Finden wir noch einmal zueinander? ;)
Es ist jetzt unglaubliche (und erschreckende) zwanzig Jahre her, dass ich mit meinem ersten Mountainbike auf dem Anninger und dem Eisernen Tor (südlich von Wien) unterwegs war. Mountainbiken war damals gerade die neue Geschichte! John Tomac und Tinker Juarez gewannen die Rennen, ich hab mir mit dem "Bike-Workshop" jedes Frühjahr meine Traumräder Teil für Teil zusammengebaut, mein Merida-Hardtail hatte grüne Reifen und rote Bremsen (so weit ich mich erinnern kann, war das damals cool) und ich hatte meine ersten Konfrontationen mit Förstern im Wienerwald. Zu dieser Zeit war Mountainbiken die spannendste Sportart - Bewegung an der frischen Luft, Action und etwas Draufgängerisches :) Ich bin mir zumindest sehr cool und verwegen vorgekommen, wie wir nach der Ausfahrt dreckverschmiert durch die Innenstadt gerollt sind...
Rennräder haben mich damals nicht interessiert, von Cyclocross hatte ich noch nie etwas gehört und wenn ich versuche, mich an den Bahnradsport zu erinnern, poppt der Name Roland Königshofer auf (und sein Kollege vor ihm auf dem Motorrad) - aber das wars dann auch schon wieder.
Nun bin ich ja erst vor vier oder fünf Jahren wieder auf den Radsport gekommen. Und naheliegenderweise hab ich mir zuerst einmal ein Mountainbike zugelegt - Schuster bleib bei deinen Leisten. Der alte Rhythmus und die Freude waren schnell wieder da. Der einzig merkbare Unterschied war ein gewachsener Respekt vor hohen Geschwindigkeiten und technisch schwierigen Abfahrten.
Irgendwie bin ich dann aber plötzlich beim Rennrad gelandet. An die ausschlaggebenden Beweggründe oder die Reihenfolge der Ereignisse kann ich mich nicht mehr im Detail erinnern. 2013 stand jedenfalls ein Rennrad im meinem Wohnzimmer und seit diesem Zeitpunkt bin ich diesem Gerät vollends verfallen. Von Anfang an hat mich die Effizienz der Fortbewegung fasziniert, die Schlank- und Einfachheit des Rads an sich, die Geschwindigkeit, mit der man Kilometer um Kilometer abspult. Umgekehrt hatte es das Mountainbike ab diesem Zeitpunkt schwer - das vermeintlich etwas pummelige, behäbige und breite Rad stand immer öfter unbenützt in der Ecke.
Vom Rennrad aus ging meine radsportliche Evolution auf schmäleren Reifen weiter. 2015: Infektion mit dem Cross-Virus und die Erkenntnis, dass 95% aller Wege mit dem Crosser bewältigt werden können. Wasser auf die Mühlen meiner immer wiederkehrenden Adventure-Gedanken (Stichwort #goexplore). Ebenfalls im Jahr 2015 hab ich bei einem Besuch von Freunden in Schladming mein Mountainbike mitgenommen, um die Steine und Wurzeln im Ennstal unter die Räder zu nehmen - mit unerwarteten Erkenntnissen.
Eine Erleuchtung
Es war auf der Runde zum Giglachsee, wo ich zuerst glücklich war, mit meinen MTB-Fähigkeiten und der vorhandenen Kondition relativ souverän von Alm zu Alm zu fahren - knappe 1.000 Höhenmeter am Stück. Etwas, was im Großraum Wien undenkbar ist - da geht es immer wieder auf und ab. Der Anstieg von der Ursprungalm wurde dann allerdings zu meinem persönlichen mountainbikerischen Armageddon. Tatsächliche 30%+ Steigung (gefühlt mindestens 60%) zwangen mich innerhalb weniger Augenblick in die Knie. Niedergeschlagen wurde ich in diesem Moment allerdings nicht von der Tatsache, dass ich da schlicht nicht rauffahren konnte, sondern eher von der Erkenntnis, dass das, was ich jahrelang als Mountainbiken praktiziert hatte, im Endeffekt nichts mit "richtigem" Mountainbiken zu tun gehabt hat. Natürlich kann man jetzt vielfältig argumentierten - ich wäre nicht auf den richtigen Wegen gefahren, hätte es nicht richtig gemacht, hätte mich mehr bemühen müssen... egal - the damage was done. Für mich war ab diesem Zeitpunkt klar: Rennrad an erster Stelle, Crosser reicht für die Forststraßen (im Wienerwald eher Forstautobahnen). Und das Mountainbike?
Als kleiner Exkurs muss hier erwähnt werden, dass ich mein Mountainbike zu einem Zeitpunkt gekauft habe, als 29-Zoll-Räder gerade auf dem Absprung waren. Ich war mir damals nicht sicher, ob das etwas für mich ist, und hab mich für ein altbewährtes 26-Zoll-MTB entschieden. Im Nachhinein betrachtet, wäre hier ein Twentyniner wohl die bessere Wahl gewesen. Auch wollte ich damals ein Full Suspension Bike haben (also mit Federung vorne und hinten) - wohl auch um die Starrgabel auf meinem Mountainbike aus Jugendzeiten zu kompensieren. Wiederum in der Nachschau hätte ich mich vermutlich für ein Hardtail entschieden (mit einer Federgabel vorne natürlich aber ohne Federung hinten). Aber das alles soll hier nicht als Ausrede gelten. :)
An dieser Stelle übersiedeln wir kurz ins wunderschöne Osttirol. Mit dem Rennrad war ich schon öfters da - nicht zuletzt auch bei der Dolomitenradrundfahrt letztes Jahr. Osttirol besteht aus wenig Tal und vielen vielen vielen Bergen. Dementsprechend herausfordernd gestaltet sich Rennradfahren in Osttirol - umso geeigneter müsste dann ja eigentlich das Mountainbike sein. Routen sind schnell gefunden - hier gibt es sowohl offiziell als auch inoffiziell - zahlreiche gute Quellen im Internet.
Gesagt - getan
Lange bin ich nicht mehr auf meinem Mountainbike gesessen. Geschwindigkeiten, Zeitgefühl und Distanzen sind auf das Rennrad geeicht. Dementsprechend werden 30 Kilometer schnell mal unterschätzt. Am Programm steht die Lienzer Hütte - nominell eine der leichtesten Routen. Schnee liegt in diesem Jahr so gut wie keiner, die Wege sollten samt und sonders frei und befahrbar sein. Hinein in den Berg kommt die Erkenntnis - da geht ja gar nichts weiter! Auf dem von meinen Routenexperten als flach bezeichneten Forstweg kurble ich mit 5 km/h durch die Landschaft. Eine tolle Landschaft wohl, jede Kurve bietet ein großartiges Panorama und einen potentiellen Fotostop, aber eigentlich möchte ich ja halbwegs flott auf diesen Berg rauf. Irgendwie frustriert es mich, dass ich nicht wirklich vorankomme. Es fällt mir schwer, mich von meinem Rennradschema zu lösen, will nicht einsehen, warum ich für zehn Kilometer zwei Stunden brauchen soll...
Genug genörgelt... Ich werde im Sommer noch einen Versuch starten. Wenn das Wetter besser ist, die Straßen wirklich bis auf den letzten Fleck befahrbar, die Temperaturen menschenfreundlicher sind. Das Rad ist definitiv keine Ausrede - dafür wie stiefmütterlich ich das Canyon Nerve zeitweise behandelt habe, leistet es mir hervorragende Dienste. Vielleicht versuche ich mein Glück auch einmal mit einem Twentyniner oder mit einer anderen Übersetzung - wobei eine Einfach-Übersetzung für mich noch undenkbar scheint - zu dringend brauche ich die kleinen Gänge :)
Mountainbiken - wir haben unsere Differenzen, aber ich gebe dich noch nicht auf! Wir sehen uns wieder!