In knapp vier Wochen ist es soweit - die nächste Ausgabe des Ötztaler Radmarathons geht über die Bühne. Rund 25.000 Radlerinnen und Radler melden sich jedes Jahr zur Verlosung der Startplätze an, 5.000 davon bekommen dann auch wirklich die Chance mitzufahren.
Über das Rennen selbst muss man eigentlich nicht mehr allzu viele Worte verlieren, zu oft schon sind die Eckdaten der Strecke und die emotions-, mythen- und schmerzbehafteten Berge genannt worden. Kühtai, Brenner, Jaufenpass, Timmelsjoch - 238 Kilometer und 5.500 Höhenmeter!
Die Herangehensweise an ein derartiges Event kann unterschiedlicher nicht sein. Wer vorne dabei sein will, bereitet sich wahrscheinlich schon die ganze Saison darauf vor. Wer solide mitfahren will, wird ein paar spezifische Einheiten einstreuen in den Wochen vor dem Event. Wer einfach durchkommen möchte, wird auch dafür entsprechende Strategien entwickeln.
Ich bin eher zufällig zu meinem Startplatz gekommen, bin ja grundsätzlich nicht der ultra-ehrgeizige Racer und gehe eher gelassen an derartige Herausforderungen heran. Doch beim Ötztaler überkommt mich doch ab und zu ein respektvolles Schaudern, zu viele Geschichten hab ich schon gehört. Sorgen mache ich mir trotzdem keine, irgendwie bin ich noch überall durch- und angekommen. Beim Gedanken an 5.500 Höhenmeter wird mir zwar etwas schwindlig, auch meine Körpermasse im Ausmaß von gefühlt knapp zwei Nairo Quintanas trägt dazu auch nicht gerade bei...
Ich werde mich also mit dem, was an Fitnesszustand vorhanden ist, auf die Reise begeben. Ohne mich bis jetzt großartig mit Marschtabellen, Durchgangszeiten und potentiellen Leistungen und Zeiten beschäftigt zu haben - eine Zeit unter zehn Stunden sollte - denke ich - möglich sein. Aber ich werde mal schauen, was da auf mich zukommt und bin in erster Linie auf ein schönes Event mit vielen netten und bekannten Mitstreitern gespannt. Dabei sein ist alles!
Am oberen Ende der Nahrungskette hingegen ist Lukas Bauernberger unterwegs - seines Zeichens ehemaliger Läufer und Leichtathlet, derzeit Geschäftsführer des besten Laufshops Wiens RunInc. und Sieger der diesjährigen Austria Top Tour. Lukas startet dieses Jahr zum vierten Mal beim Ötzi, seine Bestzeit aus dem Vorjahr liegt bei 7 Stunden und 51 Minuten. >Meine Verneigung an dieser Stelle<
Lukas hat mir im Gespräch einige Tipps mit auf den Weg gegeben - manche naheliegend, manche vermeintlich nicht so wichtig, manche erst auf den zweiten Blick wertvoll, andere kann man nicht oft genug hören. Hier sind sie also, zehn Hinweise und Ratschläge rund um den Ötztaler Radmarathon von Lukas himself:
- Früh zum Start! Wer einen halbwegs guten Startplatz ergattern möchte, sollte sich mit dem Gedanken anfreunden, eine Stunde vor dem Startschuss im Startblock Aufstellung zu nehmen. Je später man kommt, desto weiter hinten steht man. Angesichts der langen Abfahrt gleich nach dem Start ist eine gute Gruppe durchaus sinnvoll. Außerdem fährt es sich vorne sicherer als hinten, wo das Gedränge größer ist. Außerdem lohnt es sich, den Zugang zum Startblock vorher einmal anzuschauen - so vermeidet man, dass in der Früh plötzlich der Zugang auf der anderen Seite der Straße oder aber am Ende des Feldes liegt.
- Bekleidungstechnisch sollte man beim Ötztaler seine stilistischen Ansprüche hintanstellen. Bei der Radhose ist jene zu wählen, die am bequemsten ist. Es sind viele Stunden, die man beim Ötzi im Sattel verbringt, da geht Funktion vor Aussehen. Je nach Wetter muss auch an zusätzliche Ausrüstung gedacht werden. Ärmlinge für die lange Abfahrt in der Früh, nachdem man auch in hochalpinem Gelände unterwegs ist, auch entsprechende Jacken, Gilets oder dergleichen.
- Im Idealfall hat man Unterstützer und/oder Freunde, die entlang der Strecke für Verpflegung sorgen können. Auf diese Art lassen sich die vom Veranstalter organisierten großen Laben auslassen - so kann mitunter viel Zeit gespart werden (sofern man denn auf Zeit fährt). Bei den großen Laben ist bei der Masse an Teilnehmern recht viel los, hier kann es schon einige Minuten dauern, bis man wieder im Sattel sitzt.
- Vor dem Rennen sollte man sich unbedingt einen Ernährungsplan zurechtlegen. Keine Experimente bei der Verpflegung, nichts Neues ausprobieren und vor allem sehr großzügig kalkulieren. Verpflegung ist alles!
- Was für feste Nahrung gilt, ist für Flüssigkeit ebenso wichtig. Der Tipp von Lukas lautet daher "Trinken, Trinken, Trinken". Wenn es heiß ist, helfen Salztabletten im Getränk - vor allem wenn man zu Krämpfen neigt.
- Ob man zu einem Rennen einen Ersatzschlauch und Werkzeug mitbringt, ist eine Glaubensfrage, die grundsätzlich jeder Racer für sich selbst beantworten muss. Bei einer Distanz wie der des Ötztalers, wo fremde Hilfe mitunter weit entfernt ist, wäre es schade, wegen eines "Patschens" das Rennen oder zumindest viel Zeit zu verlieren. Daher ruhig Werkzeug und einen Ersatzschlauch mitnehmen - auch wenn eigentlich jedes Gramm zählt.
- Gleich nach dem Start geht es für rund 40 Kilometer flott bergab. Je weiter vorne man diese Abfahrt bestreitet, desto sorgenfreier kann man diese mitunter angehen. Im Pulk weiter hinten ist entsprechend mehr Vorsicht geboten.
- Das Um und Auf über den Brenner ist eine gute und flotte Gruppe. Der Brenner ist der "Leichteste" der vier Berge, die beim Ötzi zu überwinden sind, in den flacheren Passagen fällt dies im Windschatten einiger Kollegen bedeutend leichter. Gleichzeitig ist aber die Gefahr nicht zu unterschätzen, dass man mit einer zu schnellen Gruppe seine Körner zu früh verbrennt.
- Vorsicht bei der Abfahrt vom Jaufenpass - der Asphalt ist stellenweise nicht mehr der beste.
- "Am Timmelsjoch geht es niemandem gut - es tut jedem weh" sagt Lukas. Um das Leiden allerdings in erträglichen Grenzen zu halten, darf man nicht auf den Gegenanstieg in der Abfahrt vom Timmelsjoch vergessen. Bis zur Mautstation sind hier noch einmal rund 200 Höhenmeter zu absolvieren.
Na gut, die Tipps werde ich mir zu Herzen nehmen. In einem Monat werde ich jetzt nicht mehr zur Ötzi-Topform auflaufen, stattdessen werde ich versuchen, ein paar lange Ausfahrten in meinem Terminkalender unterzubringen, mit ein paar Anstiegen garniert. Je länger die Anstiege im Training desto besser - es geht darum, ein Gefühl für lange Anstiege zu bekommen und das Tempo, mit dem man persönlich am besten in einen derartigen Berg hineinfährt. Das Credo lautet Gleichmäßigkeit! Mal schauen, was da auf uns alle zukommt.