So gut wie alle Hersteller von Fahrradbekleidung haben sie im Sortiment - meistens irgendwo auf der Seite oder unten auf der Homepage, manche eher versteckt, andere vielleicht nicht ganz ernsthaft gemeint... man ist sich nicht so sicher. Es geht um Alltagsgewand von Radbekleidungsherstellern.
Jetzt kann man als zu allererst natürlich mit der Sinnfrage beginnen - Wozu? Radbekleidung für die sportlichen Stunden im Sattel ist unbestritten notwendig, hier hat sich einiges getan, was Materialen und Style betrifft in den letzten Jahren. Und spätestens wenn man einmal mit einer „falschen“ Bekleidung unterwegs war, erkennt man auch die Notwendigkeit des einen oder anderen Features. Und wir reden hier nicht von Fragen wie, ob ein Sitzpolster notwendig ist oder nicht...
Abseits von Strava und Schweiß ist die Sache allerdings anders gelagert und kann in wenigen Sätzen zusammengefasst werden - zumindest habe ich das die letzten Jahre so getan: Wenn ich Radfahren möchte, nehme ich Radgewand, für den Alltag „normales“ Gewand. Man kann hier lang und breit Argumente abwägen und darüber diskutieren, welche Aspekte wie zu priorisieren sind. Was ich persönlich beispielsweise nie wollte, war Radbekleidung für den Alltag, die ich auf dem Weg ins Büro oder zu einem Termin „artgerecht“ verwende, die dann aber den restlichen Tag - und das sind dann in der Regel ja doch ein paar Stunden - irgendwie nicht nach richtiger Alltagskleidung aussieht. Prominent platzierte Reflektorstreifen haben zweifelsfrei ihre Berechtigung, um auf den Fahrradstreifen und Straßen dieser Erde überleben zu können, in der Besprechung mit dem Chef muten diese aber eher deplatziert an. Komfortable Schnitte am Rad und Stoff an den richtigen Stellen spießen sich mit Slim Fit-Dresscodes, verstärkte Kniepartien beulen aus.
Ein weiterer Aspekt, über den sich auch stundenlang diskutieren ließe, den ich hier aber aussparen möchte, ist die olfaktorische Ebene. Die Kleidung hat hier wohlgemerkt nur einen indirekten Anteil daran, wer allerdings im Alltag entsprechend weite, anstrengende oder mühevolle Wege zurückzulegen hat, wird sich zwangsläufig auch damit beschäftigen müssen. Eine Dusche oder Waschmöglichkeit im Büro ist das eine, Kleidung zu benützen, die nicht nach fünf Minuten Anstrengung schon einer biologischen Massenvernichtungswaffe gleicht eine andere Variante.
Ich möchte daher versuchen, ein paar Punkte zusammenzufassen:
1. Radbekleidung für den Alltag soll praktischer sein als „Alltagsgewand“, sonst könnte man ja auch gleich dieses anziehen.
2. Radbekleidung für den Alltag soll aussehen wie „normale“ Kleidung, damit man nicht aussieht, wie von einem anderen Stern, wenn das Rad geparkt und der Helm abgelegt ist.
3. Features und Materialen sollen so gewählt sein, dass sich Nutzen und Aussehen nicht im Weg stehen - also nicht „form follows function“ oder „function follows form“, sondern idealerweise beides.
Viele Dinge muss man zuerst einmal ausprobieren und am eigenen Leib spüren und erleben, bevor man sich ein abschließendes Urteil bildet - manchmal braucht man dafür sogar mehrere Anläufe. Ich konnte im Frühjahr bereits einmal einen Satz Radbekleidung für den Alltag für Keller Sports testen. Damals waren es eine lange Hose, T-Shirts und ein Pullover, die dezidiert für das Rad UND den Alltag designt und produziert wurden. Mein Fazit damals war, dass die Sachen am Rad durchwegs gut zu tragen waren, praktische Features eingebaut hatten und auch in Bezug auf Materialien erstklassig waren. Einziger Nachteil war, dass es nicht 100% zu meinem allgemeinen Stil (an Kleidung) passt. Beim Sport geht man hier vielleicht noch eher Kompromisse ein, im Alltag ist es mir jedoch wichtig, dass meine Kleidung auch meinen Stil widerspiegelt, schließlich habe ich tagtäglich mit Menschen zu tun.
Zur Aufzählung von weiter oben ist daher ein vierter - elementarer - Punkt hinzuzufügen: Es muss zu einem passen! Hier beginnt die Recherche im Internet von neuem, hinein in jene Winkel der Onlineshops und Webseiten der Hersteller, wo sich die Kollektionen „Urban“, „Lifestyle“ oder „Alltag“ verstecken. Schnell findet man auf diesem Wege auch heraus, welche Wertigkeiten (oder eben nicht) diese Kollektionen bei den unterschiedlichen Herstellern haben, wieviel Leidenschaft und Ressourcen man diesem Thema widmet.
Meine Bande zu Martin und Peter Velits von Isadore Apparel sind kein Geheimnis, daher war naheliegend, erst einmal deren Homepage zu durchforsten. Zu Isadore Apparel und deren Gründer muss ich nicht mehr allzu viel sagen. Beide waren als Profis in der World Tour tätig und wissen daher, was gute Rennradbekleidung ausmachen muss. Durch ihre Zeit in Bratislava waren sie auch lang genug in einem größeren urbanen Umfeld zugange, um auch diese Dimension einfließen lassen zu können. Den pragmatischen Zugang pflegen die beiden daher auch bei ihrer „Urban“ Kollektion - keine Experimente, gedeckte Farben, intelligente Details, hochwertige Materialien und Nachhaltigkeit.
Sämtliche Kleidungsstücke (außer den etwas älteren vielleicht, die entweder alten Tapetenmustern oder aber Star Trek-Uniformen gleichen) sind alle Stücke absolut alltagstauglich und fallen auch ohne Radkontext keinesfalls aus dem Raster. Die Herangehensweise von Isadore war, Alltagsgewand herzustellen, das für die Zeit im Sattel kleine Zusatzboni gewährt oder aber den Radsport zitiert - beispielsweise die zuknöpfbare „Trikottasche“ am Rücken der Merino-Shirts. Stichwort Merino - die Materialien sind funktional, schreien aber nicht aufdringlich „Sport“ und „Radfahren“ durch die Welt. Die Stoffe sind dehnbar, wo es notwendig ist, alles ist belüftet, wo es sinnvoll ist.
Warum jetzt also Isadore Urban verwenden und nicht einfach mit dem „normalen“ Gewand commuten? Diese Frage ist berechtigt und muss im Endeffekt individuell und selbst beantwortet werden. Wer viel auf dem Rad unterwegs ist, weiß manche Dinge zu schätzen - in meinem Fall sind das vor allem Materialien und Funktionalität. Gemeinsam mit dem Stil von Isadore formt sich dabei ein stimmiges Paket - so kann und möchte ich in der Stadt unterwegs sein.
Die von mir getestete Hose „Urban Shorts“ sitzt eng und gut und bietet gute Dehnbarkeit, wo diese benötigt wird. Beim Radeln schneidet nichts ein oder behindert. Das Material ist angenehm, man schwitzt darin nicht und abseits des Rades würde keiner draufkommen, dass die Hose von einer Firma hergestellt wurde, die auf Fahrradkleidung spezialisiert ist. Gleiches trifft auf das „Urban Shirt 2.0“ zu, mit dem man sich auch ohne weiteres in wichtige Besprechungen setzen kann. Understatement ist angesagt, wenn es um Logos und Schriftzüge geht, das Material ist hier so angelegt, dass man auch bei höheren Temperaturen nicht schweißgebadet (und stinkend) ankommt. Die „Urban Merino T-Shirts“ sind schließlich so etwas wie der Klassiker in der Kollektion und auch tatsächlich allerorts einsetzbar. Ein normal geschnittenes T-Shirt aus komfortablem Merino, mit einem dezenten Schriftzug am Schlüsselbein, einem kleinen Badge am Ärmel und einer Tasche am Rücken, die als Zitat an ein Radtrikot zu sehen ist. Auch hier ist absolut egal, ob ein Rad in der Nähe steht oder nicht - Stichwort „ganz normales Gewand“.
Wer bei der Kleidung nicht Halt machen möchte, findet im Portfolio von Isadore auch zwei paar Schuhe, die einzig durch die Drehverschlüsse ans Radfahren erinnern, sonst aber klassischen Sneakern gleichen. Für experimentierfreudigere Zeitgenossen gibt es auch noch eine „Periphery“-Linie, die dann tatsächlich keine Radbezug mehr hat und eher aufgeschlossenere Kleidungsstile ansprechen soll.
Im Alltagstest
Ich lege im Wesentlichen alle meine Wege in der Stadt mit dem Rad zurück, es war daher ein leichtes, die Testgarderobe auszuführen und damit Erfahrungen zu sammeln. Die Frage, ob es denn radspezifische Bekleidung in der Stadt sein muss, kann ich klar mit “Nein” beantworten. Das spricht nicht gegen Isadore oder die Linie eines anderen Herstellers, sondern soll nur bedeuten, dass man auch mit „normalem“ Gewand in der Stadt von A nach B kommen wird. Aber wie das beim Radeln oft so ist, geht es ja nicht nur darum, was „notwendig“ ist, sondern auch um Wünsche, Vorlieben und Gewohnheiten. Und an diesem Punkt drückt die getestete Bekleidung von Isadore bei mir genau die richtigen Knöpfe. Die Zitate des Radsports erfreuen mich, die Materialien fühlen sich durchwegs fein an, das Radeln in der Stadt geht vielleicht etwas geschmeidiger vonstatten. Und nicht zuletzt - und vielleicht sogar am Wichtigsten - ist es auch ein Statement, für all jene, die die Codes zu entziffern vermögen - „Du bist ein Radfahrer? Ich auch“. ;)
Wer so wie ich blindlings die gleichen Größen bestellt wie beim Radgewand, sei darauf hingewiesen, dass die Urban-Linie mitunter etwas anders geschnitten ist bzw. man sich eher an seinem Alltagsgewand orientieren sollte. „L“ bei meinem Radgewand passt perfekt, „L“ beim Urban-Gewand ist recht eng!
169k kann grundsätzlich eher nur inhaltliche Unterstützung bieten, finanziell sei aber auf den Code „169k.net“ hingewiesen, für den es beim Checkout auf der Isadore-Homepage einen 20%-Rabatt gibt ;)
Die Testexemplare wurden von Isadore Apparel zur Verfügung gestellt.