19. Wachauer Radtage - Rennbericht
Suboptimaler Start - 15 Minuten vor dem Startschuss ist der Startblock voll, hinten anstellen die einzige Option, gewertet wird die Bruttozeit! Blöd, wenn ich auf Platzierung oder Zeit fahren würde ;) Aber in meinem Leistungsbereich ist es mir im Grunde egal, ob ich 165. oder 227. oder 112. werde. Für mich zählt das sportliche Erlebnis, die Stimmung und natürlich, mich zu fordern. Mein Gegner bin ich selbst - naja ein paar andere finden sich meistens auf der Strecke schon noch... :)
Vor mir liegen 99 Kilometer und rund 1.000 Höhenmeter. Die Strecke sind wir eine Woche davor schon einmal abgefahren - praktisch, denn die Anstiege sind nicht ganz eindeutig und oft weiß man nicht so genau, was auf einen zukommt. (Die Streckenfotos sind übrigens bei diesem "Recon-Ride" entstanden).
Vom Start in Mautern staut sich das Feld über die erste Donauquerung. Wenn man das Feld der Radler 300 Meter vor sich schon über die Brücke rollen sieht während man selbst noch nicht einmal losgefahren ist, dann wird man schon etwas nervös und überlegt sich, das nächste Mal doch etwas früher Aufstellung zu nehmen. Auf der Schnellstraße nach Krems sortieren sich die ersten Dinge gleich einmal, mit ein paar flotten Kollegen holt man hier einiges wieder auf. Das Gleiche gilt für die Bundesstraße von Krems Richtung Senftenberg - nicht dass hier schon die allergrößten Herausforderungen warten würden, aber hier zieht sich das Fahrerfeld schon in die Länge, Gruppen mit ähnlichem Tempo finden sich.
Gruppenbildung ist aber insofern obsolet, da ab Senftenberg die ersten Anstiege beginnen, in denen ohnehin jeder mehr oder weniger auf sich allein gestellt ist. Die Teilung der Strecken nach Senftenberg (156k-Runde geradeaus, 99k nach links) ist übrigens rechtzeitig und sehr gut gekennzeichnet und sollte keine Rätsel aufgeben (auch wenn das offenbar bei einigen trotzdem der Fall war, wie ich gehört habe...). Von Senftenberg bis hinauf nach Nöhagen kämpft man sich durch den Wald hinauf Richtung Waldviertel, hinauf in eine tolle und wunderschöne Landschaft. Genau diese Landschaft hat es aber auch in sich, die Anstiege sind teilweise giftiger als sie aussehen, hinter der Kuppe geht es kurz bergab und dann meistens gleich wieder bergan und auch der Wind (meistens aus Westen) spielt einem hier nicht wirklich in die Karten.
Das Wetter ist aber im Grunde ideal für ein Radrennen, nicht zu warm, bedeckt - kein Vergleich zu unserer Streckenbesichtigung, bei der wir mit 35 Grad zu kämpfen hatten. Das wirkt sich bei mir auch positiv auf meine Verpflegungsstrategie aus. Bei der ersten Labe kurz nach einem Wasser greifen - gut ist.
Von Nöhagen geht es Richtung Jauerling - auch wenn wir diesen auslassen, dieser ist den Teilnehmern des Champions Marathon über 156 Kilometer vorbehalten. Die flotte Abfahrt Richtung Mühldorf wird relativ entspannt abgehandelt, die engen und gefährlichen Kurven in Mühldorf ebenso - die Strecke ist hier gut abgesichert und zahlreiche Ordner sorgen dafür, dass man die Gefahrenstellen eigentlich nicht übersehen kann.
Einmal noch wellig dahin und der letzte Hügel bei Zeining kurz vor der zweiten Labe, ab diesem Punkt geht es im Grunde nur noch eben bzw. bergab Richtung Donau und dann zurück nach Mautern. Nach der zweiten Labe - ich habe mir wieder eine der rausgestreckten Wasserflaschen gekrallt - bin ich plötzlich alleine, alle Gruppen sind weg, keine Ahnung wohin. Die Fahrer hinter mir sind keine Option, die haben beim Überholen gerade nicht den fittesten Eindruck gemacht, nach vorne nur ein Einzelkämpfer und nochmal 300 Meter davor die nächste größere Gruppe. Alleine fahren macht an dieser Stelle jetzt aber weder Sinn noch Spaß, also runter mit dem Oberkörper und Vollgas. :) Drei Kilometer dauert es, bis ich meinen Vordermann eingeholt habe, einen weiteren Kilometer später fahren wir alle wieder in einer Gruppe.
An dieser Stelle beginnt allerdings das altbekannte Geplänkel, keiner will vorne fahren. Ellbogenwackeln, Herum-Gedeute, Schwenk nach links, Schwenk nach rechts... Kurze Aufmunterungsrufe - zuerst nett, später dann ungeduldigere Aufforderungen, doch auch endlich mal vorne zu fahren. Fünf Kilometer am nördlichen Donauufer bevor es über die Brücke auf die Südseite nach Melk zurück geht. Ein paar Leute finden sich dann doch, mit denen man sich in der Führungsarbeit abwechselt. Leute werden eingeholt, während die Gruppe mit einem satten Tempo durch das Weltkulturerbe Wachau rollt. Vorbei an Marillenverkaufsständen und Heurigen, durch enge, pittoreske Ortschaften, vorbei an Schlössern und immer entlang der Donau. Die Zeit vergeht schnell, die Kilometer bis zum Ziel schmelzen nur so dahin.
Von hinten ist eine weitere Gruppe herangefahren, offenbar sind wir jetzt genug Fahrer, dass wir Mottorradbegleitung haben. Praktisch und sicher, haben wir doch so etwas mehr Spielraum bei den Ortsdurchfahrten und bei Gegenverkehr. (Grundsätzliches Lob hier an den Veranstalter - obwohl hier Straßen nicht gesperrt sind, gab es keinerlei brenzlige Situationen, die Absicherung der Kreuzungen usw. hat hervorragend funktioniert, der Streckenverlauf war immer eindeutig!).
Zehn Kilometer vor dem Ziel steigt das Tempo noch einmal an, es macht sich so etwas wie eine Sprintvorbereitung bemerkbar, das lässt das Adrenalin noch einmal ansteigen. Dass wir hier vermutlich um die Plätze 200-220 "kämpfen", blenden alle geflissentlich aus. Der Zielbogen erscheint am Horizont, ich warte darauf, dass irgendjemand lossprintet aber es passiert irgendwie nichts... Manche nehmen raus, einige werden schneller, ein paar gehen dann doch noch kurz aus dem Sattel. Aber im Sinne der Sicherheit und weil es ja außerdem um Nichts geht, ist es wohl eh gescheiter, sich hier nicht komplett zu verausgaben. Ein relativ heftiger Sturz bei der Zieleinfahrt ein paar Minuten nach meiner Ankunft bestätigt das leider entsprechend...
Isotonisches Getränk im Zielbereich und ein Dank an die Organisation und alle Freunde, Bekannten und Mitstreiter! Es war sehr schön, wir sehen uns nächstes Jahr wieder!
Ach ja: Rang 166 ist es geworden, bei 744 Startern auf der 99 km-Strecke. Liest sich jetzt nicht so berauschend wie es sich angefühlt hat, aber das ist ja gleichzeitig das Schöne an der ganzen Sache! Nichts geht über das Gefühl einer großen Gruppe, die gut und flott dahinrollt, die latente Nervosität an neuralgischen Punkten der Strecke, das Adrenalin, wenn man richtig gefordert ist! Die 246 Watt Durchschnittsleistung werden in der Badewanne wieder abgewaschen, die Freude am Radsport und das Erlebnis in der Gruppe bleiben!
Wachauer Radtage: https://wachauer-radtage.at/de/
Strava-File: https://www.strava.com/activities/1085992175/overview