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Giro, Glockner & große Gefühle

Ein Kurztrip nach Ost- und Südtirol stand am Plan: Giro d´Italia schauen in Innichen und im Grödnertal, eventuell eine Umrundung der Drei Zinnen, den Großglockner bezwingen, Osttirol weiter erkunden... Aber der Reihe nach:

Planänderung - Lienzer Talbodenrunde

Things don´t always follow the original plan... Grenzwartezeiten nach/aus Deutschland und ein Verkehrschaos an der italienischen Grenze als Folge des G7-Gipfels auf Sizilien (!) machten eine Programmänderung notwendig. Statt also über den Brenner und Bozen direkt nach St. Ulrich zum Ziel der 18. Giro-Etappe zu fahren, lieber gleich in den Süden nach Osttirol - unserer geliebten zweiten Homebase. Und gleich aufs Rad! Jan ist zum ersten Mal in Osttirol, da fängt man zum Kennenlernen am Besten mit einer Talbodenrunde an. Gemütliches Einrollen geht in Osttirol sowieso nicht wirklich, entweder kurz flach oder aber gleich mit zweistelligen Prozentwerten auf einen Berg rauf.

Tristacher See - Lavant - Nikolsdorf - Nussdorf - Gaimberg - Thurn - Lienz! Einrollen abgehakt :) Dass am Ende der 45km-Runde trotzdem 700 Höhenmeter auf dem Computer stehen - tja, so ist das halt in den Bergen... Ein großartiger Auftakt bei blauem Himmel und sommerlichen Temperaturen, die Bergkulisse Osttirols wird NIE langweilig werden!

Giro d´Italia - Start in Innichen

Über die Frage, ob der Giro jetzt noch spannender und interessanter ist als die Tour de France, kann man ja vortrefflich diskutieren (die Antwort ist "Ja"!). Dass der Giro während seiner alljährlichen Alpen-Exzessen nahe zur österreichischen Grenze kommt ist hingegen fix - mit Innichen war der Start der 19. Etappe dieses Jahr aber richtig nahe. Von Lienz nach Innichen fährt man gerade mal 40 Minuten.

Ich war noch nie beim Start einer Grand Tour-Etappe, dementsprechend groß Aufregung und Neugier! Im kleinen und pittoresken Städtchen Innichen angekommen wurden wir von Menschenmassen und basslastigem Eurodance-Gewummer von einer der Show-Bühnen begrüßt. Obwohl nur wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt, weiß ein Rad-Event hier definitiv mehr Menschen zu begeistern als bei uns zuhause. Auf der Hauptbühne wird die "unendliche" Giro-Trophäe in die Höhe gehalten, eine stöckelbeschuhte RAI-Moderatorin brüllt in ein übersteuertes Mikrofon, Menschenmassen wälzen sich zwischen Merchandising- und Sponsorenständen hindurch. Was das alles logistisch für eine Kleinstadt bedeutet, ist ein eigenes Kapitel und verwundert mich jedesmal wieder. Drei Stunden später wird vermutlich keiner mehr merken, was hier am Vormittag alles über die Bühne gegangen ist.

Irgendetwas fehlt aber! Ach ja, Radfahrer! Teamtrucks! Wo ist der ganze Zirkus? Auf einem der großen Parkplätze am Rand von Innichen werden wir fündig. Teambusse mit aufgespannten Planen, Servicefahrzeuge mit Rädern auf den Dächern soweit das Auge reicht, fein säuberlich aufgereiht die Räder der Fahrer und dazwischen Fans, Hobbyradfahrer, Fotografen und wir!

Ich weiß am Anfang nicht wohin, weiß nicht, was ich fotografieren soll - Reizüberflutung. Räder fotografieren oder Fahrer suchen? Welches Team? Hier bleiben oder doch zurück zum Start, wo alle Fahrer hinmüssen, um zu unterschreiben? Wir besuchen das Team Bora-Hans Grohe, immerhin haben uns die drei jungen Österreicher in den Diensten dieses Teams schon viel Freude bereitet während der vergangenen Wochen. Den famosen Sieg von Lukas Pöstlberger auf der ersten Etappe und damit den ersten österreichischen Etappensieg beim Giro und das rosa Trikot werden wir noch lange in Erinnerung behalten!

Schließlich kommen nach und nach die Fahrer aus den Motor-Homes und fahren zum Startbereich. Es ist großartig, die Fahrer aus der Nähe zu sehen - wenn man bestimmte Dinge immer nur im Fernseher sieht, verliert man irgendwie die richtigen Dimensionen. Wir genießen also diese neue Perspektive, freuen uns, dass unser Lieblingssport derart volksnah ist und machen ein paar Fotos während die Minuten bis zum Startschuss langsam verrinnen.

Alles in allem! Danke Radsport! Danke Giro! Wir sehen uns wieder!

Großglockner - Eine Portion Demut

"Den Glockner muss man im Leben einmal gefahren sein!" Diese Aussage findet man in JEDEM Buch, Schriftstück oder Gespräch wieder, in dem es um Radsport und Österreich geht. Ja ja, oben war ich ja vorher auch schon, aber irgendwie fühlt sich jedes Mal wie das erste Mal an - definitiv etwas Besonderes! Ich schätze, es liegt daran, dass man als Flachländer - auch wenn sich manche Anstiege im Wienerwald nicht danach anfühlen - einfach nicht gewöhnt ist, im hochalpinen Gelände auf über 2.500 Metern herumzufahren. Und das ist gut so, finde ich! Ich finde es großartig, wie man sich staunend, mit offenem Mund und überwältigt Meter für Meter den Berg hochschraubt, immer wieder die Umgebung kontrolliert, ob das, was man erlebt, auch wirklich real ist und tatsächlich gerade passiert. Die Motorräder können der einzigartigen Ruhe auch keinen Abbruch tun (Pro-Tip: Nie am Wochenende fahren!). 

Wir sind nicht hier um Rekorde zu brechen - wir wollen etwas schaffen! Unser Hobby auf ein neues Level heben, unseren Körper fordern und dadurch besser kennenlernen, die Natur genießen, erkennen, in was für einem schönen Land wir leben, die Endorphine fließen lassen und dieses Glücksgefühl spüren. Und demütig sein!

Ich hab diesmal auf keinem Abschnitt auch nur ansatzweise einen PR oder eine Bestzeit erzielt, aber es war mir auch noch nie so egal! ;)

Weil es gerade so schön ist, erspare ich euch meine Ausführungen über hartnäckigen und starken Tauernwind auf der kräftezehrenden Anfahrt, eiskaltes Schmelzwasser von unten beim Abfahren und touristenverkehrsbedingte Besonderheiten... Genießt einfach die Fotos! :)

Glockner - die Rückseite

Statt nochmal die Räder zu zerlegen und mit Sack und Pack nach Südtirol zu tingeln, war als Abschluss noch eine Runde in Osttirol am Programm. Kals am Großglockner ist die "Rückseite des Glockners". Während sich über die bekannten Hochalpenstraße Touristenmassen und Ausflügler von Kärnten nach Salzburg wälzen, fährt man in Osttirol von Huben aus in ein Tal hinein nach Kals und von dort weiter über eine kleine Stichstraße zum Lucknerhaus. Dieses dient in den meisten Fällen als Ausgangspunkt für Glocknerwanderungen und -besteigungen.

"Besteigung" ist auch das richtige Stichwort, geht es doch auch hier gute 1.000 Höhenmeter am Stück bergauf. Der Charakter der Rückseite unterscheidet sich aber bedeutend von der Großglockner Hochalpenstraße - hier kurbelt man in Ruhe auf einer kleinen Bergstraße dahin - die hochalpine Landschaft fehlt hier und damit die Sensation des Außergewöhnlichen. Auf der Habenseite ist dafür eine wunderbare Landschaft und der Blick auf den Glockner-Gipfel zu verbuchen.

Wie auch am Tag zuvor, ist man auch hier sehr schnell wieder unten im Tal. Mitunter ist es fast etwas enttäuschend oder sogar "unfair", dass man nach - wie am Glockner - 2,5 Stunden Kletterei für die Abfahrt nur 15 Minuten benötigt. Das soll aber keinesfalls die Leistung abwerten, die man gerade zuvor erbracht hat!

Nach so viel Bergen fällt es kurz schwer, sich im Wiener Raum wieder zu orientieren. Zu groß und zu beeindruckend ist die landschaftliche Vielfalt in den Alpen - gerade wenn man es nicht gewöhnt ist. Aber genau von dieser Abwechslung lebt unser Sport und wir können uns glücklich schätzen, dass wir einen derart großen Strauß an Möglichkeiten zur Verfügung haben. Ein Hoch also auf die Abwechslung - wir kommen wieder!

Routen usw. findet ihr wie immer auf Strava!