Mit dem E-MTB in Osttirol, Teil 1 - Technisches
Jetzt fährt er also schon mit dem E-Bike herum... Als mich Lukas von P.Bike vor ein paar Wochen fragte, ob ich ein E-Bike testen möchte, waren die ersten Gedanken die üblichen: Igitt, E-Bike! Ich bin noch zu jung und fit für E-Bikes. Ich hab schon oft genug versucht, E-Biker einzuholen, zu überholen oder mich zumindest nicht düpieren zu lassen, wenn ich am Rennrad oder mit dem Crosser unterwegs war. Elektrische Unterstützung ist Betrug und unfair.
Nun ja, auf einem E-Bike gesessen bin ich noch nie und meine Mutter hat schon immer gesagt: "Ausprobieren, bevor man sich ein Urteil bildet!". Also: Eine Woche Urlaub in Osttirol mit dem Top-Modell der BMC E-Mountainbike-Kollektion, um mir einen Eindruck davon zu machen. Der nunmehrige Blogpost ist zweigeteilt, weil sich doch zwei recht gut abtrennbare Bereiche ergeben haben. Das hier ist daher der erste Teil über das Gerät an sich, das spektakuläre BMC Trailfox AMP. Der "psycho-soziale" Aspekt des elektrisch unterstützen Radfahrens, die psychologischen Untiefen und Erkenntnisse sowie die Tücken des Alltags werden dann im zweiten Teil behandelt.
First Contact
Lukas schiebt das BMC Trailfox AMP in den Verkaufsraum bei P.Bike und mir wird kurz schummrig ob der Dimensionen und der Wucht des Rads. Aber um das Ganze etwas einzuordnen: Meine Mountainbike-Ambitionen waren immer unterschiedlich ausgeprägt - mal mehr, mal weniger -, aber ich habe Mountainbiken nie mit dem gleichen Enthusiasmus betrieben wie Rennradfahren. Dementsprechend sieht meine bisherige MTB-Ausstattung aus. Mein bisher treues Mountainbike ist ein Canyon Nerve XC aus dem Jahr 2012. Damals war der MTB-Markt gerade im Umbruch befindlich, Twentyniner kamen auf und keiner wusste so genau, ob es sich durchsetzen würde - von 650B und Plus-Dimensionen war noch keine Rede. Elektronische Schaltungen waren am Rennrad brandneu, am MTB noch kein Thema. Boots-Standards und andere Entwicklungen, deren eigentliche Bedeutung ich - glaube ich - bis heute nicht richtig verstanden habe, waren auch noch weit weg. Einfach-Antriebe, versenkbare Sattelstützen, Steckachsen, ... - die Liste lässt sich noch fortsetzen. Vielleicht war auch das ein Aspekt am Mountainbiken, der mich eher davon abgehalten hat - etwas Simples und an sich Puristisches wie Radfahren sollte sich nicht bedenkenlos technischen Neuerungen und sich laufend ändernden Standards unterwerfen. Zurück also zu meinem bisherigen Mountainbike: Das Canyon ist ein 26-Zöller, drei Kettenblätter vorne, vollgefedert - immerhin. Kurzum: eher old-school. Über meine bisherigen "Erfolge" am Mountainbike-Sektor und meine letztjährigen Überlegungen könnt ihr hier mehr lesen.
In krassem Gegensatz dazu steht jetzt das BMC Trailfox AMP vor mir. Vollgepackt mit allem, was gut und teuer ist. Innovationen von vorne bis hinten. Das Topmodell der Serie. Der Reihe nach:
Technik
Die auffallendste Geschichte ist natürlich der Shimano STEPS MTB E-8000 Elektromotor, der unten im Tretlager sitzt. Dieser ist so verbaut, dass er dem Rad nicht noch zusätzlichen optischen Ballast mitgibt. Das gleiche gilt noch mehr für den Akku, der recht smart im Unterrohr verbaut ist. Der Hauptrahmen aus Karbon nimmt den Akku als integrierten Bestandteil der Konstruktion mit auf, so wird die Stabilität des ganzen Systems gesteigert. Der Akku ist natürlich abnehmbar, falls man ihn in der Wohnung aufladen oder vor Diebstahl schützen möchte. Ein Aufladen ist aber auch in eingebautem Zustand möglich. Dazu steckt man einfach das mitgelieferte Ladekabel ein und wartet - für eine volle Ladung ein paar Stunden, für eine kurze Zwischenaufladung reicht auch eine gute Stunde.
Der Motor besitzt eine Leitung von 250W und ist damit nicht der stärkste am Markt - Motoren mit 500 Watt sind hier schon im Umlauf. Was das im praktischen Betrieb bedeutet, dazu kommen wir noch. Der Akku hat eine Kapazität von 500 Wattstunden. Auch dazu später mehr, wer weiß schon, was das in der Praxis wirklich bedeutet.
Angesteuert wird der Motor über Wippen, die statt der linken Schalthebel am Lenker angebracht sind. Dank Einfach-Übersetzung werden zum Schalten nur die rechten Hebel benötigt, links kann man über zwei Schalter die Unterstützung des Elektromotors einschalten bzw. die Kraft des Motors regeln. Unterstützung bekommt man in drei Stufen: "ECO" bietet die geringste Unterstützung, schont dafür den Akku und dessen Laufzeit. "TRAIL" sorgt für einen stärkeren Schub, wenn es einmal steiler wird und "BOOST" macht schließlich das, wonach es klingt, wobei die Reichweite hier schnell in bedrohliche Regionen sinkt - so hoch ist hier der Stromverbrauch.
Unterstützung vom Motor kommt, sobald in die Pedale getreten wird. Eingebaute Leistungsmesser ermitteln die vom Fahrer aufgebrachte Kraft und regeln dementsprechend die Leistungsabgabe des Elektromotors. Hört man zu treten auf, pausiert auch der Elektromotor. Außerdem regelt das System bei 25 km/h ab, das heißt, auch hier hört der Elektromotor auf zu arbeiten. Dahinrasen in der Ebene funktioniert also nicht, aber sobald es flach ist, spart man ohnehin lieber Energie und gewinnt damit Reichweite.
Zu erwähnen ist noch der "WALK"-Modus. Nachdem ein E-Bike ja gewichtsmäßig nicht die leichteste Angelegenheit ist, kann es schon mal schwierig werden, das Bike einen Trail entlang zu schieben oder sogar zu tragen. Dafür gibt es - ebenfalls über die vorher angesprochenen Wippen am Lenker anwählbar - eine Schiebehilfe, bei der durch Knopfdruck das Rad neben einem her fährt. Klingt vielleicht etwas seltsam, macht aber durchaus Sinn.
Einfachantriebe haben im Mountainbike-Sektor einen erklecklichen Marktanteil erlangt. Riesige Ritzelpakete und hochkomplexe Schaltwerke hinten machen den Umwerfer und weitere Kettenblätter überflüssig. Nur wer extreme Bandbreiten braucht, schwört heute noch auf Umwerfer vorne. Mit Zwölffachantrieben ist aber auch dieses Argument seit letztem Jahr immer mehr in Bedrängnis. Am E-Bike arbeitet man mit Unterstützung, da kann die Übersetzungsbandbreite daher etwas vernachlässigt werden. Am BMC ist vorne ein 34-er Kettenblatt verbaut, hinten werkt eine Kassette mit 11-46 Zähnen. 34-46 ist eine Übersetzung, die auch den steilsten Hängen den Schrecken nimmt, auch wenn einen der erste Blick auf den Gangsprung zum 46er-Ritzel an der Funktionsweise des ganzen Systems zweifeln lässt.
Das XTR Di2 Schaltwerk sortiert elektronisch die Gänge, Gangwechsel gehen supersanft und unmerklich vonstatten. Die Schaltlogik der Schalthebel am Lenker ist zwar - aus meiner Sicht - verkehrt, aber wer sich daran stört, kann dies mittels Bluetooth-Verbindung und zugehöriger Shimano-App ändern und anpassen. Den Strom bezieht die Schaltung aus dem Akku des E-Bikes. Ist der Strom für den Antrieb einmal erschöpft, bleibt trotzdem noch etwas Restspannung über, um die Schaltung am Leben zu erhalten.
Was das Rad im Auftritt so wuchtig dastehen lässt, ist die aufgezogene Plus-Bereifung. Laufräder im Format 27,5, Plus-Bereifung mit einer Breite von 2,8 Zoll von Maxxis - so steht das BMC da. Es rollt sehr komfortabel und der Grip ist nahezu grenzenlos. Mit dem Luftdruck kann man spielen, um das Rad an die persönlichen Präferenzen und den Einsatzzweck anzupassen. Die Karbonfelgen von DT Swiss schauen gut aus und reduzieren das Gewicht, wobei das beim Gewicht der enormen Reifen ohnehin wieder untergeht.
Ab auf die Piste!
Eine Woche mit dem E-Bike in Osttirol also - steile Anstiege, lange Steigungen. Der Plan ist, einfach so wie immer zu fahren - die gleichen Routen, die gleichen Berge, die gleiche Anstrengung meinerseits, nur halt diesmal mit zusätzlicher Unterstützung. Die erste Runde lege ich konservativ an - zu unbekannt ist mir die Technologie, unklar die Reichweite des Akkus. Im ECO-Modus geht es durch das Debanttal zur Lienzer Hütte, 1.300 Höhenmeter verteilt auf gut 16 Kilometer. Der Elektromotor surrt entspannt zu jedem meiner Tritte. Schon auf den ersten Metern wird klar, dass es mit Motor um einiges schneller dahingeht. Kurz in den Trail- oder Boost-Modus schalten und es fühlt sich fast unwirklich an. Zu sehr hat der eigene Körper abgespeichert, welche Kraft für welche Art von Anstieg und Steigung notwendig ist.
Die Anzeige des Elektromotors im Auge verschwindet ein Balken nach dem anderen. Ich habe noch kein Gefühl dafür, wie weit man tatsächlich mit elektrischer Unterstützung radeln kann. Es gibt eine Restkilometer-Angabe, doch diese schwankt je nach Kraftaufwand, Intensität, Lust und Laune - aus anfangs 120 Kilometern werden schnell 60, daraus schnell 31, bei kurzem Leerlauf wieder 40 und plötzlich sind es nur noch 7 Kilometer. Und so kommt es, wie es kommen muss - bei einem kurzen Gegenanstieg auf die Faschingalm am Rückweg piepst es dreimal und die Unterstützung des Elektromotors ist verschwunden. Erst jetzt offenbart sich das Gewicht des Rads - immerhin stattliche 22 Kilo - und das Pedalieren auf einem 10-prozentigen Anstieg fühlt sich immer schwerer und schwerer an. Nach zwei Stunden des unterstützten Tretens stößt einen der fehlende Motorantrieb in ein tiefes Loch. Alles fühlt sich zäh, teigig und schwergängig an.
Nächste Runde: Ederplan. Eine ziemlich kompromisslose Forststrasse mit einer beständig brutalen Steigung ohne viele Möglichkeiten, sich zwischendurch auszurasten. Und kurz vor dem Gipfel wartet der Henker schlechthin, ein knapper Kilometer mit einer Steigung von bis zu 30%. Die Manöverkritik der ersten Ausfahrt hat Fehler in meiner Handhabung des Elektromotors ergeben. Punkt 1: randvoll aufladen, nicht nur "fast ganz". Punkt 2: In der Anfahrt zum Berg - im Flachen - Energie sparen und den Elektromotor ausgeschaltet lassen. 1.400 Höhenmeter auf knapp zehn Kilometern Länge - ich starte wieder mit dem ECO-Modus, wechsle in steileren Passagen zwischendurch zweimal kurz in den Trailmodus, um auch steilere Stücke flott hinauf zu treten, im oberen Steilstück dann in den BOOST-Modus und es geht mit unglaublicher Leichtigkeit durch die steilsten Passsagen. Hier wäre ich vom "normalen" MTB längst abgestiegen. Der Hinterreifen gerät auf der feuchten Oberfläche des Wegs an seine Haftungsgrenze, hier ist der Vortrieb fast schon zu stark. Die Auswertung auf Strava wird nachher ergeben, dass ich hier vier Minuten schneller war als MTB-Weltmeister Alban Lakata - 7 Minuten vs. 11 Minuten. (Als braver Strava-User ändere ich natürlich sofort die Aktivität auf E-Radfahrt, wodurch sämtliche Rekorde und Segmente nicht gewertet werden).
In der Abfahrt offenbart sich ein anderes Rad. Das "E" ist hier irrelevant - erstens deaktiviert sich ja ab 25 km/h der Motor, Stromsparen ist zudem bergab die beste Option und aufgrund der Schwerkraft geht es ohnehin flott dahin. Die 22 Kilogramm des BMC treiben das Rad talwärts. Es liegt sehr satt und ruhig - das ist wohl den breiten Reifen (inkl. komfortablem Reifendruck), dem langen Radstand und dem hohen Gesamtgewicht (inkl. Fahrer) geschuldet. Solange es also auf Forststraßen und guten Wegen flott bergab geht, ist alles super. Technischere Passagen und anspruchsvolle Trails sind insofern etwas schwieriger zu meistern, als das Gewicht und die Geometrie des Rads einiges an Überzeugungskraft benötigen, um schnelle Richtungsänderungen, Bunnyhops und dergleichen zu bewerkstelligen. Insgesamt überwiegt bergab jedoch ein sehr sicherer und stabiler Eindruck. Die Federung - vorne und hinten stehen 150 Millimeter Federweg zur Verfügung - arbeitet tadellos und spricht gut auch auf kleine Unebenheiten an. Wer sich auskennt und ein wenig Zeit investieren möchte, findet auch vielfältige Einstellungsmöglichkeiten an den Federelementen.
Wo viel Gewicht ist, sind gute Bremsen vonnöten. Während die Scheibenbremsen-Diskussion bei Rennrädern eher noch an banalen Problemen festhängt, sind Scheiben an Mountainbikes gefühlt schon ewig Standard, dementsprechend der Entwicklungsstand und die technische Ausführung. Am BMC kommen Shimano Saint Bremsen zum Einsatz, die normalerweise eher im Enduro- oder gar im Downhill-Bereich zu finden sind. Am E-Bike haben diese durchaus ihre Berechtigung, ist das Systemgewicht doch vergleichsweise höher. Beruhigend in diesem Zusammenhang ist auch die Dimensionierung der Bremsscheiben mit jeweils 200 Millimetern vorne und hinten. Bei jedem Griff in die Bremshebel steht die volle Bremsleistung an, die Dosierung ist mit einem Finger problemlos möglich. Auch längere Bergabpassagen mit intensiver Bremserei werden einwandfrei gemeistert. Erst bei längerem Schleifenlassen gibt es eine deutliche akustische Rückmeldung von den Scheiben, ohne dass sich dabei aber die Bremsleistung reduziert. Die paar Extra-Gramm sind meiner Meinung nach sehr gut investiert und ich bin - in Anbetracht meines Körpergewichts - ja grundsätzlich ein Fan von größeren Bremsscheiben und verstehe nicht, warum viele Hersteller gerade an dieser Stelle sparen.
Bevor man nach dem Preis dieses tollen Gesamtpakets fragt, sollte man sitzen oder recht standhaft sein - hüstel 11.999 Euro hüstel ... Zugegebenermaßen handelt es sich hier um das Topmodell der Serie, eine technologische Speerspitze, die vollgepackt ist, mit allem, was technologisch gut und innovativ ist. Glücklicherweise hat BMC in der Serie der elektrischen Trailfox-Serie noch zwei weitere Modelle, die die gleiche Technologie mit anderen Anbauteilen und Komponenten um einen realitätsnäheren Preis bieten. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Räder dadurch günstig sind - man sollte schon so ein Rad wollen und brauchen.
Womit wir bei der Frage wären, ob ich mir ein E-MTB im Allgemeinen und das BMC Trailfox AMP im Speziellen kaufen würde. Die Frage ist zugegebenermaßen knifflig, der Blogbeitrag bekommt nicht umsonst auch einen zweiten Teil ... Technisch steht hier ein absolut einwandfreies, innovatives und perfekt verarbeitetes Rad, es macht Riesen-Spaß, damit durch die Berge zu flitzen, und ermöglicht ein Fahren auch dort noch, wo ich ansonsten vermutlich nicht mehr hinkommen würde, oder einfach einen größeren Aktionsradius - bei gleicher Anstrengung. Sofern die Frage also lautet, ob man seine Mobilität erhalten und/oder erweitern möchte, ist ein E-Bike grundsätzlich eine gute Lösung.
Eine gewisse Mündigkeit des Nutzers und der Nutzerin von E-Bikes muss ich an dieser Stelle voraussetzen. Diese beinhaltet, halbwegs zu wissen, was man tut, das Rad bedienen zu können, sich richtig einzuschätzen und - wie jeder Radler und jede Radlerin - ein sozial verträgliches und nettes Wesen zu sein. Jene, die in Tourismusgebieten mit Turnschuhen und ohne jegliches Fahrkönnen in Hochgebirgsregionen fahren und von dort entweder mit schleifenden Bremsen zwei Stunden wieder runterfahren (und damit einen Satz Bremsbeläge killen) oder die im schlimmsten Fall nicht mehr zurückkönnen und vielleicht sogar einen Einsatz der Bergrettung auslösen, sind eine eigene Geschichte... Hier ist - wie immer - nicht das Rad das Problem, sondern der Mensch. Lösungen für dieses Dilemma und Gedanken dazu könnten mehrere Blogbeiträge füllen.
Bei meiner persönlichen Entscheidung für oder gegen "E" geht es eher um die kleinen - vermeintlich banalen - Aspekte. Einige davon werde ich im zweiten Teil detailliert ausführen, geht es doch hauptsächlich um die "soften" Faktoren. Solange ich kann, möchte ich mich einfach den Berg hinaufkämpfen und auch etwas quälen, um mir den Gipfel zu verdienen. Negativ sind für mich eher Kleinigkeiten - um das Rad in eine Wohnung zu tragen oder dergleichen, ist es mir zu schwer. Auch etwas immer wieder aufladen zu müssen, ist mir oft zu mühsam. Für den Moment heißt es für mich daher: Technisch Top! Großer Spaß! Ab und zu nutzen, ja! Kaufen? Im Moment nicht.
Das Test-Rad wurde mir von BMC und P.Bike zur Verfügung gestellt.