dies wird einem erst richtig bewusst, wenn man mit Nicht-Wienern spricht, die überhaupt keinen Zugang zu einer Bahn haben oder aber auch über die Landesgrenzen schaut. In vielen Nachbarstaaten existieren zwar Radstadien, diese sind jedoch meist alt, verfallen oder aber auch schlicht und ergreifend aus Beton und nicht überdacht.
Steigt man bei der U2-Station „Stadion“ aus der U-Bahn und hat sich einmal am Stadion-Center vorbei und durch den mehr oder minder attraktiven Busbahnhof gekämpft, steht man davor - vor dem Ferry-Dusika-Stadion - und auch gleich vor dem ersten Problem: Wo ist der Eingang? Reihen von Glastüren säumen das Erdgeschoss, wer zum ersten Mal Einlass begehrt, wird - so wie ich damals - herumirrend an jeder einzelnen Türe rütteln, feststellen, dass alle verschlossen sind, nur um - kurz vor der endgültigen Kapitulation - schließlich den Sportlereingang zu finden. Dieser befindet sich übrigens - hervorragend in einer Nische versteckt - am östlichen Ende des Stadions gleich neben dem PKW-Parkplatz.
Voraussetzungen
Der Sportlereingang verlangt nach einer Chipkarte, womit wir bei den organisatorischen Voraussetzungen wären. Bevor man seine Bahnkarriere startet sind zwei Dinge jedenfalls notwendig: eine Bahn-Trainingslizenz und eine Zutrittskarte.
Eine Lizenz löst man beim Österreichischen Radsportverband - ÖRV. Das ist grundsätzlich ein reiner Formalakt - auf der Homepage des ÖRV gibt es dazu ein Formular - ausfüllen, hinschicken, fertig. Die Kosten für die Lizenz betragen 50 Euro. Zu beachten ist, dass die Bahntrainingslizenz immer nur für das Kalenderjahr gültig ist (also von 01.01. bis 31.12.) während die Bahnsaison (also jene Zeit, in der im Dusika trainiert und gefahren werden kann) von September bis April geht. Alle, die eine „reguläre“ Lizenz - beispielsweise „Amateur Straße“ - besitzen und für das jeweilige Jahr gelöst haben, brauchen keine extra Bahn-Trainingslizenz. (Insofern macht die Geschichte mit den Kalenderjahren wieder Sinn).
Die Zutrittskarte bekommt man ebenfalls beim ÖRV - üblicherweise im gleichen Atemzug wie die Trainingslizenz und auch mit dem gleichen Antrag und Formular. Die Zutrittskarte kostet 55 Euro, davon entfallen 5 Euro auf die Karte an sich, 50 Euro stellen ein Guthaben von 50 Eintritten ins Dusika dar. Bei jedem Durchschreiten des Sportlereingangs (dazu hält man die Karte entsprechend an das Terminal) wird ein Punkt abgebucht. Die Tatsache, dass rund um den Sportlereingang immer wieder einmal ein paar Menschen herumstreuen, die auf ein williges Opfer (=Besitzer einer Zutrittskarte) warten und mit diesem dann durch die offene Tür schlüpfen, bleibt an dieser Stelle unkommentiert. Zu beachten ist allerdings, dass man auch beim Verlassen des Stadions nochmals die Karte anhalten muss und wer zu diesem Zeitpunkt keinen Eintritt verbucht hat, kommt auch nicht wieder raus.
Zusammengefasst stellt man also einen Antrag, damit ist die Lizenz und der Zutritt umfasst - und schon steht dem Fahren auf der Bahn nichts mehr im Wege. Nichts? Wirklich nichts?
Regeln, Etikette und Skills
Bahnradfahren erlebt erfreulicherweise seit gut eineinhalb Jahren eine großen Aufschwung. Zurückkommend auf die Geschichte mit der „Sportstadt Wien“ ist das ja grundsätzlich eine gute Sache, allerdings stellt dieser Boom alle Beteiligten auch vor neue Herausforderungen. Es sind in absoluten Zahlen mehr Radler auf der Bahn unterwegs, die Kapazitäten von Umkleiden, Radabstellplätzen und dergleichen kommen an die Grenzen und - mit am Schwerwiegendsten - es „menschelt“ halt einfach. Unterschiedliche Leistungsniveaus, unterschiedliche Kenntnisse des - zugegebenermaßen teilweise recht komplexen - Regelwerks und unterschiedliche Charaktere stellen uns alle vor Herausforderungen, die nur gemeinsam zu bewältigen sind.
Empfehlenswert sind jedenfalls die sogenannten "Schnuppertrainings". Diese sind "Einführungsveranstaltungen" - man bekommt ein Rad und eine Tageslizenz und kann den Bahnradsport unter Anleitung eines Könners kennenlernen und ausprobieren. Als Einstieg in die Materie eignet sich das hervorragend, fertiger Bahnfahrer ist man danach trotzdem noch nicht. Viele Aspekte lernt man erst im Laufe der Zeit kennen, viele Fähigkeiten und auch ein "Gespür" für die Geschehnisse auf der Bahn kommen erst, wenn man Runde für Runde abspult.
(M)Ein Standard-Prozedere?
Zurück zum durchschnittlichen Tag im Dusika. Drinnen im Gebäude findet das Labyrinth grundsätzlich seine Fortsetzung. Gänge, Türen, Stiegen… Hier kann aber eigentlich nicht allzu viel schief gehen - im schlimmsten Fall läuft man eine komplette Runde im Haus und ist wieder am selben Ort wie zu Beginn.
Vom Sportlereingang geht es rechts zu den Garderoben. Diese bieten zum einen Platz zum Umziehen und zur Verwahrung der eigenen Habseligkeiten. Wer seine Sachen in eines der Kästchen einsperren möchte, muss ein eigenes Vorhängeschloss mitbringen. Nicht erlaubt ist, sich ein „Dauerkästchen“ einzurichten - es sind sämtliche Dinge vor dem Verlassen der Halle wieder mitzunehmen. Die Hallenordnung sieht vor, dass am Abend noch versperrte Kästchen aufgebrochen und kostenpflichtig geräumt werden - auch wenn ich davon praktisch noch nie etwas gehört oder gesehen habe. Außerdem gibt es die Möglichkeit zu Duschen, hier ist alleinig der Hygieneanspruch jeder und jedes einzelnen ausschlaggebend, ob man dieses Angebot nützt oder nicht.
Gleich im Anschluss an die Garderoben befinden sich die Abstellmöglichkeiten für die Bahnräder. Hier wurden im letzten Jahr die Kapazitäten massiv aufgestockt, in langer Reihe hängen beidseitig Räder von der Decke. Für mich ist es ein Riesenvorteil, das Rad im Stadion aufbewahren zu können. So ist das einzige „Gepäck“, um das ich mich in der Früh kümmern muss, eine Sporttasche mit Gewand und den notwendigen Utensilien.
Das Rad ist jedenfalls abzusperren, ich verwende ein Faltschloss und ein 2m-Seil-Schloss - so sind sämtliche Teile des Rads gesichert. Etwaige Anbauteile, Radcomputer und nicht fest verschraubte Add-Ons sollten nicht in der Garderobe gelassen werden. Grundsätzlich haftet natürlich jeder für sein Equipment, ein aufgesteckter Radcomputer kommt aber einer Einladung gleich…
Ich ziehe mich in der Garderobe um, hole mein Rad aus dem Abstellraum und gehe Richtung Innenfeld. Stiege runter, Stiege runter, das Geräusch der rollenden Reifen auf der Holzbahn erfüllt langsam den Raum, Stiege rauf ins Innenfeld. Nach den kahlen Gängen und einsiedlerischen Winkeln und Ecken des Stadions stellt sich beim Betreten des Innenfelds kurz eine Reizüberflutung ein - Licht, Lärm, Menschen, viele Eindrücke auf einmal.
Das gesamte Stadion und auch das Innenfeld teilen sich mehrere Parteien. Der Bereich innerhalb der Holzbahn ist grundsätzlich modular gestaltbar - von einer komplett leeren Fläche bis hin zu einer Vielzahl von Leichtathletik-Einrichtungen und Geräten reicht das Spektrum. Im Normalfall sind diverse Turn-, Reck- und Sprung-Einrichtungen (Entschuldigung an dieser Stelle für meine Leichtathletik-Unkenntnisse) vorhanden, mehrere Kurzbahnen für Sprints und - in den beiden Kurven der Bahn - eben Aufenthaltsbereiche für Radler.
Dort wird das Rad auf einem der Hänger geparkt, die Tasche abgelegt - manche richten sich dort auch gerne mehr oder weniger häuslich ein. Luftpumpe bzw. Kompressor sind dort ebenso vorhanden wie Sitzgelegenheiten, auch ein Set Inbusschlüssel ist mir schon einmal untergekommen. Und spätestens dort trifft man auch auf seine Mit-Radlerinnen und -Radler. Der soziale Aspekt des Bahnradfahrens ist nicht zu unterschätzen. Nach ein paar Runden auf dem Rad setzt man sich gerne im Innenfeld zusammen und plaudert - so wie bei einer normalen Ausfahrt auch. Je nach Motivation variiert das Verhältnis Fahrzeit vs. "Ruhezeit" dann auch massiv. :) Langweilig wird es im Regelfall allerdings nie.
What´s in my bag?
- Die Luft im Dusika-Stadion ist warm und trocken, regelmäßiges Trinken ist daher essentiell. Mengenmäßig kann man sich ruhig an einer sommerlichen Ausfahrt orientieren. Trinken auf der Bahn ist übrigens nicht gestattet, Räder haben dementsprechend auch keine Flaschenhalter. Man trifft sich daher auf einen "Drink" im Fahrerlager im Innenfeld.
- Helm! No, na!
- Für ein gesteuertes Training ist ein Herzfrequenzmesser gut geeignet. Aufgrund der stabilen Rahmenbedingungen in der Halle ist der Puls ein guter Indikator für die gerade erbrachte Leistung. Mit einem Wattmesser geht das natürlich noch einmal ein Stück besser.
- Handschuhe sollten auf der Bahn zur Pflichtausrüstung gehören. Und dabei geht es nicht um die verschwitzten Hände des Madisonpartners sondern um den Erhalt der Handflächen, falls es doch zu einem Sturz kommen sollte.
- Wie schon erwähnt ist es warm in der Halle. Mein Gewand ist daher auch eher auf der luftigen bzw. gut belüfteten Seite. Es ist Geschmackssache und persönliche Präferenz, welche Garderobe man wählt - ich persönlich komme leicht ins Schwitzen und wähle daher die Sommeroutfits.
- Die Chipkarte ermöglicht überhaupt erst den Eintritt in das Dusika-Stadion.
- Wie in der freien Wildbahn ist es auch auf der Bahn wichtig, regelmäßig zu essen - ein bis zwei Riegel sollten immer im Gepäck mit dabei sein.
- Am Bahnrad sitz man (oder zumindest ich) statischer als am Rennrad draußen auf der Straße. Durch den regelmäßigen Tritt wechselt man nicht so oft die Position oder geht aus dem Sattel. Sitzcreme schafft hier Abhilfe - bei mir ein Muss auf der Bahn.
- Während dem Fahren sollte man natürlich nicht zur Kamera greifen sondern sich aufs Fahren konzentrieren. Bei mir ist aber im Dusika immer eine Kamera dabei, wie sollte ich sonst Fotos für diesen Blogbeitrag machen...
- Strava or it didn't happen! Die Aufzeichnung der Trainingsdaten erfolgt mit dem Radcomputer, GPS gibt es in der Halle allerdings keines. Es ist daher zumindest ein Geschwindigkeitssensor notwendig. Details dazu z.B. hier.
- Als "Schas-Augerter" brauche ich beim Radfahren ohnehin immer eine Brille. Ich bin zeitweise mit Linsen gefahren, doch das war suboptimal - einmal hat es mir sogar eine Linse aus dem Auge geweht... Ob man grundsätzlich mit Brille fahren möchte oder nicht, ist eine individuelle Entscheidung.
- Es ist immer praktisch, Werkzeug dabei zu haben. In meiner Tasche ist aber nicht immer die volle Ausrüstung mit dabei. Praktischerweise ist ein Bahnrad recht einfach gestrickt - mit einem Inbussatz für diverse Schrauben und einem 15er-Maulschlüssel für den Radwechsel ist man immer gut bedient. Wer im Stadion seine Übersetzung wechseln möchte, braucht dafür in der Regel Kettenpeitsche & Co. um Ritzel demontieren zu können.
Wer an dieser Stelle einen wesentlichen Ausrüstungsgegenstand vermisst - das Rad nämlich - der sei auf einen kommenden Blogpost zu diesem Thema vertröstet.
Ab aufs Holz
Wenn es nun ans Fahren geht so muss ich vorab etwas gestehen: Mir ist ja eigentlich bis heute nicht endgültig klar, was man auf der Bahn am Gescheitesten macht. Schauen wir uns die Möglichkeiten an:
- Grundlage trainieren ist auf der Bahn grundsätzlich möglich, dazu sucht man sich eine moderate Gruppe und rollt Runde für Runde durchs Oval. Das Ganze kann man natürlich auch alleine absolvieren - psychisches Belastungstraining inklusive.
- Intervalle gehen auf der Bahn auch gut, durch die starre Übersetzung ist die Belastung gut berechen- und steuerbar.
- Spezifisches Training für eine bestimmte Disziplin - zum Beispiel eine einzige fliegende Runde - erfordern eventuell etwas organisatorisches Geschick, um auf der Bahn genügend Platz dafür zu finden und vor allem niemand anderem ins Gehege zu kommen (und umgekehrt).
- Spezialtrainings wie beispielsweise für das Madison werden dann auch als getrennte Veranstaltungen angeboten, da mitunter die gegenseitige Beeinträchtigung hoch sein kann.
- Unter Läufern bekannt ist das sogenannte "Fartlek", übersetzt das Fahrtspiel. Dabei geht es um einen spielerische Abfolge von Intervallen oder Belastungen und das ist im Grunde das, was auf der Bahn automatisch passiert.
Ich mache also (zufällig) das, was man als Fartlek bezeichnen könnte. Ich suche mir zuerst eine Gruppe, mit der ich gut mitfahren kann (meistens fährt die einen moderaten Schnitt von 37-38 km/h) zum Warmfahren bzw. um ein paar Runden abzuspulen. Ab dann wird es variabel - findet sich eine schnellere Gruppe (die fährt dann oft rund 40-41 km/h) kann man sich an diese dranhängen. Findet sich keine schnellere Gruppe kann man versuchen, der "langsamen" einen Rundengewinn abzuringen (also die ganze Gruppe einmal zu überrunden) - das wäre dann eine gute Belastungseinheit über 5-10 Runden. Teilweise recht beliebt ist das Fahren entlang der Bande ganz rechts oben - auch das ist eine Art Intervalltraining, fährt man doch in der Kurve immer einen kleinen "Berg" hinauf" in die Neigung der Holzbahn. Es gibt noch einige Möglichkeiten mehr, alles in allem bieten sich zahlreiche Varianten an, wie man sich auf der Bahn vergnügen oder aber komplett abschießen kann.
Generell finde ich persönlich, dass die Belastung durch das Bahnfahren im Winter mitunter recht hoch sein kann (wenn man jetzt von gemütlichen "Winter-Base Miles" ausgehen würde), insofern ist die Gefahr gegeben, dass man permanent überbelastet. Wer dies allerdings im Hinterkopf hat und nicht jedem "Köder" auf der Bahn nachhetzt, der hat mit dem Bahnradfahren eine perfekte Beschäftigung für den Winter gefunden.
Zum Ausrollen geht es wieder auf die innere Holzbahn, ein paar Runden die Beine lockern und schon ist wieder eine Session im Dusika vorbei. Die "richtige" Trainingseinheit gibt es glaub ich nicht, auch nicht die eine, richtige Dauer. Ich bin meistens für 1,5-2 Stunden im Dusika und fahre in der Regel drei bis vier "Blöcke" mit entsprechenden Pausen dazwischen. Länger als eine halbe Stunde am Stück bin ich aber fast nie im Sattel. Ich brauch ja auch noch genügend Zeit zum Plaudern - über die großartige Möglichkeit, auf einer Bahn trainieren zu können, über das nächste Bahnorama-Trainingsrennen und natürlich über Ausrüstung und Räder.
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