Optische Radbrillen - Technik, Optik, Modelle und Alternativen

Das Thema Optische Sportbrillen mag nicht das Riesenthema sein, mit dem man die Massen begeistern kann. Aber jene, die es betrifft, wissen davon ein Lied zu singen, wie schwierig es sein kann, die richtige Lösung fürs Radfahren zu finden. Alltagsbrillen eignen sich nur beschränkt für die Radtour, Kontaktlinsen können in der Handhabung etwas tricky sein (zumindest für mich), Lasern ist keine Option und bei optischen Brillen für den Sport gibt es unzählige Systeme, Technologien und Dinge, die man beachten muss.

Ich habe in den letzten Jahren viele Dinge ausprobieren und getestet und möchte nun meine Erfahrungen mit euch teilen. Was hat gut funktioniert, was weniger gut, wo bin ich gescheitert und wo bin ich am Ende des Tages gelandet. Ich versuche euch die unterschiedlichen Systeme an Sportbrillen zu erklären (Clip-In, Adapterverglasung und Direktverglasung), gehe auf die Werte ein, die man vor der Bestellung einer solchen bRillen wissen sollte und zeige euch ein paar jener Modelle, mit denen ich derzeit auf dem Rad (und auch abseits) unterwegs bin.

Link zu Evil Eye:

https://www.evileye.com/at/

Link zu den Optikern meines Vertrauens:

https://roland-bischel.at
http://www.rusteroptik.stadtausstellu...

Bollé Shifter - Sportbrille mit Korrekturgläsern

Ich werde älter und meine Augen werden schlechter. Stunden vor dem Computer, das Handy in der Hand, wenig Tageslicht - mein Optiker beziffert meine Fehlsichtigkeit mittlerweile mit vier Dioptrien. Brillen trage ich im Alltag seit ich mich erinnern kann, im Spiegel schaue ich fast schon fremd aus, wenn kein Gestell auf meiner Nase prangt.

Ich habe bereits einmal einen Artikel zum Thema Fehlsichtigkeit und Radfahren und den unterschiedlichen Möglichkeiten damit umzugehen, geschrieben. Das meiste davon ist nach wie vor gültig, ich bin noch immer mit einer Mischung aus Brillen und Kontaktlinsen unterwegs - je nach Lust, Laune, Wetter und Outfit. Ich habe allerdings in der Zeit seit dem letzten Blogpost meine Ausrüstung verfeinert. Und noch einen weiteren Schritt habe ich vollzogen, nämlich den einer optisch verglasten Sportbrille.

Sich einen Überblick über die möglichen Modelle zu verschaffen war nicht einfach, die Hersteller räumen dem Thema Korrekturgläser nicht die oberste Priorität ein. Für mich, der eine Brille als selbstverständlich ansieht und an dem Thema nicht vorbeikommt, ist dieser Umstand etwas unverständlich. Ein Blick in die Statistik zeigt, wieviele Menschen Sehbehelfe brauchen. Dass diese Gruppe keinen interessanten Markt darstellt, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und wer der Statistik nicht glauben möchte, kann sich ja bei der nächsten Gruppenausfahrt einmal umdrehen und durch die Runde blicken - auch dort wird man unterschiedliche Sehbehelfe entdecken.

Die Ausgangslage war folgende:

1. Ich wollte eine dezidierte Sportbrille fürs Radfahren,

2. die Glasfläche sollte möglichst groß sein, um die Augen entsprechend zu schützen,

3. die Optik sollte „in der Scheibe drinnen sein“ - ohne Extra-Konstruktionen, Clip-Ins oder sonstigen Lösungen,

4. die Lichtdurchlässigkeit der Gläser sollte einen möglichst großen Einsatzbereich ermöglichen und

5. die Brille sollte natürlich auch gut aussehen!

Fündig wurde ich schließlich auf der Homepage von Bollé, nachdem mich ein Artikel auf Bikeboard.at darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es dort a) ein neues Brillenmodell und b) Verglasung mit Korrekturgläsern gibt. Die Wahl fiel auf das Modell „Shifter“, das auch von den Fahrern von AG2R bei den großen Rennen getragen wird. Die Qual der Wahl hat man zwischen fünf Farboptionen für den Rahmen und ebenfalls fünf Varianten für die Gläser - diese können natürlich wild durcheinander kombiniert werden.

Bei der Wahl der Gläser lohnt es sich, kurz innezuhalten und über einige Dinge nachzudenken. Die Färbung des Glases bestimmt neben technischen Parametern wie Kontrast natürlich auch die Stimmung, wie man seine Umwelt wahrnimmt. Ich persönlich fahre ja lieber in ein weiches, sanftes Licht als in ein kühles und steriles. Dieser Faktor sollte den rein optischen Eigenschaften natürlich nachgeordnet sein, ist aber aus meiner Sicht dennoch nicht zu vernachlässigen. Polarisation hingegen verhindert weitgehend störende Lichtreflexionen und erzeugt ein glasklares und kontrastreiches Bild vor Augen. Die Lichtdurchlässigkeit wird gemeinhin in fünf Kategorien gemessen und beschreibt, wieviel Prozent des einfallenden Lichtes geblockt werden. Je höher hier der angegebene Prozentsatz ist (z.B. Kategorie 4: 92-97%), desto weniger Licht gelangt zum Auge (die Kategorie 4 ist daher auch nur für Schnee, Gletscher und Hochgebirge gedacht und weniger fürs Autofahren). Vierter und letzter Punkt sind selbsttönende Gläser, die - je nach Lichteinfall und -Intensität - ihre Tönung verändern können. Die Technologie dafür ist nicht neu, die Vorteile sind evident: Vielseitigkeit, Anpassungsfähigkeit, Komfort. Der Hauptnachteil - die Trägheit beim Wechsel der Tönung - wurde in den letzten Jahren nicht ausgemerzt aber doch stark verbessert.

Meine Entscheidung fällt auf die Phantom-Gläser in „Vemillion Gun“. „Phantom“ bezeichnet bei Bollé den höchsten Standard im Hinblick auf optische Klarheit und Kontrast, außerdem beherrschen sie die oben erwähnte Selbsttönung - in diesem Fall zwischen Kategorie 1 (11% Tönung und damit fast klar) bis Kategorie 3 (47% Tönung bei starkem Sonnenschein). Mein persönliches Ziel ist, mit dieser Brille so viele Anwendungsbereiche wie möglich abzudecken und damit Brillenwechsel oder gar das Mitführen mehrerer Modelle zu vermeiden. Durch die minimale Tönung im Anfangsbereich kann ich die Brille idealerweise auch in der Halle oder zuhause auf der Walze aufsetzen (und damit meine Alltags-Brille entsprechend schonen).

Für die Bestellung von optischen Gläsern ist das Ausfüllen eines Informationsbogens erforderlich, der neben der Anzahl der Dioptrien noch weitere Parameter enthält. Konkret geht es hier um die Position des Auges innerhalb des Brillenglases - die richtige Sehstärke soll ja an der idealen Position auftreten -, außerdem würden hier etwaige Besonderheiten des Auges angeführt werden, die bei der Fertigung der Korrekturgläser berücksichtigt werden müssen. Ich bin mit diesem Bogen schnurstracks zum Optiker meines Vertrauens gegangen, hier selbst etwas zu erfinden oder veraltete Werte einzutragen, macht keinen Sinn.

Warum viele Brillenhersteller davor zurückschrecken, selbst optische Gläser anzubieten, dürfte in der Tatsache liegen, dass es einerseits einiges an Know-How bedarf und zum anderen mit einem gewissen Aufwand verbunden ist. Besonders bei modernen Sport/Rad-Brillen, die mit riesigen Gläsern aufwarten, wird die optische Verglasung zur Herausforderung. Viele Hersteller schränken daher die optische Verglasung auf einige wenige Modelle ein, bei denen beispielsweise das Glas nicht so groß oder die Biegung der gesamten Brille begrenzt ist. Mein Optiker bestätigt, dass eine Verglasung ab einer gewissen Krümmung der Scheibe verbunden mit einer Dioptrienzahl >3.0 tendenziell problematisch ist. Machbar ja, allerdings schrumpft jener Bereich des Glases, der den richtigen Korrekturwert hat, immer mehr und mehr - mit dem Ergebnis, dass die Korrektur nur für einen Bruchteil des kompletten Sichtfelds funktioniert und das geht dann doch irgendwie am ursprünglichen Sinn der Sache vorbei.

Die Lösung besteht im Wesentlichen darin, ein „Glas im Glas“ zu bauen. Optisch korrigiert ist daher ein abgegrenzter Teil rund um das Auge, die Randbereiche der Scheibe sind nicht korrigiert. Das klingt kompliziert, ist aber in der täglichen Handhabung überhaupt kein Problem - wenn man sich nach einigen Tagen daran gewöhnt hat. Anfangs nimmt man noch die unscharfen Ränder wahr, sieht ab und zu einzelne Punkte durch den Randbereich flirren oder ist kurz irritiert, weil man auch am Rand die volle Sehstärke erwartet. Die Korrektur ist jedenfalls ausreichend vorhanden - man kommt also nicht in die Verlegenheit, in bestimmten Kopfpositionen nichts mehr zu sehen, aber gewöhnen muss man sich kurz daran.

An der Qualität und Performance der Gläser ändert sich durch die optischen Einlassungen nichts, auch die Belüftung funktioniert mit den integrierten Schlitzen einwandfrei und makellos. Bei anderen Herstellern ist das zum Beispiel ein potentiell großes Manko, da in die bestehenden Rahmen optische Gläser eingesetzt werden, die allerdings aus Stabilitätsgründen keine Lüftungsschlitze mehr aufweisen - schwierig. Wenn wir schon von Belüftung reden, diese ist bei der Bollé Shifter sehr gut und in manchen Situationen vielleicht auch schon fast etwas zu gut. In bestimmten Positionen bläst es auf der Seite am Rahmen vorbei Richtung Auge - wer hier empfindlich ist, sollte sich vorher auf eine Testfahrt machen.

Die ersten drei Monate mit der Bollé Shifter haben sich hervorragend angelassen. Brille, optische Gläser und Tönung erfüllen die vorher formulierten Erwartungen sehr gut. Auch beim Radeln auf der Rolle ist die Brille im Dauereinsatz - die minimale rötlich/rosa Färbung des Zimmers fällt gar nicht auf.

Mit dem Kunststoffrahmen und den Gläsern wirkt die Brille sehr robust, ich hätte hier keine Bedenken, die Brille auf alle meine Abenteuer mitzunehmen und den Elementen auszusetzen. Im Lieferumfang ist neben einer Art „Brillenpass“ selbstverständlich ein Hardcase dabei, das man mittels Karabiner praktisch an seinen Rucksäcken und Taschen festmachen kann, das Stoffsackerl ist gleichzeitig Putztuch und Aufbewahrungstasche.

Fazit

Ich habe hier eine schicke Radbrille mit optischen Gläsern gefunden, sodass ich mich nicht mehr (ausschließlich) um Wechselbrillen und Kontaktlinsen kümmern muss. Mit den selbsttönenden Gläsern bin ich für mehrere Lichtverhältnisse ausgestattet und kann auch sorgenfrei indoor und in den Abend hineinfahren. Die „unscharfen“ Ränder sind kurze zeit gewöhnungsbedürftig, ab dann schätzt man nur noch die optische Qualität und Zuverlässigkeit. Wer sensibel auf Zug reagiert, sollte jedenfalls probetragen oder sich eines der anderen Modell von Bollé ansehen.

Die Test-Brille wurde von Bollé zur Verfügung gestellt.