Der Wecker läutet - blitzschnell wandert die Hand auf den "Aus"-Knopf, damit keiner außer mir aufwacht. Kaffee brauch ich keinen, gegessen wird am Weg. Ins Bad, Zähne putzen, Gesicht waschen und alles Anziehen und Einstecken, was ich mir am Vorabend hergerichtet habe. 05:30, die Haustüre geht hinter mir zu und ich stehe noch etwas schlaftrunken mit meinem Rad auf dem Gehsteig und die wenigen Leute, die außer mir unterwegs sind, schauen mich eher verwundert an.
Es ist still, die Stadt schläft noch, die ersten Sonnenstrahlen kündigen sich an, der Himmel ist in die schönsten Farben gehüllt. Auch im Sommer ist es mitunter noch etwas frisch - ein kurzer Schauer rennt über Arme und Rücken. Rauf aufs Rad, das Einklinken in die Pedale ist das lauteste Geräusch des bisherigen Tages. Zwei, drei kräftige Tritte in die Pedale und es rollt, der Fahrtwind unterstützt den denkbar schönsten Weg, aufzuwachen.
"Early Birds" lautet das Credo. Früh aufstehe und alleine, mit Freunden oder in der Gruppe eine Runde mit dem Rad drehen, während die Stadt erst langsam in die Gänge kommt. Die Motive, warum man freiwillig um diese Uhrzeit radeln geht, könnten vielfältiger nicht sein. Manche davon sind romantisch, einige idealistisch, wenige auch etwas egoistisch, viele einfach nur pragmatisch.
Warum ich das mache?
Ich hab grundsätzlich kein Problem, früh aufzustehen. Egal ob am Rad oder nicht, ich mag die Stadt, kurz bevor sie aufwacht. Das Licht, die Geräusche, manch verirrte Gestalt, ein geheimnisvolles Gefühl des "Eingeweiht-Seins". Die Stadt teilt ihre Geheimnisse mit mir, lässt hinter die Kulissen blicken. Und außerhalb der Stadt der Natur beim Aufwachen zuzusehen, hat sowieso etwas Mystisches. Etwas pragmatischer ist da schon, das Gefühl etwas getan zu haben - während andere sich mühsam ins Büro schleppen, hat man um 8 Uhr schon eine 60 Kilometer-Runde in den Beinen und startet so ganz anders in den restlichen Tag. Von diesem Gefühl zehrt man bis zum Abend!