Wir alle haben ein großartiges Hobby. Um dieses auch entsprechend ausüben zu können, sind wir glücklicherweise mit geduldigen, verständnisvollen und liebevollen Partner*innen gesegnet. Sie ertragen es, dass wir Stunden im Sattel verbringen, uns zu den unmöglichsten Zeiten aufs Rad schwingen, den gemeinsamen Urlaub zum Radfahren zweckentfremden oder aber einen guten Teil des Haushaltseinkommens für Radsachen verprassen. Aber so groß Liebe und Verständnis auch sein mögen, ab und zu gelangen wir an Grenzen. Eine dieser (glücklicherweise wenigen) roten Linien habe ich zuletzt - recht tollpatschig noch dazu - überschritten...
Am Land zu wohnen, hat Vor- und Nachteile, gleiches gilt für den urbanen Raum. Wer ein Haus bzw. einen Garten oder Innenhof sein eigen nennt, kann dort gemütlich und in Ruhe seine Räder reinigen, wenn es einmal etwas schmutziger zur Sache gegangen ist. Als ich noch im Speckgürtel Wiens gewohnt habe, war es ein leichtes, den Gartenschlauch anzuwerfen und gröberen Dreck von meinen Rädern abzuwaschen. Mit Innenhof waren auch die Abstellmöglichkeiten für das Rad variantenreicher. So kam es dann auch durchaus vor, dass das Rad ungeputzt im Hof stehenbleibt, während man sich selbst ruhig den persönlichen Post-Ausfahrt-Ritualen widmet.
In einer durchschnittlichen (Wiener) Wohnung muss man umdenken. Zwar gibt es meistens einen Innenhof, doch der gemeine Wiener Innenhof ist dieses Ausdrucks meistens nicht würdig - er wird beherrscht von aufgesprungenen Waschbetonplatten, stinkenden Mülltonnen, einer (meist kurz vor dem Tod stehenden) Platane und der obligatorischen Teppichklopf-Stange, die vor 35 Jahren zum letzten Mal in Verwendung war. In der Wohnung andererseits ist meistens wenig Platz - das Rad in der Badewanne zu waschen, erfordert einerseits ein hohes Maß an Verständnis bei den anderen Haushaltmitgliedern, andererseits muss danach auch fast jedes Mal das komplette Bad geputzt werden.
Wie also in einer solchen Situation verfahren? Ohne - wie ich bei meiner oben erwähnten "Grenzüberschreitung" - mit dem Crosser voll mit Schnee, Eis, Schotter und Dreck ins Vorzimmer zu kommen, das Rad hochzuheben um etwas unterzustellen, dabei mit dem Rad an mehreren Wänden anzukommen und diese dadurch auch gleich komplett zu versauen, den Parkettboden vollzutropfen und mehrere weitere kosmetische Makel hinzuzufügen. Noch heute sehe ich jeden Tag den sanften Streifen an der Mauer, der mich daran erinnert hat, mir für die Reinigung meiner Räder eine sinnvolle Alternative zu überlegen. Und dann war da plötzlich eine Möglichkeit namens Kärcher OC3.
Kärcher OC3
Kärcher ist erst recht spät auf den Zug der kompakten und mobilen Hochdruckreiniger aufgesprungen. Der Aqua2Go ist schon längere Zeit auf dem Markt, Gerüchte über ein Modell von Kärcher gab es allerdings schon länger. Dass es sich hier um keinen Hochdruckreiniger im herkömmlichen Sinn handelt, muss von Anfang an klar sein. Aber die Aussicht auf eine mobile, kraftvolle und praktische Lösung für die flotte Radreinigung unterwegs oder eben, wenn es dafür keine andere Möglichkeit gibt, hat gereicht, um mein Interesse zu wecken. Die Lösung für all meine (Reinigungs-)Probleme?
Anschaffung
Die größte Hürde ist aus meiner Sicht der Blick auf den Preis. Heben wir uns das daher gar nicht erst für den Schluss auf, steigen wir gleich mit der vollen Brutalität ein: 159,99 Euro! Legt man noch 20 Euro drauf bekommt man wahlweise die "Adventure", "Pet" oder "Bike" Box - bei denen ist ein kleines Aufbewahrungsmodul gefüllt mit für den jeweiligen Einsatzzweck spezifischen Extras dabei. Bürsten, Tücher, Reinigungsmittel, etc.
Ich verstehe jeden, der an dieser Stelle denkt, "das ist zuviel für einen kleinen Reiniger" und sich aus diesem Artikel ausklinkt - auch wenn ich persönlich das sehr schade finden würde ;) . Es ist schwierig, wenn man einen beinharten Kosten-Nutzen-Vergleich machen möchte. Die Kosten für eine Reinigung des Rads in der Badewanne sind schwer zu beziffern, der Euro, den man sich für die Tankstelle nach der Ausfahrt mitnimmt, ist auch nicht wirklich zu vergleichen. Außerdem geht es - bei mir zumindest - auch sehr stark um Komfort. Ich möchte nicht - gerade im Winter - noch zur Tankstelle fahren und das Rad abspritzen. Genausowenig möchte ich jedesmal 20 Minuten lang die Badewanne putzen und die Wohnung volltropfen. Soll heißen, dass es im Endeffekt wohl sehr individuelle Gründe sein werden, ob sich die Anschaffung eines derartigen Geräts um einen derartigen Preis lohnt. Zu diesem Thema also nicht mehr an dieser Stelle.
Technik
Der Kärcher kommt in zwei Teilen daher: der gelbe Block beinhaltet Pumpe und Aggregat und ist damit so etwas wie das Herzstück des Reinigers. Darauf aufgesetzt wird der Wassertank mit einer Kapazität von vier Litern. Besitzt man eine der oben genannten "Spezial-Boxen" hat man noch einen weiteren kleinen Kubus zur Aufbewahrung von Kleinzeugs, den man praktischerweise an die anderen beiden unten dran klemmen kann.
Die Technik ist im Grunde watscheneinfach. Der Reiniger hat einen Stecker zum Aufladen des Akkus, einen Knopf zum Ein- und Ausschalten und einen Schlauch, an dem die Düse montiert ist. Die Düse wiederum hat am Griff einen Hebel, mit dem der Wasserstrahl aktiviert wird. Das war dann auch schon alles, was man zur Bedienung des Kärcher wissen muss. Auch die Bedienungsanleitung sagt dazu nicht mehr - da diese Informationen in allen Sprachen der Welt vermittelt werden, hat sie trotzdem an die 100 Seiten...
Wie oben schon erwähnt hat der Wassertank ein Fassungsvermögen von vier Litern, der Akku hält bei voller Ladung für rund 15 Minuten. Eine volle Aufladung des Akkus dauert wiederum drei Stunden.
Anwendung
Grundsätzlich hat jede*r wahrscheinlich ein eigenes und individuelles Prozedere, wie das Rad am schnellsten sauber wird. Ich beschreibe in der Folge kurz meines und wie der Kärcher da ins Konzept passt.
Man nehme ein dreckiges Rad - einen Crosser mit Matsch oder Schnee, einen Renner mit Salz und Schmutz, egal. Den Kärcher einschalten, dann ertönt ein dumpfes Dröhnen von der eingebauten Pumpe und die Reinigung kann losgehen. An dieser Stelle kommt es drauf an, was vorne an den Schlauch angesteckt ist - ohne Aufsatz kommt ein lauer Strahl ohne jeglichen Druck aus dem Schlauch, mit dem gelben Aufsatz kommt der zusätzliche Druck, den es braucht, um auch hartnäckigeren Schmutz zu entfernen oder aber man geht mit der aufsteckbaren Bürste dem Dreck direkt an den Kragen.
In meiner Reihenfolge geht es zuerst darum, das Rad zu befeuchten. Dazu reicht entweder der Strahl ohne Aufsatz oder aber mit dem gelben Aufsatz und entsprechendem Druck. Der Strahl ist dabei an keiner Stelle so hart, dass ich ihn nicht direkt auf das Rad und auch auf die Lager des Antriebs oder der Räder richten würde. Wie schon eingangs erwähnt - es steht zwar Kärcher drauf, mit den bekannten Hochdruckreinigern hat das aber nichts zu tun.
Auf das befeuchtete Rad kommt bei mir traditionell der rosa Muc-Off Bike Cleaner. Ich liebe dieses Mittelchen, seit ich damit zum ersten Mal ein Rad gereinigt habe. Das nasse Rad wird damit großzügig eingesprüht, danach lässt man das Ganze ein paar Minuten eintrocknen. In dieser Zeit wird sämtlicher Dreck am Rad gelöst, auch gemeiner und anhaftender Schmutz zum Beispiel am Antrieb.
Hat sich der gröbste Dreck gelöst - für mich ist der richtige Zeitpunkt daran erkennbar, dass sich der beim Aufsprühen entstandene Schaum weitgehend aufgelöst hat - dann geht es ans erneute Abspritzen. Hier macht jetzt der laue gartenschlauchähnliche Strahl ohne Aufsatz keinen Sinn mehr. Mit dem gelben Aufsatz und etwas Druck sprüht man das gesamte Rad ab und ohne viel Mühe und Aufwand ist das Rad in kürzester Zeit blitzblank.
An kritischen Stellen ist mitunter etwas Nachhilfe notwendig - an der Unterseite des Unterrohrs sammelt sich regelmäßig hartnäckiger Schmutz, über den man meistens kurz drüberwischen muss. Kettenstreben, die mit Kettenöl und anderen Residuen voll sind, wollen auch extra behandelt werden. Mehr Nachwischen ist allerdings nicht notwendig.
Der ausgiebigen Widmung mit der Radreinigung steht dann jedoch das doch recht knappe Fassungsvermögens des Wassertanks im Weg. Ohne jetzt sonderlich sparsam zu werken, war der Tank doch deutlich vor Ende der Reinigung leer. Nachdem ich das Ganze in meinem Innenhof durchgeführt habe, war ein Nachfüllen in der Wohnung schnell erledigt. Ideal wäre jedoch trotzdem, wenn sich eine komplette Reinigung mit einem Wassertank ausgehen würde. Das sollte aber möglich sein, wenn man halbwegs sparsam arbeitet und den einen oder anderen Arbeitsschritt noch optimiert.
Die im Bike-Set enthaltenen Accessoires habe ich übrigens nicht verwendet. Dazu gefällt mir mein derzeitiger Putz-Ablauf zu gut. Die Bürste wird beispielsweise im Tretlagerbereich sicher gut funktionieren, allerdings ist die Verwendung der Bürste mit einem höheren Wasserverbrauch verbunden und dadurch ist der Tank wieder schneller leer.
Die Akkulaufzeit ist hingegen überhaupt kein Problem. Die angeschriebenen 15 Minuten Laufzeit werden dabei jedenfalls erreicht. Im Idealfall und wenn man zügig arbeitet, gehen sich damit schon zwei Räder aus.
Fazit
Ist der OC3 teuer? Ja! Ist er zu teuer? Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Wenn kein Wasser- oder Stromanschluss in der Nähe ist, wenn man unterwegs ist oder wenn man - aus welchen Gründen auch immer - keine andere Möglichkeit hat, sein Rad zu reinigen, dann zahlt sich der Kärcher OC3 aus. Für mich ist der Einsatzzweck logisch und passt gut in meinen Rad-Alltag. Für die schnelle Reinigung des Rades, um die Wohnung nicht vollzusauen - als Ersatz für das Putzen in der Badewanne und danach das Putzen der Badewanne selbst - eventuell auch unterwegs im Kofferraum des Autos mitgeführt.
Die Leistung des Geräts entspricht meinen Erwartungen, die Bedienung ist das was man "watscheneinfach" nennt. Der Wassertank ist für meine verschwenderische Putztechnik etwas zu klein dimensioniert, auf der anderen Seite wären aber mit einem größeren Tank die Transportfähigkeit und Mobilität des Geräts eingeschränkt.
Die Zusatzpakete (egal ob Adventure, Pet oder Bike) stellen aus meiner Sicht keinen Mehrwert dar - ich finde mit den Grundfunktionen des Geräts sehr gut das Auslangen. Einzig wenn man für die Reinigung einiges an Kleinzeug mit sich herumschleppt, dann kann sich die Investition von 20 Euro extra lohnen, damit man den zusätzlichen (anklippbaren) Stauraum dazubekommt.
Infos zum OC3 auf der Homepage des Herstellers.
Bewusst ausgeklammert sind in diesem Test zwei Punkte. Die Belastbarkeit von Rädern bzw. deren Komponenten in Bezug auf Wasserstrahlen und Reiniger mit höherem Druck klammere ich hier bewusst aus, weil der OC3 einen Druck wie ein stärkerer Gartenschlauch aufweist und daher aus meiner Sicht mit keinerlei Beeinträchtigung zu rechnen ist. Zweitens ist beim Putzen des Rads jedenfalls darauf zu achten, in welcher Form das verschmutzte Wasser und etwaige Rückstände wieder in den Wasserkreislauf zurückgeführt werden - dazu gibt es unterschiedliche Vorgaben und rechtliche Rahmenbedingungen.