Die Trainingssoftware Zwift ist unter Radlerinnen und Radlern mittlerweile sehr gut etabliert. Egal, ob man Zerstreuung während dem sonst eher monotonen Rollentraining sucht, Trainingsprogramme abspult oder sich mit Freunden für eine virtuelle Gruppenfahrt trifft, wenn es draußen stürmt und schneit - Zwift hat für recht viele Anwendungsbereiche eine geeignete Lösung parat. Seit längerer Zeit existieren diese Features und Möglichkeiten auch für Läufer - anfangs eher unscheinbar und fast versteckt, seit wenigen Monaten von Zwift selbst gepusht. Pushen heißt in diesem Fall, dass spezieller Content für Läufer hinzugefügt, die Öffentlichkeitsarbeit dahingehend ergänzt und die technischen Möglichkeiten entsprechend erweitert wurden. Doch der Reihe nach…
Grundsätzliches
Die Beiträge auf 169k über Zwift haben mittlerweile eine Menge erreicht, die eine eigene Kategorie füllen - so viel gibt es über Funktionen, neue Strecken, Trainings und Meilensteine zu berichten. Dementsprechend möchte ich gar nicht mehr allzu viel über grundsätzliche Funktionen, Sinn und Unsinn und die technischen Rahmenbedingungen erzählen. Hier und jetzt sollen die Lauffunktionen im Vordergrund stehen - auch für mich etwas neues.
Setup
Beim Equipment gibt es naturgemäß einige Änderungen zum Rad-Setup. Grundsätzlich ist das Einrichten hier etwas einfacher, Gerätschaften benötigt man dafür allerdings trotzdem.
Man kann natürlich auch draußen Laufen gehen und parallel dazu Zwift starten, allerdings geht das irgendwie an der Intention der ganzen Geschichte vorbei. Wer doppelte Kilometer zählen will, auch draußen nicht den Blick vom Handy-Display lösen kann oder grundsätzlich auf Computerspiele steht, dem sei natürlich unbenommen, auch draußen mit dem Handy in der Hand und Zwift zu laufen. Indoor ist jedoch ein Laufband notwendig, auf dem man seine Einheiten abspult. Die wenigsten haben zuhause ein Laufband stehen - ein solches schlägt sich derzeit mit rund 500 bis 1.000 Euro zu Buche, High-End Modelle liegen entsprechend darüber. Einsatzorte sind daher in erster Linie Fitness-Studios, egal ob es das Fitness-Center um die Ecke ist oder der Hotel-Fitnessraum auf der Dienstreise.
Auf der Zwift-Homepage sind einige wenige Modelle von Laufbändern zu finden, die direkt via Bluetooth mit Zwift kommunizieren können, allerdings sind diese in “freier Wildbahn” nur recht schwer (oder wenn, dann nur zufällig) anzutreffen. In allen anderen Fällen ist ein Lauf-Pod die Lösung. In wenigen Sekunden auf den Schuh montiert (=geclippt), liefert der Pod alle notwendigen Daten an die Software und Zwift weiß, was auf dem Laufband passiert. Der Pod funktioniert auf Basis von Beschleunigungssensoren, vergleichbares hat es von allen namhaften Herstellern schon einmal gegeben - als Laufuhren noch nicht über GPS verfügten, waren Pods die verlässlichste (unverlässliche) Quelle für Distanzen und Geschwindigkeiten.
Zwift hat im Juni 2018 die Firma Milestone übernommen, bis dahin der Hersteller eines der beliebtesten Running Pods. Dieser funktionierte recht anstandslos, hatte aber bei schnellen Tempowechseln gewisse Genauigkeitsprobleme, dazu kamen noch Lieferschwierigkeiten. Zwift hat in den letzten Monaten einige Ressourcen investiert, um die Performance des Produkts zu erhöhen, der nunmehr Zwift-gebrandete Pod ist direkt im Zwift-Shop für rund 30 US-Dollar erhältlich. Für die Stromversorgung ist eine (aus allen möglichen Geräten wohlbekannte) CR2032-Zelle zuständig, übertragen werden Geschwindigkeit, Kadenz und Distanz. Inbetriebnahme gibt es de facto keine, das Pairing (mit Telefon, iPad oder Computer) geht über Bluetooth in Sekunden vonstatten.
Die Pulsmessung funktioniert ebenfalls über Bluetooth mit Geräten wie den Puls-Armbändern von Wahoo oder Polar. Pulsmesser - wie der klassische Garmin-Brustgurt, die über ANT+ senden, sind schwieriger in das Setup zu integrieren, da als Standard in erster Linie Bluetooth fungiert und man nicht so mir nichts, dir nichts einen zweiten Kanal über ANT+ eröffnen kann (wie man das am Computer mit dem Hometrainer noch eher machen kann).
Damit hat man auch schon alles, was man grundsätzlich an Equipment braucht. Ähnlich zum Radeln auf der Rolle fehlt auch beim Laufen auf dem Laufband der Wind und etwas frische Luft - ein Ventilator, Schweißbänder, Handtuch und ausreichend Flüssigkeit sind also auch beim Laufen auf Zwift durchaus nützlich.
Funktionen
Einfach Laufen? Strukturiertes Training? Lauftreff? Geht alles und kann im Hauptmenü entsprechend ausgewählt werden. Die Funktionen von Zwift, die man vom Radfahren kennt, sind alle auch fürs Laufen vorhanden. Die Strecken (Watopia, London, Richmond, Innsbruck und New York) können unter die Laufschuh-Sohlen genommen werden, wobei man sich großteils die Wege mit den Radler*innen teilt. Mit den letzten Updates entstehen allerdings vermehrt eigene Strecken für Läufer, auf denen man unter sich ist. Vereinzelt berühren oder kreuzen diese das bereits vorhandene Wegenetz, sodass man trotzdem noch etwas vom Gesamtbild mitbekommt. Es ist schließlich auch immer noch im Interesse von Zwift, reges Leben in den virtuellen Welten zu vermitteln, der soziale Aspekt ist ja ein wesentlicher Grund dafür, sich für Zwift zu entscheiden und nicht alleine vor der weißen Wand auf dem Laufband zu schwitzen.
Als Motivationshilfen können Ziele festgelegt werden (z.B. eine bestimmte Kilometerzahl pro Woche), es gibt laufend Herausforderungen, an denen man teilnehmen kann und - ebenfalls analog zum Radmodul - bieten unzählige Individualisierungsvarianten des Avatars die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen und mit neuem (freigeschaltetem) Gear das Aussehen zu verfeinern.
Praxistest
Nach einigen Kilometern auf dem Laufband und ein paar weiteren Tests auf und neben dem Laufband ist festzustellen, dass es sich um ein ausgereiftes System handelt - immerhin sind sowohl Laufbänder, Pods als auch die Software mittlerweile gut erprobt. Das Pairing geht in Sekunden über die Bühne, wer mit der Zwift-Software bereits vertraut ist, findet sich dort auch sofort zurecht.
Der Zwift-Pod ist sofort einsatzbereit und überträgt vom ersten Schritt an die richtigen Daten. Sicherstellen muss man dabei jedoch, dass die Entfernung zwischen Pod und Computer/Tablet/Telefon nicht zu groß wird, da es sonst zu Ausfällen oder Unterbrechungen im Datenstrom kommt und der Läufer auf dem Bildschirm plötzlich stehenbleibt, obwohl einem selbst noch der Schweiß von der Stirn tropft.
Schwierigkeiten hat der Pod offenbar mit “ausgefalleneren” Laufbändern. Einer meiner Tests fand auf einem gebogenen Laufband der Marke Technogym statt, an sich ein Vorreiter was Technologie und Innovationen angeht. Die Neigung der Lauffläche des Laufbands schien allerdings den Pod zu verwirren, weshalb durchwegs eine geringere Geschwindigkeit angezeigt wurde. Bei einem Lauf draußen - ja, ich war kurz (versteckt) mit Zwift draußen laufen - wurde allerdings wieder die richtige Pace angezeigt. Das bestätigt die Annahme, dass die Bauform des Laufbands mit schuld an der falschen Anzeige war. Ansonsten werden die Angaben von Pods, Laufuhren und anderen Geräten aber auch immer (gering) unterschiedliche Werte liefern, wie das beispielsweise auch bei unterschiedlichen Uhrenmodellen oder Radcomputern der Fall ist.
Die Laufstrecken auf Zwift sind mittlerweile recht gut bevölkert, man merkt stark eine geographische Verteilung der Läufer*innen, mit einem starken Fokus auf Nordamerika - eventuell ist dort das Laufen auf Laufbändern grundsätzlich populärer. Wenn man daher Wert auf Gesellschaft legt, kann man seine Zwift-Einheiten entsprechend zeitlich einplanen.
Im Sinne von Unterhaltung und Kurzweiligkeit ist Laufen auf Zwift identisch mit Radfahren auf Zwift. Nicht so gut wie “the real thing” - also ein Lauf an der frischen Luft, jedenfalls aber besser und unterhaltsamer als das Anstarren einer Digitalanzeige auf dem Laufband im Fitness-Studio. Mit persönlich fehlt das Laufband zuhause bzw. im Fitness-Studio - auf Reise, in Hotels oder bei geplanten Studio-Besuchen werde ich allerdings jedenfalls den Zwift-Pod in meine Tasche packen.
Danke an Vitura Personal Training für die Bereitstellung des Laufbands für diesen Test.
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